Erlaube mir eine ganz persönliche Frage an dich: Bist du wirklich glücklich?
Gib mir keine theoretische Antwort. Ich erwarte jetzt nicht, dass du mir deine Bekehrung erzählst und mir schilderst, wie vollkommen das Heil Gottes ist, das du durch Glauben empfangen hast. Ich erwarte auch nicht, dass du mir nun die unermesslichen himmlischen Segnungen in Christus aufzählst, die jedem Gläubigen geschenkt sind. Das alles wäre wohl Anlass zu echter, heiliger Freude. Aber ich möchte jetzt eine schlichte und ehrliche Antwort auf die Frage: Bist du wirklich glücklich?
Nach einem kurzen Augenblick der Selbstprüfung sagst du vielleicht: «Glücklich? – eigentlich nicht! Ich lese zwar täglich die Schrift, ich bete, ich besuche die Versammlungen, ich suche schlecht und recht die Ermahnungen des Wortes zu befolgen. Aber, ich muss gestehen, alles geschieht bei mir mit so schwachem Antrieb! Mein Christenleben gleicht eher dem dünnen Rinnsal eines ausgetrockneten Wasserlaufes als einem mitreissenden, vollen Bach, der alles belebt.»
Wir wollen jetzt nicht untersuchen, wie du in einen solchen Zustand geraten konntest. Dich interessiert vielmehr: Wie kann es anders werden?
Das Wort Gottes beschreibt uns den Weg der Glückseligkeit zuverlässig und genau. Dem Leser wird, besonders in den Psalmen und in der «Bergpredigt», immer wieder zugerufen: «Glückselig der Mann! …» oder: «Glückselig der, …!» Und die Briefe des Neuen Testaments enthalten diese Lehre in aller Deutlichkeit.
Gewiss hast du diese untrüglichen Unterweisungen Gottes in deinem Leben zu wenig befolgt. Du kannst also die Freude deines Herzens nur dadurch wieder finden, dass du dein Leben im Licht des Wortes Gottes gründlich überprüfst und dich seinen Lehren und Ermahnungen unterwirfst.
Was ich dir aber heute ganz besonders vorstellen möchte, ist dies: Die Glückseligkeit ist uns in einer Person, in Jesus Christus geschenkt. Wir geniessen sie in dem Mass, wie wir Gemeinschaft mit seiner Person haben. Das Wort führt uns zu Ihm, zu seiner Erkenntnis, zur Freude im Herrn (Phil 3,1.8; 4,4). Alle Ermahnungen sind uns zu dem Zweck gegeben, dass wir diese Quelle des Heils, der Gnade und des Friedens aufsuchen und nicht verlassen.
Es gibt also nichts Besseres, als dass du das Wort in Psalm 63,9 ohne Unterbruch verwirklichst: «Meine Seele hängt an dir» (oder: «folgt dir unmittelbar nach»). Jeden Tag darf dein Herz Ihn suchen, über Ihn nachdenken und sich an Ihm freuen. Wie einfach ist dieses göttliche Rezept der Glückseligkeit! Wir besitzen nichts in uns selbst, aber alles in Ihm.
Die Schrift gibt uns in Maria Magdalene, einer einfachen Frau, das eindrückliche Beispiel einer Seele, die von Anfang ihres Glaubenspfades an dieses Rezept befolgt hat. Wo immer wir ihr in der Bibel begegnen, steht sie in unmittelbarer Verbindung mit dem Herrn. Die betreffenden Stellen aufzuschlagen, mag uns daher zum Ansporn sein.
Ihre erste persönliche Begegnung mit Ihm (Lukas 8,2)
Wie schrecklich war die Vergangenheit Maria Magdalenes! Sie war von sieben Dämonen besessen und völlig unter der Macht dessen, der die Menschen quälen und verderben will!
Was konnte ihr da helfen, als nur eine persönliche Begegnung mit dem Herrn Jesus, vor dem die Dämonen zittern? Er selbst war gekommen und hatte sie frei gemacht.
