Christi Herrschaft über die ganze Welt
Sobald wir Christus als unseren Heiland und Erlöser kennen, lernen wir auch, dass Er unser aller Herr ist. Seine Herrschaft ist weltumspannend und umfasst alle Menschen.
Kaum hatte Christus seinen Platz in der Herrlichkeit droben eingenommen, wurde diese Wahrheit durch den Apostel Petrus verkündigt: «Das ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt» (Apg 2,36). Und Paulus fügte in Philipper 2 seiner Schilderung der tiefen Erniedrigung Christi, bis zum Tod am Kreuz, hinzu: «Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge …» (Verse 6-11). Und der Herr selbst sagte nach seiner Auferstehung: «Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde» (Mt 28,18). Er ist somit auch der Gebieter derer, die Ihn verleugnen (2. Pet 2,1).
Sein Herrschaftsanspruch beruht auf zwei Voraussetzungen:
- Erstens hat Gott seinen Christus aufgrund der Erlösung zum Herrn gemacht und Ihm diese Stellung der Obergewalt über alle Welt als öffentlichen Beweis der Wertschätzung seiner Person und seines durch den Tod vollbrachten Werkes verliehen.
- Zweitens hat Christus – wie wir es schon im Kapitel «Christus unser Erlöser» gesehen haben – diese Herrschaft über alle Menschen und Dinge durch Kaufrecht erlangt.
So wird uns in Matthäus 13,44 gesagt: «Das Reich der Himmel ist gleich einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg; und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker.1
Christi Herrschaft über die Gläubigen
Wenn wir Gläubige von Christus als unserem Herrn reden, so hat dieser Titel für uns allerdings einen anderen Klang als für die Welt. Durch die Gnade Gottes sind wir dahin gebracht worden, seinen Herrschaftsanspruch, den andere missachten und leugnen, froh anzuerkennen, uns vor dem Herrn zu beugen und die Stellung der Unterwürfigkeit vor Ihm einzunehmen. Das ist eines der Ziele seines Todes: «Und er ist für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist.» (2. Kor 5,15). Und an einer anderen Stelle lesen wir: «Sei es, dass wir leben, wir leben dem Herrn; sei es, dass wir sterben, wir sterben dem Herrn … Denn hierzu ist Christus gestorben, … um zu herrschen sowohl über Tote als über Lebende» (Röm 14,8-9). Christus ist also nicht aufgrund einer Verfügung Gottes zugunsten des verherrlichten Menschen Herr der Seinen geworden, sondern auf eine viel vertrautere Weise: Aufgrund der Erlösung. Wir leben inmitten einer Menschheit, die an diesem Tag der Gnade Christus verwirft, aber einst durch die Macht, die Er dann im Gericht entfaltet, gezwungen sein wird, Ihn als Herrn zu bekennen (Phil 2,10-11). Angesichts einer solch ernsten Tatsache ist uns die Verantwortung auferlegt, auf dem Schauplatz der kommenden Gerichte seine Autorität zu verkünden, indem wir uns ihr unterwerfen und – wenn auch in bescheidenem Mass – während des Tages seiner Verwerfung seine Zeugen sind.
Welches sind unsere Vorrechte und Verantwortlichkeiten gegenüber Christus, als unserem Herrn?
1. Wir bringen Ihm Anbetung
Als erstes geziemt es uns, vor Ihm als dem Herrn niederzufallen und Ihn anzubeten. Dem Grundsatz nach trifft das Wort in Psalm 45,12 auch auf uns zu: «Er ist dein Herr: So huldige ihm!». Und in der schon angeführten Stelle werden wir aufgefordert: «Damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge … und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters» (Phil 2,10-11).
