Gottes Führung im Leben des Gläubigen
Gott gibt uns durch sein Wort grundsätzliche Belehrungen über seine Führung in unserem Leben. Um diese Prinzipien zu veranschaulichen, stellt Er uns in der Bibel positive und negative Beispiele vor. Sie zeigen uns, wie Er glaubende Menschen in den verschiedenen Lebensfragen leiten will. Wir möchten fünf Beispiele näher anschauen.
1) Zachäus – die Rettung eines Menschen
Lukas 19,1-10
In der Frage der göttlichen Leitung muss man zwischen der Seite des Menschen und der Seite Gottes unterscheiden. Der Mensch muss den Wunsch und Willen haben, sich von Gott führen zu lassen. Das ist hundertprozentig seine Verantwortung. Wenn Gott ihn dann führt, ist es hundertprozentig göttliche Gnade. Obwohl das mathematisch eine Unmöglichkeit ist, stimmt es dennoch. Das wird in der Geschichte von Zachäus deutlich, der durch die Begegnung mit dem Herrn Jesus zur Errettung geführt wurde.
Die Seite des Menschen
Die menschliche Seite zeigt sich in seinem dringenden Verlangen, den Herrn Jesus zu sehen. Diesem starken Wunsch standen zwei Hindernisse entgegen.
Das erste Hindernis – obwohl es zunächst nicht als solches erscheint – war sein grosses Vermögen. Das Wort Gottes bestätigt uns jedoch, dass irdische Vorzüge und Reichtümer wie Geld, materieller Besitz, hohe Intelligenz oder gute Ausbildung einen Menschen daran hindern können, zum Heiland zu kommen. Einmal sagte der Herr Jesus zu seinen Jüngern: «Wie schwer werden die, die Vermögen haben, in das Reich Gottes eingehen!» Daraufhin fragten die Jünger: «Wer kann dann errettet werden?» Seine Antwort lautete: «Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott» (Lk 18,24-27). Zachäus war wirklich ein reicher Mann. Aber sein Reichtum war nicht durch Fleiss und unter dem Segen Gottes entstanden. Er hatte durch falsche Anklage und ungerechte Machenschaften manche guten Gewinne gemacht. Das viele Geld befriedigte ihn jedoch nicht. Im Gegenteil, es plagte sein Gewissen, weil es unrechtmässig erworben war.
Das zweite Hindernis, das sich Zachäus in den Weg stellte, war seine kleine Gestalt. Als Folge davon verdeckte ihm die Volksmenge die Sicht. Kleine Menschen haben oft Komplexe. Daraus lässt sich ableiten, dass alles, worin der Mensch anderen gegenüber benachteiligt zu sein scheint, ihn daran hindern kann, zum Herrn Jesus zu kommen. Auf unserem Lebensweg treffen wir immer wieder Menschen an, die vieles besser können als wir. Da ist die Gefahr für uns gross, Minderwertigkeitsgefühle zu bekommen. Wir reden uns dann ein, dass es so viele Menschen gibt, die viel religiöser veranlagt sind als wir. Entmutigt fragen wir uns: Wie kann ich nur zum Erlöser kommen? So lassen wir uns davon abhalten, auf den Herrn Jesus zu blicken und Kontakt mit Ihm aufzunehmen.
Aber der brennende Wunsch von Zachäus, Jesus zu sehen, liess ihn alle Hindernisse überwinden. Weder sein Reichtum noch seine kleine Gestalt hielten ihn zurück. Kühn kletterte Zachäus auf einen Baum, um von dort den Herrn Jesus zu sehen. Was muss das wohl für diesen reichen Mann gewesen sein? Vielleicht fuhr er in einer vierspännigen Kutsche dorthin. Reiche Leute gehen ja nicht gern zu Fuss. Heute wäre er wohl mit dem grössten Mercedes vorgefahren. Nun stell dir vor: Jetzt steigt er aus diesem Wagen und alle sehen, wie er auf einen Baum klettert. Doch Zachäus war es einerlei, was die Leute über ihn dachten. Das ist wichtig, wenn es um die Errettung geht. Solange der Mensch darüber nachdenkt, was die Leute sagen, wenn er sich bekehrt, wird er diese Entscheidung nicht treffen und nicht zum Heiland kommen.
Mein Vater wuchs in einer ganz ungläubigen Umgebung auf. Als er vor der Entscheidung stand, zu Gott umzukehren, stellte ihm der Feind nächtelang vor, was wohl die ungläubigen Verwandten, Freunde und Nachbarn dazu sagen würden. Aber dann überwand er dieses Hindernis und übergab sein Leben dem Herrn Jesus. Wenn Gott uns führen will, müssen wir wie Zachäus bereit sein, Menschenfurcht zu überwinden.
