Wenn Gott in seinem Wort von seinen Augen spricht, reagieren die Menschen auf zweierlei Weise. Weil Er alles sieht und prüft, ist dies für die einen unangenehm, und sie verbergen sich vor Ihm oder ignorieren Ihn. Die anderen, die mit Ihm im Reinen sind, freuen sich über die Leitung und Bewahrung, die sie durch seine Augen erfahren.
Gott redet zu uns in einer bildlichen Sprache, die wir als begrenzte Geschöpfe verstehen und nachvollziehen können. Wir gebrauchen unsere Augen nicht nur, um zu sehen und wahrzunehmen, sondern auch um zu prüfen, zu messen und zu beurteilen. Die Belehrung über Gottes Augen soll uns zur Gottesfurcht und zu einem Verhalten leiten, das nicht in unseren, sondern in seinen Augen gut ist. Das Ziel ist die Pflege der Gemeinschaft mit Gott, unserem Vater, d.h. Ihn sozusagen von «Auge zu Auge» zu sehen (4. Mo 14,14).
1) Gott sieht, erforscht und kennt
In 1. Mose 1 heisst es siebenmal: «Gott sah», und zwar nach jedem Schöpfungsakt Gottes. Seine Feststellung war: «Und siehe, es war sehr gut» (1. Mo 1,31).
Nach dem Sündenfall sah Gott etwas ganz anderes: «Und der HERR sah, dass die Bosheit der Menschen gross war auf der Erde, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag» (1. Mo 6,5). Das war kein Pauschalurteil. Er hatte hernieder geschaut und festgestellt: Es gab keinen Verständigen, keinen, der Ihn suchte, auch nicht einen (Ps 14,2.3). Beim Turmbau zu Babel fuhr Gott sogar herab, um vor Ort zu sehen, was die Menschen taten.
Doch das Sehen Gottes geht tiefer, als was wir mit unseren natürlichen Augen sehen. David sagte in Psalm 139: «HERR, du hast mich erforscht und erkannt! Du kennst mein Sitzen und mein Aufstehen, du verstehst meine Gedanken von fern. Du sichtest (siebst, prüfst, misst ab) mein Wandeln und mein Liegen, und bist vertraut mit allen meinen Wegen» (V. 1-3).
Das bezeugt auch der Geist Gottes im Neuen Testament: «Kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben» (Heb 4,13). Diese Allwissenheit Gottes ist für den Menschen nur solange beunruhigend, wie er vor Gott etwas zu verbergen hat. Wer die Vergebung seiner Sünden kennt und erkennt, dass Gott Gedanken des Friedens für ihn hat, liebt diese Augen.
2) Einzelne Menschen finden Gnade in den Augen Gottes
Nachdem der Mensch sich als völlig böse und Gott feindlich erwiesen hatte, blieb Gott kein anderer Weg übrig, als durch die Sintflut Gericht über die Menschen zu bringen. Er ist «zu rein von Augen, um Böses zu sehen» (Hab 1,13).
Doch Noah war eine Ausnahme. Von ihm heisst es: «Noah aber fand Gnade in den Augen des HERRN.» Waren Noah und seine Familie besser als seine Mitmenschen? Noah war zwar gerecht und vollkommen und wandelte mit Gott. Doch er war fehlbar wie alle Menschen, was sein Verhalten nach der Flut zeigt. Er fand Gnade, weil er bereit war, das von Gott vorgesehene Rettungsmittel, die Arche, zu bauen und zu benutzen (1. Mo 6,6.8.22).
Ebenso fand Abraham Gnade in den Augen Gottes. Er lebte in Ur unter den Götzendienern, aber durch Glauben zog er aus in das Land der Verheissung, um darin zu weilen und von Gott gesegnet zu werden (1. Mo 12,1.2; Heb 11,8). Gott belohnte seinen Glauben und kehrte als Gast bei ihm ein. Das stärkte seine Glaubensgewissheit, und er erkühnte sich, vor dem HERRN im Gebet für die Gerechten in Sodom einzustehen (1. Mo 18,3.22.23).
Auch Mose hatte Gnade in den Augen Gottes gefunden. Er war bereit, den Weg Gottes zu gehen. Er bat den HERRN, ihm und dem Volk den Weg zu zeigen und ihn auch mitzugehen. Die Erhörung dieser Bitte war für Mose die Bestätigung dafür, dass er in den Augen Gottes Gnade gefunden hatte (2. Mo 33,12-17).
