Wir haben festgestellt, dass der Gläubige, der im Glauben sein Gestorbensein mit Christus verwirklicht, von der Sünde, vom Gesetz, von der Welt und vom Menschen befreit ist.
Aber wie kommt es denn, dass so wenige diesen Weg der Befreiung, der heiligen Freiheit, betreten? Die Antwort auf diese Frage führt uns zum zweiten Teil unseres Gegenstandes und erfordert wieder die ganze Aufmerksamkeit des Lesers. Man kann sie in folgenden Satz zusammenfassen:
Um in den Genuss der Kraft dieser Wahrheiten zu gelangen, genügt es nicht, sie nur als Lehren zu erfassen; sie müssen auch durch Erfahrung gelernt werden.
Was uns die Erfahrung lehrt
Vier Dinge müssen wir uns durch Erfahrung aneignen, damit wir in den glückseligen Genuss aller dieser Wahrheiten kommen.
1. Das Fleisch erkennen
Vor allen Dingen muss das Wesen des «Fleisches» praktisch erkannt werden. Gott selbst erklärt uns, was es ist, sogar schon im Alten Testament (1. Mo 6), und erinnert uns im Neuen Testament immer wieder daran. Wir mögen sein Zeugnis annehmen und Ihm ohne Zögern zustimmen; aber wenn wir die Natur des Fleisches nicht durch Erfahrung kennen gelernt haben, werden wir immer noch, mehr oder weniger, etwas Gutes von ihm erwarten. Wie oft begegnet es z.B. einem Christen, dass er denkt: «Ein anderes Mal werde ich es besser machen», oder: «Wenn ich von Neuem beginnen könnte, so würde ich diesen oder jenen Fehler, dieses oder jenes Böse, vermeiden.» Wer so redet, beweist, dass er völlig vergessen hat, dass das Fleisch unverbesserlich ist. Denn wenn unsere böse Natur durch und durch verdorben ist, wie könnte sie in der Zukunft anders handeln als sie in der Vergangenheit gehandelt hat? Wir können zwar zum Herrn aufblicken, damit Er uns durch seine Gnade bewahrt, wieder in die gleichen Sünden zurückzufallen. Wenn wir aber wirklich erkannt haben, was das Fleisch ist, dann haben wir gelernt, dass wir auch in Zukunft genau so handeln würden, wie in der Vergangenheit, es sei denn, wir werden durch göttliche Macht bewahrt.
In Römer 7 wird uns der Fall eines Menschen beschrieben, der zwar das neue Leben besitzt, aber, in Unkenntnis der Fülle der Gnade Gottes in der Erlösung, sich unter das Gesetz stellt und sich bemüht, Frucht für Gott hervorzubringen. Zu welcher Schlussfolgerung kommt er dabei? Zu dieser: «Nicht das, was ich will, tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus.» Dann fährt er fort: «Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es recht ist. Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde» (Röm 7,15-17). Mit anderen Worten: Er hat entdeckt, dass das Fleisch (auch in seinem Fall) seinen eigenen Weg gehen will, und dass dieser Weg immer Sünde ist. Deshalb kommt er zur Feststellung: «Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.» Er hat seine Lektion gelernt und von diesem Augenblick an erwartet er vom Fleisch nichts anderes mehr als nur Böses. Wie gut ist es, wenn die Seele zu dieser Schlussfolgerung gelangt!
Man kann diese Lektion auf zweierlei Weise lernen:
- Entweder in der Gegenwart Gottes und in Gemeinschaft mit Ihm;
- oder aber in der Gegenwart Satans, durch die Sünde und die Niederlagen.
Paulus selbst scheint ein Beispiel für den ersten Fall zu sein. Er war als Jude so sittenstreng und so rechtschaffen, dass er später, geleitet durch den Geist Gottes, von sich selbst sagen konnte: «Was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, für untadelig befunden.» Wenn irgendjemand, so hatte also er allen Grund anzunehmen, dass er in sich selbst etwas Gutes habe und so sagte er: «Wenn irgendein anderer meint, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr.» Aber als ihm der verherrlichte Christus offenbart worden war, vollzog sich in seiner Seele ein völliger Umschwung. Nun sah er alle Dinge in einem neuen Licht, im Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes, die im Angesicht Christi leuchtet. Und sogleich erkannte er, dass das Fleisch und seine besten Werke völlig wertlos sind. Von da an konnte er sagen: «Was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne» (Phil 3,6-8).
Das wurde der Leitgedanke seines ganzen Lebens. Als Folge davon wies er das Fleisch in allen seinen Formen und allen seinen Erscheinungsarten als völlig verdorben zurück, da er wusste, dass es – gleich dem Feigenbaum in den Evangelien – trotz aller erdenklichen Pflege und Sorgfalt niemals Frucht für Gott hervorbringen konnte.
