Das erste Kapitel stellt uns die Person des Herrn in all dem vor, was Er in sich selbst ist. Es sagt uns nichts über das aus, was Er in Beziehung zu den Menschen – seien es Juden oder Christen – war oder ist. Er ist hier weder der Christus noch das Haupt der Versammlung noch der Hohepriester. Christus persönlich und sein Werk werden vor unsere Blicke gestellt.
Das ewige Wort
Verse 1-3. Das Kapitel beginnt mit der göttlichen und ewigen Existenz der Person von Jesus, dem Sohn Gottes, sozusagen mit dem, was Er im Wesen seiner Natur ist. Das erste Buch Mose beginnt mit der Schöpfung, und das Alte Testament erzählt uns die Geschichte des verantwortlichen Menschen auf der Erde, dem Bereich seiner Verantwortlichkeit. Johannes beginnt mit dem, was der Schöpfung vorangegangen ist. Er beginnt hier ganz neu mit der Person Dessen, der der zweite Mensch, der letzte Adam wurde.
Es heisst nicht: «Im Anfang schuf Gott», sondern «im Anfang war das Wort». Alles gründet sich auf die unerschaffene Existenz Dessen, der alles erschaffen hat: Am Anfang aller Dinge war Er da, ohne Ursprung. Der Ausdruck «im Anfang war das Wort» bestätigt offiziell, dass das Wort keinen Anfang hat. Doch es steckt mehr in diesem bemerkenswerten Abschnitt: Das Wort wird als Person unterschieden: «Das Wort war bei Gott.» Doch Er unterscheidet sich nicht von seiner Natur her: «Das Wort war Gott.» So finden wir hier die ewige Existenz des Wortes, die Unterscheidung des Wortes als Person und die Übereinstimmung in seinem Wesen mit Gott. Alles dies bestand von Ewigkeit her. Die Unterscheidung in der Person des Wortes ist nicht etwas, das einen Anfang andeutet, wie einige dies gern interpretieren möchten. «Dieses war im Anfang bei Gott.» Seine Person ist ebenso ewig wie seine Natur. Dies ist die grossartige und herrliche Grundlage der Lehre des Evangeliums und unserer ewigen Freude: Was der Erlöser in sich selbst ist, sein Wesen (Natur) und seine Person.
Wir kommen nun zu seinen Eigenschaften und Merkmalen. Zuerst sehen wir, dass Er alle Dinge erschaffen hat. Dies führt uns zum Anfang des ersten Buches Mose. Wenn wir es mit Ihm zu tun haben, dann geht es um das, was Er ist. Die Welt ist nur das, was Er gemacht hat. Alle Dinge sind durch Ihn gemacht, und es gibt nichts Erschaffenes, wovon Er nicht der Schöpfer ist. Alles, was lebt, lebt durch Ihn. Er war; aber alles, was zu existieren begann, entstand durch Ihn. Er ist der Schöpfer aller Lebewesen (vgl. Heb 1,2.10).
Sein Leben als Licht
Vers 4. «In Ihm war Leben» Dies ist die zweite Eigenschaft, die wir in Ihm finden. Das kann von keinem Geschöpf gesagt werden. Viele haben zwar Leben, aber sie besitzen es nicht in sich selbst. Christus wird unser Leben, doch wir haben dieses Leben nur, weil Er in uns ist. «Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, hat das Leben nicht» (1. Joh 5,11b.12). Dies ist eine sehr bedeutsame Wahrheit, sowohl in Bezug auf Ihn als auch in Bezug auf uns, und auf das Leben, das wir als Christen besitzen.
Doch es geht noch weiter: Dieses Leben ist «das Licht der Menschen» – eine Aussage, die für uns von grösstem Wert ist. Gott ist Licht, und es ist das göttliche Licht als Leben, das sich den Menschen im Wort darstellt. Es ist nicht das Licht der Engel, obwohl Gott für alle Licht ist, denn Er ist Licht in sich selbst. Doch hier wird das Licht in Beziehung zu anderen Geschöpfen gesehen: «Seine Wonne war bei den Menschenkindern» (Spr 8,31).
