Das Angesicht Gottes

Der allein wahre, ewige Gott bewohnt ein unzugängliches Licht. Keiner der Menschen hat Ihn gesehen, noch kann er Ihn je sehen (1. Tim 6,15.16). Doch Er offenbart sich uns Menschen, damit wir Ihn kennen und ehren können.

Im Alten Testament hat sich Gott durch sein Reden offenbart. Dabei sprach Er oft in Bildern von sich selbst, indem Er z.B. sein Angesicht, seinen Arm, seine Hand, seinen Finger erwähnte. Doch Er wollte nicht, dass wir uns ein sichtbares Abbild von Ihm machen, sondern Ihn, der ein Geist ist, fürchten, Ihm dienen und Ihn anbeten (Joh 4,24).

Im Neuen Testament hat sich Gott im Menschen Jesus Christus offenbart. Dieser konnte sagen: «Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.» Er war dieser Sohn, der Mensch geworden war. Deshalb konnte Er weiter sagen: «Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen» (Joh 1,18; 14,9). Das Angesicht Gottes ist der erhabenste Ausdruck dessen, was Gott ist: seine Person und seine Herrlichkeit (2. Mo 33,18).

Als Menschen pflegen wir durch Reden, Hören und Sehen Gemeinschaft miteinander. Es ist aber ein Unterschied, ob wir z.B. mit jemandem am Telefon sprechen, ohne ihn zu sehen, oder ob wir gemeinsam am Tisch sitzen und von «Angesicht zu Angesicht» miteinander reden. So redet Gott zu uns durch sein Wort und zeigt uns im Angesicht des Herrn Jesus, wer Er ist. Das ist ein Vorgeschmack vom Himmel.

1) Flucht vor dem Angesicht Gottes

Gottes Angesicht und Sünde vertragen sich nicht. Er ist zu rein von Augen, um Böses zu sehen. Sobald die ersten Menschen in Sünde gefallen waren, versteckten sie sich vor dem Angesicht Gottes des HERRN (1. Mo 3,8). Das tun die Menschen bis heute. Sie verhalten sich wie Kinder, die, wenn sie etwas angestellt haben, sich mit schlechtem Gewissen den Blicken der Eltern zu entziehen suchen. Als Kain seinen Bruder Abel erschlagen hatte und Gott ihn zur Rechenschaft zog, ging er, statt sein Tun zu bereuen, vom Angesicht des HERRN weg und wohnte im Land Nod, was Flucht bedeutet. Er hat Gott den Rücken gekehrt und ist vor Ihm geflohen. Viele sind ihm gefolgt. Sie sind den «Weg Kains» gegangen, den Weg der Flucht vor Gott (Jud 11).

Doch es gibt einige, die wie David erkannt haben, dass es letztlich keinen Sinn hat, vor Gottes Angesicht zu fliehen, dass es vielmehr das Beste ist, in seiner Gegenwart zu sein (Ps 139,7-12). Auch der Prophet Jona gehört zu denen, die versucht haben, vor dem Angesicht Gottes zu fliehen, aber zur Einsicht und Umkehr gekommen sind (Jona 1,3; 2,3).

2) Sucht das Angesicht Gottes!

Gott ruft uns zu: «Sucht mein Angesicht!» Geben wir die gleiche Antwort wie David? «Dein Angesicht, HERR, suche ich» (Ps 27,8). Er hat das Angesicht Gottes in einer Zeit der Not gesucht, und Er hat ihm geantwortet (2. Sam 21,1). An einem Freudentag, als David die Lade Gottes nach Jerusalem brachte, forderte er die anderen auf: «Trachtet nach dem HERRN und seiner Stärke, sucht sein Angesicht beständig! – Kommt vor sein Angesicht; betet den HERRN an in heiliger Pracht» (1. Chr 16,11.29).

David hat die Gemeinschaft mit Gottes Angesicht gefunden. In vielen Psalmversen bezeugt er, wie lohnend es ist, sich mit dem Angesicht des HERRN zu beschäftigen. «Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar» (Ps 16,11). Dieser Psalm weist auf den Herrn Jesus als Mensch hin. Sein Lebensweg war so schwer wie kein Weg eines Menschen es je war. Aber Er lebte bewusst vor dem Angesicht Gottes. Deshalb konnte Er trotz widriger Umstände über Fülle von Freuden reden.