Petrus ist ein Beispiel für jemand, der das Fleisch durch Fehltritte kennen lernt. Als ungestümer und warmherziger Mensch liebte er seinen Meister mit einer starken Zuneigung. Als der Herr seine Jünger mit den Worten mahnte: «Ihr werdet alle Anstoss nehmen, denn es steht geschrieben: ‹Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden zerstreut werden›», sagte Petrus daher zu Ihm: «Wenn auch alle Anstoss nehmen werden, ich aber nicht» (Mk 14,27-31). Ja, er vermass sich sogar zu sagen: «Mein Leben will ich für dich lassen» (Joh 13,37). Und zu was führte dieses Vertrauen in seine eigene Zuneigung und in seine eigene Treue? Es war nichts anderes, als Vertrauen auf das Fleisch, und wir kennen das Ergebnis. Welche Illustration zur Verdorbenheit unserer Natur! Schritt für Schritt sank Petrus tiefer in den Sumpf ein und endete schliesslich bei der völligen Verleugnung seines Herrn. Es hatte nicht an Warnungen und ernsten Hinweisen gefehlt, aber das Fleisch zeigte sich mit aller Deutlichkeit als völlig verdorben und riss Petrus in einen Abgrund der Sünde und der Ungerechtigkeit hinein. Sein Fall gereichte zwar zu seinem eigenen Segen, aber er wurde uns zur Belehrung mitgeteilt, um uns auf die eindrücklichste Weise zu zeigen, dass im Fleisch, selbst im Fleisch eines aufrichtigen und hingebenden Jüngers, nichts Gutes wohnt.
Wer irgend wissen will, was die in der Erlösung offenbarte Gnade Gottes ist, muss auf dem einen oder dem anderen dieser beiden Wege die gleiche Lektion lernen. Haben wir das noch nicht getan, so werden wir immer etwas von uns selbst erwarten und dabei immer wieder enttäuscht werden. Ein fauler Baum wird immer schlechte Früchte tragen. Sobald wir diese Wahrheit einmal praktisch gelernt haben, sind wir fertig mit uns selbst und erwarten alles nur noch vom Herrn. Aus Mangel an Wachsamkeit kann das Fleisch sich wohl noch offenbaren und uns in die Sünde hineinziehen, aber wir werden nicht mehr enttäuscht sein. Wir haben unsere Lektion gelernt; wir werden uns in einem solchen Fall wegen unseres Fehltrittes in der Gegenwart Gottes verurteilen, gleichzeitig aber auch zur Gnade Zuflucht nehmen, um inskünftig wachsam zu sein.
Gläubiger Leser, ich mache dich mit allem Nachdruck auf diesen Punkt aufmerksam. Denn solange du diese Erfahrung nicht gemacht hast, kannst du keinen dauerhaften Frieden besitzen. Wenn du ihr auszuweichen suchst, so setzt du dich, wie die Kinder Israel in der Wüste, auf mancherlei Weise vielen eigenen Verfehlungen, Prüfungen und Züchtigungen aus. Wenn du aber das Zeugnis Gottes bezüglich deines Fleisches annimmst, diese Wahrheit in deiner Seele mit Ihm kennen lernst und dann gewohnheitsmässig für Gott Partei nimmst gegen dich selbst – dann bricht für dich ein neuer Tag an. Was auch deine Prüfungen und Leiden sein mögen, dieser Tag wird durch strahlenden Glanz der Gnade und der Freude gekennzeichnet sein, weil du ihn mit Gott verbringen wirst.
2. In uns ist keine Kraft
Als nächstes haben wir zu lernen, dass wir in uns selbst keinerlei Kraft besitzen und in einem Kampf gegen das Fleisch völlig ohnmächtig sind. Der Apostel drückt sich folgendermassen aus: «In mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich» (Röm 7,18-19).
Mein Leser, ist das nicht die genaue Beschreibung der Erfahrung von so vielen Tausenden und vielleicht auch von dir selbst? Solcherlei Erfahrungen versetzten die Seele in einen Zustand der Gleichgültigkeit oder der Niedergeschlagenheit, bis sie es schliesslich aufgibt, gegen den reissenden Strom zu kämpfen und den Schluss zieht, es bleibe ihr nichts anderes übrig, als sich treiben zu lassen, da es ja doch unnütz sei, sich dagegen zu wehren.
Ach, wenn die Seelen doch aufrichtig sein wollten! Mehr als eine müsste bekennen, dass dies seit Jahren ihr Zustand ist, ein Zustand, der keineswegs der Verherrlichung Gottes dient und sie selbst unglücklich macht.