Warum fand David als Glaubender Gnade in den Augen Gottes? Er musste die Erziehung Gottes erfahren. Diese liess ihn vor seinem eigenen Sohn Absalom fliehen. Weil er sich vor dem HERRN demütigte, brachte Dieser ihn wieder nach Jerusalem zurück, an den Ort, wo Gott wohnte (2. Sam 15,25.26).
Gott konnte diesen Glaubenden Gnade erweisen, weil es Opfer für sie gab, die Gott in Bezug auf die Sünde beruhigten (z.B. 1. Mose 8,20.21). Diese Opfer wiesen auf das eine Opfer des Herrn Jesus hin und haben in Ihm ihre Erfüllung gefunden.
3) Gottes Augen messen, prüfen, beurteilen
Mit den Augen sehen wir nicht nur, wir gebrauchen sie auch zum Messen, Prüfen und Beurteilen. Um zu messen braucht ein Facharbeiter auch im Zeitalter der Elektronik nicht nur ein Messgerät, sondern auch seine Augen, um ein Mass abzulesen oder zu vergleichen. Wir messen aber nicht nur Gegenstände aus, sondern im übertragenen Sinn auch moralische und geistliche Werte.
Paulus betete, dass wir an den Augen unserer Herzen erleuchtet werden (Eph 1,18). Von Natur aus haben wir die Neigung, alles nach unseren Augen zu messen. Salomo sagt im Buch der Sprüche: «Jeder Weg eines Mannes ist gerade in seinen Augen, aber der HERR wägt die Herzen» (Spr 21,2). Merken wir, wie sehr unser «Augenmass» von dem des Herrn abweichen kann? Deshalb ist es für die richtige Beurteilung einer Sache wichtig, dass wir lernen, alles aus der Sicht Gottes zu sehen. Das musste Samuel bei der Salbung Davids zum König lernen. Gott sagte zu ihm: «Der Mensch sieht auf das Äussere, aber der HERR sieht auf das Herz» (1. Sam 16,7).
Einige Beispiele mögen uns helfen, unser Denken und Beurteilen zu korrigieren:
Die Beurteilung der Zeit fällt je nach Sichtweise ganz unterschiedlich aus. Als Jakob sieben Jahre um Rahel diente, waren sie in seinen Augen wie einzelne Tage, weil er Rahel liebte (1. Mo 29,20).
Wenn Mose im Bewusstsein seiner Vergänglichkeit von Gott spricht, der von Ewigkeit zu Ewigkeit ist, sagt er: «Tausend Jahre sind in deinen Augen wie der gestrige Tag, wenn er vergangen ist, und wie eine Wache in der Nacht.» «Die Tage unserer Jahre – es sind 70 Jahre und, wenn in Kraft, 80 Jahre, und ihr Stolz ist Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell eilt es vorüber, und wir fliegen dahin» (Ps 90,4.10). Diese Tatsache sollte uns dazu führen, unsere Tage zu zählen, um ein weises Herz zu erlangen. Möge unsere Bitte sein: Befestige das Werk unserer Hände, damit aus unserem Leben etwas mit Ewigkeitswert bleibt.
Petrus führt die Stelle aus Psalm 90,4 an, um zu zeigen, dass der Herr die Verheissung seiner Ankunft nur scheinbar verzögert. In Wirklichkeit ist Er langmütig und will nicht, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen (2. Pet 3,8.9).
Was gut und böse ist, kann nur Gott beurteilen. Er forderte sein Volk auf, zu tun, was recht und gut ist in seinen Augen (5. Mo 6,18). Doch sie taten, was böse war in den Augen des HERRN, um Ihn zu reizen (5. Mo 9,18).
Im Buch der Richter beurteilt Gott das Verhalten seines Volkes mit den Worten: «Die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN» (Ri 2,11). Dieser Satz folgt wie ein Kehrreim von Generation zu Generation. Am Schluss des Buches heisst es aus menschlicher Sicht: «Jeder tat, was recht war in seinen Augen» (Ri 21,25). Was Menschen als «recht» beurteilen, ist in den Augen Gottes oft böse.
Die Geschichte der Könige von Juda und besonders die der Könige von Israel ist von dem ständig wiederholten Satz gekennzeichnet: Der König tat, was böse war in den Augen des HERRN. Das ging so weit, dass der Prophet Jesaja ihnen sagen musste: «Wehe denen, die das Böse gut nennen, und das Gute böse» (Jes 5,20). Das ist eine Umkehrung der Werte, wie wir sie auch heute erleben.
