Hat Gott geredet? Wenn ja, wie hat Er geredet? Oder: Warum schweigt Gott? – So oder ähnlich fragen Menschen, wenn sie durch ein Unglück oder eine Katastrophe in ihrem Leben erschüttert werden. Der Pharao hat sich sogar erkühnt zu fragen: «Wer ist der HERR, auf dessen Stimme ich hören soll?» (2. Mo 5,2).
Um es gleich vorweg zu nehmen: Gottes Wort selbst gibt Antwort auf obige Fragen: «Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn» (Heb 1,1.2).
Wenn Gott zu seinen Geschöpfen geredet hat, sollten sie dann nicht auf das Zeugnis seiner Stimme hören und sein Wort befolgen, statt eine neue Offenbarung Gottes zu verlangen? Die Stimme Gottes ist Ausdruck seiner Worte, das Mittel, durch das Er sich uns Menschen offenbart hat.
A) Gottes Stimme
1) Gottes Stimme in der Schöpfung
Im Anfang wurde die Welt durch Gottes Wort bereitet (Heb 11,3). «Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht» (1. Mo 1,3). «Durch das Wort des HERRN sind die Himmel gemacht, und all ihr Heer durch den Hauch seines Mundes. – Denn er sprach, und es war; er gebot, und es stand da» (Ps 33,6.9). Bis zur Stunde trägt Er alles durch das Wort seiner Macht (Heb 1,3).
Sowohl Hiob als auch die Psalmdichter reden von seiner Stimme in Verbindung mit der Schöpfung: Seine Stimme ist erhaben, Gott donnert wunderbar (Hiob 37,2-5). Er lässt seine Stimme erschallen. Seine Stimme ist majestätisch, mächtig (Ps 18,14; 29,3.4; 68,34).
In der Schöpfung kann jeder Mensch die Stimme Gottes hören. Sie besteht nicht in Rede und Worten, doch sie wird gehört (Ps 19,2-4). Sie zeugt von der Schöpfer-Herrlichkeit Gottes. Er selbst gibt allen Leben und Odem und alles (Apg 17,24.25). Paulus knüpfte in seiner Predigt auf dem Areopag in Athen an dieses Zeugnis der Schöpfung an, indem er sagte: Die Völker sollen Gott suchen, ob sie Ihn wohl ertasten und finden möchten, da Er ja nicht fern ist von einem jeden von uns. Denn in Ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir.
Doch Gottes Offenbarung in der Schöpfung ist noch nicht die volle Offenbarung seiner Person. Paulus nennt die ersten 4000 Jahre der Menschheit die Zeit der Unwissenheit der Nationen. Seit dem Kommen seines Sohnes Jesus Christus als Mensch auf die Erde ist es anders. Jetzt gebietet Er den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen, weil Er einen Tag festgesetzt hat, an dem Er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird durch einen Mann, den Er dazu bestimmt hat, und Er hat allen den Beweis davon gegeben, indem Er Ihn – nämlich Jesus Christus – aus den Toten auferweckt hat (Apg 17,30.31).
Vorerst aber hat Gott einzelnen Menschen und seinem auserwählten Volk Israel mehr von sich offenbart.
2) Die ersten Menschen fürchten sich vor Gottes Stimme
«Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten wandelte bei der Kühle des Tages. Und der Mensch und seine Frau versteckten sich vor dem Angesicht Gottes des HERRN mitten unter die Bäume des Gartens. Und Gott der HERR rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten, und ich fürchtete mich, denn ich bin nackt, und ich versteckte mich» (1. Mo 3,8-10).
Warum fürchtete sich Adam vor Gottes Stimme? Hätte sie ihm nicht vertraut sein müssen? Hätte er sich nicht wie ein neugeborenes Kind verhalten sollen, das schon einige Wochen nach der Geburt auf die Stimme seiner Mutter oder seines Vaters reagiert? – Gott hatte den Menschen in die Fülle des Gartens Eden gesetzt und ihm nur ein Gebot gegeben. Dieses eine Gebot hat der Mensch übertreten. Da regte sich sein Gewissen sofort. Die ihm vertraute Stimme Gottes versetzte ihn in Furcht.
