Einige Seiten aus Hesekiel (1)

Hesekiel

Inhalt

1. Einleitung
    Die Tragweite der Prophetie
    Der Prophet Hesekiel
    Übersicht
2. Gesicht und Berufung
    «Ihn sehen» (Hesekiel 1)
    «Ihn hören» (Hesekiel 2)
    Von ihm genährt werden (Hesekiel 3,1-3.10)
    «Geh hin» – Der Wächter (Hesekiel 3,4-21)
    «Der Geist kam in mich» (Hesekiel 3,24)
3. Die Herrlichkeit der HERRN entfernt sich
    Warum geht die Herrlichkeit weg? (Hesekiel 8)
    Ein Überrest (Hesekiel 9)
    Die Herrlichkeit geht weg (Hesekiel 10 und 11)
    Die Zerstörung Jerusalems
4. Der König von Tyrus (Hesekiel 28,11-19)
    Wer war Satan?
    Sein Fall
    Sein Gericht
    Der Sieg Christi
    In der heutigen Zeit
    Das Gericht wird ausgeführt werden
5. Die geistliche Wiederherstellung Israels
    Der neue Hirte (Hesekiel 34,11-16.23.24)
    Das neue Herz (Hesekiel 36,24-32)
6. Die nationale Auferstehung Israels (Hesekiel 37)
     Die Wiedervereinigung der zwölf Stämme
7. Gog (Hesekiel 38 – 39)
8. Die Rückkehr der Herrlichkeit (Hesekiel 43,1-11)
9. Die Wasser des Heiligtums (Hesekiel 47,1-12)
    Durch den Fluss gehen
    Der Fluss fliesst hinaus
    Die Bäume
    Der Lebensbaum
    Der HERR ist hier (Hesekiel 48,35)

1. Einleitung

Das Buch des Propheten Hesekiel ist eines der am wenigsten bekannten Bücher der Bibel. Doch ganz abgesehen von seiner prophetischen Tragweite, enthält es – wie das ganze Wort Gottes – wertvolle geistliche Belehrungen. Wir haben einige Kapitel ausgewählt, um in erster Linie sittliche Unterweisung daraus zu ziehen, möchten dabei aber auch einen allgemeinen Überblick über den Inhalt dieses Buches geben.

Bevor wir auf das Buch Hesekiel selbst eingehen, wollen wir feststellen, welchen Platz es inmitten der Propheten einnimmt.

Das Alte Testament ist praktisch in vier Teile geteilt:

  1. die fünf Bücher Mose, «Pentateuch» genannt
  2. die historischen Bücher, von Josua bis Esther, sie schildern uns die Geschichte Israels in seinem Land
  3. die sogenannten poetischen Bücher, von Hiob bis zum Lied der Lieder, zu denen auch die Klagelieder Jeremias gehören
  4. die Propheten, von Jesaja bis Maleachi

Die sechzehn Propheten des Alten Testaments lassen sich auf verschiedene Weise unterteilen:

  1. nach der Länge ihrer Prophezeiungen, man unterscheidet oft – ganz willkürlich – zwischen den vier grossen Propheten: Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Daniel, und den zwölf kleinen Propheten: von Hosea bis Maleachi.
  2. Interessanter ist es, zwischen den Propheten von Juda und den Propheten von Israel zu unterscheiden. In der Tat, nach der Zweiteilung des Reiches beim Tod Salomos haben sich die meisten der Propheten an die beiden Stämme Juda und Benjamin gerichtet, doch wurden auch eine Anzahl in Israel erweckt. Mehrere haben keine Schriften hinterlassen, wie Elia, Elisa und andere, aber der Geist Gottes wollte uns die Botschaft von sechzehn Propheten aufbehalten. Jona, Hosea und Amos waren vornehmlich Propheten von Israel, die dreizehn anderen Propheten von Juda.
  3. Mehrere Propheten haben zum Volk Gottes geredet, andere zu den Nationen. Jona und Nahum richteten sich besonders an Ninive, Objada an Edom, in den Büchern Jesaja, Jeremia, Hesekiel findet man ganze Teile, die für verschiedene Nationen bestimmt sind. Alle anderen haben vor allem Israel im Blickfeld.
  4. Ein letzter Unterschied zwischen den Propheten ergibt sich aus dem Zeitabschnitt, in dem sie ihren Dienst ausgeübt haben:
    • in Kanaan, vor der Gefangenschaft
    • während der Gefangenschaft
    • nach der Rückkehr aus dieser

