Die ersten Kapitel des Buches Josua (1)

Josua 1,1-4

1. Vorbereitungen zur Einnahme des Landes

Kapitel 1

Verse 1-4

Das Buch Josua sollte als Fortsetzung der vorangehenden fünf Bücher Mose gelesen werden. Es ist nicht so sehr eine Ergänzung oder ein Anhang dazu, als vielmehr ein neues Kapitel in der Geschichte des Volkes Israel, das von der Erfüllung der Verheissung Gottes an ihre Väter, dass sie das Land Kanaan besitzen sollten, berichtet.

Ungefähr fünfhundert Jahre früher verliess Abraham Mesopotamien, in Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes: «ohne zu wissen, wohin er komme». Er wurde in das Land Kanaan geleitet, das Gott ihm und seinen Nachkommen zu geben verhiess. Darüber hinaus sagte Gott, dass durch die im Land niedergelassenen Nachkommen Abrahams ein Segen zu allen Geschlechtern der Erde ausgehen werde (1. Mose 12).

In dem Augenblick, mit dem wir uns jetzt beschäftigen, lagert sich das Volk Israel, die Nachkommen Abrahams, an der Grenze Kanaans, des verheissenen Landes. Sie waren ihr schon einmal so nahe gewesen. Bald nach ihrem Auszug aus Ägypten hatten sie Kades-Barnea erreicht, das am Rand des Landes lag (5. Mo 1,19.20). Da hätten sie davon Besitz ergreifen können, aber durch Unglauben und mangelndes Vertrauen in den HERRN wagten sie nicht, die Grenzen zu überschreiten. Und durch diese offenbare Sünde wurden sie zum Wandern in der Wüste verurteilt, bis vierzig Jahre vergangen waren. Das ganze Geschlecht, das aus Ägypten gezogen war, starb wegen ihres hartnäckigen Unglaubens in der Wüste. Nur zwei waren übriggeblieben: Josua und Kaleb, Männer eines starken, unerschütterlichen Glaubens. Von jenem Geschlecht durften sie allein eingehen; nicht einmal Mose und Aaron wurde es erlaubt, in das Land einzutreten.

Dem Land Kanaan ist nach Gottes Ratschlüssen ein bedeutender Platz hinsichtlich der Regierung der Nationen der Welt gegeben. Er wollte es zu einem Zentrum machen, von dem aus die Segnungen seiner vollkommenen Regierung nach jeder Richtung hin zu der ganzen Welt ausstrahlen sollten. Dieser Gedanke war schon vor Grundlegung der Welt im Herzen Gottes (siehe 5. Mose 32,8). Nun sollte sein erlöstes Volk in sein Erbteil eintreten und es besetzen.

Josua als Führer und als Vorbild

In erster Linie stellen wir fest, dass Gott in Josua einen geeigneten Führer zubereitet hatte, um sein Volk in das Land zu bringen (4. Mo 27,18-23). Vor ihm hatte der HERR in Mose einen Führer zubereitet, um sie aus Ägypten herauszuführen, und einen anderen Führer in Aaron, dem Hohenpriester, um sie in ihrem Gottesdienst in der Wüste zu leiten. Nach ihrer Niederlassung im Land bereitete Er David, einen Mann nach seinem eigenen Herzen zu, um auf dem Thron des dann aufgerichteten Königreiches zu sitzen und dieses Reich an die erste Stelle aller Nationen der Erde zu bringen. Mose, Aaron und David, hervorragende Männer in der Regierung des HERRN über sein Volk, waren jeder für sich Vorbilder auf den Herrn Jesus Christus hin, dem Propheten, Priester und König des HERRN.

