Der hebräische Knecht (3)

2. Mose 21,2-6; Matthäus 13,44-46; Johannes 10,10-16

Einleitung

Christus ist der hebräische Knecht, der gesagt hat: «Ich liebe meine Frau.» In der Frau erkennen wir einen Hinweis auf die Versammlung. Sie umfasst die Gesamtheit aller Erlösten von Pfingsten bis zur Entrückung. Im Alten Testament gibt es keine einzige prophetische Aussage über die Versammlung. Sie gehört zum Geheimnis, das erst im Neuen Testament offenbart worden ist (Eph 3,1-11). Aber es gibt im Alten Testament eine ganze Anzahl prophetischer Bilder: Eva, Rebekka, Asnat usw. Diese Frauen deuten im Licht des Neuen Testaments auf die wunderbare Wahrheit der Versammlung Gottes hin.

Zwei Bilder zeigen die beiden Seiten der Versammlung, die es zu unterscheiden gilt:

  1. Rebekka verlässt in 1. Mose 24 das Elternhaus und macht eine lange Reise, um am Ziel von Isaak ins Zelt Saras geführt zu werden. Damit wird uns die himmlische Bestimmung der Versammlung Gottes veranschaulicht. Sie ist herausgerufen worden, um einmal ewig bei Christus im Himmel zu sein.
  2. Im Fest der Wochen erkennen wir die Aufgabe der Versammlung auf der Erde: Sie soll ein Zeugnis für Gott sein (3. Mo 23,15-21). Bei diesem Fest gibt es zwei Brote, obwohl es in 1. Korinther 10,17 heisst: «Ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen.» Warum? Weil für ein Zeugnis mindestens zwei nötig sind. Auch in Offenbarung 2 und 3 wird die Versammlung in ihrem Zeugnischarakter vorgestellt. In der örtlichen Darstellung ist sie ein Leuchter, der Licht für Gott verbreitet und so von Ihm zeugt.

Wenn es um die persönliche Errettung geht, steht die Barmherzigkeit Gottes im Vordergrund. Bei der Versammlung hingegen sehen wir vor allem die Hingabe des Herrn Jesus. Wir erkennen diese beiden Schwerpunkte, wissen aber, dass die Versammlung aus einzelnen Erlösten besteht. Obwohl die Bibel das Individuelle und das Kollektive unterscheidet, trennt sie es nicht voneinander. Beides gehört zusammen.

Der Herr Jesus wollte als hebräischer Knecht nicht frei ausgehen, weil Er an die Versammlung dachte, die Er liebte. Aus Hingabe an sie liess Er sein Leben. Das soll uns nun ein wenig beschäftigen.

Christus verkauft alles

Matthäus 13,44-46

In diesem Abschnitt finden wir die Versammlung als einen Schatz und als eine sehr kostbare Perle. Der Schatz betont, dass es einzelne Gläubige sind, die die Versammlung Gottes bilden. Die Perle stellt die Einheit der Versammlung dar.

Der Schatz ist im Acker verborgen. Der Acker spricht von der Welt und der Schatz stellt die Versammlung dar, wie sie aus einzelnen Erlösten besteht. Wie ein Schatz nicht zur Ackererde passt, so sind die Gläubigen der Gnadenzeit zwar in der Welt, aber nicht von der Welt (Joh 17,16). Diese Tatsache zu erkennen, ist für uns ganz wichtig.

Der Mensch, der den Schatz fand und verbarg, weist auf den Herrn Jesus hin. Er sah im ewigen Ratschluss Gottes den Wert der Erlösten, die zur Versammlung gehören. Die Wahrheit über diesen wunderbaren Schatz war während der Zeit des Alten Testaments verborgen gewesen. Erst am Pfingsttag, als die Versammlung entstand, ist der Schatz sichtbar geworden. Daraus wird klar, dass die Versammlung keine Fortführung von Israel oder ein geistliches Israel ist. Nein, sie bildet etwas ganz Neues.

In Epheser 1 sehen wir, dass Gott diesen Vorsatz in der Ewigkeit gefasst hat. Auch dort geht es um die einzelnen Gläubigen, die gemeinsam die Versammlung ausmachen: «Wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe; und uns zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens» (Eph 1,4.5). Gott sah in seinem ewigen Plan, wie die Gläubigen der Gnadenzeit in ihrer Stellung vor Ihm sein würden, und hatte Wohlgefallen daran. Auch der Sohn Gottes erkannte die Schönheit dieses Schatzes und freute sich an ihm. Wir wollen es fest in unser Herz fassen, dass die Erlösten, die zur Versammlung gehören, in den Augen des Herrn schön und wertvoll sind.