Die Aussage «Das Leben war das Licht der Menschen» kann man wechselseitig nennen. Die beiden Teile der Aussage haben denselben Wert. Ich könnte genauso gut sagen: Das Licht der Menschen ist das Leben, das in dem Wort ist. Das Wort ist der vollkommene Ausdruck des Wesens, der Ratschlüsse und der Herrlichkeit Gottes, wenn alles erfüllt sein wird. Es ist in einem Menschen, dass Gott sich offenbaren und zu erkennen geben möchte. Gott ist «offenbart worden im Fleisch …, gesehen von den Engeln» (1. Tim 3,16). Die Engel sind der höchste Ausdruck der Macht Gottes in der Schöpfung. Doch Gott hat sich in einem Menschen offenbart, und zwar moralisch in Heiligkeit und Liebe.
Wir sollen so wandeln, wie Christus gewandelt ist, um als Gottes geliebte Kinder seine Nachahmer zu sein, und sollen in Liebe wandeln, wie auch Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat. So sind wir «Licht im Herrn», denn Er ist unser Leben. Wenn wir wissen, was Liebe ist, dann deshalb, weil Er sein Leben für uns gegeben hat. Genauso sind auch wir schuldig, unser Leben für die Brüder hinzugeben. Wenn Gott uns züchtigt, so ist es, um uns zu Teilhabern seiner Heiligkeit zu machen. Wir wandeln im Licht, wie Er im Licht ist.
Er hat uns in Christus auserwählt, um «heilig und untadelig vor ihm zu sein in Liebe», weil dies Gottes ureigenster Charakter ist, der in Christus vollkommen zum Ausdruck gebracht worden ist. Wir reinigen uns selbst, wie Er rein ist, indem wir wissen, dass wir Ihm gleich sein werden – verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist, indem wir erneuert werden zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der uns erschaffen hat. Und dies ist nicht ein Gebot, obwohl ein Gebot darin enthalten ist (so zu wandeln, wie Er gewandelt ist), sondern ein Leben, das der vollkommene Ausdruck des göttlichen Lebens im Menschen ist. Unaussprechliches Vorrecht! Wunderbare Nähe zu Jesus! «Denn sowohl den der heiligt, als auch die, die geheiligt werden, sind alle von einem» (Heb 2,11).
Die Erlösung entfaltet und offenbart alle moralischen Eigenschaften Gottes, ja noch mehr, sein ganzes Wesen – Liebe und Licht; und das in einem Menschen und in Verbindung mit den Menschen. Dadurch, dass wir in Christus sind und Er in uns, sind wir die Frucht und der Ausdruck alles dessen, was Gott in der Fülle und Offenbarung seiner selbst ist. In den kommenden Zeitaltern wird Er in Christus Jesus den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erweisen. Doch es musste eine Gelegenheit gefunden werden, damit all dies, die Liebe und das Licht, zur Geltung kommen konnte. Und zwar nicht in einem besonders liebenswerten, gütigen und klugen Gegenstand, denn dann hätte der Mensch lieben können – sondern dort, wo sich das genaue Gegenteil davon zeigte. Es war nötig, dass das Gute sich als dem Bösen überlegen erwies, indem es dem Bösen seinen freien Lauf liess.
Unfähigkeit der Finsternis gegenüber dem Licht
Vers 5. «Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.» Der Mensch war nicht nur nicht Licht, er war nicht nur Finsternis, ohne den geringsten Schimmer der Natur Gottes, nein, in ihm war auch keine Kraft, um dieses Licht aufzunehmen. Von Natur aus widerstand der Mensch dem Licht. Sie sahen keine Schönheit in Ihm, um Ihn zu begehren. Da Er die göttliche Natur in sich selbst darstellte, war es unmöglich, noch weiter zu gehen.
In der Natur verschwindet die Dunkelheit, wenn ein Licht aufgeht. Doch in der moralischen Welt ist dies nicht so. Das Licht, das in sich selbst rein ist und alles enthüllt, war hier, und die Menschen erkannten nicht, wer unter ihnen war. «Ist dieser nicht der Sohn des Zimmermanns?». «Wenn du wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken.» «Wenn dieser ein Prophet wäre.» So lautete ihr Urteil. Sie sprachen Ihm ab, ein Prophet zu sein, obwohl Gott da war und Er sich so offenbarte. Wenn Gott in dieser Welt ist, wird das offenbart, was droben ist. Zugleich wird klar, dass die Gesinnung, die dort herrscht, sich mit keinem einzigen der Grundsätze verbindet, die das Herz und die Gewohnheiten der Menschen regieren. Im Herzen des Menschen gibt es keine Kenntnis von Sünde, keine Erkenntnis Gottes und keine Erkenntnis des Zustands, in den die Sünde uns gestürzt hat. Die Sünde selbst wird nach dem Bösen, das sie uns zugefügt hat, bewertet und nicht nach ihrer Auflehnung gegen die Natur Gottes.
