Stakte (2. Mose 30,34)
Wenn wir die Bedeutung dieses Gewürzes zu ergründen suchen, so spüren wir die Feierlichkeit des Gegenstandes, mit dem wir es hier zu tun haben und die Heiligkeit des Ortes, in den wir nun eintreten.
Stakte ist einer der Wohlgerüche, die nur in den Himmeln, in der Wohnung Gottes eingeatmet werden können. Sie steigen vom goldenen Altar zu seinem Thron empor; sie entschweben dem goldenen Räucherfass und breiten sich gleich einer Wolke vor Ihm aus. Wie heilig ist dieser Ort! Welch gesegnete Sphäre! Glückselig die, die in diesem Heiligtum wohnen! Dass wir uns durch den Glauben doch immer dort aufhielten, bis wir durch Jesus, den verherrlichten Menschen, auch dem Leib nach dort eingeführt werden!
Stakte ist ein vorzügliches, doch sehr seltenes Gewürz. Wenn die fliessende Myrrhe aus der Rinde des Balsamstrauches tropft und an die Luft tritt, verdichten sich die Tropfen. Doch verbleibt manchmal in ihrer Mitte eine flüssige Substanz. Lässt man diese Flüssigkeit austreten und austrocknen, so entsteht ein weisses Pulver, die Stakte.
Altgriechische Schreiber bezeichnen Stakte als eines der auserlesensten Gewürze. In der Heiligen Schrift ist sie ein Vorbild von dem, was in den Leiden Christi dem menschlichen Auge verborgen war. In diesen Tiefen sind Dinge, die Gott allein kennt, Vortrefflichkeiten die Er allein zu schätzen fähig ist, Wohlgerüche, die nur Er wahrnehmen kann: der Wohlgeruch Christi für Gott.
Wir sind ganz und gar unfähig zu begreifen, was im innersten seines Wesens vor sich ging, als Er der Mann der Schmerzen war, das heilige Opferlamm, das den Mund nicht auftat, als es zur Schlachtung geführt wurde. Kein Sterblicher kann diese Dinge ergründen. Niemand ist fähig, den Wohlgeruch zu kennen, der ununterbrochen zu Gott emporstieg, als Übel bis zur Unzahl den Heiligen Gottes trafen und unsere Ungerechtigkeiten Ihn erreichten. Es ist somit unmöglich, das zu beschreiben, was im Grund des Herzens dieser gesegneten Person vor sich ging, und das Wohlgefallen zu erfassen, das Gott an seinem Leben fand, das vor Ihm ein fortwährendes Opfer gewesen ist.
Das alles übersteigt jede menschliche Auffassungskraft. Um davon sprechen zu können, müssten wir die Herrlichkeiten des Vaterhauses kennen, in denen Er sich von Ewigkeit her aufhielt. Wir müssten die tiefe Erniedrigung zu ergründen vermögen, zu der Er durch seine Menschwerdung hinabstieg und was es für Ihn bedeutete, für uns in den kotigen Schlamm zu versinken, in dem Er nirgends Fuss fassen konnte. Wir müssten auch die unaussprechliche Liebe des Vaters zu Ihm erkennen, deren Er sich von Ewigkeit her erfreut hatte, und daneben all den Hass der Welt, dessen Zielscheibe Er als Mensch gewesen ist. Wir müssten die Bangigkeit von Gethsemane, die Gottverlassenheit auf Golgatha, die Schrecken des Todes als Lohn der Sünde erlebt haben, um verstehen zu können, welche inneren Nöte er erlitten haben muss. Man müsste Gott sein, um den Wert der Leiden dieses vollkommenen Menschen ermessen und den Wohlgeruch, der aus diesen Leiden vor den Thron Gottes emporgestiegen ist, richtig schätzen zu können. Der vortreffliche Wohlgeruch der Stakte erinnert uns an all diese Dinge.
Die Räuchermuschel (2. Mose 30,34)
Das ist das zweite Gewürz in der Zusammensetzung des Weihrauchs, der im Heiligtum dargebracht wurde. Es wird aus einer Muschel gewonnen, die eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem Gehäuse der Purpurschnecke. Man findet sie in den Tiefen des Meeres, die besten jedoch im Roten Meer.
Es sind keine langen Erklärungen nötig, um die vorbildliche Bedeutung dieses Gewürzes zu verstehen. Einige Stellen aus dem Wort Gottes geben uns Klarheit darüber: «Rette mich, o Gott, denn die Wasser sind bis an die Seele gekommen! Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich» (Ps 69,2.3). «Tiefe ruft der Tiefe beim Brausen deiner Wassergüsse; alle deine Wogen und deine Wellen sind über mich hingegangen» (Ps 42,8). «Er streckte seine Hand aus von der Höhe, er nahm mich, er zog mich aus grossen Wassern» (Ps 18,17).
