Wir wollen nun die herrlichen Ergebnisse betrachten, in deren Genuss die befreite Seele durch die Gnade eintreten kann. Es sind: die Ruhe, die Kraft und die Hingabe. Lasst uns auf jeden einzelnen dieser drei Punkte näher eingehen.
1. Ruhe
Die Ruhe besteht nicht nur im Abbruch des Kampfes gegen die in uns wohnende Sünde. Sie ist auch eine positive Ruhe, die aus der Erkenntnis der Befreiung hervorkommt, die die Seele nun geniesst. Deshalb lauten die ersten Verse des achten Kapitels im Römerbrief: «Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.» Hier haben wir nicht die blosse Zusicherung, dass der Gläubige von jeder Verdammnis befreit ist, sondern vielmehr die Entdeckung, dass «die, die in Christus Jesus sind», von jeder Möglichkeit befreit sind, verdammt zu werden. Das ist das glückliche Ziel, zu dem die Seele nun gelangt ist. Lasst uns kurz untersuchen, was dies in sich schliesst.
Jetzt hat der Gläubige das Bewusstsein, dass er aus seiner alten Stellung und aus seinem alten Zustand herausgenommen und in Christus vor Gott in eine neue Stellung eingeführt worden ist – in Christus, der aus den Toten auferweckt und in einen neuen Bereich eingetreten ist, der sich jenseits des Todes befindet, ein Bereich, wo weder Tod noch Verdammnis hinzugelangen vermögen. Seit seinem Gestorbensein mit Christus gehört der Gläubige, wie wir schon darauf hingewiesen haben, nicht mehr zum ersten Menschen, zu Adam, so dass er, der sich jetzt der Sünde für tot hält, sich auch in Christus Jesus als für Gott lebend betrachtet. Im Tod von Christus hat Gott ein für alle Mal die Sünde im Fleisch gerichtet, sowohl die Wurzel als auch die Zweige, und das Gesetz des Geistes des Lebens in dem aus den Toten auferstandenen Christus Jesus hat den Gläubigen vom Gesetz der Sünde und des Todes frei gemacht. Die Sünde und der Tod haben es nur mit denen zu tun, die im Fleisch sind; da aber der Gläubige nicht mehr im Fleisch (Vers 9), sondern im Geist ist, ist sein Platz nun dort, wo das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus herrscht.
Wir befinden uns also, ich wiederhole es, in einer neuen Stellung, der gegenüber das Fleisch und folglich auch die Verdammnis nichts zu fordern haben, weil wir diese Stellung im auferstandenen Christus besitzen. So wie uns das Blut des Christus von unserer Schuld befreit hat, so ist auch das Fleisch, die Sünde, im Tod von Christus verurteilt und gerichtet worden; wir sind durch Gottes Gnade mit Christus in seinem Tod einsgemacht worden. Da wir jetzt in Ihm sind, sind wir völlig befreit und als solche von jeder Verdammnis freigesprochen. Wir können in dem ruhen, in dem wir vor Gott stehen.
Die Seele entdeckt aber gleichzeitig noch etwas anderes. Was war die Ursache ihrer Unruhe und ihres Leidens? Es war der eigene Zustand, die durch die Gegenwart der Sünde in ihr geschaffene Lage. Was sie aber jetzt lernt, ist nicht das, was wir sind, sondern was Christus ist. Ist Gott mit dem, was Christus ist, zufrieden? Dann können auch wir damit zufrieden sein; denn, vergessen wir es nicht, wir sind in Ihm, und das, was Er ist, nicht das was wir sind, bestimmt unsere Stellung vor Gott.
In Christus entsprechen wir also sogar den Gedanken Gottes, so dass Er mit der gleichen Befriedigung in uns ruhen kann, mit der Er auch in Christus selbst ruht. Wir sind angenehm gemacht in dem Geliebten (Eph 1,6). Da somit jeder Wunsch des Herzens Gottes befriedigt ist, bleibt auch uns nichts mehr zu wünschen übrig; in Bezug auf unsere neue Stellung sind wir vollkommen, so vollkommen, wie Gott es selbst gewollt hat, und wir haben daher auch eine vollkommene Ruhe. Was das Fleisch anbelangt, so wissen wir, dass es nicht schlechter sein kann, und auch nicht besser werden kann als es ist; und in Bezug auf unsere Stellung in Christus haben wir gelernt, dass Gott im Blick auf uns befriedigt ist, weil wir in der ganzen Vollkommenheit von Christus, dem verherrlichten Menschen, vor Ihm sind. Mehr als das zu wünschen, ist unmöglich und somit treten wir in den Genuss einer vollkommenen Ruhe in Christus. In der Tat, wie wir durch die Gnade fähig gemacht worden sind, Christus als unseren Stellvertreter auf dem Kreuz anzunehmen, so freuen wir uns jetzt auch, Ihn als den anzunehmen, der jetzt vor Gott unseren Platz einnimmt. Die Augen Gottes ruhen auf Ihm und auch die unseren, und so haben wir in Gemeinschaft mit dem Herzen Gottes unsere wahre und unveränderliche Ruhe gefunden.
