Einleitung
Der hebräische Knecht weist auf unseren Herrn Jesus hin. Er ist der Knecht Gottes. Diesen besonderen Titel finden wir in der Bibel immer wieder, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Christus wird im Gesetz (2. Mo 21), in den Psalmen (Ps 16; 40) und in den Propheten (Jes 42; 49; 52) als Knecht vorgestellt. Eine treffende Stelle ist Jesaja 42,1: «Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat.» Im Neuen Testament ist dieser Titel des Herrn Jesus das Thema im Markus-Evangelium. Wir finden Ihn auch in Apostelgeschichte 3 als Knecht Gottes. In Philipper 2,5-8 lesen wir, dass Er Knechtsgestalt annahm und gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz.
Der Knecht kommt
Der hebräische Knecht in 2. Mose 21 spricht also von Jesus Christus. Zuerst wird uns seine Person vorgestellt: «Wenn du einen hebräischen Knecht kaufst»(Vers 2). Das bezieht sich auf die Tatsache, dass Gott den Herrn Jesus als Knecht erweckt oder zum Knecht bestimmt hat. Davon lesen wir in Apostelgeschichte 3,26: «Euch zuerst hat Gott seinen Knecht, als er ihn erweckte, gesandt, euch zu segnen.» In der Ewigkeit hat Gott an seinen Sohn gedacht und Ihn dazu erweckt, Knecht zu sein. Dann hat Er Ihn in der Fülle der Zeit vom Himmel auf die Erde gesandt. Diesen Gedanken finden wir in Psalm 40,8 und in Hebräer 10,7, wo der Herr Jesus sagt: «Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun.» Er war bereit, Knecht zu werden.
Der Knecht dient
In Vers 2 heisst es weiter: «Er soll sechs Jahre dienen.» In diesem kurzen Satz steht das ganze vollkommene Leben des Herrn Jesus vor uns. Er kam freiwillig auf die Erde, um hier als Knecht seinem Gott zu dienen. Gehorsam aus Liebe – das ist der Hauptgedanke des Knechtes Gottes in der Bibel. Aus Liebe zu Gott gehorchte Er Ihm in allem. Wenn wir uns damit beschäftigen, hat es zwei Auswirkungen auf uns:
- Wir möchten dem Herrn Jesus nachfolgen und Ihm gehorchen – nicht in einer gesetzlichen Haltung, sondern aus Liebe. Christlicher Gehorsam wird nicht durch das Halten von Gesetzen, sondern durch ein wunderbares Motiv gelebt: Es ist die Liebe zu unserem Herrn!
- Wir bewundern die Liebe und den Gehorsam des Herrn Jesus und beten Ihn dafür an. Unsere Anbetung richtet sich auch an Gott, den Vater, der seinen Sohn als Knecht auf die Erde gesandt hat und durch sein Leben des Gehorsams verherrlicht worden ist.
Es ist eine Freude für uns, die Evangelien zu lesen und dabei das Leben und den Dienst dieses Knechtes zu betrachten. Jesus Christus lebte 30 Jahre lang untadelig und in Hingabe an Gott. Über diese Zeit wissen wir wenig. Doch nach seiner Taufe hören wir die Stimme des Vaters aus dem Himmel: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe» (Mt 3,17). Damit bezeugte Gott, der Vater, seine Freude über das vollkommene Leben des Herrn Jesus. Danach diente der Knecht Gottes drei Jahre lang treu und hingebungsvoll. Auf dem hohen Berg ertönte noch einmal die Stimme des Vaters aus dem Himmel: «Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn hört» (Mt 17,5). Gott konnte sich auch über den vollkommenen Dienst des Herrn Jesus freuen.
