Die Geburt von Mose (2)

2. Mose 2,1-10

Im ersten Teil unserer Überlegungen zur Geburt von Mose haben wir gesehen, dass er ein treffendes Bild von unserem Herrn und Heiland ist, der uns erlöst hat. Diese alttestamentliche Begebenheit gibt uns prophetische Hinweise auf die Geburt unseres Herrn vor etwa 2000 Jahren in Bethlehem.

Heute wollen wir uns mit einem zweiten Aspekt beschäftigen. Dabei geht es um die Eltern von Mose, die sowohl durch Glaubensvertrauen als auch durch Glaubensmut gekennzeichnet waren. Eine solche Haltung lässt Gott nicht ohne Antwort.

Um diesen praktischen Aspekt besser zu verstehen, ist es gut, die beiden Stellen aus dem Neuen Testament hinzuzuziehen, die ebenfalls über diese Begebenheit berichten:

  • Apostelgeschichte 7,20.21: «In dieser Zeit wurde Mose geboren, und er war schön für Gott; und er wurde drei Monate im Haus des Vaters aufgezogen. Als er aber ausgesetzt worden war, nahm ihn die Tochter des Pharaos zu sich und zog ihn auf, sich zum Sohn.»
  • Hebräer 11,23: «Durch Glauben wurde Mose, als er geboren war, drei Monate von seinen Eltern verborgen, weil sie sahen, dass das Kind schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht.»

Während uns der Bericht im 2. Buch Mose mehr die äusseren Gegebenheiten und Ereignisse schildert, zeigt uns das Neue Testament die dahinter liegenden Empfindungen und Motive und auch die Beurteilung Gottes. Vor allem erkennen wir, dass die Eltern von Mose durch Glauben und Gottesfurcht gekennzeichnet waren und keine Menschenfurcht hatten.

Die Namen der beiden werden hier nicht genannt. In 2. Mose 6 haben wir das Geschlechtsregister der Söhne Jakobs. Dort erfahren wir, dass sie Amram und Jokebed hiessen. «Amram nahm sich Jokebed, seine Tante, zur Frau, und sie gebar ihm Aaron und Mose; und die Lebensjahre Amrams waren 137 Jahre» (V. 20). In 4. Mose 26,59 finden wir einen weiteren Hinweis: «Der Name der Frau Amrams war Jokebed, eine Tochter Levis, die Levi in Ägypten geboren wurde; und sie gebar dem Amram Aaron und Mose und Mirjam, ihre Schwester.»

1)

Wir haben uns in Teil 1 an die möglichen Empfindungen von Jokebed erinnert, als sie ihren Sohn nach der Geburt zunächst drei Monate verbarg und ihn dann – geschützt in einem Kästchen – in den Nil legte. Andere Mütter, die ebenfalls Söhne gebaren, mögen ähnliche Empfindungen gehabt haben. Aber bei Jokebed waren es nicht nur natürliche Gefühle. Es war mehr vorhanden. Sie sah nicht nur die natürliche Schönheit ihres Babys (was eigentlich fast alle Mütter tun), sondern sie sah, dass das Kind schön für Gott war. Deshalb handelte sie im Glauben. Sie kannte wohl die grausame Verfügung des Pharaos und wusste, dass ihr Sohn ein Kind des Todes war. Dennoch fürchtete sie sich nicht. Hebräer 11,23 macht klar, dass sie darin mit ihrem Mann einig war. Beide handelten im Glauben, denn «durch Glauben wurde Mose … von seinen Eltern verborgen». Glauben ist Vertrauen. Sowohl Jokebed als auch Amram vertrauten auf Gott und wurden nicht beschämt.

Das erinnert uns an das Glaubensvertrauen von anderen Gläubigen, die sich in schwerer Zeit ganz auf die Zusagen Gottes stützten. Wir denken z.B. an Sadrach, Mesach und Abednego, die dem König furchtlos antworteten: «Nebukadnezar, wir halten es nicht für nötig, dir ein Wort darauf zu erwidern. Ob unser Gott, dem wir dienen, uns aus dem brennenden Feuerofen zu erretten vermag – und er wird uns aus deiner Hand, o König, erretten – oder ob nicht, es sei dir kund, o König, dass wir deinen Göttern nicht dienen» (Dan 3,16-18).

