Einleitung
Jesus Christus hat als Knecht Gottes gesagt: «Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen» (V. 5). Darum ist Er am Kreuz gestorben. Die Kinder stellen die einzelnen Gläubigen dar. Der Sohn Gottes hat sie geliebt und sich selbst für jeden von ihnen hingegeben (Gal 2,20).
Anhand von drei Beispielen möchten wir seine Liebe zu einzelnen Glaubenden betrachten. Sie zeigte sich darin, dass Er in seiner Barmherzigkeit das Leben für sie liess.
Der Räuber am Kreuz – ein Verbrecher
Lukas 23,39-43
Als Jesus Christus am Kreuz hing, verspotteten Ihn die beiden Räuber, die mit Ihm gekreuzigt waren (Mt 27,44; Mk 15,32). Sie taten es mit der Erlaubnis Gottes. Wie ist das zu verstehen? Es gab im Leben des Herrn Jesus eine Zeit, die Gott die Stunde des Menschen und die Gewalt der Finsternis nennt (Lk 22,53). In dieser Zeit gestattete Er, dass die Menschen mit Jesus Christus tun konnten, was sie wollten. Sie banden Ihn, sie schlugen Ihn, sie kreuzigten Ihn, sie verspotteten Ihn. Vorher war das nicht möglich, weil Gott es nicht zuliess. Sie versuchten zwar gegen Jesus vorzugehen. Einmal wollten sie Ihn von einem Berg hinabstürzen, doch Er ging durch ihre Mitte hindurch weg (Lk 4,29.30). Aber dann kamen sie mit Schwertern und Stöcken (Lk 22,52). Das traf unseren Heiland. Für seine Liebe feindeten sie Ihn an (Ps 109,4). So begann mit seiner Gefangennahme die Stunde des Menschen. Sie spien Ihn an, setzten eine Dornenkrone auf sein Haupt, schlugen Ihm ins Gesicht. Diese Stunde des Menschen ging bis zum Speerstoss des Soldaten (Joh 19,34). Danach konnte kein Ungläubiger unseren Herrn mehr antasten – das ist etwas Grosses. Gott sorgte dafür, dass Joseph von Arimathia und Nikodemus den gestorbenen Erlöser in eine neue Gruft legten.
Zuerst spotteten also beide gekreuzigten Übeltäter. Doch dann bekehrte sich einer von ihnen. Wie kam es dazu? Ich bin sicher, dass er von dem beeindruckt wurde, was er vom Heiland am Kreuz sah. Bei seiner Bekehrung sind drei Schritte ersichtlich:
1) Umkehr
Zuerst kehrte der Räuber um. Als der eine Übeltäter den Herrn lästerte, wies ihn der andere zurecht und sprach: «Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan» (V. 40.41). Dieser Spötter bekam plötzlich Gottesfurcht. Er sah seine Sündenschuld ein und akzeptierte das Gericht. In der Strafe, die er erduldete, erkannte er Gottes Gerechtigkeit an. Dann stellte er noch das Wichtigste fest: die vollkommene Reinheit des Herrn Jesus. Er erkannte und bezeugte, dass der Mann in der Mitte nichts Ungeziemendes getan hatte.
2) Glaube
Nun wandte sich der Verbrecher glaubensvoll an den Heiland: «Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst!» (V. 42). Er fasste Vertrauen zu dieser wunderbaren Person. Er glaubte an die Liebe, Gnade und Barmherzigkeit des Heilands und sprach Ihn als Herrn an. Er bat den Herrn Jesus, an ihn zu denken, wenn Er in seinem Reich kommen würde, denn er wollte in der Zukunft ein Teil mit Christus haben. Dieser Wunsch war mit dem Glauben an die Auferstehung des Erlösers verknüpft. Er glaubte nicht nur an seine Reinheit, sondern auch daran, dass Er auferstehen würde. Wunderbare Sache!
3) Rettung
Der Herr Jesus gab dem reumütigen und glaubenden Verbrecher eine wunderbare Antwort: «Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein» (V. 43). Der Räuber musste nicht warten, bis das Reich kommt. Sofort sicherte ihm der Heiland zu, dass er errettet war und deshalb nach seinem Tod mit Ihm im Paradies sein würde. So bekam der bekehrte Verbrecher Heilssicherheit.