Von den grossen Propheten weissagten Jesaja und Jeremia noch im Land. Die Endsilbe ihres Namens «…ja» entspricht «Jah», einer Abkürzung von Jahwe (Jehova, HERR). Unter diesem Namen hat sich Gott seinem Volk besonders offenbart (2. Mo 6,2-3), und Er steht in Beziehung zu ihm. Die Namen dieser beiden Männer deuten also darauf hin. Im Gegensatz dazu haben Hesekiel und Daniel die Endsilbe «…el»: ein im Alten Testament oft gebrauchter Name Gottes, bei dem es nicht um die besondere Beziehung zu seinem Volk geht. Die Namen dieser beiden Knechte stimmen also mit deren Lage als «Gefangene» überein, die fern von Jerusalem sind.

Alle anderen Propheten, mit Ausnahme der drei letzten, haben in Kanaan vor der Gefangenschaft geweissagt, nur Haggai, Sacharja und Maleachi haben ihren Dienst nach ihrer Rückkehr aus dem Exil ausgeübt, als eine gewisse Anzahl Juden mit Serubbabel, dann mit Esra und schliesslich mit Nehemia hinaufzogen, um den Altar, den Tempel und zuletzt die Mauer von Jerusalem wieder aufzubauen. Maleachi beschreibt den Zustand des Volkes nach einem Jahrhundert ihrer Rückkehr ins Land, um den Niedergang hervorzuheben.

Die Tragweite der Prophetie

Grundsätzlich handelt die Prophetie von der Erde und der Regierung Gottes. Schon seit den ersten Jahrhunderten des Christentums begeht man den Fehler, der Kirche die Gerichte und Segnungen zuzuschreiben, die Israel angekündigt sind. Die Kirche ist nicht der Gegenstand der Prophetie, ihr Teil ist nicht auf der Erde. Während des Zeitalters der Gnade, seit dem Kommen des Heiligen Geistes an Pfingsten bis zum Wiederkommen des Herrn, zieht Gott einzelne Seelen aus den Juden und aus den Nationen zu sich, um aus ihnen lebendige Steine seines Hauses zu machen, eines geistlichen Hauses, dessen Teil himmlisch ist.

In grossen Linien können wir drei Hauptperioden unterscheiden, die die Propheten vor Augen haben.

Erste Epoche

Während der ersten ist Israel noch in seinem Land, der Herr steht in Beziehung zu ihm, es ist der Mittelpunkt seiner Regierung.

Aber während den darauf folgenden Gefangenschaften wird diese Beziehung Gottes zu Israel abgebrochen. Die Machtbefugnis wird den Nationen übergeben, wie es uns die Gesichte Daniels mitteilen:

  • an Babylon,
  • an die Perser,
  • an das Griechenland Alexanders
  • und endlich an Rom.

Zweite Epoche

Diese zweite Periode, die sich ungefähr vom Jahr 600 v. Christus bis zum Kommen des Herrn Jesus in Herrlichkeit erstreckt, wird «die Zeit der Nationen» genannt (Lk 21,24), während der Jerusalem zertreten wird. Wohl hat es in diesem Zeitraum durch den Erlass des Perserkönigs Kores eine teilweise Rückkehr der Juden aus dem Exil gegeben. Dieser Überrest hat den Tempel wieder aufgebaut, und der Herr Jesus wurde im Land der Väter geboren. Doch wurde Israel aufs Neue zerstreut, als Titus im Jahr 70 Jerusalem einnahm. Seither, während all dieser Jahrhunderte, haben die Juden ihre Freiheit nie mehr erlangt, sie blieben bis vor kurzem den Nationen unterworfen.

Dritte Epoche

Eine dritte prophetische Periode wird anbrechen, wenn der Herr Jesus in Herrlichkeit vom Himmel erscheint, um sein Reich aufzurichten. Alle Gewalt wird Ihm übergeben sein, Israel wird aufs Neue Sitz und Mittelpunkt der Regierung Gottes auf der Erde sein. Aber ehe das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens aufgerichtet werden kann, wird der Zorn Gottes über die kommen, «die auf der Erde wohnen», denn sie haben den Messias verworfen und dem Evangelium nicht gehorcht.