Als Gott den Menschen fragte: «Wo bist du?» und: «Wer hat dir mitgeteilt, dass du nackt bist?», wollte Er als Erstes sein Gewissen erreichen und ihn von der Sünde überführen.
Aber gleich als Zweites sprach Er dann vom «Samen», d.h. von einem bestimmten Nachkommen der Frau. Diesen würde Gott als Retter senden, damit Er der Schlange, die den Menschen zum Ungehorsam gegen Gottes Stimme angestiftet hatte, den Kopf zertreten sollte. Das hat sich im Herrn Jesus erfüllt, der am Kreuz die alte Schlange, das ist den Teufel, besiegt hat.
3) Die Patriarchen hören Gottes Stimme
Warum hatte Gott sich Noah offenbart? – Weil dieser mit Gott wandelte. Das Handeln der ganzen Menschheit war derart böse, dass es Gott ins Herz hinein schmerzte und Er Noah das kommende Gericht ankündigen musste. Doch Er gab ihm auch den Auftrag zum Bau einer Arche zur Rettung seines Hauses.
Die Menschen als verantwortliche Geschöpfe müssen von ihrem Schöpfer akzeptieren, dass Er als Gott einerseits die Sünde richten muss, aber anderseits dem, der sich Ihm anvertraut, Gnade erweist und ihn rettet.
Noahs Antwort auf Gottes Reden war einfach: «Und Noah tat es; nach allem, was Gott ihm geboten hatte, so tat er» (1. Mo 6,22).
Gottes Offenbarung und sein Handeln gegenüber Abraham ging noch weiter als die Rettung Noahs durch die Sintflut hindurch. Gott hatte ihn auserwählt und berufen, um ihn zu segnen. «Ich will dich … segnen …; und du sollst ein Segen sein» (1. Mo 12,2; Apg 7,1-3).
Um diesen Segen zu empfangen, musste er aus Ur in Chaldäa – einem Bild der Welt und der Menschen, die sich ohne Gott organisieren – ausziehen, um sich an dem Ort aufzuhalten, wo Gott ihn segnen wollte. Warum hatte Gott Abraham gesegnet? – Weil Er ihn liebte und Abraham seiner Stimme gehorchte (1. Mo 22,18; 26,5).
Das gleiche Handeln finden wir bei Isaak. Als er ins Land der Verheissung zurückkehrte, erschien ihm Gott und sprach zu ihm: «Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir, und ich werde dich segnen» (1. Mo 26,24).
Warum fürchtete sich Jakob vor der Stimme Gottes, als er vor Esau floh? – Sein Gewissen klagte ihn an. Deshalb war Bethel, das Haus Gottes, für ihn ein furchtbarer Ort.
Erst als er aus der Fremde nach Bethel zurückkehrte und die fremden Götter wegtat, die es in seinem Haus gab, lernte er den Segen dieses Ortes kennen. Er baute in Bethel einen Altar und hatte am Ort des Hauses Gottes Gemeinschaft mit Gott, der sich ihm auch offenbarte. Wer mit Gott im Reinen ist, kann sich an seiner Stimme und Gegenwart erfreuen (1. Mo 35,1-3).
4) Das Volk will Gottes Stimme nicht mehr hören
Warum konnte Gott mit Mose reden, wie ein Mann mit seinem Freund von Angesicht zu Angesicht redet, während das Volk Israel in Furcht und Schrecken versetzt wurde, als es die Stimme Gottes vernahm? (4. Mo 7,89; 2. Mo 20,18.19; 33,4.11).
Gott rief Mose, um zu ihm zu reden. Er wollte sich nicht länger nur Einzelnen, sondern einem Volk offenbaren. Dieses Volk musste aber zuerst aus der Knechtschaft der Ägypter erlöst und zu Gottes Eigentumsvolk gemacht werden, das Ihm diente (5. Mo 7,6).