Christus gebührt das gleiche Mass der Anbetung wie dem Vater. Er ist Gottes Sohn, und jede Anbetung, die zum Thron Gottes aufsteigt, richtet sich notwendigerweise auch an Ihn, da der Ausdruck «Gott» ja alle Personen der Gottheit umfasst. Aber Er, der hier auf der Erde die Offenbarung Gottes im Fleisch war, sitzt jetzt als Mensch zur Rechten Gottes, (ohne je seinen göttlichen Charakter zu verlieren; seit seiner Menschwerdung können weder hier noch droben seine göttliche und seine menschliche Natur voneinander getrennt werden.) Als Mensch ist Er jetzt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, und in dieser Eigenschaft wird Ihm alles unterworfen sein. Derselbe Jesus, den die Juden gekreuzigt haben, ist jetzt zum Herrn und Christus gemacht; und Er hat als Mensch die Herrlichkeit empfangen, die Er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war. Wie gebührt es nun Jesus, unserem Herrn, dass wir uns auch vor Ihm, als dem Menschen in der Herrlichkeit, niederbeugen und Ihm unser Lob und unsere Anbetung darbringen!
Welche Freude für uns zu wissen, dass Der, welcher hier auf der Erde verachtet, verworfen und gekreuzigt wurde, Der, den selbst seine eigenen Jünger in der Stunde seiner grössten Angst verliessen, jetzt erhöht und verherrlicht ist und uns als Herr über alles zur Huldigung vorgestellt wird! Oh, wie teuer muss Er Gott, seinem Vater sein und welch einen unaussprechlichen Wert muss sein Werk in den Augen Gottes haben, dass Er Ihn in diese hohe Stellung versetzt und Ihn zum Gegenstand der Anbetung der Engel und der Heiligen gemacht hat! (Siehe Off 5,9-14). Wie ist Er doch unseres ewigen Lobes würdig!
2. Wir beten zu Ihm als dem Herrn
Davon gibt uns die Schrift zwei auffallende Beispiele:
Als die aufgebrachten Juden Stephanus steinigten, betete er und sprach: «Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!» (Apg 7,59). Und als Paulus auf seinen Dorn im Fleisch zu reden kam, sagte er: «Für dieses flehte ich dreimal zum Herrn, damit er von mir abstehen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht» (2. Kor 12,8-9).
Diese Beispiele geben uns eine wichtige Belehrung: Wenn wir uns im Gebet an Ihn wenden, steht Er im Charakter des Herrn vor uns. Wir sollen Ihn deshalb «Herr» nennen, nicht «Christus» oder nur «Jesus», denn das hiesse, seine erhabene Stellung und unseren Platz als Flehende vergessen. Ihn im Gebet nur mit «Jesus», statt mit «Herr Jesus» anzurufen, ist Familiarität oder sogar Ehrfurchtslosigkeit, auch wenn dabei nicht das geringste Gefühl dieser Art vorhanden sein mag. Wir dürfen beim Beten nie seine Erhöhung und seine Würde vergessen. Wenn wir Ihn dabei als Herrn anreden, so zeigen wir, wenn auch in noch so schwachen Mass, dass wir in seiner Gegenwart ein Gefühl von seinen Rechten und von der uns geziemenden Stellung haben. Selbst der Räuber am Kreuz, zweifellos durch den Heiligen Geist redend, wandte sich an Ihn mit den Worten: «Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst» (Lk 23,42).
Wie gut ist es also, wenn wir uns beim Beten daran erinnern, dass Er unser Herr ist! Wahrlich, Er ist kein Fremder für uns; und wie gerne sprechen wir diesen Namen aus! Und für Ihn ist es eine Freude zu hören, dass wir uns an Ihn als an unseren Herrn wenden! Lasst uns daher, geleitet durch den Geist Gottes, Christus mit zunehmender Freimütigkeit unter diesem Titel anrufen, mit der Kühnheit, die wir im Vertrauen auf seine Liebe finden!
