2. Seiner Fürsorge anvertraut
Die Kapitel 3 – 10,22 behandeln die beiden Tätigkeiten unseres grossen Hohenpriesters. In den Kapiteln 3 – 6 verwendet Er sich für uns, damit wir in den Nöten des Lebens nicht verzweifeln. In Kapitel 7 – 10,22 finden wir dann seine Aufgabe als Hoherpriester, wie Er uns als Priester zu Gott geführt hat und führt. Wenn man den Text in diesen Kapiteln liest, kann man nicht so genau sagen, wo der Übergang von der einen Tätigkeit zur anderen liegt. Das ist die Weise des Hebräer-Briefs: Die einzelnen Wahrheiten greifen ineinander. In Kapitel 7,25 erkennen wir aber einen Wechsel. Dieser Vers spricht von beiden Seiten der hohenpriesterlichen Tätigkeit des Herrn Jesus:
- «Er vermag diejenigen auch völlig zu erretten.» Das ist seine Hilfe, damit wir das Ziel erreichen.
- «Die durch ihn Gott nahen.» Aufgrund seiner Tätigkeit können wir jetzt und ewig Gott anbeten.
Wir wenden uns jetzt der ersten Seite zu. Unser grosser Hoherpriester ist in den Himmel hinaufgestiegen. Dort ist Er verherrlicht, aber wir sind noch auf der Erde. Sie ist sowohl für die Empfänger des Briefs als auch für uns eine Wüste. So sieht es der Hebräer-Brief. Eine Wüste zu durchqueren ist mühsam, langweilig und gefährlich. Es ist sicher kein Spaziergang. Der Herr hat uns Glaubenden kein einfaches Leben versprochen. Oft ist es ein Kampf, der mit Schwierigkeiten verbunden ist, manches ist immer wiederkehrend und es gibt viele Gefahren. Die Kapitel 3 – 6 machen uns auf die Gefahren der Wüste aufmerksam und zeigen uns darin die Hilfe des Hohenpriesters. Obwohl Er im Himmel ist, hat Er uns nicht vergessen, sondern verwendet sich für uns!
2.1. Der Schöpfer und der Herr
Hebräer 3,1-6. Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus, der treu ist dem, der ihn bestellt hat, wie es auch Mose war in seinem ganzen Haus. Denn dieser ist grösserer Herrlichkeit für würdig erachtet worden als Mose, insofern grössere Ehre als das Haus der hat, der es bereitet hat. Denn jedes Haus wird von jemand bereitet; der aber alles bereitet hat, ist Gott. Und Mose zwar war treu als Diener in seinem ganzen Haus – zum Zeugnis von dem, was nachher geredet werden sollte –, Christus aber als Sohn über sein Haus, dessen Haus wir sind, wenn wir nämlich die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten.
Die erste Gefahr, die uns in Kapitel 3 vorgestellt wird, ist die Tatsache, dass wir durch die Lebensumstände den Herrn Jesus aus unserem Blickfeld verlieren können. Dann verblasst in unseren Herzen der Eindruck seiner Grösse und Erhabenheit. Darum fordert uns der Schreiber auf: «Betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus.»
Wenn der Hebräer-Brief vom Haus Gottes spricht, dann bezieht er sich immer auf das Zelt der Zusammenkunft in der Wüste und nicht auf den Tempel. Warum? Weil der Glaubende in der Welt als in einer Wüste lebend gesehen wird, wie einst das Volk Israel durch die Wüste wandern musste. Mose baute damals dieses Zelt und war der Diener dieses Hauses. Diese Hütte in der Wüste spricht bildlich von zwei Tatsachen:
- «Der alles bereitet hat, ist Gott» (V. 4). Die Stiftshütte ist ein Bild vom ganzen Weltall. Sie stellt in ihren drei Abteilungen die Erde und die Himmel vor. Der Herr Jesus hat sie als Sohn erschaffen (Kap. 1,2).
- «Dessen Haus wir sind» (V. 6). Das Zelt der Zusammenkunft spricht von uns, den Erlösten. Es wird mit Recht gesagt, dass der Hebräer-Brief die Versammlung eigentlich nicht als den einen Leib und das Haus vorstellt. Aber hier nähert sich der Schreiber diesem Gedanken. Er sagt, dass wir, die gläubigen Christen, das Haus des Christus sind. Das Zelt der Zusammenkunft ist also auch ein Bild der Versammlung.