Um diesen Schatz zu bekommen, verkaufte der Herr Jesus alles, was Er hatte, und kaufte den Acker. Er kam aus der Herrlichkeit des Himmels, um als Mensch auf der Erde zu leben. Er ging hier einen Weg der Leiden und der Entbehrung. Am Ende verzichtete Er für eine Zeit auf die Ehre als Messias, um am Kreuz zu sterben. Nur so konnte Er den Acker kaufen, in dem der Schatz verborgen war. Als Christus am Kreuz sein Leben gab, erwarb Er sich die Welt, d.h. das Recht auf alle Menschen. Das finden wir in Johannes 17,2: «So wie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch …» Als Sohn Gottes stand Er immer über allen Geschöpfen. Aber als Mensch erwarb Er sich durch sein Werk am Kreuz das Anrecht auf alle Menschen. Er hat sie erkauft, aber nicht erlöst (2. Pet 2,1). Ein Mensch, der sich noch nicht bekehrt hat, gehört dem Heiland nicht an. Aber der Herr hat durch seinen Tod Anspruch auf ihn. Deshalb ist es eine Handlung des Gehorsams, wenn der Mensch Buße tut und Jesus Christus im Glauben als persönlichen Erlöser annimmt.

Der Herr Jesus hat den Acker gekauft, um den Schatz zu besitzen. So lesen wir in Johannes 17,2 weiter: «… damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe.» Er hat Vollmacht über alle Menschen. Aber die, die Gott Ihm gegeben hat, sind alle die, die in der Gnadenzeit Buße tun. Ihnen gibt Er ewiges Leben. Gemeinsam bilden sie die Versammlung.

Die eine sehr kostbare Perle zeigt uns den Gedanken der Einheit: «Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Kaufmann, der schöne Perlen sucht; als er aber eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.» Jesus Christus ist der Kaufmann – ein besonderer Titel unseres Herrn. Warum wird Er so genannt? Weil das Wort uns zeigen will, dass Er ein Fachmann von Perlen ist und ihren Wert beurteilen kann. Ich wäre dazu nicht geeignet. Als Bauer kann ich beurteilen, ob ein Land fruchtbar ist. Auf diesem Gebiet kenne ich mich ein wenig aus, aber von Perlen verstehe ich nichts. Als Kaufmann wusste der Herr Jesus, was für das Herz Gottes kostbar ist. So suchte Er schöne Perlen, bis Er die eine sehr kostbare Perle fand – die Versammlung, die einen hohen Wert für Gott hat.

Da ging Christus hin und verkaufte alles, was Er hatte, um diese sehr kostbare Perle zu erwerben. Was das für Ihn bedeutete, zeigt uns Philipper 2,5-8: «Christus Jesus …, der, da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.» Hier sehen wir, was sowohl im ersten als auch im zweiten Gleichnis vor uns steht. Es gibt zwei Stufen des Hinabsteigens: Zuerst wurde der Sohn Gottes Mensch. Dann gehorchte Er als Mensch seinem Gott bis in den Tod. Er verkaufte alles, was Er hatte, weil Er die Schönheit und Einheit der Versammlung sah. Aus Freude darüber gab Er am Kreuz sein Leben. Mit tiefer Dankbarkeit denken wir an Jesus Christus, der am Kreuz starb, um sich seine Versammlung zu erwerben.

Der Hirte gibt sein Leben

Johannes 10,10-16

In diesem Abschnitt sehen wir die Versammlung als eine Herde. Mit einem Kontrast zeigt der Herr Jesus, wie Er der gute Hirte seiner Schafe ist.

Die Bibel ist ein interessantes Buch. Sie spricht manchmal poetisch (Ps 139,7-10). Wir finden im Wort Gottes auch Ironie (2. Kor 11,5). Der Apostel Johannes macht in seinem ersten Brief absolute Aussagen, um eine Sache zu beschreiben, wie sie in sich selbst ist. In Johannes 10 wird eine Wahrheit mit einem Kontrast deutlich gemacht.

Dazu ein kleiner Vergleich: Als ich mich verlobte, ging ich mit meiner Braut in ein Juweliergeschäft, um Eheringe zu kaufen. Da legte der Verkäufer ein schwarzes Tuch auf den Tisch. Ich fragte mich, was das soll, bis er die Eheringe auf das Tuch legte. Nun merkte ich, dass er ein Kaufmann war, der seine Produkte präsentieren konnte. Auf dem schwarzen Hintergrund trat die Schönheit der goldenen Ringe besonders hervor.

Genauso spricht der Herr hier. Er legt zunächst ein tiefschwarzes Tuch hin – den Dieb. Wenn dieser aktiv wird, handelt er aus Hass. Er kommt nur, um zu stehlen und zu verderben. Vor diesem schwarzen Hintergrund zeigt der Herr Jesus seine Liebe bis in den Tod: «Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben. Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe» (V. 10.11). Er ist Mensch geworden und am Kreuz gestorben, weil Er die Gläubigen liebt, die zur Versammlung gehören. Das ist das Erste, was wir hier sehen: Die Liebe des Herrn bis in den Tod. Damit ist die Gabe des ewigen Lebens verknüpft, denn Jesus Christus ist gekommen, um den Erlösten der Gnadenzeit Leben in Überfluss zu geben. Das ist ein Leben von höchster Qualität – das ewige Leben, das uns berechtigt und befähigt, ins Haus des Vaters einzugehen (Joh 14,2-6).