Aber Josua war verschieden von diesen dreien. Auch er war ein Vorbild von Christus, aber in einer besonderen Weise. Josuas Aufgabe war, das Volk in das Land zu bringen, ihm über seine Feinde im Land Sieg zu geben und dafür zu sorgen, dass jeder Mann, jede Familie und jeder Stamm den für ihn bezeichneten und geeigneten Wohnsitz bekam. In diesem besonderen Dienst ist Josua ein auffallendes Vorbild auf unseren Herrn Jesus Christus, der jede Familie des Glaubens in ihr himmlisches Erbteil einführt. Wie Israel, haben auch wir, die Glaubenden, ein Erbteil vor uns. Es ist jedoch ein himmlisches Erbe, verbunden mit dem Herrn Jesus Christus, da, wo Er jetzt ist. Es hat keine geographischen Grenzen wie das Land Kanaan. Seine Stätte wird nicht auf den Karten dieser Welt gefunden. Seine geistliche Natur wird nur im Wort Gottes beschrieben, und beim Lesen benötigen wir göttliche Leitung, um zu verstehen, was das besondere Teil derer ist, die an den Herrn Jesus glauben. Aber Gott hat uns Einen gegeben, der fähig ist, uns in die Erkenntnis aller geistlichen Segnungen einzuführen, die uns jetzt gehören und uns «in Christus Jesus» auf immerdar gesichert sind. Dieser Eine ist der Herr Jesus Christus. Josua ist ein Vorbild von Ihm, der in den himmlischen Örtern ist, von dem Einen, den wir nur durch die Kraft des Heiligen Geistes kennen. Wir haben Ihn nicht mit unseren natürlichen Augen gesehen, aber seine Gegenwart und Kraft hat für uns Wirklichkeit.

In der Tat, wir können nichts ohne Ihn tun. Wir leben im Bewusstsein seiner Liebe, seiner Vortrefflichkeit, seiner Macht, seiner Weisheit, und nur unter seiner Leitung sind wir fähig, diese offenbarten Dinge festzuhalten, die wir durch Glauben kennen gelernt haben. Der Glaube gibt uns eine Erkenntnis der unsichtbaren und erhöhten Person des Herrn Jesus Christus, und wenn wir Ihn kennen und Ihm folgen, führt Er uns in den Besitz unserer geistlichen Segnungen in Ihm selbst ein. Er bringt uns an unseren richtigen Platz im himmlischen Erbteil, so wie Josua das Land durch das Los unter die Kinder Israel aufteilte, entsprechend ihren Familien. Und wenn Josua zum Beispiel die Grenze des Stammes Issaschar festsetzte, so blieb sie bestehen, weil Josua sie entsprechend dem Willen des HERRN bezeichnet hatte, welcher Wille allein die Dauerhaftigkeit der Gabe gewährleistete.

So haben in gleicher Weise auch unsere geistlichen Besitztümer «in Christus Jesus» einen unvergänglichen Wert; denn Er hat sie uns gegeben. Durch Glauben können wir jetzt schon die Reichtümer unseres Erbteils wahrnehmen und uns aneignen. Wir dürfen mit der Gewissheit durch diese Welt schreiten, dass wir reich beschenkt sind mit unschätzbaren Segnungen, die über den Gesichtskreis eines sterblichen Menschen weit hinausgehen. Aber ihr gegenwärtiger geistlicher Wert wird nicht erfasst, noch ihre Fülle gewürdigt, ohne den Dienst der lebendigen Person unseres Herrn. Unser Josua muss uns in den persönlichen Besitz dieser Dinge bringen. Er muss uns befähigen, gegen die Heere der Finsternis und die Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern zu kämpfen, die unseren Besitz und Genuss des geistlichen Bereiches streitig machen wollen, der nach dem Willen und der Gnade Gottes uns gehört (Eph 6,10-18).

Nach dem Tod Moses tritt Josua in den Vordergrund der Geschichte Israels. Wir lesen schon in den Vorangegangenen Büchern von ihm. Sie berichten von seinem bemerkenswerten Sieg über Amalek, als er im Tal Rephidim den Kampf anführte, während Mose, Aaron und Hur auf dem Berg beteten (2. Mo 17,8-16). Zu jener Zeit war Josua im Kampf mit den Feinden Israels in der Wüste und überwand sie. Aber nun sind Israels Feinde nicht in der Wüste, sondern im Land Kanaan. Und wieder wird Josua das Volk des HERRN zum Sieg führen.