Wenn wir im Alltag in der Hitze des Gefechts Gefahr laufen, den Herrn Jesus aus den Augen zu verlieren, dann benutzt der Hohepriester diese beiden Tatsachen, um unseren Glaubensblick wieder auf Ihn auszurichten:
1) Seine Macht als Schöpfer (V. 4)
Er möchte sich uns als Den vorstellen, der der Schöpfer aller Dinge ist. Unser Herr Jesus ist nicht nur mächtig, Er ist allmächtig! Wenn wir in den Schwierigkeiten zu versinken drohen, dürfen wir im Glauben festhalten, dass Er immer die Macht hat, das Problem zu lösen. Er tut es nicht immer sogleich. Aber es wird der Tag kommen, da Er seine Macht entfalten wird, um uns alle aus den Problemen der Wüste herauszunehmen. Das geschieht bei der Entrückung. In Philipper 3 heisst es, dass Er in jenem Moment «unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen» (Phil 3,21). Das ist ein grosser Trost in den Schwierigkeiten des Lebens. Wir wissen, dass unser Herr die Macht hat, unsere Not zu beenden. Wann Er das tut, entspringt seiner Weisheit, spätestens aber bei der Entrückung.
2) Seine Herrschaft als Sohn (V. 6)
Christus ist als Sohn über sein Haus gesetzt. Als solcher hat Er Autorität. Es ist zwar wahr, dass Er nicht der Herr, sondern das Haupt der Versammlung ist. Das ist aber nicht das Thema hier. Hier geht es darum, dass Er Herr in der Versammlung ist. Daran möchte Er uns erinnern, wenn wir Ihm in den Schwierigkeiten auf dem gemeinsamen Weg der Christen aus den Augen verlieren. Er macht uns vom Himmel her darauf aufmerksam, dass Ihm nichts aus dem Ruder läuft. Das macht uns in den letzten Tagen des christlichen Zeugnisses Mut. Wenn wir in der örtlichen Versammlung Gefahren sehen oder uns in Nöten befinden, die wir nicht ändern können, so dürfen wir wissen: Er hält alles in seinen Händen.
2.2. Er gibt uns das Wort und das Gebet
Hebräer 4,12-16. Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben. Da wir nun einen grossen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten; denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde. Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.
Der Abschnitt in Kapitel 3,7 – 4,11 weist auf die Gefahr hin, dass wir auf der Erde Ruhe suchen. Bei den Hebräern gab es solche, die ganz grundsätzlich diese Ruhe begehrten. Das waren Menschen aus dem Volk Israel, die nur formell Christen geworden waren. Sie waren nicht bekehrt. Als Schwierigkeiten auftauchten, kehrten sie zum Judentum zurück, weil das bequemer war. Zugleich ermahnen diese Verse auch uns, die Erlösten. Wir stehen in Gefahr, ebenfalls die Ruhe auf der Erde anzustreben. Dieser Gefahr begegnet unser himmlischer Hoherpriester in den Versen 12-16 auf zweierlei Weise: Er erinnert uns an die Wirksamkeit des Wortes Gottes und zeigt uns das Vorrecht des Gebets.
Sein Licht durch das Wort Gottes (V. 12.13)
Das Wort Gottes ist der Ausdruck der Gedanken Gottes. Darin teilt Er uns seinen Willen mit und verurteilt alles, was Ihm nicht entspricht.
Es «ist lebendig und wirksam». Wenn wir hier auf der Erde Ruhe und Annehmlichkeit suchen, erfahren wir, dass das Wort Gottes uns aus dieser falschen Ruhe reisst. Lesen wir alle täglich die Bibel? Es ist eine grosse Gnade, dass das Wort Gottes an unseren Herzen und Gewissen wirkt. Manchmal trifft uns eine einzelne Aussage aus der Bibel. Wie oft habe ich erfahren, dass gerade der Tagesvers des Kalenders mich aufgerüttelt hat, als ich im Begriff stand, mich auf der Erde wohl zu fühlen.
Es «ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert». Es scheidet und unterscheidet. Das bedeutet, dass es zwischen Seele und Geist unterscheidet, d.h. zwischen dem, was unseren Gefühlen entspringt, und dem, was durch den Geist Gottes gewirkt ist. Ich glaube, wir denken oft zu gut von uns selbst. Wir meinen: Das hat der Geist Gottes in meinem Leben gewirkt. Doch es war nur ein bisschen gute Erziehung, ein bisschen freundliches Wesen. Das kann die Welt auch. Wie gut ist es dann, wenn uns das Wort in seiner Schärfe klar macht, dass dies nicht vom Geist gewirkt war.