Wohin ging Jesus Christus, nachdem Er gestorben war? Einerseits wurde Er ins Grab gelegt. Es ist zu wenig, wenn wir sagen, dass sein Körper begraben wurde. In Johannes 19,42 lesen wir: «Dorthin nun, wegen des Rüsttags der Juden, weil die Gruft nahe war, legten sie Jesus.» In Bezug auf seinen Körper war Jesus im Grab. Anderseits, was seine menschliche Seele und seinen menschlichen Geist betraf, ging Er ins Paradies. Wo ist das? Im dritten Himmel! Das finden wir in 2. Korinther 12,2-4. Der «dritte Himmel» ist der höchste geschaffene Himmel und drückt die Ortsbezeichnung aus. Das «Paradies» beschreibt die Atmosphäre, die dort herrscht. Es ist ein Ort der Freude und des Friedens mit dem Herrn Jesus. Dort befinden sich die entschlafenen Gläubigen.
Mit seiner Antwort sagte der Heiland dem bußfertigen Räuber: Du bist gerettet und bekommst neues Leben. Die Grundlage dafür ist das Erlösungswerk am Kreuz. Der Sohn Gottes hat diesen Verbrecher geliebt und sich selbst für ihn hingegeben.
Thomas – ein Kleingläubiger
Johannes 20,24-29
Wenn wir über Thomas nachdenken, wie er uns in der Bibel beschrieben wird, möchten wir in unseren Überlegungen mild mit ihm sein. Er war nicht dabei, als der auferstandene Herr das erste Mal in die Mitte der Jünger trat. Danach ermahnten sie ihn auf eine vorzügliche Weise. Das ist sehr lehrreich für uns. Sie fragten Thomas nicht, ob er in dieser Zeit mit etwas anderem beschäftigt gewesen war. Ich glaube nicht, dass ihn eine andere Sache davon abgehalten hatte, am Auferstehungstag mit den Jüngern zusammen zu sein. Vermutlich war er zu traurig. Er verstand nichts mehr und blieb deshalb zu Hause.
Da sagten ihm die anderen Jünger: «Wir haben den Herrn gesehen» (V. 25). Auf diese nachahmenswerte Ermahnung reagierte Thomas sehr heftig. Er glaubte ihnen kein Wort. Er wollte auch das, was der Herr selbst gesagt hatte, nicht annehmen. Jesus Christus hatte doch den Jüngern erklärt, dass Er wieder zu ihnen kommen würde (Mk 14,28; Joh 16,22). Doch Thomas glaubte es nicht. Diese Erfahrung machen wir ebenfalls. Auch wenn wir so gut ermahnen würden wie die Jünger damals, was bei uns leider nicht immer der Fall ist, wird eine Ermahnung in aller Regel zuerst negativ aufgenommen. Trotzdem hat sie oft eine Wirkung. So war es auch bei Thomas. Als der Herr acht Tage später wieder zu den Jüngern kam, befand er sich bei ihnen.
Ein persönliches Wort
Nachdem der Herr die Seinen mit «Friede euch!» begrüsst hatte, sprach Er Thomas persönlich an (V. 27). Es ist beeindruckend, dass Jesus Christus nicht mit Johannes zu reden begann. Das würde man erwarten. Dieser Jünger verstand den Herrn wahrscheinlich am besten. Obwohl er vermutlich der Jüngste war, stand er dem Heiland sehr nahe und genoss dessen Liebe. Das ist eine Ermunterung für junge Gläubige.
Aber der Herr sprach als Erstes den kleingläubigen Thomas an. Das ist auch für uns wichtig. In der Wortverkündigung will Er zuerst die Schwachen erreichen. In dem Mass, wie wir an die schwachen Gläubigen denken, haben wir die Zustimmung unseres Herrn. Jesus Christus holte Thomas dort ab, wo er stand. Der Meister konnte sich vollkommen in die Situation seines Jüngers hineindenken. Er wusste, dass Thomas gesagt hatte: «Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meinen Finger in das Mal der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, so werde ich nicht glauben» (V. 25). Darauf nahm Er nun Bezug und forderte Thomas auf: «Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite» (V. 27).