Unser Erbe nach dem Epheserbrief

Das Buch Josua hat im Neuen Testament ein geistliches Gegenstück, besonders im Brief an die Epheser, wo die himmlische Berufung und Bestimmung der Versammlung entfaltet werden. Um diesen Brief zu verstehen und einen praktischen Nutzen davon zu haben, müssen wir «stark sein im Herrn und in der Macht seiner Stärke». Dieser Brief wird durch ein gelegentliches, schnelles Lesen, sagen wir auf der Reise, noch nicht erfasst. Seine tiefe Bedeutung will mit Ernst und in Ruhe, mit Gebet und eifrigem Suchen erfasst werden, wir müssen dabei «erleuchtet werden an den Augen unseres Herzens» (Epheser 1,15-19).

Josua, der Erretter

An den Grenzen des Landes war Israel ganz offen sichtlich abhängig von dem HERRN und seiner Stärke. Da war ein grosser Unterschied zwischen diesem gegenwärtigen Bedürfnis und jenem beim Beginn ihrer Wüstenreise. Am Roten Meer war das Volk voller Furcht, weil der Pharao mit seinen Wagen und seinen Reitern hinter ihnen herstürmte. Dann aber kam das Wort des HERRN: «Steht und seht die Rettung des HERRN» (2. Mo 14,13). Und Gott gab ihnen einen wunderbaren Sieg über ihre Verfolger.

Hier jedoch waren ihre Feinde nicht hinter ihnen, sondern vor ihnen, um sie am Eintritt in das Land zu hindern. Die Umstände waren verschieden, doch auch hier benötigten sie die Rettung des HERRN. Und Josua, der Sohn Nuns, wird jetzt der Anführer ihrer Errettung. Sein Name, Josua, bedeutet: «der HERR ist Rettung». Vierzig Jahre zuvor hatte das Volk gesehen, wie der HERR sie aus dem Haus der Knechtschaft errettete (2. Mo 14,30). Als sie die Leichname der Ägypter sahen, wussten sie, dass ihre Befreiung von ihrer früheren bitteren Knechtschaft vollendet war, und – soweit es sie betraf – waren sie errettet von der Sklaverei, um Diener des HERRN zu werden.

Hier aber verhinderte die natürliche Schranke des Jordan, wie auch die Wachsamkeit und Tapferkeit der Kanaaniter ihr Vorrücken; und wie konnten sie nun in das Land der Verheissung eindringen? Ein starker und weiser Führer musste sich an ihre Spitze stellen. Sie brauchten «die Rettung des HERRN» und diese wurde ihnen in Josua gegeben, dessen Name gerade diese Bedeutung hat. «Josua» ist die hebräische Form von Jesus. Der Engel sagte zu Joseph: «Du sollst seinen Namen Jesus nennen; denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden» (Mt 1,21). Und Er ist der Erretter, nicht nur von unseren Sünden, sondern auch von diesen geistlichen Feinden, die unserem christlichen Fortschritt Tag für Tag entgegenstehen. Wir benötigen tägliche Befreiung. Die schwierigste Aufgabe im christlichen Leben besteht darin, ständig und sicher Fortschritte zu machen. Wenn wir in unseren Anstrengungen erschlaffen, gleiten wir rückwärts und erleiden im Kampf mit unseren Feinden einen Rückschlag. Aber wir haben einen mächtigen und unfehlbaren Führer in Jesus Christus, unserem Herrn. Unser Josua ist unser täglicher Erretter von den unsichtbaren Feinden, die unseren geistlichen Fortschritt verhindern wollen, der in der Aneignung unseres himmlischen Besitzes besteht, wie er in den Briefen des Apostels Paulus offenbart wird.

Die Grenzen des Landes

Beachten wir, dass der HERR Josua, dem auserwählten Führer Israels, einen Überblick über das gute und geräumige Land gab, das als ihr Eigentum vor ihnen lag. Mose sah es vom Berg Nebo herab, aber er durfte nicht «hinübergehen» (5. Mo 34,1-4). Das Volk war in den Ebenen Moabs, und selbst in der klaren Luft jener Gegend unfähig, viel von der grossen Landschaft vor ihnen zu sehen. Aber Gott hatte dessen Grenzen Josua bezeichnet: «Von der Wüste und diesem Libanon bis zum grossen Strom, dem Strom Euphrat, das ganze Land der Hethiter, und bis zum grossen Meer gegen Sonnenuntergang» (Jos 1,4).