Daraus ergibt sich noch eine andere wichtige Folge. Da wir aufgehört haben, uns mit uns selbst zu beschäftigen, nachdem wir so lange auf diesem Weg voller Mühsal und Bitterkeit gewandelt und dessen Eitelkeit gekostet haben, freuen wir uns jetzt, dass wir uns einzig und allein mit Christus beschäftigen dürfen. Da Er es ist, der bestimmt, was ich vor Gott bin, so ist es meine Freude, an seine Vortrefflichkeiten und sittlichen Herrlichkeiten zu denken und über jeden Strahl der Herrlichkeit Gottes nachzusinnen, der das Angesicht Christi erleuchtet (2. Kor 4,6). Bei dieser glückseligen Beschäftigung in dieser Welt werde ich durch die Kraft des Heiligen Geistes nach und nach in sein Bild verwandelt (2. Kor 3,18). Indem ich den betrachte, dessen Angesicht im Gegensatz zu Mose unverhüllt ist, kann ich Ihm in der Erwartung seiner Wiederkehr in wachsendem Mass Tag für Tag ähnlicher werden, bis ich Ihm schliesslich gleich sein werde, dann, wenn ich Ihn sehe, wie Er ist.
Ich habe also Christus zum Massstab meiner Stellung, Christus zum Gegenstand meines Herzens, Christus als den, dem ich gleichförmig gemacht werde. Kann die Seele darüber hinaus noch etwas verlangen? Nein; ich bin in überströmendem Mass zufrieden gestellt und ich habe eine vollkommene Ruhe.
2. Kraft
Aber ich besitze nun auch die Kraft. «Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt» (Röm 8,9). Ja, der Heilige Geist wohnt in jedem Menschen, der in Christus ist, und Er ist die Quelle der Kraft für den Wandel, den Kampf, den Dienst unter den Menschen und auch für den Gottesdienst. Ohne diese kostbare Kraftquelle wären wir versucht zu sagen: Es ist wohl wahr, dass wir in Christus sind, aber wie wird es uns möglich sein, die arglistigen Regungen des Fleisches zu überwinden, das immer in uns bleibt? Wir finden die Antwort in Römer 8,13: «Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben.» Die Kraft wird uns also immer im Verhältnis der uns begegnenden Umstände dargereicht, um uns zu befähigen, die Vorrechte der Stellung zu geniessen, in die wir versetzt worden sind, und alles zu verwerfen, was dazu dienen könnte, uns diese Segnungen zu rauben.
Lasst uns dabei nicht vergessen, dass die Wirksamkeit dieser Kraft abhängig ist von unserem geistlichen Zustand. Kein Kind Gottes möchte es anders haben. Der Heilige Geist wohnt in uns, so dass unser Leib sein Tempel ist. Lassen wir es nun an der Wachsamkeit fehlen, sind wir sorglos, gleichgültig, suchen wir unser Vergnügen mehr in der Welt als in Christus, betrüben wir auf irgendeine Weise, sei es in Gedanken, im Wort, im Blick oder anderen Handlungen des Fleisches den Heiligen Geist Gottes, durch den wir auf den Tag der Erlösung versiegelt worden sind, so dürfen wir keinen Augenblick daran denken, Er werde sich herablassen, um uns als Gefässe seiner Macht zu gebrauchen. Das wäre unmöglich. Simson ist eine Illustration für diese wichtige Wahrheit. Solange er seine Absonderung, sein Nasiräertum bewahrte, waren seine Feinde machtlos gegen ihn. Er konnte sie sozusagen unter seine Füsse zertreten. Aber von dem Augenblick an, wo er den Verführungskünsten einer Delila erlag und das Geheimnis seiner Kraft verriet, wurde er so schwach wie andere Menschen und fiel sogleich in die Hände seiner unbarmherzigen Feinde. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in Kraft wird im Gläubigen und durch den Gläubigen nur soweit aufrechterhalten, als er in Gemeinschaft mit Gott wandelt.