3. Wir dienen Ihm
Die Worte «unser Herr» erinnern uns daran, dass wir Ihm dienen sollen. Wir sind Diener, weil Er uns mit seinem eigenen Blut erkauft hat und wir daher sein unbedingtes Eigentum sind. Deshalb gefiel es dem Apostel Paulus, sich Knecht, Sklave Jesu Christi, zu nennen (Röm 1,1; 15 Phil 1,1 usw.). Unter diesem Gesichtspunkt wird es uns klar, dass alle Gläubigen Diener sind und damit nicht nur ein besonderer Stand von Gläubigen bezeichnet wird, die der Herr mit Gaben ausgestattet hat, damit sie unter den Heiligen arbeiten und das Evangelium verkündigen können. Hüten wir uns wohl, den Ausdruck Diener nur auf diese Werkzeuge Gottes anzuwenden! Denn, welche Stellung wir auch immer einnehmen mögen, ob uns ein öffentlicher Dienst anvertraut ist oder nicht, wir alle sind Diener des Herrn.
Lasst uns dabei beachten, dass für uns der Wille des Herrn massgebend sein soll. Das Kennzeichen des Gläubigen ist, keinen eigenen Willen zu haben; denn wo dieser tätig wird, zeigt sich das Fleisch. Wir sollen daher mit dem Apostel sagen und in die Praxis umsetzen: «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir» (Gal 2,20). Der Herr selbst ist uns auf diesem Weg vorangegangen: «Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat» (Joh 6,38). Er hat «Knechtsgestalt» angenommen (Phil 2,7). So, wie Er keinem eigenen Willen Raum gab, sondern in allen seinen Gedanken, Worten und Handlungen vom Willen seines Vaters regiert wurde, so sollten auch wir uns in allen Dingen nach seinem Willen richten. Nicht mehr wir sind es, die leben, sondern Christus lebt in uns, und unsere Leiber sind nur noch Organe für den Ausdruck seines Willens.
Als Diener sind wir verpflichtet zu gehorchen. Der Herr fragte die Menschen um Ihn her: «Was nennt ihr mich aber: ‹Herr, Herr!› und tut nicht, was ich sage?» (Lk 6,46). Und zu seinen Jüngern sagte Er: «Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füsse gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füsse zu waschen» (Joh 13,13.14). Sobald uns also Christus als Heiland offenbart ist und wir Ihn als unseren Herrn anerkennen, sollen wir in der gleichen Bereitschaft des Gehorsams sein, wie Paulus, als er fragte: «Was soll ich tun, Herr?» (Apg 22,10). Vom Augenblick unserer Bekehrung an ist die Unterwürfigkeit unter seinen Willen unser Platz. Wir sollen diese Stellung nicht nur annehmen, sondern unsere Freude daran finden, wie der Herr von sich selbst gesagt hat: «Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe» (Joh 4,34).
Keiner der Gläubigen kann sagen, er kenne den Willen Gottes nicht. Es hat Ihm gefallen, uns in den Schriften seine Gedanken zu offenbaren und uns darin den Weg zu bezeichnen, auf dem wir wandeln sollen. Gott hat uns zudem den Sachwalter gesandt, um uns in die ganze Wahrheit zu leiten (Joh 16,13). Wir sind daher ohne Entschuldigung, wenn wir den Weg nicht kennen und in der Unwissenheit verharren.
Wie macht der Gehorsam unseren Pfad so einfach! Dem Herrn allein haben wir zu gefallen. Unsere Augen brauchen nur auf Ihn gerichtet zu sein. Wie die Augen der Knechte auf die Hand ihres Herrn, so sollten sich unsere Blicke zum Herrn Jesus erheben, um selbst die kleinsten Zeichen seines Willens zu erspähen und seine Gebote auszuführen.
Welche Ehre ist es für uns, Ihm zu dienen! Christus, unser Herr ist der Mittelpunkt, von dem die Herrlichkeit ausstrahlt. Die Augen aller Himmelsbewohner sind auf Ihn als auf den Gegenstand all ihrer Huldigung und Wonne gerichtet. Was sind wir denn, dass Er geruht, aus uns seine Diener zu machen? Nichts, absolut nichts, als nur das, was wir durch die souveräne Gnade Gottes, aufgrund des Werkes Christi geworden sind! Wie sollten doch unsere Herzen wachsende Freude daran finden, Ihm durch das Halten seiner Gebote Liebe und Dankbarkeit zu bezeugen! (Joh 14,15).
