Winke und Anregungen zum Bibelstudium (1)

Notwendigkeit und Voraussetzungen

Studium ist nötig

Wenn wir die Bibel verstehen und ihren Inhalt aufnehmen wollen, müssen wir sie sorgfältig und systematisch erforschen. Ein nur gelegentliches, zielloses Lesen der Schrift bringt dem Leser keinen grossen Nutzen. Nur lesen und nicht darüber nachdenken kann schlecht als Studium bezeichnet werden und bringt einen auch nicht weiter.

Studium heisst, unsere Gedanken auf einen Gegenstand richten, und uns mit Eifer dieser Sache widmen. Zum Studium gehört auch gründliches Nachdenken. Das gilt für jedes Fachgebiet. Wir Christen sollten niemals vergessen, dass die Bibel in ähnlicher Weise studiert werden muss, wenn wir ihre Lehren und Unterweisungen erfassen und verstehen wollen. Dennoch ist mehr als verstandesmässiges Studium nötig, um den Sinn und die Bedeutung der Heiligen Schriften zu verstehen.

In 2. Timotheus 2,15 ermahnt Paulus sein Kind im Glauben: «Befleissige dich, dich selbst Gott bewährt darzustellen als einen Arbeiter, der sich nicht zu schämen hat, der das Wort der Wahrheit recht teilt.» Der Ausdruck «das Wort der Wahrheit recht teilen» schliesst die Notwendigkeit eines sorgfältigen Untersuchens des Wortes Gottes mit ein. Man muss mit der Bibel vertraut sein und ihren ganzen Anwendungsbereich verstehen, um dann ihre Wahrheiten in Bezug auf die Juden, die Nationen und die Versammlung Gottes recht zu teilen oder auseinander zu halten (1. Kor 10,32). Man kann kein bewährter Arbeiter sein, wenn man die Gedanken Gottes, wie sie in seinem Wort offenbart sind, nicht kennt. Diese Erkenntnis erlangt man durch fleissiges Erforschen des Wortes unter Gebet und durch eifriges Praktizieren im persönlichen Leben.

Studium bedeutet, über eine Sache nachsinnen. Wir haben eine Anzahl Stellen in der Bibel, wo von nachsinnen über Gottes Wort und bedenken, was Er gesagt hat, die Rede ist. Paulus schrieb an Timotheus: «Bedenke dies sorgfältig; lebe darin, damit deine Fortschritte allen offenbar seien.» (1. Tim 4,15). Zudem wünschte er: «Halte an mit dem Vorlesen, mit dem Ermahnen, mit dem Lehren» (Vers 13). Und in seiner letzten Botschaft an sein geliebtes Kind im Glauben schrieb er, nachdem er ihm wichtige Wahrheiten und Anweisungen mitgeteilt hatte: «Bedenke was ich sage; denn der Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen» (2. Tim 2,7). Diese Verse fordern uns auf, über Gottes Wort nachzusinnen, uns ihm zu widmen (siehe Fussnote 1. Tim 4,13) und es zu bedenken. Nichts anderes als ein solches Studium wird echtes geistliches Wachstum und Verständnis im Wort Gottes hervorbringen.

In dem wunderbaren 119. Psalm spricht der Schreiber mehrere Male vom Sinnen über Gottes Vorschriften und Satzungen. «Über deine Vorschriften will ich sinnen und achthaben auf deine Pfade» (Vers 15). «Verständiger bin ich als alle meine Lehrer, denn deine Zeugnisse sind mein Sinnen» (Vers 99). Die Folge ist Verständnis und geistliches Erfassungsvermögen.

Doch wir dürfen beim Studium von Gottes Offenbarung der Wahrheit nicht bei den Übungen des Verstandes und des Herzens stehen bleiben. Der Psalmist fährt fort und sagt: «Mehr Einsicht habe ich als die Alten, denn deine Vorschriften habe ich bewahrt» (Vers 100). Wenn wir nach den Satzungen Gottes handeln und das, was wir durch das Studium seiner Gedanken und seines Willens gelernt haben, praktisch ausleben, werden wir wachsen in der Erkenntnis. Wir besitzen dann nicht nur theoretisches Kopfwissen, sondern Erkenntnis, die sich auf praktische Erfahrung gründet.

Absolut notwendige Voraussetzungen

Bevor wir dazu übergehen, Anregungen zur Art und Weise des Bibelstudiums zu geben, müssen wir ein paar Bemerkungen über das machen, was wahrem Bibelstudium durchaus vorausgehen muss.

1. Buße und Neugeburt sind unbedingt notwendig, wenn wir Gottes Gedanken, wie sie uns in seinem Wort offenbart sind, erfassen wollen, denn «die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht untertan, denn sie vermag es auch nicht» (Röm 8,7). Ein unbekehrter Mensch ist «verfinstert am Verstand, entfremdet dem Leben Gottes» (Eph 4,18). Satan hat sein Herz verblendet. «Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird» (1. Kor 2,14). Der scharfsinnigste und intelligenteste Mensch ist, solange er nicht wiedergeboren ist, vollkommen blind in Bezug auf die Bedeutung der Schriften.