Versäumen wir es, uns selbst zu richten und im Licht zu wandeln, in das wir versetzt sind, so wie Gott selbst im Licht ist, so werden wir vergeblich auf die Erweisung der Kraft des Heiligen Geistes warten, obwohl Er uns nicht verlässt. Ist aber im Gegensatz dazu unser Auge einfältig – ein solches sieht nichts anderes als Christus – und ist Er somit der Anziehungspunkt unseres Lebens, so wird der Heilige Geist, der in diesem Fall durch nichts betrübt ist, uns in jeder Lage, in welcher wir uns befinden mögen, aufrecht halten und bewirken, dass wir aus jedem Kampf siegreich hervorgehen, den wir zu bestehen haben. Sucht das Fleisch seine Herrschaft über uns wieder aufzurichten, so wird Er uns befähigen, es zurückzustossen, es als einen durch das Gericht Gottes schon überwundenen Feind zu behandeln; will uns die Welt durch ihre Lockungen bezaubern, so wird uns der Geist im Licht des Kreuzes Christi an ihren wahren Charakter erinnern, und sie wird ihren Reiz für uns verlieren; fällt Satan über uns her, so wird der Geist uns stärken, damit wir ihm widerstehen können und er von uns fliehen muss.
Lasst uns jedoch nicht vergessen, dass es sich bei dieser Kraft nicht um eine Gefühlssache handelt. Gar viele stolpern über diesen Punkt. Sie möchten diese Kraft fühlen, und da sie nichts davon verspüren, ziehen sie daraus den Schluss, sie seien in einem schlechten Seelenzustand, und der verhindere ihre Ausübung. Einen grösseren Irrtum könnte es nicht geben.
Anderseits aber ist der Herr damit beschäftigt, die Kraft seiner Diener zu zerbrechen, um sie zur Erkenntnis ihrer völligen Kraftlosigkeit zu führen und zum Bewusstsein, dass seine Kraft in Schwachheit vollbracht wird. Er erreicht dies auf verschiedenen Wegen. Paulus gab Er, damit sich diese Einsicht bei ihm festige und er sich der empfangenen ausserordentlichen Offenbarungen wegen nicht überhebe, einen Dorn ins Fleisch (1. Kor 12). Erst «wenn wir schwach sind», können wir mit dem Apostel sagen: «Wir sind stark», weil uns dann das Bewusstsein unserer Schwachheit zur Abhängigkeit führt. Nur in dem Mass, wie wir abhängig sind, verwirklichen wir die Kraft dessen, auf den wir uns stützen.
Und selbst wenn wir abhängig sind – ich lege auf diesen Punkt allen Nachdruck – werden wir uns der Kraft des Geistes in uns nicht immer bewusst sein. So schrieb Paulus an die Korinther: «Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und in vielem Zittern» (1. Kor 2,3). Doch ist es offensichtlich, wie aus jenem Brief und auch aus dem Bericht in Apostelgeschichte 18 über seinen Aufenthalt in Korinth hervorgeht, dass er zu jener Zeit in ganz besonderer Weise der Kanal einer aussergewöhnlichen Kraft im Dienst des Wortes war. Auch heute verhält es sich oft so bei den Dienern des Herrn. In Zeiten, in denen sie ihre Schwachheit und ihr Unvermögen in der Predigt des Wortes ganz besonders gefühlt haben, wird es ihnen manches Mal vergönnt zu sehen, dass der Herr sie gerade dann am meisten zum Segen für die Seelen gebraucht hatte.
Der gleiche Grundsatz ist auf alle Bereiche des christlichen Lebens anwendbar. In der biblischen Geschichte liessen sich dafür viele Beispiele finden. «Bitte, mein Herr!» sagte Gideon, «womit soll ich Israel retten? Siehe, mein Tausend ist das ärmste in Manasse, und ich bin der Jüngste im Haus meines Vaters.» War das ein Beweis der Unfähigkeit für die Aufgabe, zu der er berufen wurde? Lasst uns die Antwort des Herrn beachten: «Ich werde mit dir sein, und du wirst Midian schlagen wie einen Mann» (Ri 6,15-16). Gideon war in Wirklichkeit nichts, aber der Herr wollte alles für ihn sein; Er kann dort wirken, wo man seine Ohnmacht fühlt.
So müssen auch wir die Unabhängigkeit in allen ihren Formen ablehnen, damit der Herr seine Kraft in und durch uns offenbaren kann. Wir müssen sogar allem entsagen, was aus unserer Natur kommt, aber in unserem Werk und unseren Kämpfen eine Hilfe zu sein scheint, um einzig und allein von der göttlichen Kraft des Heiligen Geistes abhängig zu sein.