Gewiss, der Glaube ist aus der Verkündigung, und die Verkündigung durch Gottes Wort (Röm 10,17). Doch hilft ein nur verstandesmässiges Erfassen der Lehre von der Befreiung in Christus dem Menschen, der unter der Knechtschaft der Sünde seufzt, recht wenig, wenn nicht der Herr selbst dessen Herz auftun und durch den Glauben darin wohnen kann.
Welch ein Wendepunkt im Leben Maria Magdalenes! Bisher Erfahrungen der schrecklichen Macht Satans, der trügerischen Nichtigkeit des Menschen und der Welt – und jetzt diese Befreiung und ein solcher Befreier! Keinen Augenblick lang zögerte sie: Jesus sollte fortan ihr Herz besitzen. Ihm wollte sie gehören und leben mit allen ihren Fähigkeiten!
Sie folgte Ihm nach (Markus 15,41)
Als Jesus durch die Städte und Dörfer Galiläas zog, folgten Ihm grosse Volksmengen nach. Sie wollten geheilt werden; sie begehrten Wunder zu schauen oder sonst etwas Ausserordentliches zu sehen.
Maria Magdalene aber zog es zu der Person ihres Erretters. Sie wollte bei Ihm sein. Sie begehrte Ihn selbst. Er erfüllte ihren Sinn. Am Morgen war ihr erster Gedanke: Wie kann ich es einrichten, möglichst viel in seiner Nähe zu sein, um Ihn zu sehen und zu hören? Und am Abend wurde sie nicht fertig, das mit Ihm erlebte immer wieder durchzukosten.
Diese Frau lehrt uns, die Nachfolge Jesu von ihrer herrlichen Seite zu betrachten. Wir denken oft mehr an die Voraussetzungen und an die Folgen der Nachfolge: an die Selbstverleugnung (Mt 16,24), an die Kosten des Gehorsams, an die Verachtung und an den Hass der Welt (Joh 15,20). Maria aber folgte Jesus nach, um bei Ihm zu sein. Was sie dort empfing, trug sie über alle Widerstände hinweg.
Was hindert dich, gerade im jetzigen Augenblick beim Herrn selbst zu weilen? Übe dich täglich, immer mehr und immer wieder, solche Augenblicke zu finden. Wie wohltuend für die Seele! Hier allein lösen sich deine Probleme!
Sie diente Ihm (Markus 15,41; Lukas 8,3)
Wie kam Maria Magdalene dazu, dem Herrn Jesus zu dienen? Hatte Er sie darum gebeten? Hatte Er ihr gesagt: Maria, meine Sandalen haben ausgedient, mein Kleid ist abgetragen, meine Jünger und ich haben nichts zu essen, die Kasse ist leer, hättest du nicht …?
Ach nein, sie tat es von selbst. Hat sich ein Schwamm vollgesogen, so wird er schon bei einer schwachen Berührung wieder Wasser abgeben. Kann sich der Gläubige wahrhaft in der Nähe des Herrn aufhalten, ohne den Reichtum seiner Liebe aufzunehmen? Genügt dann nicht ein sanfter Druck des Geistes, um ein solches Herz zur Tätigkeit zu bringen? Maria Magdalene musste nicht, wie ein Knecht, auf einen Befehl warten. Sie suchte Ihm zu dienen. Es drängt sie, das zu tun, was Ihm wohlgefiel.
Ja, sie diente Ihm, der alle Regungen der Zuneigung zu Ihm, alle Handreichungen, die man um seinetwillen tut, mit Freuden registriert und einst in göttlicher Weise belohnt (2. Kor 5,10). – Wie hässlich ist daneben jede christliche Tätigkeit, jeder Dienst, der in irgendeiner Form die eigene Person zur Triebfeder und zum Gegenstand hat!
Womit konnte Maria Ihm denn dienen? Mit ihrer Habe, mit dem, was sie gerade besass. Es war vielleicht nicht viel, vom Standpunkt des Menschen aus betrachtet, der sich gewohnt ist, vom Lebenswerk «grosser Männer» dicke Bände zu schreiben, kaum der Rede wert. Aber Gott fand es wichtig genug, um in seinem Buch darüber zu schreiben, wie auch über die zwei Scherflein der armen Witwe (Lk 21,2). Und welches Buch wird diese Erdenzeit überdauern?