Das, was nötig war, tat Gott für sein Volk: «Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch auf Adlers Flügeln getragen und euch zu mir gebracht habe. – Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein» (2. Mo 19,4.6). Das Volk war nicht um eine Antwort verlegen und sagte vorschnell mit seinen Lippen: «Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun» (2. Mo 19,8). Damit stellten sie sich den heiligen Anforderungen Gottes, denen sie aber nicht zu entsprechen vermochten. Das zeigte sich bereits kurze Zeit später, als Mose verzog vom Berg herabzukommen. Waren ihre Herzen wohl in Ägypten geblieben? Oder wie ist es zu erklären, dass sie dann ein goldenes Kalb anfertigen und ein Götzenfest organisieren konnten?
Aber noch bevor Mose auf den Berg stieg, als er das Volk auf Gottes Geheiss an den Berg versammelte, vernahmen die Israeliten Gottes Stimme aus Finsternis, Gewölk und Dunkel, mitten aus dem Feuer. Sie zitterten und standen von fern und baten Mose: «Rede du mit uns, und wir wollen hören, aber Gott möge nicht mit uns reden, dass wir nicht sterben!» Sie konnten nicht ertragen, was Gott angeordnet hatte. Seine Erscheinung – obwohl sie keine Gestalt sahen, sondern nur die Stimme Gottes hörten –, war so furchtbar, dass selbst Mose sagte: «Ich bin voll Furcht und Zittern» (2. Mo 20,18.19; 5. Mo 4,10-13; Heb 12,18-21).
Gott ging auf den Wunsch seines Volkes ein und redete nicht mehr direkt zu ihnen. Er benutzte die Propheten, denen Er seine Worte in den Mund legte (5. Mo 18,16-18). Von da an waren die Propheten die Stimme Gottes, die den Menschen Gottes Worte vermittelten.
5) Gottes Stimme durch die Propheten
Gott hatte Samuel als Prophet seinem Volk gegeben. Was er redete, waren nicht seine eigenen Worte, sondern «die Stimme der Worte des HERRN» (1. Sam 15,1). Er gab König Saul klare Anweisungen, wie er gegen die Amalekiter bis zu ihrer Vernichtung zu kämpfen und alle ihre Habe zu verbannen hatte. Das war für Amalek die Strafe Gottes dafür, dass sie während der Wüstenwanderung des Volkes Israel seine Schwachen angegriffen hatten.
Trotz dieser klaren Anweisung machte Saul Beute für sich, um, wie er sagte, sie Gott zu opfern. Er wagte – wie viele nach ihm – zu sagen: «Ich habe das Wort des HERRN erfüllt.» Doch Samuel musste ihm ausrichten: «Warum hast du denn der Stimme des HERRN nicht gehorcht und bist über die Beute hergefallen und hast getan, was böse ist in den Augen des HERRN? … Hat der HERR Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern, wie daran, dass man der Stimme des HERRN gehorcht? Siehe, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder. Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst» (1. Sam 15,19.22.23).
Saul ist ein ernstes Beispiel von einem Menschen, der nicht auf Gottes Stimme hörte, dafür aber auf die Stimme einer Wahrsagerin, und am Ende seines Erdenlebens Selbstmord beging. Vom bewusst Nicht-gehorchen-Wollen ist es oft nur ein Schritt zum Aberglauben. Das wird in der Zukunft ungläubige Menschen, die Gottes Wahrheit nicht geliebt, sondern abgelehnt haben, dazu treiben, der Lüge zu glauben (2. Thes 2,9-12).
Wie können Propheten die Stimme Gottes sein? Jeremia ist ein Beispiel dafür. Er wurde, noch ehe er im Mutterleib gebildet wurde, von Gott erkannt und geheiligt. Der HERR selbst streckte seine Hand aus, rührte seinen Mund an, legte Worte in seinen Mund und sandte ihn aus (Jer 1,5.9). So waren die Worte des Propheten die Stimme Gottes, auf die das Volk hören sollte.
