Das Werk des Herrn (4)

Lukas 12,13-48

Bereitschaft zum Dienst, zum Zeugnis und zur Evangelisation – Beständige Wachsamkeit bis zum Kommen des Herrn

Die in Lukas 12,13-48 aufgezeichnete, bedeutsame Rede des Herrn zeigt uns klar, in welcher Gesinnung und Verfassung Er alle seine Erlösten, die seine Knechte sind, sehen und bei seinem Kommen vorfinden möchte. Dreimal preist Er jene glückselig, die seinen Gedanken entsprechen. In göttlicher Liebe und Herablassung wird Er sich für sie «umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen» (Vers 37). Welche Belohnung für die Ihm hier auf der Erde in schwachem Mass erwiesene Treue im Dienst! Wer von uns möchte dann nicht zu diesen «Glückseligen» gehören?

Im ersten Abschnitt seiner Rede (Verse 13-21), zeigt uns der Herr, wohin die Torheit der Habsucht führen kann, und sagt: «Gebt acht und hütet euch vor aller Habsucht» (Vers 15). In den Versen 22-32 warnt Er uns vor jedem Sorgengeist, indem Er uns die gänzliche Nutzlosigkeit unserer Sorgen vor die Herzen stellt. Er versichert uns der treuen Fürsorge Gottes, unseres Vaters, für seine Kinder, die Ihm so unendlich wertvoller sind als die Raben, als die Lilien und als das Gras des Feldes. In unserer Gesinnung sollen wir uns deutlich von den Nationen der Welt unterscheiden und nach dem Reich Gottes trachten. Das übrige «wird euch hinzugefügt werden», lautet seine Verheissung.

Haben wir uns alle, ob reich oder arm, die Adresse der einzig wahrhaft diebessicheren Bank mit ihrem mottensicheren Tresor wohl notiert? Nie wird sie jemand durch Währungszerfall enttäuschen; sie wertet im Gegenteil ungemein hoch auf, auch wenn es nur zwei Scherflein einer armen Witwe sind. Ergreifen wir die Möglichkeit, auf die der Herr hinweist, uns Geldbeutel zu machen, «die nicht veralten, einen Schatz, unvergänglich, in den Himmeln, wo kein Dieb sich nähert und keine Motte verdirbt»? Dieser Aufbewahrungsort unseres Besitztums hat zudem den unschätzbaren Vorzug, dass er unsere Herzen von jeder irdischen Gesinnung löst und sie mit dem Himmel verbindet, nach dem Wort des Herrn: «Denn da, wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein» (Vers 34).

Räumen wir Habsucht und Sorgengeist aus unseren Herzen weg, so vermögen wir in der richtigen Haltung vor dem Herrn zu stehen, um Ihm zu dienen. Er sagt:

«Eure Lenden seien umgürtet …». Ein Knecht, der zu dienen hatte, umgürtete sich; er liess sich nicht durch sein herabwallendes Gewand am Dienst behindern. Wir haben unsere Gewohnheiten zu überwachen, damit sie uns nicht hindern, für die Dinge des Herrn besorgt zu sein.

«… und die Lampen brennend»: Diese Lampen deuten auf ein Licht verbreitendes Zeugnis für unseren Herrn hin. Er belehrt uns: «Ihr seid das Licht der Welt.» Möge dieses Licht bei uns nicht durch den «Scheffel» oder das «Bett» verdunkelt sein, sondern auf dem Lampenständer stehen, damit es allen leuchte, «die im Haus sind» (Mt 5,14-15).

«… und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten»: Die Erwartung des nahen Kommens unseres Herrn ist ein wichtiger Bestandteil des christlichen Lebens. Die Thessalonicher hatten sich «von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten» (1. Thes 1,9-10). Obwohl der Herr wusste, dass Gott eine lange Gnadenzeit zwischen seinem Weggang und seiner Wiederkehr einschalten würde, hat Er die Jünger dennoch von Anfang an belehrt oder durch die inspirierten Schriften belehren lassen, auf sein Kommen zu warten.

Die Unterweisungen des Herrn in dieser seiner Rede beziehen sich auf alle Kinder Gottes. Alle sind berufen, Ihm dienstbereit zur Verfügung zu stehen, in dieser Welt ein treues Zeugnis für Ihn zu sein und in beständiger Wachsamkeit seine Rückkehr zu erwarten. Glückselig jeder, den der Herr an jenem nahen Tag in dieser Gesinnung und Haltung vorfinden wird!