Sie sah Ihn am Kreuz (Markus 15,40.41; Lukas 23,49)
Wo war Maria Magdalene zu finden, als Jesus am Kreuz hing? Unter der neugierigen Menge, die zu diesem «Schauspiel» zusammengekommen war? Gewiss nicht. Sie stand «von weitem», unter der Gruppe der gläubigen Frauen, die mit Ihm von Galiläa nach Jerusalem hinaufgekommen waren.
Sie «sah zu.» Es schnürte ihr das Herz zusammen, ihren Herrn in solcher Schmach, in unerträglichen Qualen und tiefster Seelennot zu sehen, hilflos den grausamen und höhnischen Peinigern preisgegeben. Warum griff Gott nicht ein?
Was verstand sie von dem, was hier vorging? Es war für sie ein unfassliches Geschehen. Aber wie gut, dass sie sich auch hier in der Nähe ihres geliebten Herrn befand! Da prägten sich die Leiden Christi am Kreuz für alle Zeiten tief in ihr Herz ein. Und als dann später durch den Dienst des Heiligen Geistes in der Versammlung die Bedeutung der Leiden und des Werkes des Herrn erklärt wurde, wie mag da jede Einzelheit des von ihr miterlebten Geschehens begonnen haben zu leuchten: Wie mag da in ihrer Seele die Grösse der Person Jesu ins Unendliche gewachsen sein! Wie mochte sie da zu staunen begonnen haben über die Höhe, die Tiefe, die Breite und die Länge seiner Liebe und das Ausmass seiner Herrlichkeit!
Auch wer noch nicht lange errettet ist, möge sich durch seine Unwissenheit nicht abhalten lassen, recht viel über das Geschehen am Kreuz nachzudenken. Da steht er vor der reichsten Fundgrube der kostbarsten und höchsten Offenbarungen des Vaters und des Sohnes; da erkennt er auch die Vollkommenheit seines Heils in Christus wie nirgends sonst. Ja, lasst uns im Geist viel nach Golgatha hinaufgehen! Hat der Herr nicht zu diesem Zweck das Abendmahl eingesetzt, mit der Aufforderung an alle Gläubigen: «Tut dies zu meinem Gedächtnis?»
Sie wollte Ihn salben (Markus 16,1)
Einzig die andere Maria, Maria von Bethanien, die zu den Füssen des Herrn seine Belehrungen empfangen hatte, salbte Ihn im richtigen Zeitpunkt. Alle andern, die Ihn nach seinem Tod zum Begräbnis einbalsamieren wollten, kamen zu spät, auch Maria Magdalene.
Es zeigte sich also Unwissenheit bei ihr. Aber redeten ihre Salbentöpfe, die die für Jesus zubereiteten Gewürzsalben enthielten, nicht auch dieselbe Sprache wie das ausgegossene Salböl der anderen Jüngerin in Johannes 12 von Wertschätzung aller Lieblichkeiten und Schönheiten, die diese Anfängerin auf dem Glaubensweg an Ihm gesehen hatte? Von Dankbarkeit und Anbetung? Ihr Herz war ebenso sehr auf Ihn gerichtet, nur ihre Erkenntnis war noch gering.
Wenn es jemand vom Volk Gottes des Alten Bundes auf dem Herzen hatte, Gott ein Brandopfer darzubringen, aber zu arm war, um ein Rind oder ein Kleinvieh zu opfern, so durfte es auch eine geringe Taube sein ohne Fehl. Auch diese Gabe war «ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem HERRN» (3. Mo 1,17). Und wenn deine Erkenntnis vom Opfer des Herrn und der Herrlichkeit seiner Person, die du aus dem Wort Gottes geschöpft hast, noch schwach ist, so ist deine Anbetung, die im Mitbeten und Mitsingen besteht, dennoch ein lieblicher Wohlgeruch für Ihn. Wenn es dir dabei nur, wie Maria Magdalene, um seine Person geht! Willst du daran denken, wenn du zur Anbetungsstunde gehst? Wie voll wird dann dein Herz sein, wenn du heimkehrst!
Sie suchte Ihn beharrlich (Johannes 20,1-18)
In diesem Schriftabschnitt wird uns am Ausführlichsten von Maria Magdalene berichtet.