Leider haben sie nicht auf die Stimme der Propheten gehört. Im Gegenteil, sie äfften sie nach, setzten sie gefangen, schlugen und töteten sie. Gott musste über sein Volk klagen: «Ich habe zu euch geredet, früh mich aufmachend und redend, ihr aber habt nicht gehört, und ich habe euch gerufen, ihr aber habt nicht geantwortet» (Jer 7,13). Und ein anderes Mal: «Warum bin ich gekommen, und kein Mensch war da, habe gerufen, und niemand antwortete?» (Jes 50,2).
Nach dem Zeugnis des Propheten Maleachi bis zu Johannes dem Täufer liess Gott die Stimme der Propheten verstummen. Ist es recht, wenn Menschen Gott für sein Schweigen einen Vorwurf machen?
Wenn Er in der Zukunft mit seinem Volk wieder eine Beziehung anknüpfen wird, ist das nur möglich, wenn sie auf das bereits gegebene Zeugnis seiner Stimme hören und Ihm gehorchen (5. Mo 30,2.8.10).
Jesaja ist es, der den grössten Propheten des alten Bundes mit den Worten ankündigte: «Stimme eines Rufenden in der Wüste …, denn der Mund des HERRN hat geredet» (Jes 40,3-5). Diese Worte erfüllten sich in Johannes dem Täufer. Er selbst trat so sehr in den Hintergrund, dass nur die Stimme eines Rufenden wahrgenommen wurde. Er hat die Menschen zur Buße aufgerufen, ihnen den Messias angekündigt, damit die Herrlichkeit des HERRN sich im Mensch gewordenen Sohn Gottes offenbaren konnte.
Die Bekräftigung: «denn der Mund des HERRN hat geredet», weist auf die Quelle der Worte hin. Der Mund des HERRN gibt den Worten Autorität, Beglaubigung und die Gewissheit der Erfüllung (Jes 34,16).
B) Gott redet im Sohn
Als das ewige Wort Gottes sich im Menschen Jesus Christus offenbarte und Er seinen öffentlichen Dienst begann, liess Er sich mit bußfertigen Menschen von Johannes im Jordan taufen. Da ertönte eine Stimme aus dem Himmel: «Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden» (Lk 3,21.22). Das war das Zeugnis Gottes, des Vaters, über seinen Sohn. Bedenke, was Gott während der Menschheitsgeschichte alles hat sehen und hören müssen! Jetzt sah Er seinen Sohn, der sich unter die einreihte, die Buße taten, obwohl Er der erste und einzige sündlose Mensch war. Damit wir ja keine falschen Schlussfolgerungen aus dieser Erniedrigung ziehen, gab Gott dieses Zeugnis, um sein Wohlgefallen an seinem Sohn auszudrücken.
Auf dem Berg der Verklärung, als der Herr Jesus sich in seiner zukünftigen Herrlichkeit zeigte und den Ausgang besprach, den Er in Jerusalem erfüllen sollte, bezeugte Gott, der Vater, wiederum durch seine Stimme: «Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört» (Lk 9,35; 2. Pet 1,16-18).
Sowohl Petrus als auch Johannes gaben Zeugnis von dem, was sie gehört hatten, damit auch wir glauben und mit ihnen Gemeinschaft haben; «und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus» (1. Joh 1,1-3).
Noch ein drittes Mal kam diese Stimme aus dem Himmel. Nachdem der Herr Jesus gebetet hatte: «Vater, verherrliche deinen Namen», kam die Antwort aus dem Himmel: «Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn auch wiederum verherrlichen» (Joh 12,28). Die Volksmenge meinte, es habe gedonnert; andere sagten: Ein Engel hat mit ihm geredet. Der Unglaube versteht Gottes Stimme nicht. Für den Glaubenden ist sie sehr kostbar.