David dagegen sah seine Sünde ein und bekannte: «Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was böse ist in deinen Augen; damit du gerechtfertigt wirst, wenn du redest, für rein befunden, wenn du richtest» (Ps 51,6).
Auch Josia ist ein nachahmenswertes Beispiel: «Er tat, was recht war in den Augen des HERRN; und er wandelte auf den Wegen seines Vaters David und wich weder zur Rechten noch zur Linken ab» (2. Chr 34,2).
Eine richtige Einschätzung von «klein und gross» ist für unser praktisches Glaubensleben wesentlich. Beim Auskundschaften des Landes Kanaan sahen die ausgesandten Männer aus Israel die Riesen und fanden sich in ihren Augen klein wie Heuschrecken (4. Mo 13,33). Daraufhin verbreiteten sie ein böses Gerücht über das gute Land, was zu Murren und Ungehorsam des Volkes führte. Wegen ihres Unglaubens musste Israel weitere 38 Jahre in der Wüste umherirren.
Das heisst nun nicht, dass wir den Feind unterschätzen, sondern ihm im Vertrauen auf Gottes Wort entgegentreten sollten. Der Herr wird uns den Sieg geben. Als die Israeliten dann zur Zeit Josuas das Land einnahmen, machten sie bei der grossen Stadt Jericho die Erfahrung, wie der HERR ihnen durch Gehorsam den Sieg gab. Bei der kleinen Stadt Ai dagegen, die sie mit links einnehmen wollten, erlebten sie eine traurige Niederlage.
Als Saul noch klein war in seinen Augen, erwählte ihn der HERR zum König. Wegen seines eigenwilligen Verhaltens verwarf Er ihn später (1. Sam 15,17.23). David dagegen wünschte noch geringer zu werden und niedrig zu bleiben in seinen Augen (2. Sam 6,22).
Wenn es um die Frage des Sich-Versammelns und um das Haus Gottes geht, sollen wir nicht tun, was recht ist in unseren Augen, sondern den Ort aufsuchen, wo der HERR seinen Namen wohnen lässt (5. Mo 12,4.5.8).
Der Prophet Sacharja hielt das Senkblei an das Haus Gottes. Es sind die Augen des HERRN, die sein Haus prüfen und beurteilen (Sach 4,8-10). Einerseits ist es für uns ermunternd zu wissen, dass die Augen des Herrn die ganze Erde durchlaufen, um solche zu finden, die sich in seinem Namen versammeln. Anderseits ist es für jeden Diener, der die Auferbauung der Versammlung am Herzen hat, ein Ansporn, darauf zu achten, wie er baut (1. Kor 3,10).
Wenn der Herr von der Wertschätzung der Seinen spricht, merken wir, dass sie einen ganz besonderen Wert in seinen Augen haben. Im Propheten Jesaja sagt der HERR vom Überrest, der zu Ihm umkehrt: «Weil du teuer, wertvoll bist in meinen Augen und ich dich lieb habe, so werde ich Menschen hingeben an deiner statt und Völkerschaften anstatt deines Lebens. Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir» (Jes 43,4.5).
4) Gottes Augen leiten, geben Acht, bewahren
Sein Auge sieht jeden Menschen. Er achtet aber besonders auf die Seinen. Das Volk Israel hatte die Zusage von Gott, dass seine Augen beständig auf ihr Land gerichtet sein würden. Er würde achthaben darauf, und zwar vom Anfang des Jahres bis zum Ende des Jahres (5. Mo 11,12).
Für jeden Glaubenden gilt: «Die Augen des HERRN sind auf die Gerechten gerichtet, und seine Ohren auf ihr Schreien» (Ps 34,16). Es ist ein Vorrecht für jeden Gottesfürchtigen, dass er sein Leben bewusst unter Gottes Augen führen darf, weil diese Augen auf ihn gerichtet sind, um zu leiten, achtzugeben und zu bewahren (Ps 33,18; 101,6).