In den interessanten Berichten der Apostelgeschichte über die erste Ausbreitung des Evangeliums lesen wir zweimal von Gläubigen, die ohne besondere Berufung und Begabung (wir lesen wenigstens nichts davon), einzig getrieben durch die Liebe des Christus und durch die Liebe zu den Seelen, das Wort verkündigten und reich gesegnet wurden. Sie waren durch die Drangsal, die wegen Stephanus entstand, aus Jerusalem vertrieben worden. (Siehe Apg 8,1-4 und 11,19-21). Gerade diese waren es, die sich zuerst getrauten, das Wort nicht allein zu Juden, sondern auch zu Griechen zu reden, «indem sie das Evangelium von dem Herrn Jesus verkündigten». Der Herr bekannte sich zu ihrem Dienst: «Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine grosse Zahl glaubte und bekehrte sich zu dem Herrn» (Apg 11,21). Das war der Ursprung der Versammlung in Antiochien, in der Gott grossen Segen gab, wo die Jünger zuerst «Christen» genannt wurden und von wo aus der Heilige Geist Paulus und Barnabas zu dem grossen Werk unter die Nationen aussandte.

Unter diesen treuen «Zerstreuten» war auch Philippus, einer von den Sieben, die in Jerusalem zum Dienst der «Bedienung der Tische» auserkoren worden waren (Apg 6,5). Mit Ausnahme der Apostel, die selbstredend gleichzeitig Evangelisten waren, und Timotheus, der aufgefordert wurde: «Tu das Werk eines Evangelisten» (2. Tim 4,5), wird keiner als «Evangelist» bezeichnet, als nur dieser Philippus (Apg 21,8). Zuerst war er das gesegnete Werkzeug der Evangelisation einer Stadt in Samaria. Mitten in dieser Arbeit empfing er durch einen Engel des Herrn die Weisung, sich auf den öden Weg, der von Jerusalem nach Gaza hinabführte, zu begeben. Dort durfte er dem Kämmerer aus Äthiopien das Evangelium von Jesu verkündigen. Zweimal wird in diesem Bericht die direkte Leitung des Geistes erwähnt: «Der Geist sprach zu ihm: Tritt hinzu und schliesse dich diesem Wagen an» (Apg 8,29) und: «Der Geist des Herrn entrückte den Philippus», so dass er dann in Asdod gefunden wurde (Verse 39-40). Er verkündigte das Evangelium allen Städten, bis er nach Cäsarea kam.

Diese wichtige Stadt war der Sitz der Statthalter von Judäa. Die Botschaft des Evangeliums wurde hier deutlich gepredigt. Da war der Hauptmann Kornelius durch den Dienst des Apostels Petrus bekehrt worden und dieser hatte dadurch auch den Nationen die Tür des Reiches der Himmel aufgetan. Petrus fand bei Kornelius viele versammelt. Alle glaubten und empfingen unmittelbar darauf die Gabe des Heiligen Geistes. Wir dürfen annehmen, dass sie dann mit umgürteten Lenden und brennenden Lampen dastanden.

Philippus, der Evangelist, nahm dort Wohnsitz. Sein Haus war jedenfalls in guter Ordnung, denn wir lesen, dass seine vier Töchter weissagten. In diesem Haus durfte der Apostel Paulus mit seinen Mitarbeitern später Gastfreundschaft geniessen, als er zum letzten Mal nach Jerusalem hinaufging.

Der Evangelist nimmt unter den vom Herrn seiner Versammlung verliehenen Gaben eine Sonderstellung ein. Sein Dienst richtet sich an die unbekehrten Menschen dieser Welt. Wie könnte er den richtigen Weg erkennen, den er Schritt für Schritt zu gehen hat, es sei denn durch die Leitung des Heiligen Geistes? Er wird vielleicht an einem Ort arbeiten müssen, wo noch keine Versammlung ist. Paulus, der als Apostel und Evangelist unter der Leitung des Geistes arbeitete, unterwies die Seelen auch über den richtigen Weg, den die Bekehrten einzuschlagen haben. Durch seinen Dienst wurden nicht nur Seelen errettet, es entstanden auch, gemäss Apostelgeschichte, Kapitel 16-18, in kurzer Zeit drei, möglicherweise sogar fünf Versammlungen: Philippi, Thessalonich, wahrscheinlich Beröa, vielleicht Athen und dann auch Korinth. Beim Lesen der beiden Thessalonicherbriefe staunt man ob der vielen Gegenstände, über die Paulus die Neubekehrten in so kurzer Zeit unterwiesen hat.

Der Evangelist, der seinen Dienst unter den Menschen an so vielerlei Orten auszuüben hat, ist ja auch ein Glied an dem einen Leib des Christus und wird jede mögliche Gelegenheit benützen, um dies durch das Brechen des Brotes mit seinen Geschwistern am Tisch des Herrn zu bekunden. Das Wort kennt keine sogenannten «freien Evangelisten», die sich über die Fragen der Gemeinschaft hinwegsetzen dürften.

Die Gabe eines Evangelisten ist eine andere als die des Hirten und Lehrers. Er wird demnach nicht ohne weiteres auch den Dienst eines Hirten oder eines Lehrers ausüben können. Gott hat in seiner Weisheit die Gaben verteilt; es ist selten, dass ein Bruder mehrere Gaben besitzt.