Wer das Angesicht Gottes schaut, wird gesättigt werden (Ps 17,15). Eine Seele, die in der Gemeinschaft mit Gott gesättigt ist, begehrt neben seinem Angesicht nichts mehr, wie im Gesetz steht: «Du sollst keine anderen Götter haben neben mir» (eig.: «zu meinem Angesicht hinzu» (2. Mo 20,3).

David frohlockte vor dem Angesicht Gottes wegen der Rettung, die von Ihm ausgeht (Ps 68,4.20). Er fand vor Gottes Angesicht Güte und Wahrheit, um darin zu wandeln (Ps 89,15.16). Gott ist Liebe, und Gott ist Licht. Das äussert sich in Güte und Wahrheit. Es ist die Güte Gottes, die den Menschen zuerst zur Buße leitet (Röm 2,4). Er will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Tim 2,4). Das führt zu einem Wandel im Licht seines Angesichts, wo man nichts zu verbergen hat, sondern sich der Gemeinschaft mit Gott erfreut.

«Kommt vor Gottes Angesicht mit Jubel» (Ps 100,2). Die Erkenntnis Gottes ist es, die unsere Herzen erfüllt und unseren Mund überströmen lässt.

3) Wandeln, bleiben und wohnen vor Gottes Angesicht

Verschiedene Männer Gottes berichten uns von ihrer Erfahrung, die sie vor Gottes Angesicht gemacht haben:

Gott, der Allmächtige, sprach zu Abraham: «Wandle vor meinem Angesicht und sei vollkommen» (1. Mo 17,1). Mit Gott wandeln bedeutet, seinen Lebensweg vor Gott einzurichten und mit Ihm zu gehen. Abraham nahm die richtige Haltung ein, um seinen Weg mit Gott zu gehen: Er fiel auf sein Angesicht.

Einem Jakob begegnete Gott in der Nacht in Pniel. Pniel bedeutet Angesicht Gottes: «Denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen» (1. Mo 32,3l). Diese Begegnung hat für uns eine geistliche Bedeutung. Sie zeigt, wie wir vor Gott mit unserem Ich zu Ende kommen müssen, um in Neuheit des Lebens zu wandeln (Röm 6,4). Aus Jakob, dem Überlister, wurde Israel, der Kämpfer Gottes.

Mose durfte erfahren, dass Gottes Angesicht mit seinem Volk ging (2. Mo 33,14). Welch einer Zuversicht dürfen wir uns erfreuen, weil wir wissen, dass sein Angesicht auch mit uns geht! Wenn eine Mutter ihr Kind zur Schule begleitet, geht sie vielleicht bis zur gefährlichsten Strassenkreuzung mit. Dann muss das Kind den Weg selbst gehen. Doch das Angesicht der Mutter geht noch mit dem Kind, so weit ihr Auge reicht. Gottes Angesicht geht immer mit seinem Volk. Als besonderen Beweis der Gnade Gottes durfte Mose Ihn aus der Felsenkluft von hinten sehen. Kein Mensch kann Gott sehen und leben. Deshalb hielt Er seine Hand über Mose, bis Er in seiner Herrlichkeit vorübergegangen war (2. Mo 33,17-23).

In Jotham finden wir das nachahmenswerte Beispiel eines Königs, der seine Wege vor dem Angesicht Gottes einrichtete und dadurch erstarkte (2. Chr 27,6). Jotham folgte nicht auf dem eigenwilligen und anmassenden Weg seines Vaters Ussija, sondern entschied sich, seinen Weg nach dem Wort Gottes auszurichten.

Hiskia konnte beten, dass er mit ungeteiltem Herzen vor Gottes Angesicht gewandelt sei (Jes 38,3). Wer mit Gott wandelt, legt seinen Weg vor Gott offen, sucht seinen Rat und seine Hilfe.