Jesus war gestorben und Joseph von Arimathia und Nikodemus legten seinen Leib ins Grab. Maria hatte sich dem traurigen Zug vom Kreuz zum Grab angeschlossen und sah zu, wo der Leib ihres Heilandes hingelegt wurde. Alles, was ihr Herz besass, lag nun in dieser Gruft, und man wälzte einen Stein an dessen Tür! Es kostete sie viel, sich loszureissen und heimzukehren.
Was blieb dieser Seele noch, die den herrlichen Ausgang des Weges des Herrn nicht kannte? Ein Dienst der Liebe war noch nicht getan! Sie und die anderen Frauen wollten Ihn salben, wie wir uns soeben erinnerten. Und mit welchem Eifer der Liebe trafen sie ihre Vorkehrungen! Als der Sabbat, der ihnen Ruhe gebot, am Abend zu Ende ging, kauften sie wohlriechende Gewürzsalben und bereiteten sie zu (Mk 16,1; Lk 23,56). Aber bevor sie sich niederlegten, eilten sie schnell noch zum zweiten Mal hinaus, «um das Grab zu besehen» (Mt 28,1).
Maria Magdalene fand in der Nacht keine Ruhe. In der Frühe des folgenden Morgens, am ersten Wochentag, als es noch finster war, lief sie schon wieder zur Gruft (Joh 20). Und was sah sie dort? Der Stein war weggenommen und das Grab leer! Das grosse Ereignis der Auferstehung hatte inzwischen stattgefunden, und sie wusste es nicht! Nun war sein Leib auch nicht mehr da! Was war denn geschehen? In grosser Angst und Unruhe lief sie zu Petrus und Johannes. Wenn irgendjemand Rat wusste, so waren es diese beiden. Und nun eilten auch diese zwei zum Grab und hinter ihnen Maria, zum vierten Mal!
Die beiden Jünger, denen der Herr wiederholt gesagt hatte, dass Er leiden und sterben müsse und nach drei Tagen auferstehen werde, konnten angesichts der leeren Gruft diese Wahrheit endlich fassen. Sie «glaubten» und gingen wieder heim, zu sehr mit diesen grossen Dingen beschäftigt, um den tiefen Kummer Maria Magdalenes zu beachten.
Diese Frau, die durch Jesus aus so tiefer Not befreit, den ganzen bisherigen Glaubenspfad mit Ihm gewandelt war, in Ihm die Stütze ihres Lebens, tiefen Frieden und eine wunderbare Freude gefunden hatte, blieb – wie sie meinte – allein und verlassen zurück. Die Gemeinschaft mit Ihm war ihr Lebenselement gewesen; sie hatte das Möglichste getan, um bei Ihm zu sein: Sie war Ihm nachgefolgt und hatte Ihm gedient; sie hielt sich in seiner schwersten Stunde bei seinem Kreuz auf; sie war dabei, als sie seinen Leib ins Grab legten; und jetzt, wo sie meinte, der Augenblick der Salbung sei gekommen, war nicht einmal mehr sein Leib da. Welche Leere! Maria stand bei der Gruft, draussen, und weinte. Wie mussten diese Tränen für Gott so kostbar sein! Hier war eine Frau, die nicht weinte, weil ihr sichtbare Dinge oder Menschen genommen waren, in denen sie ihr Glück zu finden meinte, sondern weil sie glaubte, die wahre Quelle der Glückseligkeit, die Gott ihr in seinem Sohn gegeben und aus der sie so reichlich getrunken hatte, sei ihr nun für immer genommen. Wahrlich, ist sie nicht ein lebendiges Beispiel dafür, was auch du und ich jeden Tag und jeden Augenblick in Christus finden können?