Gott hat verschiedene Mittel, um uns zu leiten. Normalerweise unterweist Er uns durch sein Wort, damit wir wissen, welchen Weg wir gehen sollen. Zudem richtet Er sein Auge auf uns, um uns zu raten. Wenn wir aber uneinsichtig sind, muss Er uns durch Zaum und Zügel, d.h. durch Umstände oder Menschen, führen (Ps 32,8.9). Dann gleichen wir einem Pferd oder einem Maultier, die keinen Verstand haben. Ein Kind dagegen sieht oft schon den Augen des Vaters an, was er von ihm möchte, weil es seinen Vater kennt. Auch wenn wir Gott nicht mit unseren natürlichen Augen sehen können, offenbart Er uns doch durch das Wort Gottes sein väterliches Auge.
Ihm liegt viel daran, uns zu behüten und zu bewahren. Von Jakob heisst es, dass Gott auf ihn achtgab, ihn wie seinen Augapfel behütete. Diese Aussage macht deutlich, wie kostbar die Seinen für Ihn sind (5. Mo 32,10). Das war in der Vergangenheit wahr, als Er Jakob (den Überlister) sich zum Eigentumsvolk machte. Auch in der Zukunft wird das so sein, wenn Er sein irdisches Volk aus den Nationen, die es zerstreut und geplündert haben, sammeln wird. Er wird sie behüten wie seinen Augapfel (Sach 2,12). Das ist heute von jedem Kind Gottes wahr. Er macht sich so sehr eins mit uns, dass, wenn jemand uns verfolgt, der Herr zu ihm sagt: «Was verfolgst du mich?» (Apg 26,14).
Der Prophet Hanani erinnert uns daran, dass die Augen des HERRN die ganze Erde durchlaufen, um sich an denen mächtig zu erweisen, deren Herz ungeteilt auf Ihn gerichtet ist (2. Chr 16,9). Gott wird nicht müde, die Erde mit seinen Augen zu durchlaufen, um die zu finden, deren Herz auf Ihn gerichtet ist. Weiter findet sich in diesem Vers ein einfaches Rezept, wie wir mit Gott Kontakt haben können. Ein Herz, das auf Ihn gerichtet ist, findet den Blickkontakt zu Ihm und darf seine Bewahrung erfahren. Gott wird seine Augen nicht von einem solchen abwenden (Hiob 36,7).
Ein besonderes Augenmerk hat Gott auf sein Haus, d.h. auf den Ort, wo Er seinen Namen wohnen lässt. Salomo betete, dass Gottes Augen «Nacht und Tag offen seien über diesem Haus, über dem Ort, von dem Er gesagt hat: Mein Name soll dort sein!» (1. Kön 8,29). Seine Bitte wurde erhört. Gott sagte ihm zu, dass seine Augen und sein Herz allezeit dort sein sollten (1. Kön 9,3). Jenes Haus war auch ein Bethaus, über dem der HERR seine Augen offen hielt, um auf das Flehen seines Knechtes Salomo und auf das Flehen seines Volkes zu hören in allem, um was sie zu Ihm riefen (1. Kön 8,52).
Als sich zur Zeit Esras einige aufmachten, um das Haus Gottes zu bauen, und den Widerstand der Nationen ringsum erfahren mussten, heisst es: «Aber das Auge ihres Gottes war über den Ältesten der Juden, dass man ihnen nicht wehrte» (Esra 5,5). Einige Zeit später bat Nehemia den HERRN, sein Ohr aufmerksam und seine Augen offen zu halten, um das Gebet seines Knechtes zu hören, das er wegen des traurigen Zustands seines Volkes vor Ihn brachte (Neh 1,6). Gott erhörte auch dieses Gebet und gab ihm den Auftrag, die Mauer Jerusalems wieder aufzubauen.
Gottes Augen sind noch immer offen über denen, die Ihn fürchten und sich im Namen des Herrn Jesus versammeln. Seine Verheissungen für das gemeinsame Gebet sind sicher und gültig (Mt 18,19). Möchten wir sie doch für uns beanspruchen!
5) Wenn Gott seine Augen verhüllt
So kostbar und tröstlich die Gedanken über die Augen Gottes sind, so ernst sind die Worte der Propheten. Jesaja sagte: «Wenn ihr eure Hände ausbreitet, verhülle ich meine Augen vor euch; selbst wenn ihr das Gebet vermehrt, höre ich nicht: Eure Hände sind voll Blut. Wascht euch, reinigt euch; schafft mir die Schlechtigkeit eurer Handlungen aus den Augen, lasst ab vom Böses tun!» (Jes 1,15.16). Gott kann das Böse bei seinem Volk nicht sehen. Deshalb verhüllt Er seine Augen und ruft auf, sich zu waschen und zu reinigen.
