Die Herrlichkeit Jesu in Matthäus 8
Während der König sich in Matthäus 5 – 7 durch vollkommene Worte vorstellt, tut Er dies in Matthäus 8 durch vollkommene Taten. Dabei fällt auf, dass Matthäus in diesem Kapitel sieben Begebenheiten in einen direkten Zusammenhang stellt, obwohl aus dem Markus-Evangelium deutlich wird, dass sie in anderer Reihenfolge und teilweise zeitlich auseinanderliegend geschehen sind. Matthäus hält sich nicht immer an die Chronologie, während Markus und Johannes im Allgemeinen die historische Reihenfolge wählen. Markus gebraucht immer wieder Zeitwörter als Verbindungen zwischen den einzelnen Abschnitten, so dass man bei ihm die Chronologie gut nachvollziehen kann. Die Reihenfolge bei Lukas kann man mit dem Attribut «moralisch» bezeichnen. Er gruppiert Begebenheit, Wunder und Belehrungen des Herrn, die jeweils einen gewissen inneren Zusammenhang ergeben.
Die Zusammenstellung von Matthäus
Matthäus weicht für seine inhaltliche Gedankenführung oft stark von der Chronologie ab. Sein grosses Thema, das auch dieses Kapitel prägt, ist die Lehre der verschiedenen Heilszeitalter, also Handlungsweisen Gottes mit den Menschen. So gruppiert er Begebenheiten, Zeichen und Reden des Herrn zusammen, die ein bestimmtes Heilszeitalter ausmachen wie die Bergpredigt (Kap. 5 – 7), oder er stellt bestimmte Abschnitte zusammen, die den Ablauf verschiedener Heilszeitalter sichtbar machen (z.B. Kap. 8).
Die Begebenheiten in Kapitel 8 haben zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden. Die folgenden Punkte sollen zeigen, wie stark Matthäus in diesem Kapitel von der Chronologie abweicht. Doch es ist der Geist Gottes, der es so gewollt hat.
- Vers 1 berichtet, dass der Herr vom Berg herabgestiegen war und Ihm grosse Volksmengen folgten. Dass Vers 2 sich zu einem ganz anderen Zeitpunkt abgespielt haben muss, belegt Vers 4. Der Gereinigte sollte ausser dem Priester niemand von seiner Reinigung sagen. Wenn Volksmengen dabei gewesen wären, wäre eine solche Anweisung unpassend gewesen.
Wir finden dieses Wunder am Ende von Markus 1 wieder. Diese Heilung geschah, als Jesus in seinem öffentlichen Dienst das erste Mal nach Galiläa gezogen war. Er hat dieses Zeichen also vor der Bergpredigt vollbracht. - Die Heilung des gelähmten Knechts fand viel später statt. In Lukas 6 finden wir einen Teil der Bergpredigt. Dann beginnt Lukas 7 mit einem direkten Zeitbezug: «Nachdem er alle seine Worte vor den Ohren des Volkes beendet hatte …» Dann folgt die Heilung des Knechts des Hauptmanns, also direkt nach der Bergpredigt.
- Die Heilung der Schwiegermutter von Petrus, sowie die Wunder am Abend jenes Tages gehören wieder zu den Zeichen, die Jesus zu Beginn in Kapernaum getan hat, noch vor der Heilung des Aussätzigen (Mk 1,21-34).
- Die Gespräche mit solchen, die Ihm nachfolgen wollten, fanden wieder sehr viel später statt, erst nach der Szene auf dem Berg der Verklärung (vgl. Lk 9,28-62).
- Die dann folgende Schifffahrt war wieder deutlich früher und fand im Anschluss an die in Matthäus 13 und Markus 4 aufgezeichneten Belehrungen des Herrn über das Gleichnis vom Sämann und weiteren Gleichnisse statt (Mk 4,35 ff.).
- Nur die Heilung des Besessenen schliesst auch im Markus-Evangelium direkt an die Überfahrt an. Matthäus folgt also nur hier dem historischen Verlauf.
Dass Matthäus in so krasser Weise von der zeitlichen Reihenfolge abweicht, muss seine Gründe haben. Bibelkritiker nehmen diese Tatsache als Beweis dafür, dass sich die Evangelisten vertan haben müssen. Wer aber an die Vollkommenheit des Wortes Gottes glaubt, sieht das anders. Der von Gott inspirierte Schreiber Matthäus will uns mit dieser Art seiner Berichterstattung eine besondere Botschaft übermitteln. Verstehen wir sie?
Im Folgenden ein paar Hinweise, die vertrauenswürdige Ausleger zusammengetragen haben.
Die Einzigartigkeit der Person von Christus
Die Herrlichkeit des Messias wird uns in den Abschnitten von Matthäus 8 in einem einzigartigen Panorama vorgestellt. Der Geist Gottes öffne uns die Augen des Herzens für diese Person, damit wir mehr von ihren Schönheiten im Wort Gottes erkennen. Nur schon die vorliegenden 34 Verse zeigen uns eine Vielfalt der Herrlichkeit unseres Meisters.