2)

Es war nicht der Glaube allein. Die Eltern Moses fügten dem Glauben die Tugend hinzu (2. Pet 1,5). Ihr Glaube handelte mit Energie und Entschiedenheit. Sie fürchteten das Gebot des Königs nicht, sondern handelten dagegen. Das war richtig, denn in diesem Fall war Ungehorsam gegen die Regierung kein Vergehen. Der Glaubensmut der beiden ist richtungweisend. Er erinnert an die Worte von Johannes: «Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube» (1. Joh 5,4). Im Vertrauen auf Gott können wir den Widerstand der Welt überwinden.

3)

Dem ersten Glaubensschritt folgt der zweite. Als Jokebed ihren Sohn nicht länger verbergen konnte, bereitete sie das Kästchen vor und legte ihn dort hinein. Der Glaube ist nie ohne Hilfsquellen. Aber dieser zweite Schritt war weitaus schwieriger. Es brauchte ein noch grösseres Vertrauen in Gott, denn menschlich gesprochen war das Kind nicht einfach ausgesetzt (Apg 7,21), sondern dem Tod ausgesetzt. Warum sie ihn nicht länger verbergen konnten, wird nicht direkt gesagt, liegt aber auf der Hand. Es konnte offensichtlich nicht länger unerkannt bleiben, dass Gott den beiden einen männlichen Nachkommen geschenkt hatte.

Wir lernen hier für uns, dass der Glaube und das Vertrauen auf Gott unser Handeln nicht ersetzt. Glaubensvertrauen und Glaubensaktivität gehen Hand in Hand. Jokebed handelte klug. Sie tat, was sie tun konnte. Deshalb hat sie Mose nicht einfach schutzlos in den Nil gelegt, sondern baute mit grosser Sorgfalt ein Schutzkästchen für ihn. Das erinnert an die Glaubenstat Noahs, der zum Schutz seiner Familie eine Arche baute. So wie Noahs Familie in der Arche vor den Todesfluten sicher war, sollte Mose in seinem «Kästchen» sicher vor den Fluten des Nil sein. In beiden Fällen sehen wir Glauben, der sich auf Gott verlässt. Bei Amram und Jokebed war dieser Glaube grösser, weil sie keine ausdrückliche Zusage Gottes hatten (was bei Noah hingegen der Fall war). Es wird deutlich:

  • Einerseits stützt sich der Glaube zu 100% auf Gott.
  • Anderseits muss doch im Glauben das getan werden, was unserer Verantwortung entspricht.

4)

Der weitere Verlauf der Geschichte macht klar, dass unserem Gott nichts aus dem Ruder läuft. Was immer geschieht, alle Dinge wirken denen, die Gott lieben, zum Guten mit (Röm 8,28). Ob die Mutter ihrer Tochter Mirjam den Auftrag gab, ihren Bruder zu beobachten, oder ob sie aus Neugier das weitere Geschehen verfolgen wollte, wissen wir nicht. Beides ist denkbar, spielt aber keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass Gott ihre Anwesenheit wenig später zum Guten für Mose benutzte. Es muss ebenfalls offen bleiben, ob Jokebed vielleicht die Gewohnheiten der Tochter des Pharaos kannte und im Stillen damit «gerechnet» hat, dass sie mit ihrem Sohn Erbarmen haben würde. Der biblische Bericht schweigt darüber und wir sollten nicht zu viel hineinlegen.

Die Tatsache, dass Gott alles in seiner Hand hält, wird durch zwei Aussagen Salomos unterstrichen:

«Wasserbächen gleicht das Herz eines Königs in der Hand des HERRN; wohin immer er will, neigt er es» (Spr 21,1).

«Das Herz des Menschen erdenkt seinen Weg, aber der HERR lenkt seine Schritte» (Spr 16,9).