Seine Augen sind «Augen der Herrlichkeit». Was sollte Gott anderes tun, als seine Augen verhüllen, wenn sein Volk gegen Ihn trotzt? (Jes 3,8).
Gottes Augen sind auf alle Wege seines Volkes gerichtet und ihre Ungerechtigkeit ist vor seinen Augen nicht verhüllt (Jer 16,17). Das Verhalten seines Volkes war derart, dass sein Auge sie nicht verschonen, d.h. nicht mitleidig auf sie blicken konnte (Hes 7,4.9; 8,18; 9,10).
Diese ernsten Worte waren an sein irdisches Volk gerichtet. Zugleich sind sie uns zur Mahnung gegeben, doch nichts zu tun, was den Augen des Herrn missfallen könnte. In der Offenbarung stellt sich der Herr Jesus als der Richter vor. Es ist die Rede von einem «gleich dem Sohn des Menschen», dessen Augen «wie eine Feuerflamme» sind. Diesen Charakter nimmt Er im Sendschreiben an Thyatira auch gegenüber seiner Versammlung an. Er wirft jener Versammlung vor: «Ich habe gegen dich, dass du …» (Off 1,14; 2,18.20). Seinen Augen entgeht nichts. Er muss das Böse tadeln.
6) Die Augen des Herrn Jesus
Als der Sohn Gottes als Mensch auf der Erde lebte, sah Er nicht nur das Sichtbare. Er hatte auch Augen für das Unsichtbare. Wenn Er einen Menschen sah, wusste Er alles über ihn (Joh 2,24.25).
Am Anfang des Johannes-Evangeliums sehen wir Ihn, wie Er sich nach Menschen umsah, um sie in seine Nachfolge zu rufen. Nach der Predigt von Johannes dem Täufer wandte sich Jesus um und sah zwei Jünger, die Ihm nachfolgten. Er sprach sie an und antwortete auf ihre Frage, wo Er sich aufhalte: «Kommt und seht!» Und sie kamen und sahen (Joh 1,38.39).
Als Andreas seinen Bruder Simon zu Jesus führte, blickte ihn der Herr an und gab ihm – in Kenntnis seiner Person und seines Dienstes, den Er ihm anvertrauen würde – den Namen Kephas, was übersetzt wird: Stein, oder auf Lateinisch Petrus (Joh 1,42). Er gab ihm einen Platz als lebendigen Stein im Haus Gottes.
Als Philippus seinen Freund Nathanael fand, brachte er ihn zum Herrn. Dieser sah ihn zu sich kommen und sagte: «Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in dem kein Trug ist.» Ganz erstaunt fragte Nathanael: «Woher kennst du mich?» Der Herr antwortete: «Ehe Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich» (Joh 1,47.48).
Unser Herr sah und wusste um die Not von uns Menschen. Johannes berichtet: «Es war aber ein gewisser Mensch dort (in Bethesda), der 38 Jahre mit seiner Krankheit behaftet war. Als Jesus diesen daliegen sah und wusste, dass es schon lange Zeit so mit ihm war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden?» (Joh 5,5.6).
Als Er vorüberging und einen Blindgeborenen sah, wusste Er um die Hintergründe in seinem Leben (Joh 9,1-3).
Wir finden im Dienst des Herrn einen wunderbaren Dreiklang: Er sah, wusste und heilte. Im Kontrast dazu zeigt uns das Gleichnis vom barmherzigen Samariter das Verhalten eines Leviten gegenüber einem Menschen in Not. Er kam, sah und ging vorüber. Ein gewisser Samariter – ein Bild unseres Heilands – aber kam zu dem unter die Räuber gefallenen Mann hin. Als er ihn sah, wurde er innerlich bewegt und umsorgte ihn dann.
Der Heiland sah, wenn Menschen in Trauer waren. Er sah die Witwe in Nain, die ihren einzigen Sohn verloren hatte, wurde innerlich bewegt über sie und sprach zu ihr: «Weine nicht!» (Lk 7,13).
Er sah die Trauernden am Grab des Lazarus, worauf Er tief seufzte und sich erschütterte (Joh 11,33).
In seiner eigenen Todesstunde als seine Augen hinschwanden, sah Er seine Mutter und den Jünger, den Er liebte, und sorgte für sie (Ps 69,4; Joh 19,26.27).