1) Jesus, der HERR des Alten Testaments (V. 1-4)
Die Heilung des Aussätzigen erinnert daran, dass es im Alten Testament nur wenige gab, die vom Aussatz geheilt wurden: Mirjam und Naaman (4. Mo 12; 2. Kön 5). Durch den Aussatz war ein Mensch in den Augen Gottes unrein (3. Mo 13,45.46). Aus 4. Mose 19,22 wissen wir zudem, dass alles, was ein Unreiner anrührte, und jeder, der einen Unreinen anrührte, ebenfalls unrein wurde. Schliesslich sagt der König von Israel, als der aussätzige Naaman zu ihm kam: «Bin ich Gott …, dass dieser zu mir sendet, einen Mann von seinem Aussatz zu befreien?» (2. Kön 5,7).
So ist die Tatsache, dass der Herr Jesus hier einen Aussätzigen reinigt, dass Er die Macht dazu hat und dass Er durch die Berührung des Kranken nicht unrein, sondern der Aussätzige rein wird, ein Beweis, dass Er Gott ist. Er ist der Gesetzgeber, der über dem von Ihm gegebenen Gesetz steht. Er ist es, der von sich sagt: «Ich bin der HERR, der dich heilt» (2. Mo 15,26). Seine Macht zeigte sich darin, dass Er heilen konnte; seine Gnade und Liebe bestand darin, dass Er heilen wollte.
So finden wir in diesem ersten Abschnitt Christus als den HERRN (Jahwe), der zu seinem Volk kommt, um es von seiner Unreinheit, von seinen Krankheiten zu heilen. Er lässt den, der wegen seines Aussatzes «fern» war und isoliert leben musste, herzutreten, um ihn in die Gemeinschaft mit sich und mit seinem Volk zu bringen. Das konnte nur der HERR.
Gleichzeitig ist es wahr, dass Jesus von einer Frau und unter Gesetz geboren worden ist (Gal 4,4). Doch der demütige und unerwünschte Nazaräer ist zugleich der HERR. Wir finden hier beide Seiten dieser herrlichen Person: Nur ein Mensch kann einen anderen «anrühren». Zugleich muss dieser Mensch der Ewige sein, der durch die Berührung von Unreinheit nicht unrein wird, sondern das Unreine reinigt.
2) Jesus, der Sohn Abrahams (V. 5-13)
In der nächsten Begebenheit werden wir an den Anfang dieses Evangeliums erinnert, wo es heisst: «Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams» (Kap. 1,1). Hier haben wir den Sohn Abrahams vor uns, denn in Abraham sollten alle Nationen gesegnet werden (1. Mo 12,3; 18,18; 22,18). So geht der Segen des Herrn Jesus über die Grenzen Israels hinaus. Das erfahren hier ein römischer Hauptmann und dessen Knecht. Sie sind ein Symbol für die vielen aus den Nationen, die durch Christus gesegnet werden: «Ich sage euch aber, dass viele von Osten und Westen kommen und mit Abraham und Isaak und Jakob zu Tisch liegen werden im Reich der Himmel» (Kap. 8,11). Das stellt eine Erfüllung der Weissagung Jakobs an Joseph dar: «Die Schösslinge treiben über die Mauer» (1. Mo 49,22).
Der Sohn Abrahams ist zugleich Gott, der HERR. Er muss nicht anwesend sein, um heilen zu können. Ein Wort von Ihm genügte, und es geschah. Gott kann nicht durch eine Frage seines Aufenthaltsortes eingeschränkt werden. Sein Wort genügt, um all das zu tun, was es zu tun gab.
3) Jesus, der Sohn Davids (V. 14.15)
Wenn sich der Herr Jesus aufgrund seiner Verwerfung durch sein Volk den Nationen zuwendet, heisst das nicht, dass Er sein eigenes Volk vergessen wird. Es wird eine Zeit kommen, in der Er sich wieder seinem Volk zuwenden wird – als der Sohn Davids. Das finden wir in der dritten Begebenheit, wo Er die Schwiegermutter von Petrus, also jemand aus seinem Volk, heilt. So wird Christus, der Sohn Davids, sich später wieder seinem Volk zuwenden und dessen Überrest heilen. Sie werden diese Rettung nötig haben.
4) Jesus, der Knecht Gottes und König Israels (V. 16.17)
Ausgehend von der Wiederherstellung seines eigenen Volkes und ausgehend von Jerusalem wird der Herr Jesus zum Heil und Segen aller Menschen sein. Damit erfüllt Er die Vorhersagen von Jesaja 52 und 53, wo wir Christus als den leidenden Knecht Gottes finden: «Siehe, mein Knecht wird einsichtig handeln; er wird erhoben und erhöht werden und sehr hoch sein» (Jes 52,13). Dieser Erhöhung geht jedoch das Kommen des Knechtes Gottes in selbstgewählter Erniedrigung voraus. In Matthäus 8 werden beide Seiten gewissermassen vorweg miteinander verbunden.