Die durchbohrten Hände des Herrn sprechen von den Leiden, die Er am Kreuz vonseiten der Menschen und vonseiten Gottes erduldete. Seine Hände werden ewig durchbohrt sein. Petrus schreibt in seinem zweiten Brief, dass einmal alle gottlosen Werke verbrannt werden (2. Pet 3,10). Aber die Tat der gottlosen Menschen, die Jesus Christus gekreuzigt haben, wird durch die Wundmale in seinen Händen für immer in Erinnerung bleiben. Durch die Aufforderung des Herrn konnte Thomas an den durchbohrten Händen erkennen, dass der Herr Jesus für ihn gelitten hat. Auch uns werden diese Wundmale ewig an die Leiden erinnern, die der Heiland für uns erduldet hat.
Als der Soldat die Seite des Erlösers durchbohrte, war das Werk schon vollbracht. Blut und Wasser kam heraus, was auf die segensreichen Ergebnisse seines Todes hinweist. Ich möchte drei Resultate vorstellen, die Thomas zugutekamen und auch heute jedem zugesprochen werden, der an den Herrn Jesus glaubt:
1) Ein Werk für Thomas
Das ist die Sühnung seiner Sünden vor Gott. Davon spricht das Blut. Als Thomas noch nicht bekehrt war, standen alle seine Sünden vor dem heiligen Gott. Dieser sah sie und forderte dafür eine Sühnung. Thomas konnte sie nicht erbringen. Da vollbrachte der Heiland das Werk am Kreuz und tilgte damit die Schuld seines Jüngers vor Gott. Alle seine Sünden sind für immer vor den heiligen Augen Gottes ausgelöscht worden. Das ist eine grosse Gnade, die jedem Glaubenden gilt. Sind wir dem Herrn Jesus dankbar dafür? Vergessen wir nie: Er hat sein Blut gegeben, um unsere Sünden vor Gott auszutilgen!
2) Ein Werk in Thomas
Das ist die Neugeburt. Darauf weist das Wasser hin. Gott schuf ein neues Leben in ihm (Joh 3,5). Er tat es auf der Grundlage des Erlösungswerks, das Jesus Christus am Kreuz vollbracht hat (Joh 3,16). Gott wirkte auch in uns, als wir Buße taten und an den Herrn Jesus glaubten, und schenkte uns neues, ewiges Leben.
3) Ein Werk mit Thomas
Gott brachte ihn auf ein neues Terrain. Vor seiner Bekehrung befand er sich auf dem Boden der Sünder, danach stand er auf dem Boden der Erlösten, weil Gott ihn in diese neue Stellung versetzt hat. Ein Beispiel verdeutlicht diese Wahrheit, die auch für uns gilt. Wenn ich mich auf eine Reise ins Ausland mache, stehe ich zunächst auf schweizerischem Boden. Aber an der Grenze zu Deutschland findet ein Wechsel des Terrains statt. Danach stehe ich auf deutschem Boden. Ein solches Werk geschah mit uns bei der Bekehrung, und zwar auf der Basis der vollbrachten Erlösung am Kreuz.
Ich möchte diesen dritten Punkt noch etwas näher beleuchten: Wir sind vom Boden der Sünder auf den Boden der Erlösten oder auch vom Boden der ersten Schöpfung auf den Boden der neuen Schöpfung gestellt worden. Diese Tatsache wird in Titus 3,5 die «Waschung der Wiedergeburt» genannt. Es geht bei diesem Begriff nicht um das neue Leben, das wir bekommen haben, sondern um den neuen Boden, auf den wir gebracht worden sind. Wir finden in Epheser 2,4-6, dass Gott uns mit dem Christus lebendig gemacht und in Christus mitauferweckt hat. Früher dachte ich, Paulus habe sich in der Reihenfolge geirrt. Man wird doch zuerst auferweckt und dann lebendig. Doch darum geht es hier nicht. Es handelt sich um zwei verschiedene Ergebnisse des Todes unseres Erlösers, die nacheinander vorgestellt werden: «Mit dem Christus lebendig gemacht» bedeutet, dass wir neues Leben bekommen haben. Das ist die Neugeburt. «Mitauferweckt» heisst, dass wir auf den Boden der neuen Schöpfung gestellt worden sind.