Als sie nun weinte und sich dabei vornüber in die Gruft bückte, sah sie zwei Engel in weissen, strahlenden Gewändern dasitzen. Wie musste ihr diese Erscheinung einen tiefen Eindruck machen – Engel vom Himmel! Viele fromme Israeliten schon wurden bei einer solchen Begegnung mit Furcht erfüllt! Maria aber nahm kaum Notiz von ihnen. Sie suchte den Herrn. Niemand anders konnte an den Platz seiner über alles erhabenen Person treten. Sie hängte sich nicht an die Jünger, die soeben fortgegangen waren, noch wandte sich ihre Seele diesen Engeln zu. Ihr Christentum bestand nicht nur im Umgang mit den Gläubigen, und noch weniger konnten ihr äussere religiöse Formen und Übungen genügen. Auf die Frage der Engel: «Frau, warum weinst du?» antwortete sie nur: «Weil sie meinen Herrn weggenommen, und ich nicht weiss, wo sie ihn hingelegt haben» (Joh 20,13).
Konnte sich der Auferstandene einer Seele, die sich in solch ausschliesslicher Weise nach Ihm ausstreckte, unbezeugt lassen? Nein, schon war Er da und rief sie als der gute Hirte bei ihrem Namen: «Maria!» Ihr wollte Er sich vor allen anderen offenbaren.
Wie konnte ihr Herz einen solchen Wechsel ertragen! Von einem Augenblick zum andern wurde es aus Tiefe und Dunkel zur Höhe seiner lebendigen, strahlenden, beglückenden Nähe erhoben! Nun war alles gut. Er lebte, Er war da! Nie mehr musste sie sich von Ihm trennen. Und als Er dann in den Himmel auffuhr, konnte sie Ihm durch den Heiligen Geist noch viel näher sein als bis dahin. Mit dem jubelnden Aufschrei: «Rabbuni!» fiel sie zu seinen Füssen nieder.
Möge der Herr durch diese Szene zu unseren Herzen und Gewissen reden! Wir stehen heute so sehr in Gefahr, uns an äusseren Formen und an Lehren genügen zu lassen. Unser Christenleben ist dann dumpf, leblos, kraftlos. Es gleicht einem unbewohnten Haus, dessen Bewohner irgendwo anders in der Welt sind. Wir erfreuen dann weder den Herrn, noch sind wir andern zum Segen, und unsere eigenen Herzen sind dabei unzufrieden und unglücklich. Ja, wie lebensnotwendig ist es, jeden Tag den Herrn selbst, seine Person zu suchen! Dann nur kann Er das Herz mit seiner belebenden Gegenwart erfüllen, und das Wort des Petrus trifft dann auch auf uns zu: «Jesus Christus, den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt» (1. Pet 1,8). Darin liegt also das Geheimnis glückseligen Lebens!
Sie zeugte von Ihm (Johannes 20,15.18)
Wir wundern uns nicht darüber, dass Maria dem vermeintlichen Gärtner gegenüber freimütig vom verworfenen und gekreuzigten Herrn Jesus sprach. Für sie gab es nur «Ihn», und sie redete offen davon, was Er ihr bedeutete. Wird uns dies schwerer fallen als ihr, wenn Er auch alle unsere Zuneigungen besitzt? Sie sprach nur einen Satz. Aber wie kann ein solcher Satz, der verrät, was Christus für uns ist, einen tiefen Eindruck machen auf andere, die Ihn noch nicht kennen!
Und wie kam es, dass Maria, deren Erkenntnis so begrenzt gewesen war, nun für die Brüder und Schwestern eine Botschaft hatte und ihnen Dinge mitteilen konnte, die diese noch nicht wussten?
Sie hatte Ihn, der jetzt auferstanden war, gesucht, und dort, in seiner Nähe, offenbarte Er ihr das neue, wunderbare Verhältnis, in das die Gläubigen zu Gott gebracht worden waren: «Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott.»
Wir stehen oft staunend still vor den vielen Bänden und tiefgründigen Bibelbetrachtungen unserer Väter, die von tiefer Einsicht in die Herrlichkeit, in die Gedanken und Wege Gottes zeugen. Sie lebten in einer Zeit der Erweckung. Aber bestand diese Erweckung nicht zuerst darin, dass die Herzen dieser Brüder sich von allem andern weg auf den Herrn richteten und dann in seiner Gegenwart das Verständnis seiner Gedanken empfingen?
Auch wir, du und ich, haben eine Erweckung unseres Herzens nötig. «Glückselig … die von ganzem Herzen Ihn suchen!» (Ps 119,2).