Es ist ferner ein weit verbreiteter Irrtum zu meinen, wir könnten mit geistlicher Kraft begabt werden. Gott gibt keinem seiner Diener einen Vorrat an Kraft, aus dem er von Zeit zu Zeit schöpfen kann, bis das Ganze aufgebraucht ist. Die Kraft ist immer in Gott selbst und nicht im Menschen aufgespeichert; Er reicht sie nur von Augenblick zu Augenblick dar, je nach dem Bedarf derer, die mit Ihm und in seiner Abhängigkeit leben. Daraus ergibt sich, dass wer heute ein mächtiger und tapferer Mann ist, morgen schwach und zaghaft sein kann. Das war bei Elia der Fall. In 1. Könige 18 sehen wir ihn der ganzen Menge der Baalspriester und Propheten gegenübergestellt, die sich unter dem Schutz und der Gunst des Königs sicher fühlen. Er ist ganz allein, aber, von sich selbst wegblickend und über sich selbst hinaus erhoben, fordert er sie heraus. Er stützt sich auf Gott in der Erwartung, dass Er die Ehre seines Namens aufrecht halte und geht in der göttlichen Kraft voran. Er dringt gegen Satan vor bis ins Innere seiner Festung und erringt einen herrlichen Sieg. Aber was berichtet uns das nächste Kapitel? Der gleiche Elia flieht vor den Drohungen der bösen Isebel! Ach, er hatte in diesem Augenblick die Quelle seiner Kraft vergessen! Und so war dieser tapfere Mann von gestern heute schwächer als ein kleines Kind. Eine fortwährende Abhängigkeit ist also die unumgängliche Voraussetzung für die Fortdauer geistlicher Kraft. Sobald die Gläubigen diesen grossen Grundsatz vergessen, wird es Satan immer wieder gelingen, sie zu besiegen.
Es gibt somit, wie alle aufrichtigen Seelen es bejahen, Bedingungen für die Ausübung der Kraft, die Gott durch den in ihnen wohnenden Heiligen Geist den Seinen gegeben hat. Unter dieser Voraussetzung weisen wir mit allem Nachdruck darauf hin, dass die Kraft des Heiligen Geistes in jeder Lage vollkommen ausreichend ist, um jedem Bedürfnis zu begegnen. So wird in Römer 8 von denen gesagt, die in Christus Jesus sind, dass sie nach dem Geist wandeln, durch den Geist geleitet werden, durch den Geist die Handlungen des Leibes töten und dass ihnen der Geist in ihren Schwachheiten zu Hilfe kommt und sich selbst für sie verwendet in unaussprechlichen Seufzern. In mehreren anderen Stellen sehen wir, dass der Geist uns befähigt, das Fleisch, die Welt und den Teufel zu überwinden, wie wir schon festgestellt haben (siehe Gal 5,16-25; Eph 6,17-18; 1. Joh 2,14-27). Durch den Geist vermögen wir auch das Wort Gottes zu verstehen und anderen mitzuteilen (1. Kor 2). Durch Ihn haben wir Zugang zu Gott, dem Vater (Eph 2,18). Mit einem Wort: Der Heilige Geist ist unsere alleinige und für alles ausreichende Kraft für den Wandel, den Kampf, das Zeugnis (Apg 4) und den Gottesdienst (Eph 5,18-19; Phil 3,3).
Besteht nicht die Gefahr, dass wir dies alles als Lehre erfassen, aber in der Praxis vergessen? Viele Kinder Gottes haben zwar gelernt, in gewissem Mass ihre Schwachheit zu erkennen; aber sie wissen fast nichts von der Kraftquelle, die sie im Heiligen Geist besitzen. Andere glauben daran, wissen aber nicht, wie sie daraus schöpfen sollen. Andere wieder handeln im christlichen Leben so, als ob alles von ihnen selbst und nicht vom Geist abhinge. Lasst uns diesen Fragen ins Angesicht schauen und uns prüfen, ob einer dieser Zustände auf uns zutrifft. Wenn dem so ist, so sollten wir uns keine Ruhe gönnen, bis wir praktisch wissen, was es heisst, in dieser Welt Werkzeuge zur Offenbarung göttlicher Kraft zu sein. Wenn es unser Wunsch ist, auf diese Weise den Namen des Herrn zu verherrlichen, werden wir bald wahrnehmen können, dass Gott sich herablässt, um sich unser zu bedienen, und zwar in dem Mass wie wir in seiner Abhängigkeit und in Gehorsam gegenüber seinem Wort wandeln.