Was sind denn die Ursachen dieses Zustandes? Einerseits ganz einfach die irrige Meinung, es hänge alles von ihren eigenen Anstrengungen ab, und anderseits die Nichtannahme der Wahrheit, dass sie ohne jede Kraft und folglich ganz von Gott abhängig ist. Wenn selbst der Sünder lernen muss, dass er nicht nur schuldig und gottlos, sondern auch kraftlos ist (Röm 5,6), so sollte der Gläubige umso mehr verstehen, nicht nur, dass in seinem Fleisch nichts Gutes wohnt, sondern auch, dass er aus sich selbst nichts Gutes tun kann. Wenn dann der Geist Gottes uns die Augen geöffnet hat, entdecken wir, dass es diese Lektion war, die Gott uns durch die lange Reihe der sich immer wiederholenden Niederlagen beibringen wollte. Du hast unermüdlich gegen deine Feinde angekämpft; kaum unterlegen, hast du so manches Mal von Neuem angefangen, aber nie den Sieg errungen. Immer wieder hast du dich in den Kampf gestürzt mit dem festen Entschluss, zu siegen, aber ach, es ist dir nie gelungen. Was hast du aus diesen schmerzlichen Erfahrungen zu lernen? Dass der Feind dir zu stark ist und du ihm niemals die Stirne bieten kannst.
Du wirst vielleicht sagen: Können wir denn nicht stärker werden? Müssen wir nicht in der Gnade wachsen? Wird es uns, wenn wir den Charakter des Feindes besser kennen, nicht möglich sein, ihn endlich zu besiegen?
Wir antworten ohne Zögern: Nein! Auf dem Weg deiner eigenen Anstrengungen gehst du unweigerlich den gleichen Niederlagen entgegen. Auf dem Weg der eigenen Kraft gibt es keine Hoffnung.
Wenn du dich aber anderseits von der Wahrheit deines völligen Unvermögens überzeugen lässt und mit deiner eigenen Kraft zu Ende gekommen bist, so wirst du die Ruhe deiner Seele finden. Denn du wirst dann gleichzeitig verstehen, dass deine Hilfe, deine Kraft und dein Beistand von aussen und nicht von innen her kommen, von Christus und nicht von dir selbst. Welch unaussprechliche Segnung liegt doch in einer solchen Entdeckung! Du wirst aufhören zu kämpfen und wissen, was es heisst, sich auf einen anderen zu stützen. Du wirst mit David singen können: «Der HERR ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Stärke, vor wem sollte ich erschrecken?» (Ps 27,1). In der Tat, wenn du dahin gekommen bist, deine Kraftlosigkeit zu erkennen, so wirst du dich nun freuen zu wissen, dass die Kraft des Herrn in deiner Schwachheit vollbracht wird.
3. Zwei Naturen
Im Weiteren hat der Gläubige zu lernen, dass er zwei Naturen hat: die eine kommt von Adam her und wird in der Schrift «Fleisch», «der alte Mensch», «die Sünde», usw. genannt. Die andere hat er bei der Neugeburt von Gott bekommen. Diese beiden Naturen sind einander völlig entgegengesetzt. So sagt Johannes von der neuen Natur: «Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist» (1. Joh 3,9). Und Paulus sagt, wie wir schon gesehen haben, von der alten Natur: «Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.»
Der Gegensatz zwischen diesen beiden Aussagen könnte nicht grösser sein, und wir sehen, wie die Seele, die durch die in Römer 7 beschriebenen Erfahrungen hindurchgegangen ist, zwischen diesen beiden Naturen, die einander so völlig gegenüberstehen, zu unterscheiden lernt. So lesen wir: «Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde» (Röm 7,20). Dieser Mensch hat also gelernt sich selbst als mit der neuen Natur einsgemacht zu betrachten, deshalb sagt er: «So vollbringe nicht mehr ich es» (vergleiche mit Gal 2,20, wo Christus zum «Ich» des Apostels wird), und er betrachtet gleichzeitig das Fleisch, die alte Natur, ausschliesslich als Sünde und schreibt ihm all das Böse zu, worunter er gelitten hat. Diese böse Natur in seinem Innern, (die im Gläubigen bleibt, solange er auf der Erde ist), behandelt er nun als seinen Feind, als das Element, das in einem fort danach trachtet, ihn am Gutestun zu hindern und ihn zwingen will, das Böse zu tun. Er fährt fort: «Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte ausüben will, dass das Böse bei mir vorhanden ist. Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen (darum möchte er das Gute tun); ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist» (Röm 7,21-23).
In diesem Grad der Erfahrung ist er also in seinem Kampf gegen den Feind, das heisst gegen die in ihm wohnende Sünde, nicht nur kraftlos, sondern auch besiegt und von ihm beherrscht; er befindet sich völlig in seiner Hand und in seiner Gewalt. Immerhin hat er jetzt gelernt, dass «die Sünde», das Fleisch, sein Feind ist und dass er, was ihn selbst anbelangt, also nach dem inneren Menschen, am Gesetz Gottes Wohlgefallen hat. Das ist aber, lieber Freund, schon eine glückselige Entdeckung.