Mit dem Hinweis auf seine durchbohrte Seite zeigte der Herr Jesus seinem Jünger Thomas, wie gross und herrlich die Auswirkungen seines Todes für die Glaubenden sind. Auch wir dürfen immer wieder daran denken und uns darüber freuen.
Die Antwort
Nun antwortete Thomas: «Mein Herr und mein Gott!» (V. 28). Was für eine wunderbare Reaktion! Es ist mein Wunsch, dass wir alle so antworten. Ich spreche jetzt nicht von der prophetischen Seite, die auch wichtig ist, sondern von der persönlichen Seite. Wenn Gläubige sagen: «Mein Herr!», dann sind sie bereit, Ihm von Herzen zu gehorchen. Mit dem Ausruf «Mein Gott!» wünschen sie, mit dem Herrn Jesus Gemeinschaft zu haben. Ist das deine und meine Antwort, wenn uns der Herr Jesus seine durchgrabenen Hände und seine durchbohrte Seite zeigt?
Paulus – ein Verfolger der Versammlung
Galater 2,20
Paulus hatte den Herrn Jesus nicht am Kreuz gesehen wie Johannes. Er sah Ihn später im Himmel, aber nicht auf der Erde. Deshalb sagt er: «Was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben.» Er erfasste das Werk und die Person des Erlösers im Glauben. Das gilt auch für uns. Wir haben den Herrn Jesus nicht am Kreuz hängen sehen, aber wir haben Ihn im Glauben als unseren Retter angenommen. Er ist eine Realität für uns.
Paulus fügt hinzu: «Durch den an den Sohn Gottes.» Er glaubte, dass Jesus Christus Gott ist. Wir haben in diesem Vers eine wichtige Aussage vor uns, die wir vorsichtig und zurückhaltend erklären wollen. Gott ist unsterblich. Demnach starb der Herr Jesus als Mensch. Aber Er war am Kreuz auch Gott. So liess Er in göttlicher Kraft sein Leben als Mensch. Dazu sind wir nicht in der Lage. Ein Mensch kann sich das Leben nehmen, doch das wäre eine grosse Sünde vor Gott. Der Herr Jesus hingegen gab sein Leben kraft seines göttlichen Willens: «Ich habe Gewalt, es zu lassen» (Joh 10,18). Das wollen wir festhalten.
Paulus erklärt dann: «Der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.» Er bewunderte die Liebe des Sohnes Gottes, die sich am Kreuz zeigte, als sich der Heiland für ihn persönlich hingab. Paulus erkannte darin die Barmherzigkeit, die ihm zuteilwurde. In 1. Timotheus 1,12-17 spricht er noch einmal davon, und zwar in zweifacher Weise. Erstens erwies ihm Gott Gnade und Barmherzigkeit, als Er ihn errettete und ihm neues Leben gab. Zweitens war Paulus im Blick auf seinen Dienst ein Denkmal der Barmherzigkeit Gottes. Obwohl er zuvor ein Lästerer und Verfolger der Versammlung gewesen war, übertrug ihm der Herr eine grosse Aufgabe in seinem Werk. Das führte Paulus zu tiefer Dankbarkeit.
Schluss
Diese drei Personen zeigen ein wenig, wer gemeint ist, wenn der Herr Jesus als hebräischer Knecht sagt: «Ich liebe meine Kinder.» Da denkt Er an jeden Einzelnen von uns, die wir an den Herrn Jesus glauben. In Galater 2,20 sagt Paulus eigentlich: Wenn ausser mir kein einziger Mensch gesündigt hätte, wäre der Heiland für mich allein gestorben.
Auch ich habe diese Errettung durch Gottes Gnade ergreifen dürfen. Sie ist mir sehr kostbar. Durch Gottes Wort und durch den Heiligen Geist, der in mir wohnt, besitze ich die Gewissheit, dass ich das himmlische Ziel erreichen werde. Was wird das sein, wenn wir alle, die wir durch den persönlichen Glauben an den Heiland errettet sind, in den Himmel eintreten werden! Dann wird Er zu jedem von uns sagen: «Sieh meine Hände – für dich sind sie durchgraben worden. Sieh meine Seite – für dich habe Ich das Erlösungswerk vollbracht.» Dann werden wir vor dem Sohn Gottes, der jeden von uns so geliebt hat, niederfallen und Ihn anbeten.