Die verschiedenen Heilsperioden in Matthäus 8
Dieses Kapitel im Matthäus-Evangelium gibt uns einen einmaligen Panoramablick auf die Person und das Werk des Herrn. Wir erfahren aber auch etwas über das unterschiedliche Handeln Gottes mit den Menschen. Die sieben Abschnitte, in die sich dieses Kapitel einteilt, geben uns nicht nur ein Zeugnis der vollkommenen Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus. Sie zeigen auch etwas über die verschiedenen Heilsperioden, d.h. die Zeitabschnitte, in denen Gott auf unterschiedliche Weise mit den Menschen handelt. Dass der Geist Gottes in diesen Abschnitten die Chronologie zugunsten eines anderen Leitgedankens zur Seite stellt, macht deutlich, dass diese Reihenfolge eine Bedeutung hat.
1) Christus kommt zu seinem Volk (V. 1-4)
Der Messias steigt vom Berg herab und grosse Massen seines Volkes folgen Ihm. Dann kommt ein Aussätziger zu Ihm. Dieser steht symbolisch für das Volk Israel, zu dem der Gesalbte Gottes gekommen war. So sah der geistliche Zustand des Volkes aus: aussätzig. Es gibt im Alten Testament keine Krankheit bzw. Unreinheit, die so drastisch beschrieben wird wie der Aussatz (3. Mo 13 und 14). Diese Krankheit isolierte den Menschen völlig. Sie verwehrte ihm den Zugang zu den anderen Menschen und auch zu Gott.
Jesaja beschreibt diesen Zustand des Volkes Israel mit den Worten: «Das ganze Haupt ist krank, und das ganze Herz ist siech. Von der Fusssohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an ihm» (Jes 1,5.6). Sie hatten die Propheten endgültig abgelehnt. Jetzt standen sie davor, ihren König zu verwerfen. Nicht Gott, sondern ihre eigene Ehre stand bei ihnen im Mittelpunkt (Mt 6,1-18).
Dennoch kommt der König zu seinem Volk, um es zu heilen und zu retten (Mt 1,21). Doch Er übergeht das Gesetz nicht, das vom Geheilten verlangte, sich dem Priester zu zeigen (3. Mo 14,2). Christus, der zugleich der HERR des Alten Testaments und der Gesetzgeber ist, übergeht sein eigenes Gesetz nicht. Bis zum Kreuz anerkannte Er alle seine Ansprüche.
Doch das Volk will das Gesetz nicht befolgen und lehnt Gott und seinen König, Jesus Christus, ab. So ist der Priester ein Bild des ungläubigen Israel, das seinen König ablehnt und Ihn auch nicht als den HERRN anerkennen will.
2) Christus bringt das Heil den Nationen (V. 5-13)
Was will der Geist Gottes uns mit dieser Begebenheit, die viel später stattfand, lehren? Der Herr hatte seinem Volk gezeigt, was Er für sie hätte tun können, wenn sie wie der Aussätzige zu Ihm gekommen wären. Aber Israel war sich seines Aussatzes nicht bewusst. Es wollte seinen Zustand nicht eingestehen. Es lehnte den HERRN, seinen Gott, der als Mensch zu ihm gekommen war, ab. Wenn aber das Volk Israel den Messias ablehnte, dann war sein Fall der Anlass zum Heil der Nationen (Röm 11,11).
Vom Priester lesen wir nicht, dass er anerkannte, dass Gott hier gewirkt haben musste. Wenn selbst die, die vor Gott und in seinem Auftrag vor dem Volk standen, das göttliche Wirken des Herrn Jesus nicht anerkennen wollten, dann würde der Herr das Heil denen bringen, die bis dahin keine Beziehung zu Gott hatten – zu den Nationen.
Wir finden hier den bevorstehenden Wechsel des Heilszeitalters: das Beiseitestellen der natürlichen Nachkommen Abrahams und das Einführen von zahlreichen Gläubigen aus den Nationen im Namen des Herrn. Sie werden durch den römischen Hauptmann repräsentiert.