Der Prophet Elia, der nur ein Beisasse Gileads war, konnte zum gottlosen König Ahab sagen: «So wahr der HERR lebt, der Gott Israels, vor dessen Angesicht ich stehe» (1. Kön 17,1). In einer Zeit des Verfalls stand er als Zeuge für Gott vor den Menschen oft allein da. Aber in seinem Herzen stand er bewusst vor Gottes Angesicht. Dieser vertraute Umgang mit dem HERRN gab ihm diese Standfestigkeit und Glaubensüberzeugung im Gebet (Jak 5,17.18).

Die Söhne Korahs wünschten sich nichts lieber, als vor dem Angesicht Gottes erscheinen zu dürfen. Ein Tag in seiner Gegenwart war für sie besser als 1000 Tage bei den Gottlosen (Ps 84,11). Das hatten sie bewiesen, indem sie sich auf die Seite Gottes stellten und sich von ihrem empörerischen Vater abwandten. Als Folge dieser schmerzlichen Erfahrung durften sie erleben, was es heisst: «Ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige» (2. Kor 6,18).

David, aus schwierigen Umständen gerettet, begehrte vor dem Angesicht Gottes zu wandeln. Er wollte auch dort bleiben, ja, für immer dort wohnen (Ps 56,14; 61,8; 140,14). Die Folgen eines eigenen Weges liessen ihn schmerzlich fühlen, was es heisst, die Gegenwart des Angesichts des HERRN für eine Weile nicht mehr geniessen zu können. Das wollte er auf keinen Fall mehr erleben.

Vom Angesicht Gottes, geht für den Gläubigen Segen aus: «Der HERR segne dich und behüte dich! Der HERR lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig! Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!» (4. Mo 6,24-26).

4) Verlust der Gemeinschaft mit Gottes Angesicht

Sünde in unserem Leben trübt die Gemeinschaft mit Gott. Ein aufrichtiges Bekenntnis stellt sie wieder her. Im Bewusstsein dieser Tatsache fragte David: «Bis wann willst du dein Angesicht vor mir verbergen?» Er betete: «Verwirf mich nicht von deinem Angesicht» (Ps 13,2; 51,13).

Der treue jüdische Überrest wird erfahren, dass Gott in seinem Zorn einen kleinen Augenblick sein Angesicht vor ihm verbirgt, um ihn nachher mit grossem Erbarmen und mit ewiger Güte zu sammeln (Jes 54,6-8). Die Ungerechtigkeiten und Sünden sind die Ursache, dass Gott sein Angesicht vor ihm verhüllt hat (Jes 59,2). Der Prophet Jeremia fordert ihn auf: «Schütte dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht des Herrn; hebe deine Hände zu ihm empor» (Klgl 2,19). Wenn diese treuen Juden zu Gott umgekehrt sind, wird Er ihre Übertretungen wie einen Nebel tilgen (Jes 44,22).

Als leidender Messias bittet der Herr Jesus seinen Gott: «Verbirg dein Angesicht nicht vor mir am Tag meiner Bedrängnis!» und fragt: «Warum, HERR, verwirfst du meine Seele, verbirgst dein Angesicht vor mir?» (Ps 102,3; 143,7; 88,15). Der Prophet Jesaja gibt die Antwort: «Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen. Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm» (Jes 53,5). Wie muss dieses Verlassensein von Gott Ihn, der den HERRN stets vor sich gestellt hatte, geschmerzt haben! (Ps 16,8).

5) Wenn Gott sein Angesicht wegwendet

In seiner Liebe hat Gott sich Israel aus den Völkern zum Eigentumsvolk erwählt. Doch Israel hat dies nicht geschätzt und sich von seinem Gott zu Götzendienst, Wahrsagerei, Totenbeschwörung und Zauberei abgewendet. So blieb Gott nichts anderes übrig, als sie vor seinem Angesicht wegzutun, ja sogar von seinem Angesicht wegzuwerfen (2. Kön 17,7-23). Die Schrift braucht starke Ausdrücke, um uns dies mitzuteilen: «Treib sie von meinem Angesicht weg» (Jer 15,1). Sie mussten das Schelten seines Angesichts erfahren. Er hat sie verstossen und zerstreut und musste sein Angesicht von ihnen abwenden (Ps 80,17; Jer 23,39; Klgl 4,16; Hes 7,22). Dieses Fern-sein von seinem Angesicht wird mit den Wehen einer schwangeren Frau, die dem Gebären nahe ist, verglichen (Jes 26,17). Und doch wird ein kleiner Überrest umkehren und gerettet werden.