Lasst uns nun dem Bericht der Evangelisten folgen, die uns vom Herrn Jesus zeugen. Wir wollen die Stimme des Herrn seinen verschiedenen Offenbarungen und Herrlichkeiten zuordnen. Wohl handelt es sich immer um seine Stimme, aber wir werden den Unterschied leicht erkennen, ob Er als Mensch zu Menschen spricht, oder ob Er als Sohn Gottes mit machtvoller Stimme einen Verstorbenen ins Leben zurückruft.
1) Die Stimme des Gesandten des Vaters
Der Vater hat den Sohn mit der Botschaft des Evangeliums zu uns gesandt. Der Herr Jesus kam und predigte das Evangelium, indem Er einerseits zur Buße aufrief und anderseits Worte der Gnade für alle hatte, die bereit waren, Ihn aufzunehmen (Mk 1,14; Lk 4,22).
Er redete nur das, was Er von seinem Vater gehört hatte (Joh 8,26). Der Weissagung Jesajas entsprechend hat Er seinen Auftrag als Knecht erfüllt. «Siehe, mein Knecht, … Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Strassen hören …» (Mt 12,18-21). Er redete zu den Menschen, zog sich aber immer wieder zurück. Er wollte nicht populär sein, sondern einfach seinen Auftrag erfüllen.
2) Die Stimme des Sohnes des Menschen
Als Mensch hatte Er Worte, um Müde aufzurichten, weil Er sich selbst von Gott belehren liess (Jes 50,4).
Lukas berichtet, dass Er seine Stimme oft zum Beten gebrauchte. Das war z.B. so zu Beginn seines Dienstes, als Er getauft wurde. Vor der Wahl der zwölf Apostel verbrachte Er die Nacht im Gebet zu Gott. Als Er zuletzt im Begriff stand, das Werk der Erlösung zu vollbringen, betete Er im Garten Gethsemane in ringendem Kampf.
Kurz vorher, nachdem Er die letzten Worte an seine Jünger gerichtet hatte, sangen sie noch ein Loblied (Mk 14,26). Das bedeutet nicht, dass Er für das, was vor Ihm stand, gefühllos war. Im Gegenteil, in Psalm 102,6 heisst es prophetisch von Ihm: «Wegen der Stimme meines Seufzens klebt mein Gebein an meinem Fleisch.» Lobgesang ist Ausdruck eines Herzens, das Gott vertraut und Ihn ehrt.
Am Ende der drei Stunden der Finsternis am Kreuz «schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: Eli, Eli, lama sabachthani?, das ist: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Kurz nachher heisst es: «Jesus aber schrie wiederum mit lauter Stimme und gab den Geist auf» (Mt 27,46.50). Der erste Schrei ist wohl der Ausdruck seines Empfindens des Verlassenseins von Gott, weil Er zur Sünde gemacht worden war. Der zweite Schrei ist die Not eines reinen, sündlosen Menschen, der den Lohn der Sünde, den Tod, schmecken muss.
Noch einmal wird von der Stimme des Sohnes des Menschen gesprochen. Gott gibt diesem Menschen die richterliche Gewalt. Seine Stimme als Richter ist wie das Rauschen vieler Wasser (Off 1,13-15; Joh 5,27). Seine Worte der Gnade können von Menschen abgewiesen werden (Heb 12,25). Wenn Er aber als der Richter spricht, werden seine Worte überwältigend wie Wasser sein, denen nichts entgegengesetzt werden kann. Deshalb ruft der Geist Gottes im Brief an die Hebräer dreimal: «Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!» (Heb 3,7.15; 4,7).
3) Die Stimme des Sohnes Gottes
Jesus ging seinen Weg als Mensch auf dieser Erde. Seine Herrlichkeit als Sohn Gottes blieb meistens verborgen. Als Er jedoch bei der Überfahrt im Sturm den Wind und die Wogen des Wassers schalt und diese aufhörten und Stille eintrat, fragten die Jünger einander erschrocken und erstaunt: «Wer ist denn dieser, dass er auch den Winden und dem Wasser gebietet und sie ihm gehorchen?» (Lk 8,24.25). Seine gebietende Stimme offenbarte Ihn als den Sohn Gottes, der Macht über die Elemente hat.