Keine Segnung wäre mehr möglich gewesen ohne das Kreuz, das der Mittelpunkt der prophetischen Geschichte und der Geschichte der Welt ist: «Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?» (Lk 24,26). Das Blut des neuen Bundes ist für viele zur Vergebung der Sünden vergossen worden: für uns Christen, aber auch für die Gläubigen aller Zeiten, besonders für die, die sich beim Anbruch des Reiches von Herzen dem Herrn Jesus unterwerfen werden.

Diese grosse Wahrheit, dass der Messias leiden müsse, dass Er weggetan und nichts haben werde» (Dan 9,26), war für die Propheten, die von den Leiden, die auf Christus kommen sollten und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugten, ein Geheimnis (1. Pet 1,11-12). Die eindrückliche Unterredung auf dem Gang nach Emmaus hat den jetzigen Erlösten die Augen geöffnet für die doppelte Perspektive – Leiden und Herrlichkeiten – die sich durch die ganze Schrift zieht.

Der Prophet Hesekiel

Die ersten Verse seines Buches geben uns einige Auskunft über die Persönlichkeit des Propheten. Er war Priester wie Jeremia, aber als Gefangener in Chaldäa konnte er sein Amt nicht ausüben. Er wohnte in einem Haus (Hes 8,1), das ihm vermutlich nahe beim Fluss Kebar gegeben worden war. Er war verheiratet, aber im Lauf seines Dienstes starb seine Frau plötzlich (Hes 24,18).

Die Stämme Juda und Benjamin sind nicht in einem Mal in die Gefangenschaft geführt worden. Es gab um das Jahr 606 eine erste Wegführung unter dem König Jojakim, die Geräte des Tempels wurden nach Babylon gebracht (2. Chr 36,7 und Dan 1,1-2). Dieses Ereignis kennzeichnet den Anfang der siebzigjährigen Gefangenschaft, von der Jeremia spricht (Jer 25,11). Bei dieser Gelegenheit wurde Daniel nach Babylon weggeführt.

Eine zweite Wegführung fand ungefähr um das Jahr 600 unter Jojakim statt (2. Chr 36,10). Damals wurde Hesekiel nach Chaldäa gefangen weggeführt.

Endlich wurde am Ende der Regierung Zedekias, nachdem die Stadt und der Tempel zerstört worden waren, alles Wertvolle fortgeführt, das in Israel verblieben war (2. Chr 36,18-20). Wenige Monate nachher begleitete Jeremia einige Überlebende seines Volkes, die er nicht verlassen wollte, nach Ägypten, wo sich ihre Spur verloren hat (Jer 43).

Unser Prophet beginnt seinen Dienst fünf Jahre nach der Wegführung Jojakins (Hes 1,2). Alle seine Prophezeiungen sind von da an bis zum 27. Jahr dieser Wegführung (Hes 29,17) datiert. Während ungefähr 23 Jahren hat er in fremdem Land prophezeit, als Gefangener, wie es zu jenem Zeitpunkt auch Daniel war und wie es später Johannes in der Verbannung nach Patmos wurde.

Ist es nicht überraschend, dass der Herr diesen drei Männern in der Leidenszeit fern von ihrem Land und ihren Angehörigen die Zukunft offenbart? Hesekiel hebt ein Wort hervor, das durch die Jahrhunderte hindurch für viele einsame Gläubige zum Trost war. «Obgleich ich sie unter die Nationen entfernt, und obgleich ich sie in die Länder zerstreut habe, so bin ich ihnen doch ein wenig zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie gekommen sind» (Hes 11,16). Unser ganzes Begehren sollte dahin gerichtet sein, uns am ersten Tag der Woche dorthin zu begeben, wo sich die Kinder Gottes im Namen des Herrn Jesu versammeln. Aber der Herr kann auch verschiedene Umstände erlauben, die einsame Sonntage herbeiführen: Krankheit, Reisen, besondere Ereignisse, Militärdienst, selbst Verfolgungen (wie viele Gläubige sind heute in den Gefängnissen!), wo es unmöglich ist, sich mit den Geschwistern zusammenzufinden. Was ist dann zu tun? – Johannes, fern von den Zusammenkünften, «war am Tag des Herrn im Geist», seine Gedanken konzentrierten sich auf göttliche Dinge und auf die Person des Herrn Jesus. Wie Daniel und Hesekiel fand er in der Verbannung «ein kleines Heiligtum», wo sich seine Seele in seinem Gott erfreuen konnte. Und weil er mit Ihm beschäftigt war, hat der Herr mit ihm gesprochen.