«Alles ist bloss und aufgedeckt.» Unser Inneres wird offenbar und das Gewissen wird angesprochen. Jetzt kommt etwas Markantes. Das Wort Gottes geht zur Person Gottes über. Das bedeutet, dass Gott sich mit seinem Wort völlig eins macht. «Alles ist bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben.» Gott kennt unsere Gedanken und unser Inneres! Wir sind froh, dass kein Geschöpf in unser Herz sehen kann, auch die Engel nicht. Es gibt natürlich Ehefrauen, die schon lange verheiratet sind und die Gedanken ihrer Männer oft erraten können. Aber wirklich wissen, was wir denken, das kann nur Gott. Wir haben in der Schule das Lied gesungen: «Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?» Die Antwort lautet: niemand, ausser Gott. Der Herr Jesus, der alle unsere Gedanken und Empfindungen sieht, verwendet sich für uns. Das ist einerseits ernst, weil Er alle Beweggründe kennt. Ihm können wir nichts vormachen. Er weiss, was in unserem Leben von der alten Natur kommt. Anderseits tröstet es uns, dass Er auch unsere Aufrichtigkeit sieht. Unsere Beweggründe werden von den Menschen manchmal missverstanden, das ist schwer zu ertragen. Doch wir dürfen wissen: Unser Herr im Himmel weiss, wenn wir aus guten Motiven handeln. Er sieht jedes aufrichtige Herz, das für Ihn schlägt.
Unser grosser Hoherpriester (V. 14.15)
Zwischen dem Wort Gottes (V. 12.13) und dem Gebet (V. 16) wird uns die Tatsache vorgestellt: «Wir haben nun einen grossen Hohenpriester, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes.» Der Herr Jesus ist auferstanden und als Mensch durch die Himmel gegangen und bis zum dritten Himmel vorgestossen. Der dritte Himmel ist der höchste geschaffene Himmel. Dort steht der Thron Gottes. Aus dem Alten Testament wissen wir, dass es ein Thron der Gerechtigkeit und des Gerichts ist (Ps 89,15). Jesus Christus ist in dem Wert seines Opfers in den Himmel gegangen. Dadurch hat Er diesen Thron für uns in einen Thron der Gnade umgewandelt. Das ist etwas Wunderbares!
Unser Herr wird uns hier in seinen zwei Seiten vorgestellt, wie wir sie auch in den ersten beiden Kapiteln finden:
- Jesus – dieser Name hebt seine Menschheit hervor. Als Mensch kann Er uns verstehen, weil Er selbst hier gelebt hat. Er kann aus Erfahrung unsere Nöte mitempfinden.
- Der Sohn Gottes – dieser Titel zeigt uns seine Gottheit. Als Gott hat Er alle Macht, uns in den Umständen zu helfen oder sie zu verändern.
«Lasst uns das Bekenntnis festhalten.» Wenn wir einen so wunderbaren, himmlischen Hohenpriester haben, wollen wir das christliche Bekenntnis festhalten. Wir sind doch himmlische Menschen! Das dürfen wir in unserem Leben zum Ausdruck bringen.
Der Herr Jesus hat Mitleid mit unseren Schwachheiten. Es ist gut, dass wir zwischen Sünden und Schwachheiten unterscheiden. Wenn wir gesündigt haben, hat Jesus Christus kein Mitleid mit uns, sondern wird als Sachwalter tätig, damit wir die vorgefallene Sünde bekennen und in Ordnung bringen. 1. Johannes 2,1 belehrt uns über diesen Dienst unseres Herrn vom Himmel her. Aber Er hat sehr wohl Mitleid mit unseren Schwachheiten.
Die Bibel unterscheidet verschiedene Arten von Schwachheiten. Es ist deshalb gut, immer aus dem Zusammenhang zu erkennen, was genau gemeint ist:
- Es gibt Schwachheiten im Leben, wie Hunger, Durst und Müdigkeit, die der Herr Jesus auch kannte (Lk 4,2; Joh 4,6.7).
- Es kann sich auch um Schwachheit im Dienst handeln (1. Kor 2,3). Der christliche Dienst äussert sich auf eine Weise, die in den Augen der Menschen schwach ist. Gerade da offenbart sich die Kraft Gottes. Der Herr sagte zu seinem Diener Paulus: «Meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht» (2. Kor 12,9). Und von unserem Herrn lesen wir, dass Er in Schwachheit gekreuzigt wurde. Doch da offenbarte sich die Kraft Gottes in einem vollständigen Sieg (2. Kor 13,4).