Zahlreiche gottesfürchtige Seelen aller Zeiten haben geseufzt und sind in der Knechtschaft geblieben, weil sie diese Entdeckung nicht gemacht haben. Sie schrieben, in der Meinung, das sei die notwendige Erfahrung eines jeden Tages ihres Lebens, bittere Dinge gegen sich selbst. Man lese zum Beispiel die Veröffentlichungen aus den persönlichen Tagebüchern mehrerer treu ergebener Diener des Herrn. Man findet in diesen Bruchstücken hauptsächlich Selbstkritik und Selbstgericht; denn sie beschäftigten sich mit sich selbst, statt mit Christus, und zwar im vergeblichen Bemühen, das Böse aus ihren Herzen herauszureissen, ein Unterfangen, das ihnen oft die Frage entlockte: Wenn wir Kinder Gottes sind, warum sind wir denn so? Sie verstanden das siebte Kapitel des Römerbriefes falsch, wie auch heute noch viele mit ihnen, und darum wechselten bei ihnen die Augenblicke, in denen sie die Gegenwart und die Gunst Gottes genossen, immer wieder mit Stunden tiefster Traurigkeit und Entmutigung.
Es ist also für den Gläubigen ein grosser Gewinn, wenn er gelernt hat, dass in ihm zwei Naturen sind, und er sie voneinander zu unterscheiden weiss. Und es ist ein noch grösserer Segen für ihn, wenn er durch sein Kämpfen und Ringen zur Erkenntnis geführt wird, dass er sich – was ihn selbst betrifft – in hoffnungsloser Gefangenschaft unter dem Gesetz der Sünde befindet, das in seinen Gliedern ist. Das ist eine schmerzliche, aber notwendige Erfahrung; denn nur auf diese Weise lernen wir, mit uns selbst fertig zu werden. Das Ende des Fleisches ist sozusagen vor uns gekommen, wie «das Ende allen Fleisches» schon längst vor Gott gekommen ist (1. Mo 6,13). Wir wissen von nun an, dass das «Ich» uns nicht zu Hilfe zu kommen vermag, dass wir in uns selbst keine Hilfsquelle finden und, auf uns selber angewiesen, dem inneren Feind preisgegeben sind.
4. Die Befreiung
Nun ist der Weg für die vierte Lektion zubereitet. Das Fleisch hat den Sieg davongetragen. Es hat die arme, hoffnungslos kämpfende Seele unterjocht. Aber nun wird sein Sieg in eine Niederlage verwandelt und endet mit der Befreiung des Opfers. Bis dahin hat die Seele in eigener Kraft gekämpft; jetzt, im Schmerz der Niederlage und der unabwendbaren Knechtschaft, lässt sie davon ab, auf sich selbst zu blicken, schaut um sich und schreit in ihrem Todeskampf: «Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?»
Jetzt ist die Befreiung da. Von dem Augenblick an, da sich der Blick nach aussen und nicht mehr nach innen, auf das Ich, richtet, ist der Sieg sicher. Unmittelbar kommt die Antwort: «Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!» (Röm 7,25). Wie das Heil, so ist auch die Befreiung nicht aus uns selbst, noch aus unseren Anstrengungen hervorgegangen, sondern ist «durch Jesus Christus, unseren Herrn!»
Lasst uns nun beachten, was das zur Folge hat. Die Wörtchen «ich» und «mich», die sich in den vorhergehenden Versen so oft wiederholten, verschwinden nun, und an ihre Stelle tritt «Christus». Glückselige Befreiung! Mit dem «Ich» ist es aus; die Seele hat es aufgegeben. Dafür steht Christus da, und wir finden jetzt in Ihm die Antwort auf jedes unserer Bedürfnisse. Denn wir sind aus Gott «in Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung» (1. Kor 1,30).
Aber bevor der Geist Gottes im achten Kapitel das gesegnete Teil der befreiten Seele vor uns ausbreitet, fügt Er noch ein Wort hinzu: «Also nun diene ich selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde» (Röm 7,25). Durch dieses Wort der Unterweisung werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier auf der Erde immer diese beiden Naturen besitzen werden, trotz aller geistlichen Fortschritte. Dieser Vers zeigt uns den Charakter der beiden Naturen und weist uns gleichzeitig darauf hin, dass sie sich nicht ändern werden. Das Fleisch bleibt immer das Fleisch, obwohl wir von seiner Herrschaft befreit sind, und wird nie verbessert werden können. Der Feind lässt sich weder vertreiben, noch in einen Freund verwandeln; aber wir kennen jetzt sowohl seinen Charakter als auch die Quelle unserer Kraft und sind auf der Hut.