Der Pharao mochte planen, was er wollte. Die Verantwortung dafür lag bei ihm. Dennoch neigte Gott sein Herz. Die Tochter des Pharaos mochte ihren Weg erdenken, aber Gott führte sie an diesem Tag genau an die Stelle, wo der kleine Mose im Nil lag. Ähnliches erkennen wir im Buch Esther. Auch dort gab es ein politisches Dekret und alle Juden sollten umgebracht werden. Doch genau der Mann, der das Dekret erlassen hatte, konnte eines Nachts nicht schlafen und wurde auf diese Weise selbst zum «Werkzeug», dass die Juden nicht vernichtet wurden (Est 6,1). Auch dort hatte Gott – ohne dass Er direkt genannt wird – alles völlig unter Kontrolle. Eine von Gott herbeigeführte schlaflose Nacht stellte den Verlauf der Geschichte eines ganzen Volkes auf den Kopf.

5)

Es mutet fast wie göttliche Ironie an, dass gerade die Tochter des Erzfeindes der Hebräer an das Ufer des Nil geführt wird. Sie ahnte nichts davon, dass Gott ihre Schritte lenkte und zunächst ihre Neugier und dann ihr natürliches Mitempfinden für ein weinendes Baby dazu benutzte, den Retter des Volkes Israel vor dem sicheren Tod zu bewahren. Gottes Gedanken sind unerforschlich. Eins ist bei allem sicher: Sein Ratschluss wird immer zustande kommen (Jes 46,10).

Jede andere Ägypterin hätte sich wahrscheinlich gefürchtet, ein männliches hebräisches Baby am Leben zu erhalten. Nicht so die eigene Tochter des Pharaos. Gott benutzte gerade sie. Dabei lenkte Er jede vermeintliche Kleinigkeit. Als die Tochter des Pharaos das Kästchen öffnete, weinte Mose. Wahrscheinlich verlangte er nach der Muttermilch. Tränen sind etwas, was uns Menschen von der Wiege bis zur Bahre begleitet (wenn auch nicht immer sichtbar). Selbst unser Herr hat Tränen vergossen (Joh 11,35). So sehr war Er Mensch. Die Tränen von Mose berührten das Herz der Prinzessin und weckten ihre Emotionen. Weder ihre hohe Stellung noch ihr brutaler Vater hatten ihr Herz so verhärtet, dass die Tränen des Kindes sie empfindungslos liessen. Und das, obwohl sie sofort erkannte, dass es ein Kind der Hebräer war.

6)

Nun sehen wir, wie Gott die ältere Schwester von Mose benutzt. Furchtlose Eltern haben hier eine furchtlose Tochter. Vielleicht hatte sie etwas von dem Glaubensmut ihrer Eltern gelernt. Obwohl noch jung, war sie doch hilfreich und nützlich für Gott. Sie erinnert an das junge Mädchen im Haus Naamans (2. Kön 5). Gott kann nicht nur ältere und bewährte Leute gebrauchen, sondern ebenso junge Menschen und Kinder, um seinen Ratschluss umzusetzen. Denken wir an den Knaben mit den fünf Broten und zwei Fischen in Johannes 6,9.

7)

Als die Mutter Jokebed den kleinen Mose lebend und gesund wieder in den Armen hielt, hatte Gott ihr eine Antwort auf ihren Glauben gegeben. Gott lässt das Vertrauen der Seinen nicht unbelohnt: «Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist» (Heb 11,6). Diese «Belohnung» erfährt sie hier, indem sie Mose sozusagen aus dem Tod zurückbekommt und einige Jahre für ihn sorgen kann. Erst als das Kind gross geworden war, brachte sie ihren Jungen der Tochter des Pharaos, die ihm dann den Namen Mose gab.

Am Ende dieser Begebenheit staunen wir erneut über die Souveränität Gottes. Gab es einen Ort in Ägypten, der für einen jungen Hebräer gefährlicher war als der Hof des Pharaos? Und doch war er hier als Sohn der Tochter des Pharaos sicherer als an irgendeinem anderen Ort! So bereitete Gott seinen Diener vor und bewahrte ihn für sich auf wundersame Weise.