Die Augen Gottes sind mit Liebe und Wohlgefallen auf seine Kinder gerichtet. Er sieht uns «in Christus». Das will aber nicht heissen, dass Er es bei uns nun nicht mehr so genau nimmt mit der Sünde – durchaus nicht. «Das Angesicht des Herrn ist gegen die, die Böses tun», auch wenn es Gläubige sind.
Psalm 32 wird oft zur Verkündigung des Evangeliums gebraucht, und sicher ist er für die Unbekehrten voll Belehrung und Unterweisung. Aber dennoch gilt dieser Psalm in erster Linie den Gläubigen. David war, lange bevor er dieses Lied dichtete, ein Gläubiger. Aber er hatte gesündigt und war abgewichen, und erst, nachdem er mit aufrichtiger Reue und wahrem Schuldbekenntnis zu Gott zurückgekehrt war, kam das herrliche Wort des Herrn zu ihm: «Mein Auge auf dich richtend …» Gott, dessen Auge zu rein ist, als dass es das Böse übersehen könnte, kann keine Gemeinschaft mit der Sünde haben.
Gläubige, die in Sünde fallen, ja sogar in der Sünde leben, sind geneigt, sich ohne wahre Demütigung auf Gottes herrliche Zusagen und Verheissungen zu berufen. Aber das Angesicht Gottes ist gegen sie, bis zwischen Ihm und ihnen alles in Ordnung gekommen ist. Ja, auch mit den Menschen, gegenüber denen sie sich versündigt haben, müssen sie ins Reine kommen. Es ist ein Erkennen des Bösen, ein Verurteilen von sich selbst und ein offenes Bekenntnis notwendig, und dann wird Gott in Gnade die Seele wiederherstellen. Wenn zwischen Gott und der Seele alles weggeräumt ist, hat das Wort «Mein Auge auf dich richtend» wieder einen so lieblichen Klang.
Ein Bruder war sehr krank und sollte operiert werden. Am Tag vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus besuchte ihn ein Freund und fragte ihn: «Wie geht es? Hast du nicht ein bisschen Angst?» – «Ja», sagte der Kranke, «mir war richtig bange, und ich war unruhig, aber ein Bruder wies mich auf den Herrn hin und sagte: ‹Sieh nur auf den Herrn Jesus, dann geht alles gut!› Das tue ich nun und bin ruhig und ergeben.» – Der andere antwortete: «Ich weiss noch etwas Besseres!» – «Noch besser? das ist doch unmöglich! Was gibt es Besseres, als auf den Herrn zu schauen?» – «Das schon», entgegnete unser Bruder, «aber wenn du morgen auf dem Operationstisch liegst und eine Narkose bekommst, dann wirst du betäubt. Kannst du dann noch auf den Herrn Jesus sehen?» –»Nein, daran habe ich nicht gedacht!», rief der Kranke aus. – «Nun, wenn du dann nicht mehr denken kannst und ausser Bewusstsein bist, dann ist Psalm 32,8 immer noch wahr: ‹Mein Auge auf dich richtend … ›» – «Oh», rief der kranke Bruder aus, «das ist noch besser!» Am folgenden Tag lag er im Operationssaal und sah mit grossen deutlichen Buchstaben an die Wand gemalt: «Mein Auge auf dich richtend!» Diese wenigen Worte waren ihm zum reichen Trost und zur Ermunterung.
In Psalm 33,18-19 finden wir einen ähnlichen Ausspruch: «Siehe, das Auge des HERRN ist gerichtet auf die, die ihn fürchten, auf die, die auf seine Güte harren, um ihre Seele vom Tod zu erretten und sie am Leben zu erhalten in Hungersnot.» Er wacht über ihnen, Er beschirmt und beschützt sie, Er schläft und schlummert nicht und hält sein Auge auf die gerichtet, die Ihn fürchten. Es ist bemerkenswert, dass hier nicht steht: auf die Gläubigen, sondern «auf die, die ihn fürchten». Das sind solche, die in Aufrichtigkeit, in wahrer Gottesfurcht, in Ehrerbietung und tiefer Unterwürfigkeit vor seinem Angesicht wandeln. Das Auge des Herrn wacht über ihnen. In Verfolgungen, Mühsalen und Kämpfen, Sorgen und Kummer, in Zeiten der Krankheit und Not, ja selbst in der Stunde des Todes, ist «das Auge des HERRN gerichtet auf die, die ihn fürchten».
Ein alter Bruder machte mit einem jungen Freund Hausbesuche. Sie kamen zu einer jungen Schwester, die ein Jahr verheiratet war. Alles sah sehr nett aus im Haus. Es war noch so neu. Sie mussten alles anschauen. Die Möbel wurden ihnen von aussen und innen gezeigt. Aber sie hatte noch etwas anderes, und das mussten die beiden Brüder vor allem anschauen; denn dies hatte einen viel grösseren Wert als alles andere: In der Wiege lag ein kleiner Knabe, der etwa vier Wochen alt war. Sie nahm ihn auf in ihre Arme. Was für ein Glück! Der alte Bruder sagte zu seinem Gefährten: «Nun sehen wir alle drei auf dasselbe Kindlein, aber die Mutter schaut es ganz anders an als wir.» Die Mutter lachte vor Freude. Der Bruder fuhr fort: «So, wie sie ihn sieht, kann ihn keiner von uns beiden anschauen, wenn wir es auch wollten. Es wäre nicht echt, sondern nur Nachahmung.» Dann sagte er zur jungen Mutter: «Gott sieht auch nach Ihnen, und zwar nicht so, wie wir es tun. Aber so, wie Sie Ihr Kindlein betrachten, so sieht Gott auf Sie. Ja, mit viel grösserer Sorge und Liebe betrachtet Er Sie und alle seine Kinder.» Dann fragte unser Bruder die junge Frau: «Sie tun doch alles für Ihr und an Ihrem Kindlein, oder nicht?» – «Oh, natürlich!» – «Aber etwas haben Sie bis jetzt noch nicht getan: Haben Sie die Haare Ihres lieben Kleinen schon gezählt?» – Nein, das hatte sie nicht getan, und konnte es auch nicht tun. «Aber die Haare Ihres Hauptes sind alle gezählt.» «Euer Vater weiss, was ihr nötig habt.» – «Wie ein Vater sich über die Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten» (Mt 6,8; Ps 103,13).
Von den Augen des Herrn lesen wir noch in Psalm 34,16: «Die Augen des HERRN sind auf die Gerechten gerichtet und seine Ohren auf ihr Schreien.» Der Apostel Petrus dachte an diese Worte, als er in 1. Petrus 3,12 schrieb: «Die Augen des Herrn sind gerichtet auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Flehen; das Angesicht des Herrn aber ist gegen die, die Böses tun.»
Lasst uns viel an die Augen des Herrn denken. Dann werden wir sicher vieles lassen, und andere Dinge werden wir dann tun. Wenn wir daran denken, dass Er unser Herz ansieht, dann werden wir nicht zuallererst fragen: «Was werden die Menschen dazu sagen?», sondern: «Was sind die Gedanken des Herrn über unser Tun?» Dann werden wir im Licht seines Angesichts wandeln. Es wird uns dann grosse Freude sein, zu wissen, dass sein Auge uns jederzeit sieht. «Denn die Augen des HERRN durchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist» (2. Chr 16,9).
Es muss so sein, dass der Gedanke an die Augen des Herrn mich nicht unruhig macht, sondern mein Herz mit grosser Freude erfüllt.