Als ein Mensch mit einem unreinen Geist vor Ihm aufschrie, gebot Er dem Dämon ernstlich und sprach: «Verstumme und fahre von ihm aus!» Seine Vollmacht über die unreinen Geister machten offenbar, wer Er war: der Heilige Gottes (Lk 4,33-36).
Seine göttliche Herrlichkeit beinhaltet aber noch mehr. Es heisst: «Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst.» Damals war die Stunde gekommen, da die (geistlich) Toten die Stimme des Sohnes Gottes hörten, und die sie gehört hatten, sollten leben. Doch es wird noch eine andere Stunde kommen: die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts (Joh 5,25-30).
Als Bestätigung dafür gab der Herr ein Zeichen durch die Auferweckung des Lazarus. «Er rief mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Und der Verstorbene kam heraus» (Joh 11,43.44). Als Sohn Gottes hat Er Macht über den Tod. In Bezug auf sich selbst hatte Er Gewalt, sein Leben zu lassen, und Gewalt, es wiederzunehmen (Joh 10,17.18). In Bezug auf uns, wird der Herr – bei der Entrückung – mit gebietendem Zuruf kommen. Dieser bewirkt, dass einerseits die Toten in Christus auferstehen werden und anderseits wir, die Lebenden, in einem Augenblick verwandelt und entrückt werden (1. Thessalonicher 4,16.17; 1. Korinther 15,51.52).
4) Die Stimme des guten Hirten
Eine Eigenschaft des guten Hirten ist seine Stimme. Der Herr Jesus, der zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt war, sprach als Mensch ihre Sprache. Als Er als verherrlichter Mensch vom Himmel her Saulus von Tarsus erschien, redete Er mit einer Stimme in hebräischer Mundart zu ihm. Auch an Pfingsten verkündigten die Apostel als Gesandte des Herrn die grossen Taten Gottes in der jeweiligen Mundart der Anwesenden. Das zeugt von der Wichtigkeit, den Menschen das Evangelium in ihrer Muttersprache zu bringen.
Ein Schaf des guten Hirten kennt die Stimme des Herrn. Es gibt viele fremde Stimmen in dieser Welt. Für uns genügt es, eine Stimme zu kennen: die Stimme des guten Hirten (Joh 10,4). Die Schafe hören auf seine Stimme und folgen seiner Stimme (Joh 10,27). – Woran hat Maria Magdalene den auferstandenen Herrn erkannt? Offenbar nicht an seinem Aussehen, sondern an seiner Stimme. Als Er sie beim Namen Maria nannte, wandte sie sich um und sprach zu Ihm: Rabbuni! (Joh 20,16). Oder woran hat der Jünger, den Jesus liebte, erkannt, dass der Unbekannte am Ufer des Sees von Tiberias der Herr war? Nicht an seiner Stimme und an seinen Worten?
Am Ende der Zeit des christlichen Zeugnisses sagt der Herr: «Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und er mit mir» (Off 3,20). Erkennen wir seine Stimme? Hören wir auf seine Worte, und geniessen wir diese kostbare Gemeinschaft mit Ihm?
5) Die Stimme des Bräutigams
Johannes der Täufer bezeichnete sich als Freund des Bräutigams, der über die Stimme des Bräutigams hoch erfreut ist. Die Gläubigen aus der Zeit der Gnade sind nicht die Freunde des Bräutigams, sondern sie bilden zusammen die himmlische Braut des Herrn Jesus. Wenn nun schon der Freund des Bräutigams hoch erfreut war, wie viel mehr sollten wir diese Stimme lieben – diese Stimme, die von holdseligen Lippen kommt!
Das Buch der Offenbarung Jesu Christi endet mit dieser vertrauten Stimme: «Der diese Dinge bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen, komm, Herr Jesus!» (Off 22,20).