Der Knecht will nicht frei ausgehen
Der hebräische Knecht sollte sechs Jahre dienen und dann frei ausgehen (Vers 2). So hätte Jesus Christus nach seinem Leben und Dienst auf der Erde in den Himmel zurückkehren können, weil Er Gott darin vollkommen geehrt hatte. Was für ein Unterschied zwischen Ihm und allen anderen Menschen! Als Gott die Menschen schuf, hatte Er genaue Vorstellungen für ihr Leben. Doch sie lebten nicht so, wie es der Schöpfer für sie vorgesehen hatte. Sie gehorchten Ihm nicht und fielen in Sünde. Gott blickte immer wieder vom Himmel auf die Erde, «um zu sehen, ob ein Verständiger da sei, einer, der Gott suche» (Ps 14,2). Doch Er sah keinen, der Gutes tat, auch nicht einen. Dann kam Jesus Christus als vollkommener Knecht und «schritt durch die Welt der Sünde, Segen spendend, Gott geweiht», wie wir es in einem Lied singen. Wunderbarer Herr! Gott blickte auf Ihn und sah, dass Er wie ein Reis vor Ihm aufschoss und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich hervorkam (Jes 53,2). Jesus Christus war als Mensch die wahre Frucht der Erde, d.h. das, was Gott sich vom Menschen vorgestellt hat. Er war der Einzige, der Gott in allem gefiel. Nach dieser Demonstration des Gehorsams in seinem Leben hätte der Herr Jesus in den Himmel zurückkehren können.
In Vers 5 lesen wir: «Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen.» Der Herr Jesus kehrte nach seinem vollkommenen Leben und Dienst nicht in den Himmel zurück, sondern erklärte: Ich will nicht frei ausgehen. Wie dankbar sind wir Ihm, dass Er freiwillig nach Golgatha ging, um dort das Werk der Erlösung zu vollbringen.
Der Knecht steht vor dem Richter
Wenn der hebräische Knecht nicht frei ausgehen wollte, musste sein Herr ihn vor die Richter bringen (Vers 6). Das ist eine ernste Sache, wenn wir sie auf den Herrn Jesus übertragen.
In den Evangelien lesen wir, dass Jesus Christus vor drei menschliche Gerichte gestellt wurde:
- Die erste Gerichtssitzung fand im Synedrium statt. Die Juden suchten falsches Zeugnis gegen Jesus, um Ihn zu Tode zu bringen. Als sie keines fanden, wurde Er aufgrund seines eigenen wahren Bekenntnisses verurteilt (Mt 26,59-66).
- Das zweite Gericht führte Herodes durch, nachdem Pilatus den Angeklagten zu ihm gesandt hatte. Als Jesus diesem falschen König keine Antwort gab, behandelte Ihn Herodes geringschätzig und verspottete Ihn (Lk 23,6-12).
- Das dritte Gericht erfolgte vor Pilatus. Die ehrwürdigen Männer aus den Juden stifteten einen Tumult an und wiegelten die Volksmenge auf, um das Todesurteil zu erwirken. Die Masse schrie übermässig: «Kreuzige ihn!» Da verurteilte Ihn der römische Richter zum Tod, obwohl er wusste, dass Jesus nichts Böses getan hatte (Lk 23,13-25).
Doch ich glaube, dass die Aussage in Vers 6 nicht von den menschlichen Gerichten spricht. Es heisst dort: «Sein Herr soll ihn vor die Richter bringen.»Dieser Satz weist auf das hin, was am Kreuz in den drei Stunden der Finsternis geschah. Da erduldete der Herr Jesus die Strafe für deine und meine Sünden. Er hat «selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen» (1. Pet 2,24). Er trat mit meinen Sünden vor Gott, als ob Er sie selbst begangen hätte, und Gott bestrafte Ihn an meiner Stelle. In den drei Stunden der Finsternis wurde Jesus Christus auch zur Sünde gemacht (2. Kor 5,21). Der heilige Gott verurteilte an Ihm die Sünde (Röm 8,3). Damit ist die Erbsünde gemeint, die durch den Sündenfall in die Welt gekommen ist. Der Herr Jesus stand vor Gott, wie wenn Er die Quelle alles Bösen wäre. Was für ein schreckliches Gericht musste Er da erdulden!
Der Knecht wird an den Pfosten gestellt
Sein Herr sollte den hebräischen Knecht an die Tür oder an den Pfosten stellen (Vers 6). Der Pfosten hat auch eine Bedeutung. Durch den Sündenfall kam der Fluch über die Erde (1. Mo 3,17-19). Als Gott dem Volk Israel später das Gesetz gab, wurde auch über jeden der Fluch ausgesprochen, der es nicht hielt (z.B. 5. Mo 11,28; 27,26). Mit dem Fluch ist also das gemeint, was durch den Sündenfall in die Welt gekommen ist und was auf jedem Menschen liegt, der das Gesetz übertritt. Gott musste Jesus Christus an den Pfosten stellen – damit ist das Kreuz gemeint. Dort ist Er ein Fluch für uns geworden (Gal 3,13).