Das zweite Tuch, das wir sehen, ist nicht ganz so schwarz – der Mietling. Das ist jemand, der für Geld eine Herde weidet. Dieses Bild bezieht sich auf Leute, die in der christlichen Zeit das Wort Gottes verkündigen, um Geld zu verdienen. Doch der Mietling flieht, wenn Gefahr droht. Damit beweist er seine Untreue gegenüber den Schafen, die er im Stich lässt. Auf diesem dunklen Hintergrund bezeugt der Herr seine Treue zu seinen Schafen bis in den Tod. Damit ist die Aussage in Vers 14 verbunden: «Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen.»

Der gute Hirte kennt mich durch und durch. Das ist tröstlich, aber auch ernst. Er weiss nicht nur, was ich sage und wie ich mich benehme, sondern sieht in die tiefsten Kammern meines Herzens. Warum tröstet uns diese Tatsache? Weil wir manchmal falsch eingeschätzt werden und etwas über uns gesagt wird, was nicht stimmt. Dann wissen wir: Der Herr kennt uns vollkommen und beurteilt alles richtig. Warum ist diese Tatsache ernst? Weil wir dem Sohn Gottes nichts vormachen können.

Der Hirte wird auch von den Seinen gekannt. Das bedeutet Vertrauen. Wir können uns völlig auf Ihn verlassen, denn Er hat uns bis in den Tod geliebt und ist uns bis in den Tod treu gewesen. Dann fügt der Herr hinzu: «Wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe» (V. 15). Die Beziehung, die wir jetzt zum Herrn Jesus haben, nachdem Er uns am Kreuz seine Liebe und seine Treue bewiesen hat, ist eine göttliche Beziehung.

Über den wunderschönen Vers 16 freue ich mich schon viele Jahre: «Ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.» Die Schafe aus dem Hof sind die Menschen aus dem Volk Israel, die zum Glauben gekommen sind und die der Hirte aus dem Judentum herausgeführt hat (Joh 10,1-4). Der Hirte hat noch andere Schafe, die nicht aus dem jüdischen Hof sind. Es sind die Menschen aus den Nationen, die an den Erlöser glauben und errettet sind.

Auch diese Schafe muss der Hirte bringen, denn sie sollen nach göttlichem Plan ebenfalls zu seiner Herde gehören. Das göttliche Muss finden wir immer wieder in der Bibel: «Er musste aber durch Samaria ziehen» (Joh 4,4). «Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?» (Lk 24,26).

«Es wird eine Herde, ein Hirte sein.» Der Hirte führt seine Herde nicht in einen neuen Hof. Der jüdische Schafhof war da, um das Volk Israel zusammenzuhalten. Das Gesetz war eine Zwischenwand der Umzäunung (Eph 2,14-16). Als Wand verhinderte es, dass die Heiden einfach Zugang hatten. Als Zaun sorgte das Gesetz dafür, dass die Israeliten nicht weglaufen konnten. Auf diese Weise hielt Gott sein irdisches Volk zusammen. Wie vereinigt Er jetzt die Gläubigen aus den Nationen und aus den Juden, die miteinander die Versammlung bilden? Durch die Anziehungskraft des einen Hirten! Die Versammlung Gottes als Herde wird nicht durch einen Zaun oder eine Mauer zusammengehalten. Wenn die Versammlung jedoch mit einer Stadt verglichen wird, gibt es sehr wohl eine Mauer. Sie unterscheidet klar zwischen dem, was drinnen ist, und dem, was draussen ist. Die Mauer ist aber nicht da, um die Schafe zusammenzuhalten. Das tut der Hirte. Was soll uns noch miteinander verbinden, wenn uns nicht der Hirte zusammenhält? Die Anziehungskraft des Herrn Jesus, der aus Liebe und Treue in den Tod ging, steht hier vor uns.

Dazu passt eine Aussage, die ein Glaubensmann vor vielen Jahren gemacht hat: Einmal kam ein Christ zu mir und predigte mir etwas, was nicht biblisch war. Danach sagte mir ein Bruder, dass dieser Christ ein ganz treuer Mann wäre. Ich erwiderte ihm: Es kann sein, dass er treu ist, aber er ist nicht für mich gestorben. Der Herr Jesus ist für mich gestorben, deshalb tue ich das, was Er sagt. Darum geht es. Wir kommen als Versammlung zusammen, weil wir unserem Herrn gehorchen möchten, der für uns sein Leben gelassen hat. Wir versammeln uns in seinem Namen, weil wir den Wunsch haben, in seiner Gegenwart zu sein. Er ist der Anziehungspunkt. In dem Mass, wie wir dem Herrn Jesus persönlich nahe sind, sind wir Ihm auch gemeinsam nahe, wenn wir als Versammlung zusammenkommen. Es gibt eine Herde und einen Hirten.