Für alle aber, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen, gilt das Wort aus 2. Thessalonicher 1,9: «Die Strafe erleiden werden, ewiges Verderben vom Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seiner Stärke.» Vor dem Angesicht Dessen, der einmal auf dem grossen weissen Thron sitzen wird, werden die Erde und der Himmel entfliehen, und keine Stätte wird für diese Menschen gefunden werden (Off 20,11). Dass der Schöpfer-Gott sich einmal von seinen ungläubigen Geschöpfen wegwenden muss, ist die schrecklichste Strafe, die man sich vorstellen kann.

6) Das Angesicht des Herrn Jesus als Mensch

Noch währt der Tag der Gnade. Wir dürfen das Angesicht des Herrn Jesus betrachten, wie Er sich als Mensch offenbart hat. Schon Jesaja redete von Ihm und sagte: «Darum machte ich mein Angesicht wie einen Kieselstein» (Jes 50,7). Wunderbare Entschiedenheit unseres Heilands, den Weg nach Gottes Willen zu gehen! Er liess sich von niemandem und nichts zurückhalten, selbst vor Schmach und Speichel verbarg Er sich nicht (Jes 50,6). So finden wir Ihn in seinen Erdentagen, wie Er sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen (Lk 9,51).

Wer hat Ihn erkannt? – «Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt; er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet» (Jes 53,3). Menschen entsetzten sich über Ihn, weil sein Aussehen mehr entstellt war als irgendeines Mannes (Jes 52,14).

Auf dem Berg der Verklärung wurde Er für einen Augenblick vor den Jüngern verwandelt. Da leuchtete sein Angesicht wie die Sonne (Mt 17,2). Das war eine Offenbarung der Herrlichkeit, die der Vater Ihm geben würde, nachdem Er seinen Ausgang in Jerusalem erfüllt haben würde (Lk 9,31).

In Gethsemane fiel Er auf sein Angesicht und betete (Mt 26,39). Welch eine Haltung der Unterwerfung und des Gehorsams seinem Gott und Vater gegenüber!

Vor dem Synedrium wurde offenbar, was die Hohen des Volkes für den Messias übrig hatten: «Dann spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten; einige aber schlugen ihm ins Angesicht und sprachen: Weissage uns, Christus, wer ist es, der dich schlug?» (Mt 26,67.68). «Einige fingen an, ihn anzuspeien und sein Angesicht zu verhüllen und ihn mit Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: Weissage! Und die Diener schlugen ihm ins Angesicht» (Mk 14,65).

In seinem Angesicht sehen wir Entschiedenheit und stilles Dulden, um den Willen des Vaters zu vollbringen. Zuletzt hat Er sein Haupt geneigt und seinen Geist Gott übergeben.

7) Die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi

«Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi» (2. Kor 4,6). Das ist das herrliche Teil, das Gott uns zugedacht hat. Diese Herrlichkeit Gottes ist wie ein helles Licht, das jetzt in unsere Herzen leuchtet. Jeder, der das im Glauben erfasst, darf sich am Angesicht Christi, des verherrlichten Herrn, erfreuen. Das wird nicht ohne Auswirkung auf unser Aussehen sein. «Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist» (2. Kor 3,18).

Wenn wir das Wort lesen und darüber nachdenken, schauen wir etwas vom Herrn Jesus, wie Er als Mensch hier gelebt hat und wie Er jetzt als verherrlichter Mensch im Himmel sitzt, wo Er eingegangen ist, um für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen (Heb 9,24). Der Geist ist es, der in uns wirkt, dass wir uns am Angesicht des Herrn freuen und in sein Bild verwandelt werden. Wenn wir einmal im Haus des Vaters sind, werden wir dort sein, wo auch Er ist, und wir werden Ihn sehen, wie Er ist (Joh 14,3; 1. Joh 3,2).