Wir sagen manchmal, dass der Herr ans Fluchholz geschlagen wurde. Das ist nicht falsch, aber es ist zu wenig. Er wurde selbst ein Fluch. Dazu gibt es in der Bibel ein eindrückliches Bild. Jericho war eine verfluchte Stadt (Jos 6,26). Doch der Herr Jesus näherte sich Jericho, ging in diese Stadt hinein und zog hindurch (Lk 18,35; 19,1). Wunderbarer Heiland! Er liess sich ans Kreuz schlagen, um ein Fluch für uns zu werden. Das nahm Er auf sich, um schuldige Menschen vom Fluch des Gesetzes zu befreien und um die Schöpfung von den Folgen des Sündenfalls zu erlösen, wozu auch die Erlösung des Körpers der Glaubenden gehört (Röm 8,20-23).
Der Herr sollte das Ohr seines Knechts mit einem Pfriem durchbohren (Vers 6). Das durchbohrte Ohr spricht von den Zeichen des Kreuzes, die am Herrn Jesus ewig sichtbar sein werden: die durchgrabenen Hände und die durchbohrte Seite. In Psalm 40,7 heisst es: «Ohren hast du mir bereitet.» Wenn der Schreiber des Hebräer-Briefs dieses Zitat anführt, sagt er: «Einen Leib aber hast du mir bereitet» (Heb 10,5). In seinem Leib wurde Christus ans Kreuz geschlagen. Was für körperliche Leiden erduldete unser Heiland in den Stunden, als Er am Kreuz hing! Prophetisch klagte Er: «Alle meine Gebeine haben sich zertrennt» (Ps 22,15). Das ist das Bild: Der Knecht wurde an den Pfosten gestellt und sein Ohr mit einem Pfriem durchbohrt.
Der Knecht dient ewig
Als Knecht ehrte der Herr Jesus seinen Gott nicht nur im Leben, sondern auch im Tod. Darum erklärt Petrus den Juden in Apostelgeschichte 3,13: «Der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht.» Das war die wunderbare Antwort Gottes auf das Werk, das Jesus Christus am Kreuz vollbracht hat: Gott hat seinen Knecht aus den Toten auferweckt und in den Himmel aufgenommen, um Ihn dort zu verherrlichen!
Die Anweisung über den hebräischen Knecht endet mit den Worten: «Er soll ihm dienen auf ewig»(Vers 6). Unser Herr Jesus, der als Mensch im Himmel verherrlicht ist, bleibt ewig Knecht. Zwei Stellen zeigen, dass Er uns dienen und Gott untergeordnet sein wird. In Lukas 12,37 lesen wir: «Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sag euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen.» Wunderbare Gnade, die wir erfahren werden! Der Herr Jesus wird uns im Himmel bedienen, damit wir die Gemeinschaft mit Gott völlig geniessen können.
In 1. Korinther 15,28 heisst es: «Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.» Als Mensch bleibt Jesus Christus seinem Gott für immer untergeordnet. Er ist in alle Ewigkeit Knecht, um uns zu dienen und Gott unterworfen zu sein.
Edle Beweggründe
Zum Schluss denken wir noch über das nach, was den Herrn Jesus veranlasst hat, nicht frei auszugehen (Vers 5):
- Der höchste Beweggrund war: «Ich liebe meinen Herrn.» Seine Liebe zu Gott bewegte Ihn dazu, sich selbst als Darbringung für seinen Gott in den Tod zu geben (Eph 5,2).
- Zweitens sagte Er: «Ich liebe meine Frau.» Damit brachte Er seine Hingabe an die Versammlung zum Ausdruck, für die Er am Kreuz sein Leben liess (Eph 5,25).
- Sein dritter Beweggrund war: «Ich liebe meine Kinder.» Er starb für jeden einzelnen Gläubigen und erwies ihnen damit persönlich seine Barmherzigkeit (Gal 2,20).