- Das Wort Gottes spricht auch von Schwachen im Glauben, die nicht alles essen und gewisse Tage besonders halten (Röm 14,1). Der Herr Jesus erfuhr solche Schwachheit bei seinen Jüngern und ertrug sie.
- Die Leiden des Körpers durch Stress bei der Arbeit, durch Krankheit oder beim Älterwerden als Folge der Sünde werden ebenfalls Schwachheiten genannt (Röm 8,26). Dieser Schwachheit ist der Herr Jesus begegnet, als Er Kranke heilte (Mt 8,17). Wie tief hat Er diese Folgen der Sünde mitempfunden!
Alle diese Schwachheiten machen uns im Glaubensleben Mühe. Der Hebräer-Brief schliesst sie alle mit ein. Unser Hoherpriester verwendet sich wegen diesen bei uns auftretenden Schwachheiten für uns, damit wir nicht verzweifeln, sondern im Glauben mit festen mutigen Schritten weitergehen.
Er ist «in allem versucht worden in gleicher Weise wie wir». In seinem Leben hier hat Er diese verschiedenen Schwachheiten entweder persönlich oder bei seinen Mitmenschen erfahren. Weil Er sie kennt, versteht Er uns, wenn wir darunter leiden.
«Ausgenommen die Sünde» – das ist ein wichtiger Zusatz. Vielleicht haben wir uns schon gefragt: Warum erwähnen wir den Ausdruck «ausgenommen die Sünde» im Gebet so oft, wenn wir vom menschlichen Leben des Herrn Jesus sprechen? Weil es uns ein Anliegen ist, die Tatsache festzuhalten, dass Er sündlos ist.
Seine Gnade im Gebet erfahren (V. 16)
Wir haben in den Schwierigkeiten und Gefahren der Wüstenwanderung neben dem Wort Gottes auch die Hilfe des Gebets. Wir dürfen mit Freimütigkeit zum Thron der Gnade hinzutreten und unseren Mund öffnen. «Freimütigkeit» ist ein altes Wort. Doch man kann es schlecht durch ein anderes ersetzen. Es bedeutet freudige Unerschrockenheit, frohes Zutrauen zu Gott. Wir dürfen vor Ihn treten und Ihn um Hilfe in den Schwierigkeiten des Lebens bitten.
Dieser Vers gibt uns zwei Zusagen für das Gebet am Thron der Gnade:
- Für uns als schwache und wankende Menschen empfangen wir Barmherzigkeit.
- Für unseren Lebensweg, der kein Spaziergang, sondern oft ein Kampf ist, finden wir Gnade.
Gott schenkt uns Barmherzigkeit und Gnade «zu rechtzeitiger Hilfe». Wenn die Schwachheiten uns stark zu schaffen machen, stehen wir in Gefahr zu sündigen. Doch davor möchte uns der Hohepriester bewahren, indem Er uns in der Schwachheit zu Hilfe kommt, damit wir nicht straucheln.
2.3. Er lernte den Gehorsam in schwersten Umständen
Hebräer 5,7-10. Christus …, der in den Tagen seines Fleisches, da er sowohl Bitten als Flehen dem, der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte, mit starkem Schreien und Tränen dargebracht hat (und wegen seiner Frömmigkeit erhört worden ist), obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte; und, vollendet worden, ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden, von Gott begrüsst als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.
Sein Gebet in Gethsemane (V. 7)
Hier haben wir eine Situation im Hebräer-Brief, die wir öfters finden: Der Schreiber beginnt mit einem breiten Spektrum und schränkt es dann ein. «Die Tage seines Fleisches» umfassen das ganze Leben des Herrn Jesus hier auf der Erde. Das «Bitten und Flehen» bezieht sich dann aber speziell auf die Szene in Gethsemane.
Als unser Heiland kurz vor seiner Kreuzigung in Gethsemane war, sah Er die ganze Schwere seines Werks vor sich. Er wusste, dass Er zur Sünde gemacht werden und die Sünden aller, die an Ihn glauben, tragen musste (2. Kor 5,21; 1. Pet 2,24). Damit war Er gedanklich beschäftigt, als Er mit Bitten und Flehen zu Gott rief. Lukas beschreibt das wie folgt: «Als er in ringendem Kampf war, betete er heftiger» (Lk 22,44). Weiter lesen wir, dass sein Gebet mit starkem Schreien und mit Tränen einherging. Es war ein stummer Schrei seines Herzens, denn in den Evangelien hören wir nichts davon. Die Tränen sind ein Ausdruck seiner Schmerzen und seiner Not, die Er dort im Garten empfand, als Er an die Leiden am Kreuz dachte.
