Die christliche Anbetung (Schluss)
28) Sollen wir die Psalmen in der christlichen Anbetung benützen?
Viele Psalmen drücken die Gefühle des Herrn Jesus in seinen Leiden aus (z.B. Psalm 22 und 69). Zahlreiche Verse in den Psalmen helfen uns sehr, über Christus nachzudenken und Ihn anzubeten. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Psalmen einen prophetischen Charakter haben. In weiten Teilen äussern sie die Gefühle der treuen Juden während der Drangsalszeit – allgemein «Überrest» genannt (z.B. Jes 10,21f).
Diese Glaubenden sind keine Christen und kennen die christliche Stellung nicht. Sie kennen Gott nicht als ihren Vater und besitzen keine Gewissheit der Sündenvergebung. Sie stehen immer noch unter dem Zorn Gottes, bis die Drangsal zu Ende ist und sie den Messias annehmen. Sie beten zu Recht um Rache an ihren Feinden, damit sie dadurch aus ihrer Bedrängnis befreit werden. Aus diesem Grund eignen sich viele Psalmen – so wertvoll sie sind – nicht als Ausdruck christlicher Anbetung.
29) Was ist mit dem Benutzen von Musikinstrumenten in der christlichen Anbetung?
Musikinstrumente wurden in der israelitischen Anbetung benutzt. Manche Psalmen beziehen sich in ihren Titeln auf «Saiteninstrumente» (z.B. Ps 4; 6; 54; 55). Andere Psalmen erwähnen Instrumente in ihren Texten (z.B. Ps 33,2; 45,9). Als Teil «des Dienstes des Hauses Gottes» setzte man zur Zeit Davids verschiedene Musikinstrumente ein: Zimbeln, Harfen, Lauten (1. Chr 25,6).
Im Neuen Testament lesen wir nicht, dass in der christlichen Anbetung auf der Erde irgendwelche Instrumente eingesetzt wurden. Eine Ausnahme bildet die Offenbarung, wo Instrumente erwähnt werden (Off 5,8; 14,2; 15,2). Doch dieses Bibelbuch ist voller Symbole. Das gilt auch für die Harfen, die dort erwähnt werden. Wenn jemand darauf besteht, dass dieser Ausdruck buchstäblich gemeint ist, müsste er auch die anderen symbolischen Aussagen wörtlich nehmen und daher bei der Anbetung goldene Schalen voll Räucherwerk benutzen (Off 5,8).
Das Neue Testament dagegen stellt beim Lob und bei der Anbetung das Herz in den Mittelpunkt. In Epheser 5,19 lesen wir: «Redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen.» Und in Kolosser 3,16 schreibt der Apostel: «Gott singend in euren Herzen in Gnade.»
Die Musikinstrumente gehörten zur materiellen Anbetung im Volk Israel. Die christliche Anbetung hingegen ist geistlich. Darum entspricht das Benutzen von Musikinstrumenten in der christlichen Anbetung nicht den Gedanken Gottes.
30) Gibt es eine Beziehung zwischen christlicher Anbetung und christlichem Geben?
Einige Bibelstellen zeigen eine klare Beziehung zwischen diesen beiden Aktivitäten auf:
- In Hebräer 13 wird beides eng miteinander verknüpft. Vers 15 spricht von Anbetung: «Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.» Darauf folgt in Vers 16 die Aufforderung: «Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen.» Es ist interessant, dass sowohl für das Anbeten mit den Lippen als auch für das Geben mit den Händen das Wort «Opfer» benutzt wird.
- In Philipper 4,18 drückt sich der Apostel Paulus ähnlich aus. Er bezieht sich auf die materielle Gabe, die er von den Philippern bekommen hat, und bezeichnet sie als «einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig». Diese materielle Gabe wurde – wie die Anbetung – Gott als ein Opfer dargebracht.
- In 1. Korinther 16,1.2 geht es um die Sammlungen für die Gläubigen. In diesem Zusammenhang wird der erste Tag der Woche erwähnt. Am gleichen Tag, an dem die Christen das Brot brechen (Apg 20,7), sollen diese Sammlungen durchgeführt werden. Gott wertschätzt beides: was unsere Lippen ausdrücken und was unsere Hände geben.
- Schon im Alten Testament bestand eine Beziehung zwischen der Anbetung (der Opfergabe) und dem Geben (dem Zehnten). Das sehen wir deutlich in 5. Mose 12,6 und 26,1-12.
31) Wo soll ich anbeten?
Auf der einen Seite können wir Gott überall persönlich anbeten, ob zu Hause oder unterwegs. Solange es die Umstände zulassen und wir die Möglichkeit haben, mit Christus beschäftigt zu sein, können wir in unserem Herzen und wo möglich mit unseren Lippen anbeten (siehe Off 1,9.10.5.6).