Bei Israel war das Kennzeichen, dass Christus den Aussätzigen anrührte, denn die jüdische Religion war auf das Sichtbare, Anfassbare ausgerichtet. Beim Hauptmann aber steht der Glaube im Vordergrund. Ihm genügte das gesprochene Wort Gottes aus dem Mund des Herrn. Das ist das Kennzeichen unserer Zeit. Wir glauben, ohne zu sehen (1. Pet 1,8). Diese Begebenheit stellt also bildlich die heutige Zeit dar.
Wir sehen hier zwar noch nicht, dass Christus Israel verlassen hätte und die Versammlung eingeführt wird – das kommt später. Doch der Herr führt etwas Neues ein: Wenn das Volk Israel völlig versagt, öffnet Gott den Nationen die Tür. Auch diese waren, was ihren geistlichen Zustand betrifft, «krank». Sie waren gelähmt und unfähig, Gott zu dienen. Aber Christus kam, um sie und damit auch uns aus diesem Zustand zu befreien.
3) Christus gibt sein Volk nicht auf (V. 14.15)
«Ich will nicht, Brüder, dass euch dieses Geheimnis unbekannt sei, damit ihr nicht euch selbst für klug haltet: dass Israel zum Teil Verhärtung widerfahren ist, bis die Vollzahl der Nationen eingegangen ist; und so wird ganz Israel errettet werden» (Röm 11,25.26). In der heutigen Zeit wendet sich die Gnade Gottes allen Menschen zu – denen aus den Nationen und denen aus Israel.
Wenn aber die Vollzahl der Nationen eingegangen ist, wird Christus sich wieder seinem Volk zuwenden. Die Christenheit ist nicht besser als die damals lebende jüdische Nation. Wenn der Abfall der Namenschristen von Christus das volle Mass erreicht haben wird, knüpft Gott wieder mit seinem irdischen Volk an. Doch die Juden müssen durch eine grosse Drangsalszeit hindurchgehen (Mt 24,21).
So sehen wir, dass die Schwiegermutter von Petrus, dem späteren Apostel der Beschneidung (Gal 2,8), fieberkrank daniederliegt. Es geht um die Blutsverwandtschaft, der sich Christus zuwendet. Der Zustand seines Volkes wird anfangs durch das Fieber symbolisiert. Aber der Herr wird sie aus der Drangsal befreien und retten – durch Anrühren! Dann ist sein Volk bereit, Gott und seinem Christus zu dienen.
Die wunderbare Botschaft dieses Abschnitts ist: Christus gibt sein Volk nicht auf. Er wird sich wieder um Israel kümmern, auch wenn sie sich vergessen glauben: «Zion sprach: Der HERR hat mich verlassen, und der Herr hat mich vergessen.» Aber Gott hat eine Antwort auf diesen Kummer.
Es werden aber nur die Übriggebliebenen – ein Überrest – sein, denen Er sich offenbaren kann. Es sind jene im Haus, die sich auf die Seite der Jünger des Herrn, ja, des Messias selbst stellen. Ihnen sagt der HERR: «Könnte auch eine Frau ihren Säugling vergessen, dass sie sich nicht erbarmte über den Sohn ihres Leibes? Sollten sogar diese vergessen, ich werde dich nicht vergessen. Siehe, in meine beiden Handflächen habe ich dich eingezeichnet; deine Mauern sind beständig vor mir» (Jes 49,15.16). Wir erkennen, dass trotz der grossen Gnade Gottes für die Nationen seine Zuneigungen zum irdischen Volk Israel nicht verschwinden. Das Volk liegt noch «fieberkrank» danieder. Doch der Augenblick kommt, da sich der Messias wieder um sein Volk kümmern und es von seiner Krankheit befreien wird. Das wird nötig sein, um es in den Segen des Tausendjährigen Reiches einzuführen.