«Er ist um seiner Frömmigkeit willen erhört worden.» Vielleicht denken wir: Sein Gebet in Gethsemane ist nicht erhört worden. Er musste am Kreuz diese Leiden erdulden und das Werk vollbringen. Und doch ist Er erhört worden, und zwar durch die Auferweckung! Der Herr Jesus hatte sein Gebet an Den gerichtet, «der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte». Es heisst nicht «vor dem Tod», sondern «aus dem Tod». Das deutet darauf hin, dass Gott sein Gebet durch die Auferweckung erhörte. Er hat nicht zugelassen, dass sein Frommer die Verwesung sah (Ps 16,10). Der Herr Jesus ist der Fromme Gottes: Sein Leben war durch Reinheit und Hingabe an Gott gekennzeichnet. So wurde Er in eine Gruft gelegt, in die noch nie jemand gelegt worden war, die noch nicht nach Verwesung roch. Aber noch viel mehr. Er wurde durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt, bevor die Verwesung eintrat! Er hatte völlig rein und Gott hingegeben gelebt. Das war der erste Grund, warum Gott Ihn auferweckte. Den zweiten Grund finden wir in Römer 6,4: sein vollkommenes Erlösungswerk am Kreuz.
Der Sohn lernte den Gehorsam (V. 8.9)
«Obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte.» Mit Vorsicht nähern wir uns jetzt diesem Vers. Es besteht ein grosser Gegensatz zwischen uns sündigen Menschen und dem Herrn Jesus. Wir sind wegen der in uns wohnenden Sünde rebellisch gegen Gott. Darum müssen wir als Glaubende lernen, uns der Sünde für tot zu halten und Gott und seinem Wort zu gehorchen. Das gilt für uns.
Aber im Herrn Jesus war nie eine Rebellion gegen Gott. Er war völlig ohne Sünde. Trotzdem musste Er Gehorsam lernen. Was bedeutet das? Gott nimmt keine Befehle entgegen, sonst ist Er nicht Gott. Als Sohn Gottes besitzt Christus göttliche Autorität, in der Er Befehle erteilt. Aber als Er Mensch wurde, hat Er von seinem Gott Befehle entgegengenommen und Ihm gehorcht. Er hat durch Erfahrung gelernt, was es bedeutet, Gott gehorsam zu sein. Er tat es ohne jede Auflehnung gegen Gott und sein Wort, sondern bereitwillig und mit Freude. Doch sein Gehorsam brachte Ihm Leiden ein, weil Er in einer Welt lebte, die von Satan und der Sünde beherrscht wird. Der Höhepunkt dieses Gehorsams ist sein Sterben am Kreuz. Er gehorchte seinem Gott bis zur letzten Stunde seines Lebens. Philipper 2,8 drückt es so aus: «Er wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.»
Dann ist Er «vollendet worden». Nachdem Er seinen Weg des Gehorsams bis zum Tod vollendet hat, ist Er auferstanden und als verherrlichter Mensch in den Himmel eingegangen.
So ist der Herr Jesus «der Urheber ewigen Heils» für alle geworden, die an Ihn glauben. Er hat alles unternommen und Er wird alles unternehmen, damit wir das himmlische Ziel erreichen.
Von Gott als Hoherpriester begrüsst (V. 10)
Als Er in den Himmel eintrat, wurde Er von Gott mit Freude empfangen. Was muss es für den Herrn nach einem Leben des Gehorsams in Leiden bis in den Tod gewesen sein, so von seinem Gott als Hoherpriester begrüsst und bestätigt zu werden!
Sein Verständnis durch persönliche Erfahrung
Mitgefühl ist die Antwort des Hohenpriesters auf unsere Schwachheiten: Er hat hier auf der Erde gelebt, war hungrig und wurde müde. Er war von schwachen und kranken Menschen umgeben. Das hat Ihn beschäftigt. Er wurde innerlich bewegt, wenn Er einen Kranken vor sich hatte. Weil Er dies alles hier einmal durchlebt hat, kann Er dich verstehen, wenn du hungrig oder müde bist, wenn du am Ende deiner Kraft bist und sagst: Jetzt kann ich nicht mehr. Auch in einer Krankheit, die dich niederdrückt und dir Schmerzen verursacht, kann Er dich verstehen. Und Er hilft dir, dass du in deinen Schwierigkeiten nicht aufgibst, sondern Gott gehorsam bleibst.