Wir könnten noch mehr Stellen anführen, doch zeigen uns diese drei am deutlichsten, wie Christus die hohen Wogen und die tiefen Wasser des göttlichen Gerichts über sich ergehen lassen musste. Aber selbst aus seiner grössten Not, aus seinen tiefsten Leiden stieg der kostbare Wohlgeruch seines Namens zu Gott empor. Jesus hat es übernommen, seinen Gott und Vater völlig zu verherrlichen, da, wo wir Ihn verunehrt hatten. Seither steigt im Heiligtum die Erinnerung an das, was Er in Erfüllung dieser Aufgabe für Gott war, als Wohlgeruch zu Ihm empor. Der Wohlgeruch des Namens Jesu findet sich überall da, wo sein Weg hindurchführte, selbst in den grössten Tiefen.
Galban (2. Mose 30,34)
Galban ist der milchig weisse Saft einer Pflanze, die auf Kalkboden wächst. Sein Geschmack ist scharf und er strömt einen unangenehmen Geruch aus. Doch mit anderen Gewürzen zusammen ergibt sich ein herrlich duftendes Gemisch.
Das Vorhandensein von Galban unter den wohlriechenden Gewürzen des Heiligtums hat schon viele in Erstaunen gesetzt, und selbst in früher Zeit haben Schriftsteller darüber Vermutungen aufgestellt. Doch ist die Erklärung gar nicht so schwierig, wenn wir auf dem Boden der Heiligen Schrift bleiben.
2. Korinther 2,16 bezeichnet uns genau die Bedeutung dieses an sich üblen Geruchs. Es ist der Geruch des Namens Christi für den Ungläubigen. Für ihn ist es ein Geruch des Todes. Er sieht nichts Begehrenswertes an dem schönen Namen Jesus. Im Gegenteil, dieser hat für ihn einen unangenehmen, widerlichen Geruch. Sprich zu ihm von Jesus, und sofort wird er das Gespräch auf einen anderen Gegenstand zu lenken suchen oder daran Anstoss nehmen. Doch, welch kostbares Geheimnis: Der Name Jesu, der dem Ungläubigen, gleich dem Geruch des Galbans, abstossend erscheint, ist gerade der vorzügliche Wohlgeruch des Heiligtums Gottes. Er ist für die, die errettet werden und durch einfältigen Glauben an Ihn dieses Leben besitzen, ein Geruch vom Leben zum Leben.
Weihrauch (2. Mose 30,34)
Gleich manchen anderen Gewürzen ist auch Weihrauch der Saft einer kalkliebenden Pflanze der warmen Länder. Er verbrennt mit weisser Flamme und verbreitet einen dichten weissen Rauch von angenehmem Geruch. Nur durch Verbrennung wird dieser Wohlgeruch frei. Oft fügt man dem Weihrauch andere Gewürze bei, um den Geruch zu verstärken oder leicht zu verändern.
Der Weihrauch des Heiligtums war, wie wir schon sahen, von besonderer Zusammensetzung. Zum eigentlichen Weihrauch kamen Stakte, Räuchermuschel und Galban, jedes Gewürz in gleichen Gewichtsteilen. Das Ganze wurde noch gesalzen.
Das Räucherwerk musste ganz fein zerstossen und vor das Zeugnis ins Zelt der Zusammenkunft gelegt werden (2. Mo 30,36). Dieselbe Gewürzmischung wurde auch Morgen für Morgen und Abend für Abend beim Zurichten oder Anzünden der Lampen auf dem goldenen Räucheraltar vor dem Vorhang verbrannt. Mit ihm füllte der Priester auch seine beiden Hände und legte es auf die Kohlen des goldenen Weihrauchfasses, wenn er am grossen Versöhnungstag ins Allerheiligste hineinging. Er war dann in eine Wolke lieblichen Geruchs gehüllt, der zu Gott emporstieg. So vermochte er vor Gott zu stehen.
Der Weihrauch musste immer mit Feuerkohlen entzündet werden, die man vom Brandopferaltar genommen hatte: Der Wohlgeruch des Namens Jesu kann unmöglich von seinem blutigen Opfer getrennt werden.
Der Weihrauch ist ein Bild der Fürbitte Christi für die Seinen. «Lass als Räucherwerk vor dir bestehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als Abendopfer» (Ps 141,2). Welch hohen Fürsprecher haben wir doch; wie unschätzbar wertvoll ist für uns die Ausübung dieses seines Amtes vor Gott! Er steht dort für uns in dem vollen Wert seiner vollkommenen Menschheit und seines Opfers.
Wir fühlen hier wiederum unser Unvermögen, über solche Dinge zu schreiben. Sie sind uns zu hoch in unserem Zustand der Schwachheit. Doch haben wir das Vorrecht, uns allezeit durch Glauben im gesegneten Raum des Heiligtums aufzuhalten. Möchten wir doch stets dort weilen!