Hinter ihnen, gegen Süden, war die Wüste, durch die sie vierzig Jahre lang gewandert waren; gegen Norden das grosse Gebirge des Libanon; gegen Osten der grosse Strom Euphrat und gegen Westen das grosse Mittelländische Meer. Es war ein weit ausgedehntes Gebiet, aber dies waren die Grenzen des Landes, das Gott Abraham, Isaak und Jakob verheissen hatte, und das Er nun ihren Nachkommen schenken wollte.

Das Land war von vier Seiten eingeschlossen. Diese vier Seiten sind eine Illustration verschiedener Gesichtspunkte, in denen die Welt betrachtet werden muss, die das himmlische Erbteil umgibt, das uns durch Glauben gehört. Dieses Erbe ist unverweslich und ist in den Himmeln aufbewahrt für uns (1. Pet 1,4). Wir werden es schliesslich im neuen Leib in Besitz nehmen. Aber wir betrachten jetzt die Wahrheit, dass wir durch Glauben befähigt sind, von diesem Erbteil einen gegenwärtigen Gebrauch zu machen. Wir können unsere Seelen durch die Betrachtung seiner Herrlichkeiten stärken und ermutigen. «Mein Reich ist nicht von dieser Welt», sagte unser Herr zu Pilatus. Es ist in allen seinen verschiedenen Gesichtspunkten von der Welt abgesondert, ob wir es von Norden, Süden, Osten oder Westen betrachten.

Die Grenzen des Gebietes des Volkes des HERRN sind also

  • die Wüste,
  • der Libanon,
  • der grosse Strom und
  • das grosse Meer.

Die Wüste

Die Wüste war unfruchtbar für alles, was zur Erhaltung des Lebens nötig ist. Da war keine tägliche Nahrung in der Wüste. Das Manna konnte nur vom Himmel kommen. Das Wasser, das ihren Durst löschte, konnte nur aus dem geschlagenen Felsen fliessen. Aber wenn sie über diese Grenze in das Land Immanuel einzogen, so waren da liebliche Kornfelder und Wasserquellen in Fülle.

Der Libanon

Im Libanon zeigt sich die Welt von einem anderen Gesichtspunkt aus. In diesem schönen Gebirge sehen wir ein Bild irdischer Herrlichkeit, Kraft und Schönheit. Die Welt bietet einerseits auch einen fesselnden Anblick, der unsere natürlichen Sinne anzieht. In der Welt finden sich «die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens», die wir nicht lieben sollen (1. Joh 2,16). Sie passen nicht zum himmlischen Erbteil, das Gott, unser Vater, uns gegeben hat.

Der Euphrat

Da ist auch der grosse Strom Euphrat. In der Schrift ist der Fluss oder Strom das Zeichen weltlichen Gedeihens, günstig für den Handel, günstig für die Landwirtschaft. So wie Verkehr und Wirtschaft aus den breiten und tiefen Strömen Nutzen ziehen, so sind auch die Dinge dieser Erde nützlich, befriedigen aber nur jene, die nichts weiter als das Gegenwärtige sehen. Wer keine himmlischen Besitztümer hat, sagt: «Lasst uns den Strom besitzen. Lasst uns, wie Lot, die ganz bewässerte Ebene des Jordans haben. Lasst uns aus dem gegenwärtigen Teil so viel wie möglich herausschlagen. Lasst uns essen und trinken und fröhlich sein; heute leben wir, morgen sind wir tot.» Das ist die Sprache Ninives und Babylons, die beim grossen Strom Euphrat gelegen sind.

Das Meer

Das Meer ist ein Bild des Aufruhrs und der Verwirrung unter den Nationen der Welt, die nie zur Ruhe kommen, immer in Bewegung sind, immer nach grösserer Macht und Herrschaft in der politischen Welt streben.

So sind also die «Grenzen» des Volkes Gottes klar bezeichnet. Die heilige Stadt, Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt von Gott, «liegt viereckig», und hat eine grosse und hohe Grenzmauer (Offenbarung 21). Und von den Seinen sagt der Herr Jesus: «Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin» (Joh 17,14). Der Garten des Herrn ist ein ummauerter Garten, abgeschlossen zur Absonderung, eingeschlossen zum Gedeihen.