4) Die Wiederherstellung Israels ist die Basis für den Segen der Welt (V. 16.17)
Im Tausendjährigen Reich wird nicht nur Israel von Gott gesegnet werden. Ausgehend vom irdischen Volk Gottes wird Christus den Segen über die ganze Erde bringen. In diesen Versen finden wir keinen Hinweis auf die Zugehörigkeit derer, die zum Herrn gebracht werden.
In der Zukunft werden sich alle Völker als Feinde Gottes erweisen. Sie werden von den beiden Tieren aus Offenbarung 13 beherrscht sein, dem Herrscher des wiedererstehenden römischen Reiches und dem Antichristen, die beide ihre Macht von Satan haben.
Doch Christus wird in jener zukünftigen Zeit (nach der Entrückung) auch unter den Nationen viele retten können, ausgehend von Jerusalem. «Es wird geschehen an jenem Tag, da werden lebendige Wasser aus Jerusalem fliessen, zur Hälfte zum östlichen Meer und zur Hälfte zum hinteren Meer; im Sommer und im Winter wird es geschehen. Und der HERR wird König sein über die ganze Erde; an jenem Tag wird der HERR einer sein und sein Name einer» (Sach 14,8.9).
Dann wird auch das Volk Israel gesund sein: «Dann wird die Beute des Raubes ausgeteilt in Menge, sogar Lahme plündern die Beute. Und kein Einwohner wird sagen: Ich bin schwach. Dem Volk, das darin wohnt, wird die Schuld vergeben sein» (Jes 33,23.24). Die Völker werden nach Jerusalem ziehen und aus dem Gesetz belehrt werden (Jes 2,2-4; Micha 4,1.2).
5) Nur jene, die die Schmach Christi teilen, werden ins Königreich eingehen (V. 18-22)
Es stellt sich die Frage: Wer wird in dieses tausendjährige Friedensreich eingehen? Diese Verse geben darüber Auskunft: Nur die, die sich auf die Seite des verworfenen Sohnes des Menschen stellen, werden hineingehen.
Der Herr Jesus hatte hier auf der Erde keinen Platz, wo Er Ruhe gefunden hätte. Das gilt auch für seine Jünger – besonders für die, die in der Drangsalszeit leben werden. Es geht um Juden. (Die gläubigen Christen werden vor der Stunde der Versuchung bewahrt werden (Off 3,10). Sie sind dann bereits beim Herrn.) Für diese Juden wird gelten: Der Herr kommt zuerst. In jener Zeit wird es viele Tote geben. Ja, Bruder wird gegen Bruder und Eltern gegen Kinder und umgekehrt auftreten. Nur wer dem Herrn den ersten Platz gibt, ist ein echter Jünger.
In diesem Schriftgelehrten sehen wir wieder ein Bild von Israel. Nachdem der Herr Jesus gezeigt hat, was für einen Segen es für Israel und darüber hinaus gibt, macht Er klar, dass dafür eine radikale Änderung im Zustand und im Inneren Israels nötig sein wird. Dieser Schriftgelehrte illustriert den Hochmut und die Anmassung der Juden, die dachten, die Gegenwart Jesu brächte äusseren Gewinn, Reichtum und Herrlichkeit. Das Gegenteil war der Fall. Nur wenn das Volk sich vor seinem Gott demütigt und eingesteht, dass es überhaupt nicht in der Lage ist, Ihm zu dienen und nachzufolgen, kommt Rettung. Dann wird es den Ruf des Herrn in die Nachfolge hören.
6) Christus bringt seine Jünger durch die Drangsalszeit hindurch (V. 23-27)
Nachdem der Herr gezeigt hat, wer in das Königreich eingehen wird, finden wir, wie seine Jünger in dieses Reich hineinkommen werden: durch eine Drangsalszeit hindurch. Das wird hier mit einer Schifffahrt durch ein grosses Unwetter verglichen.
