«Ich werde nicht mehr vieles mit euch reden, denn der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir; aber damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und so tue, wie mir der Vater geboten hat. – Steht auf, lasst uns von hier weggehen!» (Joh 14,30.31).
1. Seine eigene Voraussage
«Ich werde nicht mehr vieles mit euch reden.» Die Mitteilungen, die zum gegenwärtigen Trost seiner Jünger so reichlich von den Lippen des Heilandes flossen, sollten nun bald aufhören. Er war im Begriff, ihnen seine leibliche Gegenwart zu entziehen. «Denn der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir.» Eigenartige Benennung des Feindes des Hirten und der Schafe! Keiner sonst hatte ihn je so beschrieben; nur der vermochte es zu tun, der die Wahrheit ist. Der Feind, der die Welt in all ihren Beweggründen und Wünschen im Verborgenen lenkt, nahte heran. Es sollte jetzt eine Begegnung mit dem Herrn Jesus stattfinden, die von entscheidender, ewiger Bedeutung war und unseren Heiland völlig in Anspruch nahm.
Erfolglose Herausforderung durch Satan
In dieser Stunde sollte endgültig bewiesen werden, dass der Fürst dieser Welt, der in jedem anderen Menschen etwas finden konnte, im Sohn Gottes «nichts hatte». Satan kam als ein Dieb, um zu stehlen, zu schlachten und zu verderben. Er wird Judas stehlen, töten und in elender Weise verderben. Er wird als Wolf kommen, um Petrus zu ergreifen – nachher muss er ihn jedoch wieder gehen lassen – und um die übrigen Jünger zu zerstreuen. Sie fühlten sein Herannahen und fürchteten, dass er sie überwältigen werde, fürchteten die Macht der Finsternis, die er ausübte. Die Auswirkungen dieser Macht unter den Menschen waren offenkundig, der eigentliche Kampf aber zwischen ihm und seinem grossen Gegner wurde unsichtbar ausgetragen, verborgen unter dem Schweigen, der Standhaftigkeit und der Unterwürfigkeit des guten Hirten. Der Feind wird danach trachten, durch einen einzigen Streich gegen den, der es auf sich genommen hatte, ihr Heil zu werden, alle Schafe auf einmal und völlig zu vernichten, nicht eines nach dem anderen.
In Pilatus, den Hohenpriestern, den Obersten und dem Volk wird der Fürst dieses Zeitlaufs nur Liebe zur Welt finden. Ach, und in den Jüngern Jesu wird er Unglauben und Angst entdecken; aber im Herrn selbst nichts dergleichen. Auch nicht durch einen einzigen eigenen Wunsch stellte Er sich dem Willen Gottes entgegen; nicht um Haaresbreite wich Er davon ab. Weder jetzt noch bei der Versuchung in der Wüste war es für Ihn eine Frage, ob Er irgendeinen Gegenstand annehmen sollte, den die Welt Ihm anbot. In Ihm wurde weder Liebe zum Leben in dieser Welt gefunden – war sie doch in Aufruhr gegen Gott! – noch Furcht vor den Menschen oder Furcht vor dem Fürsten der Welt, auch wenn er mit der ganzen Macht des Todes bewaffnet war.
Die Liebe zum Vater erwies sich in seinem Gehorsam bis zum Tod
«Aber damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und so tue, wie mir der Vater geboten hat» (Vers 31). Er lehnte die Welt ab, wollte aber jene, die in ihren Aufruhr verwickelt waren, wissen lassen, dass Er den Vater liebte, dessen Wille und Wesen den ihren so völlig gegenüberstand wie Licht und Finsternis. Er wollte seine Liebe durch seinen Gehorsam zeigen, ja sogar im Leiden des Todes, entsprechend dem Gebot des Vaters. Die Welt würde sich dann nicht damit entschuldigen können, dass sie die Wahrheit nicht gekannt habe, die Wahrheit, die jede Seele, die sie annimmt, frei macht. Vom Kreuz herab wurde ihr Zeugnis vor den Augen aller sichtbar. Sie wussten bereits, wie ihr Spott nachher bewies, dass Er auf Gott vertraute. Sie wurden zurückgelassen mit diesem Beweis seiner äussersten Ergebenheit, seiner Liebe zum Vater. Diese Demonstration sollte bestehen bleiben, ob richtig verstanden oder nicht, ob geglaubt oder nicht, um zu erretten oder zu richten.
Alles im Sohn war für den Vater
Zum Wort unseres Herrn: «Steht auf, lasst uns von hier weggehen!», dürfen wir seinen Ausspruch in Verbindung bringen: «Der Fürst dieser Welt kommt und hat nichts in mir.» Als Er aufbrach, hatte Er sein eigenes, bestimmtes Ziel vor Augen. Es war wie wenn Er sagen wollte: Ich stehe auf, um den ganzen Weg mit dem Vater zu gehen, und Er wird finden, dass alles in mir für ihn ist. Nach des Vaters eigenem Zeugnis war dies schon während den ersten dreissig Jahren seines Lebens im Fleisch, von dem uns nur wenig berichtet wird, so gewesen. Der Vater konnte damals sagen: «An dir habe ich Wohlgefallen gefunden» (Mk 1,11). Auch während seines öffentlichen Dienstes gab Er Ihm dieses Zeugnis (Mt 17,5) und schliesslich an dem Tag, wo Er als das Lamm Gottes, als unser Passah ausgesondert wurde (Joh 12,28; 2. Mose 12,3). In unserer Stelle erklärt das Lamm selbst, dass es bis zum Ende so sein würde. Er ging in der völligen Bereitschaft voran, dem Gebot des Vaters zu gehorchen, auch wenn es durch die Selbsthingabe ging.
Am Kreuz, als Er Schmach und Leiden bis zum Tod erduldete, trat Ihm die stärkste Versuchung entgegen. Grosse Wasserwogen stürmten gegen seine Liebe zum Vater, aber dieser letzte Angriff des Betrügers und Zerstörers der Menschen vermochte nicht, sie auszulöschen. Alles, was in Ihm war, wurde in diesen Kampf auf den Tod verwickelt; alles, was Er hatte, musste Er in diesem Opfer hingeben; die Vortrefflichkeit seiner sittlichen Vollkommenheit und die Vollendung im Gehorsam sollten nun bis zum Höhepunkt ihrer Herrlichkeit aufsteigen. Was würde der Vater in Ihm finden? Alles. Ihn selbst, den Vater, liebte Er mit seinem ganzen Herzen, mit seinem Geist und Verstand, mit seiner ganzen Seele und seiner ganzen Kraft, bis in die Weissglut seiner Leiden hinein, in denen Er bis zum Tod geprüft wurde. Sein Eifer der Liebe verzehrte Ihn. Und als Ergebnis davon wurde des Vaters Name verherrlicht, sein Wille erfüllt und sein Ratschluss ausgeführt, indem Er viele Söhne zur Herrlichkeit brachte.