Kein Grad von Bildung kann dem, der «in Feindschaft gegen Gott» lebt, Verständnis über die Bibel geben. Zuerst muss «die Buße zu Gott und der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus» (Apg 20,21) vorhanden sein und ein erneuerndes Werk des Heiligen Geistes in der Seele geschehen, bevor die Dinge Gottes aufgenommen werden können. Das heisst nun nicht, dass man die Ungläubigen nicht dazu anregen sollte, das Wort zu lesen oder zu hören. «Die Eröffnung deiner Worte erleuchtet», und die Neugeburt erfolgt durch das Wort und den Heiligen Geist (Ps 119,130; 1. Pet 1,23). Nichtsdestoweniger kann nur der Wiedergeborene die Bibel verstehen, d.h. das was über die Anfangswahrheiten des Evangeliums hinausgeht.

2. Wir müssen uns daran erinnern, dass der Heilige Geist der Verfasser der Schriften ist. Nur Er kann der Seele deren Bedeutung übermitteln. Diese göttliche Person wohnt in jedem Gläubigen, um ihn in die ganze Wahrheit zu leiten (Joh 14,17; 16,13-15). Er erleuchtet den Verstand und das Herz der Kinder Gottes und führt uns ein in die Dinge Christi und in die Schönheiten und Vollkommenheiten des unbegrenzten Wortes Gottes.

Keine Methode des Bibelstudiums kann die Leitung des Heiligen Geistes bei der Untersuchung der Schriften ersetzen. Jede noch so vollkommene Hilfe für das Bibelstudium ist wertlos, wenn sie unabhängig vom Heiligen Geist angewandt wird. Er allein kann uns den Schlüssel zur Einteilung der Bibel schenken und uns Schritt für Schritt in die Erkenntnis ihres grossen Planes leiten. Aber der Geist benützt menschliche Werkzeuge, um seine Weisheit mitzuteilen und den Kindern Gottes im Verstehen des Wortes zu helfen. Doch wollen wir die herrliche Tatsache der Innewohnung des Heiligen Geistes in jedem Gläubigen nie aus den Augen verlieren. Er allein ist zuständig, uns in das Wort zu führen. Er hat es inspiriert; Er ist auch der grosse Lehrer, der es erklärt.

3. Möchten wir auch nicht vergessen, dass unser Studium in einem Geist der Ehrfurcht, des Gebets und der Abhängigkeit von Gott erfolgen sollte. Jede Unabhängigkeit und jedes Vertrauen auf menschliche Weisheit muss weggetan werden. Unsere eigene Unwissenheit über Gottes Wort sollte uns ins Gebet vor den treiben, der gesagt hat: «Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft, und sie wird ihm gegeben werden» (Jak 1,5).

Gebet und das Wort Gottes sind in der Schrift miteinander verbunden, und wir dürfen sie nicht trennen. Die Zwölf sagten: «Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren» (Apg 6,4). Nach der Erwähnung des sechsten Stückes der Waffenrüstung des Christen – «das Schwert des Geistes, das Gottes Wort ist» – ermahnt Paulus: «zu aller Zeit betend mit allem Gebet» (Eph 6,17.18). Dem Timotheus schreibt der gleiche Apostel: «Jedes Geschöpf Gottes ist gut … wenn es mit Danksagung genommen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet» (1. Tim 4,4.5).

Lasst uns also unser Studium in Verbindung mit Gebet betreiben. Wir meinen dabei nicht, dass man jedes Mal zuerst beten und dann über das Wort nachdenken soll und umgekehrt, obwohl auch das gut ist. Wir denken mehr an die Notwendigkeit, unser Studium in einem Geist des Gebets, im Bewusstsein unserer eigenen Unfähigkeit und ohne Selbstvertrauen, aber in Abhängigkeit von Gott, auszuüben. Unsere Haltung sollte mit der des Psalmisten übereinstimmen: «Öffne meine Augen, damit ich Wunder schaue in deinem Gesetz!» (Ps 119.18). Das bewahrt uns vor nur verstandesmässigem Wissen und Formalismus und erhält die Seele frisch und in Gemeinschaft mit Gott. Es besteht immer die Gefahr, dass wir Wahrheiten festhalten ohne in Gemeinschaft mit Gott zu leben oder Wahrheiten weitergeben, die wir selbst nicht erfahren haben. Nur ein Studium in Gemeinschaft mit Gott ist wirklich von Nutzen.

Wenn wir das Wort aufschlagen, finden wir es oft mühsam, unsere Gedanken zu sammeln und sie auf den vor uns liegenden Abschnitt oder Gegenstand zu richten. Wäre es nicht gut, den Herrn zu bitten, dass Er uns hilft, unsere Aufmerksamkeit auf unser Studium zu richten? Vielleicht begegnen uns gerade am Anfang einige schwierige Punkte. Wir wollen Ihn bitten, sie uns zu erklären. Wenn wir so durch unser Studium gehen, wird die Verbindung zwischen Nachdenken und Gebet gesegnete Folgen haben.