Die Jünger waren erfahrene Fischer und hatten manchen Sturm erlebt. Dieser ging über ihr Vermögen. Ähnlich wird es in der Drangsalszeit sein. «Wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden» (Mt 24,22). Es wird eine furchtbare Zeit sein. Die gläubigen Übriggebliebenen der Juden werden der Macht Satans im ruhelosen Völkermeer, das einem wilden Ungestüm gleicht, ausgesetzt sein (Jes 57,20).
Doch Christus wird die, die Ihm treu sind, durch diese Zeit hindurch bewahren. So werden sie das andere Ufer erreichen und in das tausendjährige Friedensreich eingehen. «Die sich auf Schiffen aufs Meer hinabbegeben … Er spricht und bestellt einen Sturmwind, der hoch erhebt seine Wellen. Sie fahren hinauf zum Himmel, sinken hinab in die Tiefen; es zerschmilzt in der Not ihre Seele. Sie taumeln und schwanken wie ein Betrunkener, und zunichte wird all ihre Weisheit. Dann schreien sie zu dem HERRN in ihrer Bedrängnis, und er führt sie heraus aus ihren Drangsalen. Er verwandelt den Sturm in Stille, und es legen sich die Wellen. Und sie freuen sich, dass sie sich beruhigen, und er führt sie in den ersehnten Hafen» (Ps 107,23-30). Die «grosse Stille» wird erst mit dem Erscheinen des Herrn auf dieser Erde eintreten.
7) Die Untreuen gehen in die ewige Verdammnis (V. 28-34)
Das Volk wird erkennen müssen, dass es von Satan beherrscht war. Christus war gekommen, um es von dieser Gewalt zu befreien. Er hat es bei denen getan, die Ihm folgen wollten. So sind die beiden geheilten Besessenen ein Bild des gläubigen Überrests, den der Herr auf der Erde finden wird.
Doch das Volk im Allgemeinen hat sich als untreu erwiesen, so dass Satan es aufs Neue beherrschen wird. «Dann geht er (der unreine Geist) hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie gehen hinein und wohnen dort; und das Letzte jenes Menschen wird schlimmer als das Erste. Ebenso wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen» (Mt 12,45).
Die Übriggebliebenen müssen erkennen, dass sie Satan gefolgt sind und er sie beherrscht und das Volk durch den Antichristen unterjocht hat. Wenn sie dies einsehen und zugeben, werden sie befreit.
Die Dämonen fuhren in die Schweine. Es sind unreine Tiere – aus der Sicht der Pharisäer ein Bild der ungläubigen Nationen. Doch der Herr muss zeigen, dass diese Tiere zu einem Symbol für den Zustand des ungläubigen Volkes geworden sind. Es handelt sich um die Juden, die den Herrn verwarfen und verwerfen werden. Alle, die, anstatt Christus anzunehmen, in der Drangsalszeit den Bund des Antichristen mit Satan gutheissen, werden wie diese Schweine umkommen. Eine schreckliche Zukunft in der Hölle wird sie erwarten.
Diese Begebenheit zeigt, wie stark Satan in der Drangsalszeit wirken wird. Nach Offenbarung 12 wird er aus dem Himmel geworfen werden. Er und seine Dämonen werden dann in vorher nicht gekannter Weise die Erde und ihre Bewohner drangsalieren. Nur wer sich in die Retterarme des Messias wirft, wird gerettet werden – durch die Drangsalszeit hindurch, wenn er nicht als Märtyrer sterben muss.
Der Heilige Geist gibt in diesen wenigen Abschnitten ein umfassendes Bild der Geschichte der Gläubigen und Ungläubigen – vor allem des Volkes Israel – in dieser Welt. Sehen wir darin nicht auch das Herz unseres Heilands für sein Volk, auch wenn es Ihn damals gekreuzigt hat?