Nichts entging seinen Augen. Als Männer einen Gelähmten wegen der vielen Leute über das Dach zu Ihm brachten, sah Er ihren Glauben, und Er konnte zu ihm sagen: «Deine Sünden sind dir vergeben.» Doch Er sah nicht nur den Glauben dieser Männer, Er erkannte auch die Überlegungen der Schriftgelehrten (Lk 5,20-23).
Als die Jünger zusammen überlegten, wer wohl der Grösste unter ihnen sei, entgingen Ihm auch solche Herzensüberlegungen nicht. Er sah sie (Lk 9,46.47).
Als Er die Jünger vom Berg herab beim Rudern Not leiden sah – denn der Wind war ihnen entgegen –, kam Er ihnen um die vierte Nachtwache entgegen und rief ihnen zu: «Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht!» (Mk 6,48.50).
Mehrmals heisst es: Er hob seine Augen auf. Wenn es um die geistlichen Bedürfnisse der Jünger ging, hob Er seine Augen auf, um sie zu belehren. Er hatte Blickkontakt zu seinen Zuhörern. Ihr Wohl lag Ihm am Herzen (Lk 6,20).
Oder wenn Er eine verschmachtende Volksmenge sah, liess Er sie sich lagern, um sie zu speisen. Sie wurden gesättigt und sollten Ihn als das Brot des Lebens erkennen (Joh 6,5.35).
Wir finden in den Evangelien aber auch, wie Er Einzelne anblickte. Da kam einer und fiel vor Ihm auf die Knie. «Jesus aber blickte ihn an, liebte ihn und sprach zu ihm: Eins fehlt dir …» (Mk 10,21). Was für ein Blick des Heilands! Ein Blick, in dem dieser Mann die Liebe zu ihm hätte erkennen können. Doch er erwiderte diesen Blick nicht, sondern ging auf das Wort des Herrn, das ihm sein Problem aufzeigte, betrübt weg.
Der Oberzöllner Zachäus dagegen suchte Jesus zu sehen. Er stieg, weil er klein von Gestalt war, auf einen Maulbeerfeigenbaum. Als Jesus, umgeben von einer Volksmenge, an den Ort kam, sah Er auf und erblickte ihn und sprach ihn an: «Zachäus, steige eilends herab, denn heute muss ich in deinem Haus bleiben.» Durch einen Blick des Heilands und den Gehorsam des Zachäus widerfuhr jenem Haus Heil (Lk 19,5.9).
Einmal blickte der Herr auf und sah die Reichen ihre Gaben in den Schatzkasten legen. «Er sah aber eine gewisse arme Witwe zwei Scherflein dort einlegen. Und er sprach: In Wahrheit, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle» (Lk 21,2.3). Auch diese Begebenheit zeigt, dass Er ihre Armut kannte. Wie schätzte Er den Reichtum ihrer Freigebigkeit für Gott!
Ein besonderer Blick des Herrn ist sein Blick zur Wiederherstellung. Während Jesus im Haus des Hohenpriesters verhört wurde, verleugnete ihn Petrus. «Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an; und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich» (Lk 22,61.62).
Als Mensch auf dieser Erde sehen wir den Herrn Jesus wie Er seine Augen aufhob zum Himmel. Wenn Er als Gottes Knecht einem Tauben, der schwer redete, Ohren und Mund öffnete, blickte Er auf zum Himmel (Mk 7,34).
Am Grab des Lazarus hob Er seine Augen als Sohn Gottes auf und sprach: «Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst» (Joh 11,41). Diese Beispiele zeigen uns seine Abhängigkeit als Mensch von Gott und als Sohn von seinem Vater.
Einmalig schön ist die Szene in Johannes 17 vor seinen Leiden auf dem Weg nach Golgatha und am Kreuz. «Dies redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche» (Joh 17,1). Wir dürfen zuhören, wie der Sohn mit dem Vater spricht. Wir erfahren, was dem Sohn wichtig ist:
- Der Vater möge den Sohn verherrlichen, damit
- der Sohn den Vater verherrliche, und
- ist der Sohn in den Seinen verherrlicht.
Gegen Ende des Gebets bittet der Sohn, dass wir bei Ihm seien, wo Er ist, damit wir seine Herrlichkeit schauen (Joh 17,24). Wir werden Ihn sehen, wie Er ist: seine «Augen der Herrlichkeit», seine Person. – Wer den Sohn gesehen hat, hat den Vater gesehen.