2.4. Er ist am Ziel und bringt auch uns dorthin
Hebräer 6,18-20. Damit wir durch zwei unwandelbare Dinge – wobei es unmöglich war, dass Gott lügen würde – einen starken Trost hätten, die wir Zuflucht genommen haben zum Ergreifen der vor uns liegenden Hoffnung, die wir als einen sicheren und festen Anker der Seele haben, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht, wohin Jesus als Vorläufer für uns hineingegangen ist, der Hoherpriester geworden ist in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.
Kapitel 5,11-14 beschreibt eine weitere Gefahr auf unserem Lebensweg durch die Wüste: Wie die Empfänger des Hebräer-Briefs können wir im Hören des Wortes Gottes träge werden. Wir haben nicht nur Ohren am Kopf, sondern auch am Herzen. Es ist möglich, dass wir akustisch alles wahrnehmen und es doch nicht in unsere Herzen aufnehmen.
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass wir durch solche erschüttert werden, von denen wir geglaubt haben, dass sie Erlöste seien, die sich aber als solche entpuppten, die kein Leben aus Gott besitzen. Das finden wir in Kapitel 6,4-8. Diese Menschen haben die himmlische Gabe geschmeckt, sind der Wirksamkeit des Geistes teilhaftig geworden und dann vom christlichen Glauben abgefallen. Gerade wenn wir im Hören träge geworden sind, werden wir durch solche Ereignisse verwirrt.
In Kapitel 6,9-12 folgt schliesslich das schlimmste Übel: Wir können das Ziel aus den Augen verlieren. Darum werden wir aufgefordert: «Wir wünschen aber sehr, dass jeder von euch denselben Fleiss beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende» (V. 11).
Dieser letzten Gefahr begegnet der Schreiber in Kapitel 6,18-20. Er weist uns darauf hin, dass der Herr am Ziel ist und mit Sicherheit die Glaubenden auch dorthin bringen wird.
Der Blick ans Ziel ist ein starker Trost (V. 18)
Die Errettung am Ziel der Reise in der Herrlichkeit des Himmels ist uns sicher. «Zwei unwandelbare Dinge» geben uns diese Gewissheit: der Ausspruch und der Eidschwur Gottes. Da wird auf die Verheissung Gottes an Abraham Bezug genommen. In Vers 13 heisst es, dass Gott seine Verheissung mit einem Schwur bestätigte. Weil es keinen Grösseren als Gott gab, schwor Er bei sich selbst. Das ist sehr feierlich. So wie Gott das Versprechen für einen Nachkommen an Abraham nach langer Zeit erfüllt hat, so wird Er auch seine Zusage an uns wahrmachen. Wir werden das Ziel erreichen.
«Wobei es unmöglich war, dass Gott lügen würde.» Gepriesen sei sein Name! Er kann nicht lügen.
Die Verheissung und der göttliche Schwur geben uns Sicherheit und sind uns ein starker Trost. So wird das Erreichen des Ziels in den Schwierigkeiten eine Realität. Wir ergreifen die vor uns liegende Hoffnung durch den Glauben und halten auf dem Weg durch die Wüste an ihr fest.
Jesus ist unser Vorläufer (V. 19.20)
«Wir haben einen sicheren und festen Anker.» Das bedeutet, dass der Herr Jesus als unser Anker schon im Himmel ist. Er ist als «Vorläufer» dorthin gegangen – ein wunderbarer Titel unseres Herrn. Dieses Wort ist der damaligen Schifffahrt entnommen und illustriert folgende Tatsache: Wenn in der Antike ein grosses Segelschiff in die Nähe des Hafens kam, liess man ein kleines Schiff, einen «Vorläufer» zu Wasser. Ein Tau verband es mit dem grossen Schiff. Der «Vorläufer» fuhr nun in den Hafen und wurde verankert. An diesem Ankertau zog sich schliesslich das grosse Schiff in den Hafen hinein.
Dieses Bild benutzt der Geist Gottes hier. Der Herr Jesus ist bereits als Vorläufer in den Himmel eingegangen. Dort ist Er verankert und zieht alle, die Ihm angehören, ans Ziel. Das gibt uns völlige Sicherheit. Er wird uns gewiss in den Himmel bringen.