Auf der anderen Seite möchte Gott bei der gemeinsamen Anbetung, dass wir uns am richtigen «Ort» befinden. Das ist in der christlichen Zeit nicht mehr ein physischer oder geographischer Ort, wie es zur Zeit des Alten Testaments der Fall war (5. Mo 12; 26,1). Heute ist es ein geistlicher oder ein prinzipieller Ort: Wo zwei oder drei auf der Grundlage des Wortes Gottes im Namen des Herrn Jesus versammelt sind (Mt 18,20). Als Christen sollen wir Ausschau nach anderen Christen halten:
- die den Wunsch haben, sich zum Namen des Herrn Jesus hin zu versammeln,
- die seine Autorität und die seines Wortes anerkennen,
- die Ihm wie die Jünger am Auferstehungstag den ersten Platz geben («in der Mitte»; Joh 20,19).
An diesem Ort können wir in der Zeit der Gnade Gott gemeinsam anbeten.
Diverses
32) Ist die Idee eines «Anbetungsleiters» biblisch?
Nein, sie ist nicht biblisch. Zur Zeit des Alten Testaments gab es einen «Vorsänger», wie aus vielen Psalmüberschriften zu erkennen ist. Doch im Neuen Testament finden wir diesen Gedanken nicht. Eine Ausnahme bildet in einem gewissen Sinn der Herr Jesus, der als unser Vorsänger die Anbetung anführt (Heb 2,12). Die Zusammenkünfte der Versammlung werden durch den Heiligen Geist geleitet, so dass jeder Bruder mitwirken kann (1. Kor 14,26). Dieser göttliche Grundsatz unterscheidet sich fundamental von der Idee eines Anbetungsleiters, der im Voraus plant, was von wem gesagt wird.
33) Wird es nach der christlichen Zeitperiode, wenn der Heilige Geist nicht mehr auf der Erde wohnt, noch Anbetung geben?
Ja. Zahlreiche Stellen im Alten Testament enthalten prophetische Aussagen darüber. Gott wird angebetet:
- von allen Geschlechtern der Nationen (Ps 22,28.30),
- von der ganzen Erde (Ps 66,4),
- von Königen (Ps 72,11),
- von allen Nationen, die Gott gemacht hat (Ps 86,9),
- von den Zerstreuten aus Assyrien und Ägypten (Jes 27,13),
- von allem Fleisch, d.h. von allen Menschen (Jes 66,23),
- vom Fürsten (Hes 46,2),
- vom Volk des Landes (Hes 46,3),
- von allen Inseln der Nationen (Zeph 2,11),
- von allen Übriggebliebenen aus allen Nationen (Sach 14,16) usw.
Die Versammlung wird zu dieser Zeit im Himmel mit Anbetung beschäftigt sein.
34) Wird es im Himmel Anbetung geben?
Auf jeden Fall! Der Himmel wird durch Anbetung gekennzeichnet sein. In der Offenbarung lesen wir von fünf Begebenheiten, bei denen im Himmel angebetet wird – jedes Mal mit einem besonderen Schwerpunkt:
- die Anbetung des Schöpfers (Off 4,10.11),
- die Anbetung des Lammes (Off 5,9-14),
- Anbetung angesichts der grossen Volksmenge (Off 7,9.11),
- Anbetung im Hinblick auf die Errichtung des Königreichs (Off 11,16.17),
- Anbetung angesichts des Gerichts der falschen Braut und des Hochzeitsmahls des Lammes (Off 19,1-7).
Die 24 Ältesten symbolisieren die erlösten Glaubenden, die in den Himmel entrückt werden. Das neue Lied, das sie in Offenbarung 5,9.10 singen, hat vier Themen:
- Zuerst spricht es von der Person des Herrn Jesus: «Du bist würdig.»
- Dann behandelt es das Erlösungswerk, das Er vollbracht hat: «Du bist geschlachtet worden.»
- Im Weiteren geht es um das Ergebnis des Werks für Gott: «Du hast für Gott erkauft.»
- Schliesslich beschreibt es das Resultat seines Werks für uns, die Glaubenden: «Du hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen.»
Alle diese vier Themen des neuen Liedes sind heute ein Teil der christlichen Anbetung. In diesem Sinn hat das neue Lied bereits begonnen.
35) Wenn Anbetung nur Gott zusteht, warum wird dann in Matthäus 18,26 das Wort «proskuneo» (anflehen) benutzt, das an vielen anderen Stellen mit anbeten übersetzt wird?
In Matthäus 18,26 geht es um einen Mann, der vor seinem Kreditgeber niederfällt und ihn für die Rückzahlung seiner Schuld um Geduld anfleht. Warum wird hier im Griechischen das Wort gebraucht, das sonst mit «anbeten» wiedergegeben, hier aber mit «anflehen» übersetzt wird?
Anbeten bedeutet «sich niederbeugen». Das ist die Haltung, die der Mensch vor Gott einnehmen soll. Manchmal wird dieses Wort jedoch in einem allgemeinen Sinn verwendet und bezieht sich dann mehr auf die körperliche Haltung, die jemand einnimmt. Das ist hier in Matthäus 18 der Fall – wie auch an anderen Stellen in den Evangelien und in Offenbarung 3,9 (= sich niederwerfen).