Durch den Sündenfall hat der Mensch zwar ein Gewissen bekommen. Doch der Egoismus ist der Ausgangspunkt von allem. Wenn das Licht erscheint und im Gegenzug zeigt, was Sünde ist und in welche Stellung sie den Menschen moralisch Gott gegenüber gebracht hat – dann wird alles vom Standpunkt der Selbstsucht aus beurteilt, und die Offenbarung Gottes findet keinen Eingang ins Herz. Für den Menschen ist die Wahrheit ein unbekanntes Territorium, denn er lebt in der Lüge, weil er ohne Gott lebt und nichts von diesen Dingen versteht. Gott ist Licht, und wenn Er sich so offenbart, wie Er ist, aber in einer dem Menschen angepassten Art und Weise, dann ist der Zustand des Menschen so, dass nichts in ihm auf diese Offenbarung reagiert. Wird das Gewissen, das von Gott ist, getroffen, dann wird der Hass des Willens aktiviert (vgl. Apg 7,54-58 und Joh 3,19).
Wir sehen also in diesen ersten fünf Versen auf abstrakte Weise, was der Herr, als Gott, in sich selbst ist. Damit verbunden sehen wir am Ende dieser fünf Verse – immer noch in abstrakter Weise – die Wirkung seines Erscheinens inmitten der Menschen wie sie von Natur sind. Daher wird Er uns hier als Licht vorgestellt und nicht als Liebe. Betrachten wir sein Kommen auf die Erde unter dem Blickwinkel der Liebe, dann sehen wir Ihn in Tätigkeit, sowohl in Bezug auf die Welt, als auch besonders gegenüber den Seinen. Alles läuft auf das Kreuz hinaus, wo offenbar wird, dass das Licht abgelehnt wurde.
Doch hier wird uns gezeigt, was der Herr ist und nicht, was Er in göttlicher Aktivität tut. Die Verse 16-19 von Kapitel 3 geben uns eine Zusammenfassung dessen, was Er in dieser zweifachen Hinsicht ist. Gott ist Liebe, doch in Christus wurde diese Liebe aktiv, gemäss dem Wesen und dem fest gefassten Vorsatz Gottes (Kap. 1,17). Das Gesetz forderte vom Menschen, was er sein sollte; in Christus sehen wir, dass etwas von Gott «gekommen ist», nämlich Licht und Liebe. Doch damit wollen wir uns später ausführlich beschäftigen. Ich wiederhole nur, dass das, was uns bis heute geschenkt ist, das ist, was der Herr in sich selbst ist. Doch dies zeigt sich so, dass der Mensch dadurch auf die Probe gestellt wird und alles, was in ihm ist, zum Vorschein kommt.
Der Abschnitt endet mit der Wirkung der Offenbarung dessen, was Er ist, ohne dass Er selbst genannt wird. Dieses Licht kann sich dort zeigen, wo nichts ist, das darauf reagiert: Es wird nicht erfasst. Wir sehen hier eine moralische Unfähigkeit dazu, nicht Hass; denn dieser ist das Gegenteil von Liebe.
Wir können anfügen, dass wir selbst Licht sind, indem wir Teilhaber der göttlichen Natur geworden sind (Eph 5,8). Es wird nirgends gesagt, dass wir Liebe sind, denn Gott ist souverän in seiner Liebe. Zweifellos ist es seine Natur, in Gemeinschaft, Güte und Erbarmen, aber völlig frei und souverän. Wir sind zwar Teilhaber dieser Natur und wandeln in Liebe, wie die Liebe in Jesus offenbart worden ist, denn Er ist unser Leben. Doch wir wandeln im Gehorsam, es ist eine Pflicht für uns, eine freudige Pflicht zwar und leicht, wenn wir freudig unseren Weg gehen. Sie ist auch stärker als das Böse, doch sie ist nicht frei, weil sich ihre Quelle nicht in uns befindet. Wir können nicht sagen, dass wir in höchstem Mass Liebe sind, eine Quelle, aus der die Liebe sprudelt. Hingegen können wir sagen, dass der neue Mensch in sich selbst heilig ist.