Darüber hinaus sehen wir, wie der König sich um sein Volk kümmert. Was im Einzelnen in Jesaja 35,5.6 aufgezählt wird, findet in dem hier beschriebenen Dienst des Herrn eine zusammenfassende Erfüllung.
5) Jesus, der Sohn des Menschen und Herr (V. 18-22)
Den Titel «Sohn des Menschen» finden wir in diesem Evangelium hier zum ersten Mal Der Herr selbst bezeichnet sich so und nimmt dabei Bezug auf Psalm 8,5 und Daniel 7,13. Dieser Titel spricht sowohl von der Erniedrigung und den Leiden Christi als auch von seiner Verherrlichung (Mt 17,12; 20,28; 19,28; 24,30). Er macht unmissverständlich klar, dass der Herr Jesus ein Mensch ist. Ein Jude wusste, dass wenn vom «Sohn des» … die Rede war, dieser wirklicher Mensch war.
Als Sohn des Menschen ist sein Wirken nicht auf Israel beschränkt; es bezieht sich auf die ganze Erde (Ps 8,7-10; Mt 16,13.27.28). Seine Herrlichkeit – zunächst in den Leiden, dann in der Erhöhung – wird für alle Menschen sichtbar gemacht.
Hier finden wir die erste Ankündigung aus dem Mund des Herrn, dass sein Weg ein Weg der Leiden ist, nicht einer der äusseren Herrlichkeit und Anerkennung. Diese Worte zeigen uns auch die extreme irdische Armut, die Er auf sich genommen hat. Gerade in den Psalmen wird Er uns in prophetischer Weise immer wieder so vorgestellt. «Ich aber bin elend und arm.» – «Ich bin müde vom Rufen.» – «Ich aber bin ein Wurm und kein Mann» (Ps 40,18; 69,4; 22,7). Er war weder als Reicher gekommen noch als einer, der hier reich werden wollte. Sein Weg war ein Weg der Abhängigkeit von Gott.
Aber diese Verse in Matthäus 8 sprechen auch von seinem Tod. Ausleger haben darauf hingewiesen, dass der Ausdruck im Urtext «wo er sein Haupt hinlege» am Kreuz wieder erwähnt wird, wenn es dort heisst: «Er neigte das Haupt und übergab den Geist» (Joh 19,30).
Aber Jesus ist zugleich auch Herr. Als solcher beruft Er Jünger, übt Er ihnen gegenüber Autorität aus und fordert Gehorsam von ihnen. Er ist der Herr und Meister seiner Jünger.
6) Jesus, der Schöpfer und Mensch (V. 23-27)
Die dann folgende Begebenheit, in der Jesus die Winde und den See bedrohte, wird in allen drei synoptischen Evangelien berichtet. Sie zeigt, dass jener Mensch, der dort im Schiff schlief, nicht nur wirklich Mensch ist, der müde wird, sondern zugleich der Schöpfer von allem ist. Nur als solcher kann Er in seine Schöpfung eingreifen. Er hat die Macht zu erschaffen und zu verändern. Er hat Gewalt über Wind und Wetter. «Was für einer ist dieser, dass auch die Winde und der See ihm gehorchen?»
7) Jesus, der Sohn Gottes (V. 28-34)
In dem abschliessenden Abschnitt wird deutlich, dass dieser Mensch Gott ist – Gott, der Sohn. An dieser Stelle finden wir diesen Namen unseres Herrn zum ersten Mal in der Bibel. Zunächst erkennen wir – eigentlich typisch für die Herrlichkeit des Sohnes im Johannes-Evangelium –, dass Er für einzelne Personen einen langen Weg auf sich nimmt, um ihnen zu helfen. Je grösser die Herrlichkeit seiner Person, umso auffälliger ist, dass Er sich Zeit für den Einzelnen nimmt.
Kein Mensch hat Autorität über die Dämonen, die Diener und Engel Satans. Das wissen auch diese furchtbaren Wesen. Daher fragen sie: «Was haben wir mit dir zu schaffen, Sohn Gottes?» Der Ausdruck «Sohn Gottes» heisst nicht «Kind». «Sohn Gottes» weist darauf hin, dass die Person als «Sohn» von derselben Art ist wie Gott – also Gott selbst sein muss. Das mag heute von vielen geleugnet werden. Damals gab es keinen Zweifel daran: Wenn jemand sich Sohn Gottes nennen liess, bekannte Er sich dazu, Gott zu sein. Das tat der Herr Jesus. Er konnte es tun, weil Er Gott ist.
Er bestand auch auf diesem Anspruch (Mk 2,7.10). Die Juden klagten Ihn später dafür an und forderten deshalb seinen Tod (Joh 19,7). Aber halten wir fest: Er ist Gott, gepriesen in Ewigkeit.