Im Philipperbrief gibt Paulus seiner Freude Ausdruck über die Teilnahme dieser Versammlung «an dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt». Diese Teilnahme am Evangelium wird auch heute noch jede Versammlung, die in gutem Zustand ist, kennzeichnen. Die Philipper hatten den Apostel in ihre Herzen eingeschlossen (Phil 1,3-8). Schon im Anfang, als der Apostel in Thessalonich war, hatten sie ihm «einmal und zweimal» für seinen Bedarf gesandt. Später sandten sie Epaphroditus aus ihrer Mitte mit einer Gabe für den gefangenen Apostel in die weit entfernte Stadt Rom. Wie wird diese Liebe das Herz des Apostels erfreut und erquickt haben. Epaphroditus wurde bei der Ausübung seiner Aufgabe krank und kam sogar dem Tod nahe. Das Wort sagt ausdrücklich, dass dies um des Werkes willen geschah. Der Apostel schreibt: «Nehmt ihn nun auf im Herrn mit aller Freude und haltet solche in Ehren; denn um des Werkes willen ist er dem Tod nahe gekommen, indem er sein Leben wagte, damit er den Mangel in eurem Dienst für mich ausfüllte.» Beim Lesen dieses Berichtes (Phil 2,25-30 und 4,10-20) empfinden wir mit, wie solche Dienste und Umstände die Herzen miteinander in Liebe verbanden. Der Apostel sagt von ihrer Gabe, sie sei «ein duftender Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig». Die Teilnahme am Evangelium, wie sie hier zum Ausdruck kam, gehört in jeder Form der Beteiligung zum Werk des Herrn. Der Apostel oder der Evangelist aber waren unter der direkten Leitung des Heiligen Geistes die Werkzeuge zur Verkündigung der guten Botschaft.

In jeder Versammlung werden zudem ohne den besonderen Dienst eines Evangelisten Seelen bekehrt. In 1. Korinther 14,24-25 lesen wir von einem Ungläubigen, der hereinkommt, wenn alle weissagen. Er wird von allen überführt, von allen beurteilt; das Verborgene seines Herzens wird offenbar, und also, auf sein Angesicht fallend, wird er Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist. In seiner Treue zum Herrn, in seinem Eifer und seiner Liebe zu den Seelen, ist uns der Apostel Paulus ein schönes Vorbild. «Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi», schrieb er unter göttlicher Inspiration (1. Kor 11,1). In seiner Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus sagte er von seiner evangelistischen Tätigkeit in jener Stadt: «Ihr wisst, … wie die ganze Zeit bei euch gewesen bin, dem Herrn dienend mit aller Demut und mit Tränen und Versuchungen, die mir durch die Anschläge der Juden widerfuhren; wie ich nichts zurückgehalten habe von dem, was nützlich ist, dass ich es euch nicht verkündigt und euch gelehrt hätte, öffentlich und in den Häusern, indem ich sowohl Juden als auch Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeugte.» (Apg 20,17-21). Beachten wir wohl, der Apostel verkündigte das Evangelium nicht nur öffentlich, sondern ging auch in die Häuser, um es den Seelen nahezulegen. Es gibt heute viele Menschen, die kaum zu bewegen sind, einer Wortverkündigung beizuwohnen, ganz besonders dann, wenn dies in einem ausserkirchlichen Lokal geschieht. Der Apostel trachtete danach, solche Menschen in ihren Häusern zu erreichen. Wer dazu Glauben und Freimütigkeit hat, möge das auch heute tun. Zudem stehen uns gute Traktate zur Verfügung, die diesen Dienst in gewissem Mass erfüllen können. Solche Schriften können den Menschen das vermitteln, was wir ihnen im persönlichen Kontakt sagen würden. Der Heilige Geist vermag an die darin enthaltene Wahrheit anzuknüpfen, um sein gutes Werk zur Errettung solcher Seelen zu vollbringen.

Der Apostel Paulus hatte sich keineswegs damit begnügt, in Ephesus nur die Anfangswahrheiten des Evangeliums zu verkündigen. Er konnte zu den dortigen Ältesten sagen: «Deshalb bezeuge ich euch an dem heutigen Tag, dass ich rein bin von dem Blut aller; denn ich habe nicht zurückgehalten, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen» (Apg 20,26-27). Der Ausspruch: «Ich bin rein von dem Blut aller» erinnert uns an den Wächterdienst, den Gott dem Propheten Hesekiel auferlegte, indem Er zu ihm sprach: «Wenn du den Gottlosen nicht warnst, … werde ich sein Blut von deiner Hand fordern» (Hes 3,16-21). Paulus bringt das in seiner Rede nicht nur in Beziehung zur Bekanntmachung der Anfangsgründe des Evangeliums, sondern auch zum «ganzen Ratschluss Gottes». Dies zeigt uns, dass die Einführung der erretteten Seelen in die Kenntnis der ganzen Wahrheit Gottes vor Gott ebenso wichtig ist, wie die Aufforderung zur Buße und zum Glauben an unseren Herrn Jesus Christus. Heute lassen dies in der Christenheit viele vollständig ausser Acht, zum grössten Nachteil der erweckten Seelen.