Die Seite Gottes
Nun kommen wir zur göttlichen Seite. Der Herr erfüllte den sehnlichen Wunsch von Zachäus. «Als er an den Ort kam, sah Jesus auf und erblickte ihn und sprach zu ihm: Zachäus, steige eilends herab, denn heute muss ich in deinem Haus bleiben.» Was muss es für Zachäus gewesen sein, als er plötzlich den Heiland sah und zugleich merkte: Er sieht auch mich! Aber Jesus sah ihn nicht nur auf dem Baum, sondern Er erblickte ihn auch. Das ist keine Wiederholung. Wenn die Augen des Herrn Jesus einen Menschen erblicken, ist das nicht besonders angenehm, weil sie alles sehen – nicht nur die schöne Weste, sondern auch die verborgenen Winkel des Herzens. Der Herr sah im Herzen von Zachäus einerseits den Wunsch, Ihn zu sehen, und anderseits all die bösen Gedanken und Sünden. Aber Zachäus verschloss sich diesem Blick nicht. Er öffnete dem Heiland sein ganzes Herz. Darum sagte der Herr Jesus zu ihm: «Zachäus!» Er rief ihn mit Namen, um ihn zu retten.
Diese wichtige Wahrheit finden wir schon in Jesaja 43,1, wo Gott zu den Gläubigen in Israel sagt: «Ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.» In Johannes 10,3 ruft der gute Hirte seine eigenen Schafe mit Namen. Er möchte auch dich bei deinem Namen rufen, um dich zu erretten.
Nachdem der Herr Jesus Zachäus gerettet hatte, wollte Er in seinem Haus bleiben. Er sagte nicht: «Heute muss ich als Gast in deinem Haus sein.» Nein, Er möchte im Leben der Glaubenden bleiben. Deshalb sollten wir vor dem Essen nicht beten: «Komm Herr Jesus, sei unser Gast.» Das klingt so, als ob wir sagen wollten: «Herr Jesus, komm zu mir, hilf mir, rette mich. Aber nachher kannst Du wieder gehen. Nachher will ich wieder selbst über mein Leben bestimmen.» Denken wir nicht manchmal so? Aber man kann Gott nicht wie die Feuerwehr behandeln: Wenn es brennt, soll sie kommen. Wenn der Brand gelöscht ist, kann sie wieder gehen. Nein, so will uns der Herr Jesus nicht führen, nachdem Er uns erlöst hat. Wenn Er uns mit Namen gerufen hat und zu uns gekommen ist, möchte Er bei uns bleiben und die Führung unseres Lebens übernehmen.
Weil Zachäus den Herrn mit Freuden aufnahm, wurde er im Glauben weitergeführt. So ist es auch bei uns. Wenn wir dem Herrn Jesus unser Leben bewusst übergeben, wird Er uns Freude und Segen schenken. Er wird uns in seine Nachfolge rufen und uns Schritt für Schritt auf dem Glaubensweg führen. Durch das Lesen des Wortes Gottes und im Gebet pflegen wir täglich unsere Beziehung zu Ihm.
2) Petrus und Johannes – Antwort auf eine Frage
Johannes 13,21-26
In Johannes 13 wird uns die traurige Tatsache berichtet, dass einer der Jünger den Herrn Jesus verraten würde. Es war einer, der drei Jahre die Güte und Liebe des Meisters erfahren hatte. Er hatte sich die ganze Zeit als fromm und gläubig ausgegeben, obwohl er nicht bekehrt war. Seine Mitjünger merkten nicht, dass bei ihm etwas nicht in Ordnung war. Doch nun war der Moment gekommen, wo der Herr diesen falschen Jünger entlarvte. Er sagte zu den Zwölfen: «Einer von euch wird mich überliefern.» Da entstand unter ihnen sofort die Frage: Wer ist es?
Die Art und Weise, wie die Jünger auf diese Frage eine Antwort bekommen, bietet eine Hilfestellung für die göttliche Führung in unserem Glaubensleben. Immer wieder entstehen in der Ehe, in der Familie, im Beruf, im Volk Gottes oder im Dienst für den Herrn Fragen, die eine Antwort erfordern.
Zuerst blickten die Jünger einander an. Machen wir das auch, wenn wir eine Frage haben? Versuchen wir erst einmal, Hilfe bei den anderen zu bekommen? Das ist sicher nicht ganz verkehrt. Wir können mit unseren Fragen zu Glaubenden gehen, vielleicht zu erfahrenen Glaubensgeschwistern, um ihnen unser Problem vorzulegen und sie um Rat zu fragen. Aber grundsätzlich können Menschen unsere Fragen nicht beantworten. Wenn ältere Christen mit solchen Fragen konfrontiert werden, sind sie gut beraten, nicht konkret zu antworten, sondern den Fragesteller auf den Herrn Jesus hinzuweisen.