4. Wir verkündigen das Evangelium im Gedanken an die Herrschaft Christi
Der Gedanke daran, dass die Herrschaft unseres Herrn weltumfassend ist, gibt uns grosse Kraft, auf die Seelen einzuwirken. Nicht nur die Juden und die Römer vor 2000 Jahren haben Christus verworfen, auch die meisten Menschen um uns herum entziehen sich seiner jetzigen Herrschaft. Sie wollen den Platz, den Gott ihnen angewiesen hat, nicht anerkennen; sie bekennen Jesus nicht als Herrn und denken nicht daran, sich der Autorität Dessen zu unterwerfen, der von Gott zum Herrn und Christus gemacht worden ist. Wenn es uns durch die Gnade gelingt, den Seelen diese Tatsache zum Bewusstsein zu bringen, so kann sich dies an ihnen als Waffe erweisen, die, wenn sie geschickt gehandhabt wird, in der Kraft des Geistes ihr Gewissen erreichen und zur Buße vor Gott führen kann. Dies wird besonders dann möglich sein, wenn sie gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Verharren in der Verwerfung Christi am jetzigen Tag der Gnade das Erscheinen vor dem grossen weissen Thron nach sich zieht, wo sie seine Autorität anerkennen müssen und zu ewiger Strafe verurteilt werden.
Wir sollten uns prüfen, ob wir bei der Verkündigung des Evangeliums den Menschen nicht zu viel Recht einräumen, die Botschaft anzunehmen oder abzulehnen. Gewiss, das Evangelium verkündigen heisst, den Menschen die Barmherzigkeit Gottes, seine unendliche Gnade und seine alles Denken übersteigende Liebe vorzustellen. Aber wir sollten dabei auch allen Nachdruck auf die Rechte Christi als Herr legen und die Seelen Ihm gegenüber unter den tiefen Eindruck ihrer Verantwortlichkeit bringen. Es trifft leider auch heute noch in vollem Umfang zu, dass in der Herberge dieser Welt kein Raum ist für Christus. Hier gelten des Menschen Weisheit, des Menschen Autorität und Anordnungen und sie bringen deutlich zum Ausdruck: «Wir wollen nicht, dass Christus über uns herrsche!» Er war in der Welt, und die Welt wurde durch Ihn, und die Welt kannte Ihn nicht. Sie kennt Ihn auch heute nicht und geht daher ihrem Ruin entgegen. Gott will, dass sein Christus von allen gekannt sei und geehrt werde; die Verfügung ist ergangen und kann nicht geändert werden; ihre Missachtung zieht unweigerlich die schlimmsten Folgen nach sich. Aber die Welt nimmt keine Notiz davon. Sie verfolgt ihren Weg, verbannt die Tatsache, dass Christus aller Herr ist, aus ihrem Sinn und wiegt sich in dem Wahn, so sei alles gut und so müsse es sein.
Aber während wir dies schreiben, kann die Stunde schlagen, wo der Herr den Platz zur Rechten Gottes verlässt, um sein Volk heimzuholen, das dann allezeit bei Ihm sein wird (1. Thes 4,17). Dann aber werden der Reihe nach die in der Schrift angekündigten Gerichte beginnen, die seiner Rückkehr mit seinen Heiligen vorausgehen (vgl. Off 19,15-16), und dann wird Er sein Reich in Besitz nehmen. Dass doch noch viele Menschen in der Welt an diesem Tag der Gnade sich vor Christus dem Herrn beugen und den warnenden Zuruf in Psalm 2,12 beherzigen möchten: «Küsst den Sohn, damit er nicht zürnt und ihr umkommt auf dem Weg, wenn nur ein wenig entbrennt sein Zorn. Glückselig alle, die zu ihm Zuflucht nehmen!»
- 1Als Drittes könnte man erwähnen, dass ihm alle Geschöpfe und Dinge unterworfen sind, weil Er ihr Schöpfer ist und sie durch ihn und für ihn erschaffen worden sind (vgl. Kol 1,16).