5. Die Kleider des Hohenpriesters
Die Kapitel 25-27 des 2. Buches Mose enthalten die Anweisungen des HERRN an Mose für den Bau der Stiftshütte. Sie beschreiben uns vor allem die Gegenstände, die von der Offenbarung Gottes in Christus reden. Erst im 30. Kapitel wird das kupferne Becken erwähnt, das der Mensch benötigte, um hinzunahen zu können, wie auch der goldene Altar. Die Priester mussten ja, bevor sie ins Heiligtum eintraten, im Becken Hände und Füsse waschen. Ein Teil ihres Dienstes vor Gott bestand sodann darin, dass sie vom goldenen Altar Weihrauch emporsteigen liessen.
Die zwischen diesen beiden Teilen göttlicher Unterweisungen eingeschalteten Kapitel 28 und 29 beschreiben die Einsetzung des Priestertums. «Einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus» (1. Tim 2,5). In Christus offenbart sich uns zunächst Gott selbst: «Der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht» (Joh 13,18). Dann ist Er aber auch das einzige Mittel, durch das wir Gott nahen können: Christus als Hoherpriester. In seinem Namen richten wir unsere Gebete an den Vater. Durch Ihn bringen wir Gott stets ein Opfer des Lobes dar, «geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus». Er selbst lebt für immer, um sich für die zu verwenden, die durch Ihn Gott nahen (Heb 7,25). Bevor wir vom Zugang ins Heiligtum reden, müssen wir zuvor den Hohenpriester aufmerksam betrachten.
In 2. Mose 28 werden die heiligen Kleider beschrieben, mit denen sich Aaron «zur Herrlichkeit und zum Schmuck» bekleiden musste. Sie reden ausschliesslich vom Herrn Jesus. Hat Aaron sie wirklich jemals getragen, ausser am Tag der Einweihung? (2. Mo 29,5). Kaum hatte der Dienst begonnen, brachten Nadab und Abihu fremdes Feuer vor dem HERRN dar und starben. «Und der HERR redete zu Mose nach dem Tod der beiden Söhne Aarons … Rede zu deinem Bruder Aaron, dass er nicht zu aller Zeit in das Heiligtum hineineingehe innerhalb des Vorhangs». Als dann Aaron einmal jährlich hineinging, war er nicht mit herrlichen Kleidern, sondern mit einem «heiligen Leibrock von Leinen bekleidet» (3. Mo 16,4). In 2. Mose 28 werden also unsere Blicke auf einen Grösseren als Aaron hingelenkt, auf den, der als Einziger niemals gefehlt hat, auf «den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus» (Heb 3,1). Somit werden wir in den folgenden Ausführungen an Ihn allein denken.
Über den anderen Kleidern trug der Hohepriester das Ephod, eine Art Umhängemantel, auf dessen Schulterstücken zwei Onyxsteine befestigt waren. Auf seiner Brust war zudem das Brustschild des Gerichts unverrückbar festgehalten. Unter dem Ephod trug er ein blaues Oberkleid, das an seinem unteren Saum mit Granatäpfeln und Schellen verziert war. Der Leibrock darunter war von zellenförmigem Gewebe von Byssus. Auf dem Haupt trug er einen Kopfbund, an dem das Blech von Gold befestigt war.
Das Ephod (2. Mose 28,5-6)
Das Ephod wurde das eigentliche Priesterkleid. Es war aus blauem und rotem Purpur, Karmesin und gezwirntem Byssus gewebt, wie der Vorhang, aber es wurde noch Gold hinzugefügt: «Und sie hämmerten Goldbleche, und man zerschnitt sie zu Fäden, zum Verarbeiten unter den blauen und unter den roten Purpur und unter das Karmesin und unter den Byssus, in Kunstweberarbeit» (2. Mo 39,3). Das ist ein wunderbares Sinnbild von der göttlichen Herrlichkeit des Sohnes, auf den der Brief an die Hebräer unsere Blicke beständig hinlenkt. In den Tagen seines Fleisches (dargestellt durch den Vorhang des Allerheiligsten), war seine Herrlichkeit als Sohn Gottes gewissermassen verhüllt (ausser für die Augen des Glaubens): Kein zu Fäden verarbeitetes Gold war in dem Vorhang. Aber in seinem Amt als Hoherpriester im Himmel, wo Er alle Wesenheiten bewahrt, die Ihn als Sohn des Menschen auf der Erde kennzeichneten und kennzeichnen werden, leuchtet seine göttliche Herrlichkeit unverhüllt hervor, sozusagen vermischt mit dem Gewebe seiner anderen Wesenheiten. Gott, der Ihm das Zeugnis gibt: «Du bist Priester in Ewigkeit», hat vorher erklärt: «Du bist mein Sohn» (Heb 5,5 und 6).