In meiner Jugendzeit hatte ich einmal eine ernste Lebensfrage. Ich ging damit zu einem alten, weisen Bruder, den ich sehr achtete. Er reagierte gar nicht so freundlich und gab mir keine rechte Antwort. Ich war total enttäuscht von ihm. Aber seine Absicht war, mich dahin zu bringen, mit meinem Problem zum Herrn Jesus zu gehen.
Bei den Jüngern in Johannes 13 war das auch der nächste Schritt. Weil sie die Antwort nicht wussten, wurde Petrus aktiv. Er gab Johannes ein Zeichen, er möge doch beim Herrn nach der Antwort fragen. Petrus hatte erfasst, wohin sie mit ihrer Frage gehen sollten. Aber überraschenderweise fragte er nicht selbst, sondern überliess es Johannes. Vermutlich war Johannes der Jüngste der Jünger. Trotzdem übertrug Petrus die Aufgabe ihm. Warum? Weil er zu Tisch im Schoss des Herrn Jesus lag. Das ist nämlich der richtige Ort, wo wir Antworten auf unsere Fragen bekommen. Warum befand sich Johannes so nah beim Herrn? Wollte er der Erste sein, der Antwort auf Fragen bekam? Wohl kaum. Er wollte einfach die Liebe des Herrn Jesus geniessen. Das ist auch für unser Leben entscheidend. Wenn wir dem Herrn nachfolgen, muss sich unser praktischer Zustand durch persönliche Nähe zu Ihm kennzeichnen. Wir halten uns nicht bei Ihm auf, weil wir die Klügsten oder die besten Bibelkenner unter den Christen sein wollen, sondern weil wir schlicht und einfach Tag für Tag seine Liebe geniessen möchten.
Diese persönliche Nähe zu Christus ist die beste Voraussetzung dafür, dass wir Antworten auf unsere Fragen bekommen. Johannes wandte sich wirklich zum Herrn Jesus. Aber er wusste, dass die Beantwortung einer Lebensfrage durch den Herrn Jesus nicht so sehr eine intellektuelle Angelegenheit ist. Das ist wichtig für uns. Ob wir Wegweisung nötig haben oder Verständnis über das Wort Gottes bekommen möchten – der Herr spricht nie unseren Intellekt an, sondern hilft uns in einer moralischen Übereinstimmung mit sich selbst weiter. Wenn wir wünschen, Ihm zu gehorchen und seinen Willen zu tun, wird Er uns seine Gedanken offenbaren.
Dazu gibt uns Abraham ein schönes Beispiel. Zuerst sagt Gott: «Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will?» Dann fügt Er hinzu: «Ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle, damit sie den Weg des HERRN bewahren» (1. Mo 18,17-19). Gott wollte Abraham seine Gedanken mitteilen, weil Er seinen Gehorsam erkannt hatte. Nicht durch einen hohen Intellekt oder eine ausgezeichnete Ausbildung, sondern nur auf dem Weg des Gehorsams bekommen wir Wegweisung in unseren Lebensfragen und Licht über die Gedanken Gottes.
Was tat nun Johannes? Er lehnte sich an die Brust des Heilands und sprach Ihn mit «Herr» an. Daraus lernen wir dreierlei:
- Um vom Herrn Jesus Antwort auf unsere Frage zu bekommen, ist zuerst ein guter praktischer Zustand notwendig – so wie Johannes im Schoss des Herrn lag.
- Wenn eine Frage an uns herankommt, gilt es erst recht, die Gemeinschaft des Herrn zu suchen – so wie Johannes sich nun an die Brust des Herrn lehnte.
- Wir richten die Frage an unseren Herrn mit der Bereitschaft, uns Ihm unterzuordnen und Ihm zu gehorchen – so wie Johannes Ihn fragte: «Herr, wer ist es?»
Nun beantwortete der Herr Jesus seine Frage und teilte den Jüngern mit, wer Ihn überliefern würde.
Wir lernen aus diesem Beispiel, wie wichtig unsere persönliche Nähe zum Herrn Jesus ist, um Antworten auf unsere Lebensfragen zu bekommen. Müssen wir nicht eingestehen, dass wir oft den Willen Gottes nicht erkennen können, weil wir unsere Beziehung zum Herrn zu wenig pflegen, sondern auf Distanz zu Ihm leben?