Zwei Onyxsteine, die auf den Schulterstücken des Ephods unverrückbar befestigt waren, trugen eingraviert die Namen der Söhne Israels: sechs auf dem einen Stein, sechs auf dem andern «nach ihrer Geburtsfolge». Der gute Hirte nimmt sein Schaf auf die Schultern, die das Kreuz getragen haben. Am Tag seiner irdischen Herrlichkeit «ruht die Herrschaft auf seiner Schulter». Aber inzwischen trägt Er als Priester die Last des Volkes Gottes auf seinen Schultern; seine Macht entfaltet sich unablässig zu ihren Gunsten. Ihre Namen sind dort «nach ihrer Geburtsfolge» eingraviert; das heisst, als aus Gott geboren, sind vor Ihm alle gleich und sollen sich hier auf der Erde als seine Kinder benehmen.
Auf dem Herzen des Priesters war das Brustschild befestigt. Es war eine Art quadratisches Kissen, mit einer Seitenlänge von einer Spanne und war, wie das Ephod, aus Gold, blauem und rotem Purpur, Karmesin und gezwirntem Byssus hergestellt. Zwölf Steine schmückten es: für jeden Stamm ein Stein, «nach den Namen der Söhne Israels». So ist es auch mit dem Volk Gottes; unser Hoherpriester trägt es im Heiligtum beständig auf seinem Herzen.
Beachten wir, dass nicht alle Steine dieselbe Farbe hatten. Jeder war von besonderer Beschaffenheit. Die Erlösten sind sich nicht alle gleich, aber in ihrer Verschiedenartigkeit doch eine Einheit. Paulus war nicht wie Jakobus; dieser zeigte den Gläubigen in Christus, jener beschrieb seinen praktischen Wandel auf der Erde. Johannes wiederum unterschied sich von ihnen; er war vor allem von der Liebe des Herrn zu ihm erfüllt. Keiner der Gläubigen kann an sich allein die ganze Herrlichkeit Christi widerspiegeln. Alle sollten, wie dereinst die Braut am Hochzeitsmahl, versammelt sein, damit sich die vielfältige Schönheit des Bräutigams in ihnen widerspiegeln kann (Ps 45,2-12). Die Edelsteine auf dem Herzen des Hohenpriesters leuchten im Heiligtum; aber besteht unsere gegenwärtige Aufgabe in dieser Welt nicht darin, in unserem praktischen Leben etwas von dem wiederzugeben, was im Heiligtum gesehen wird? Darin kommt uns die ganze Liebe unseres Hohenpriesters zu Hilfe.
Das Brustschild konnte nicht vom Ephod getrennt werden. Eine lange Beschreibung zeigt uns, wie es befestigt war (2. Mo 28,22-28), damit «es sich nicht vom Ephod verrückt». Schnüre von Gold und von blauem Purpur – göttliche und himmlische Bande – geben den Gläubigen eine vollkommene Sicherheit: keiner vermag sie aus der Hand des Hirten zu rauben, und niemand kann sie vom Herzen des Priesters reissen. In dem Brustschild befanden sich die Urim und die Tummim, «Lichter und Vollkommenheiten», worüber uns fast keine Einzelheiten gegeben sind. Durch sie befragte man den HERRN (siehe 4. Mose 27,21), um zu erfahren, wie man sich in diesem oder jenem Fall zu verhalten hatte. Hilfsquellen der göttlichen Weisheit für einen Wandel in Übereinstimmung mit unserer Stellung.
Drei Dinge sind also im Hohenpriester und seinem Ephod vereinigt: die Kraft auf seiner Schulter, die Liebe in seinem Herzen, die Weisheit, die daraus fliesst. Es ist bemerkenswert, dass diese drei Hilfsquellen in dem Geist wiedergefunden werden, der uns nach 2. Timotheus 1,7 gegeben worden ist: «Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit». Das eine geht nicht ohne das andere. Kraft ohne Liebe wäre Gesetz oder Gericht. Der Liebe ohne Besonnenheit fehlt das Unterscheidungsvermögen (vgl. Phil 1,9-10). Kraft, Liebe und Besonnenheit kommen von unserem Hohenpriester her und sind notwendig, damit wir in dieser Welt, durch Ihn gestützt, einige seiner Wesenszüge widerstrahlen können.
Das Oberkleid von blauem Purpur (2. Mose 28,31-32)
Christus ist nicht unser Priester auf der Erde (Heb 8,4), sondern im Himmel. Daran erinnert uns dieses Oberkleid, ganz aus blauem Purpur, das unter dem Ephod getragen wurde. Alles in seinem Dienst zieht uns zum Himmel hinauf, wo sich gegenwärtig dieser Dienst vollzieht (Heb 9,24).
Der Saum dieses Kleides war abwechselnd mit Granatäpfeln (aus blauem und rotem Purpur und Karmesin) und mit Schellen von Gold verziert. «Der himmlische Hohepriester muss selbst ein himmlischer Mensch sein; mit diesem himmlischen Charakter Christi verbinden sich die Früchte und das Zeugnis des Heiligen Geistes, wie hier – im Bild – die Granatäpfel und die Schellen am blauen Oberkleid des Hohenpriesters. Sie rühren von Christus – in seinem himmlischen Charakter betrachtet – her und sind am Saum seines Kleides hier auf der Erde befestigt» (J. N. Darby). Der 133. Psalm gibt uns ein schönes Bild davon. Er vergleicht die Brüder, die einträchtig beieinander wohnen, mit dem Öl, das, auf das Haupt Aarons ausgegossen, auf den Saum seiner Kleider herabfloss. Der Segen fliesst vom Haupt im Himmel zu denen, die hier auf der Erde durch den Heiligen Geist Frucht bringen und vor der Welt Zeugnis geben sollen. Unser Hoherpriester ist jetzt im Heiligtum verborgen (2. Mo 28,35); aber auf der Erde hört man den Klang des Zeugnisses, das Ihm gegeben wird, und man kann die Frucht des Segens feststellen, der von seinem Dienst droben herrührt. «Niemand hat Gott jemals gesehen; wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns» (1. Joh 4,12). Welch ein Wunder des christlichen Standes!
Der Leibrock (2. Mose 28,39)
«Ein solcher Hoherpriester geziemte uns auch: heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern» (Heb 7,26). So war der Herr Jesus auf seinem ganzen Wege hier auf der Erde, und diesen Charakter trägt Er auch im Himmel; er ist die sittliche Grundlage seines ganzen Priestertums. Da Er auf der Erde gewesen ist, vermag Er uns völlig zu verstehen: «Wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde» (Heb 4,15). «Er musste in allem den Brüdern gleich werden, damit er in den Sachen mit Gott ein barmherziger und treuer Hoherpriester werde» (Heb 2,17). Nicht nur ist Er ein mächtiger Hoherpriester, Er ist auch voller Barmherzigkeit und Mitleid. Wie ermunternd ist es doch für uns, inmitten des Widerstandes und des Widerspruchs der Sünder, wie auch in den Schwierigkeiten des Weges an den zu denken, der uns dorthin vorangegangen ist und heute im Himmel für uns bittet! Er ist fähig, die Leiden der Seinen, die Er selber kennengelernt hat, mitzuempfinden.
Der Kopfbund und das Blech von Gold (2. Mose 28,36-38)
Auf dem Kopfbund von Byssus war ein Blech aus reinem Gold an einer Schnur von blauem Purpur angebracht, in das «Heilig dem HERRN» eingraviert war. Die Israeliten brachten Gott die Opfer nach seinen Anweisungen dar. Warum also wird von «der Ungerechtigkeit der heiligen Dinge, die die Kinder Israels heiligen werden bei allen Gaben ihrer heiligen Dinge», gesprochen? Um dies zu verstehen, müssen wir an unser Lob, an unsere Lieder, unsere Gebete und an den Ausdruck unserer Anbetung denken. Wie viel Schwachheit, Unvermögen, Zerstreutheit und ungenaue Ausdrucksweise haftet ihnen oft an! Welche Mühe bereitet es uns manchmal, das auszusprechen, was wir auf dem Herzen haben! Kostbare Ermunterung, zu denken, dass unser Hoherpriester, wie einst Aaron, diese unvollkommenen Opfergaben so darzubringen weiss, dass sie für uns wohlgefällig sind vor Gott, beständig.
Die Söhne Aarons (2. Mo 28,40-43) stellen im Gegensatz zu ihrem Vater die Gläubigen dar, die heute alle Priester sind und in das Heiligtum eintreten können. Davon handeln die folgenden Kapitel.
Wenn es im Amt des Hohenpriesters Dinge gibt, die schwer zu begreifen sind (um seine Kleider anzufertigen brauchte es verständige Männer, erfüllt mit dem Geist der Weisheit, Vers 3), so liegt doch darin so viel Ermunterndes! In unserer Schwachheit fühlen wir uns auf seinen Schultern getragen; in unserer schwachen Liebe wissen wir uns auf seinem Herzen vor Gott hingestellt; in unserem Mangel an Unterscheidungsvermögen besitzen wir in Ihm alle Weisheit und alles Licht für unseren Weg; im Hinblick auf die Ungerechtigkeit unserer heiligen Opfergaben haben wir die Zusicherung, dass sie durch Ihn fortwährend Gott wohlgefällig sind.
Der Gürtel, der das Ephod umfasste, war von ausnehmend kostbarer Kunstarbeit (Vers 8). Dadurch wird unterstrichen, dass sein Dienst vollkommen und immer mit der Kraft umgürteter Lenden ausgeübt werden wird. Er lebt immerdar, um sich für uns zu verwenden. Und wenn Er bei seinem Kommen die Knechte wachend finden wird und auf ihren Herrn wartend, «wird er sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen» (Lk 12,37). Sein Ohr wurde auf der Erde durchbohrt, damit Er «diene auf ewig»! (2. Mo 21,6).