Christus in den Psalmen (9)

Psalm 110

9. Psalm 110

«Du bist Priester in Ewigkeit»

Nachdem das Werk am Kreuz vollbracht war, «wurde der Herr in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes» (Mk 16,19). So wird Er uns in diesem Psalm vorgestellt (V. 1), und das wird besonders auch im Hebräerbrief betont: «Nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkte, hat er sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe» (Heb 1,3). Durch das, was Er litt, lernte Er den Gehorsam. Er erfuhr, was dies für einen vollkommenen Menschen auf der Erde bedeutete. Er hat in allem den Willen Gottes erfüllt und, von Gott begrüsst, ist Er Hoherpriester geworden, nicht auf der Erde, sondern im Himmel (Heb 5,8-10; 8,4). Die Kürze des Lebens hinderte die Hohenpriester des alten Bundes am Bleiben; der Tod erreichte sie alle nach und nach. Er aber, weil Er ewig bleibt, hat das Priestertum, das sich nicht übertragen lässt. Jene Priester des alten Bundes standen täglich da, um den Dienst zu verrichten; Er aber hat sich auf immerdar gesetzt, weil das Werk vollkommen vollbracht ist (Heb 10,11-12). So betrachtet Ihn der Psalmist durch den Geist Gottes im Voraus.

Unter den 7 Zitaten aus diesem Psalm, die wir im Neuen Testament wiederfinden, gibt es solche, die der Herr sich selbst zuschreibt, ein Beweis, dass diese Prophezeiung wirklich Ihn betrifft (Lk 20,42). Er war damals auf dieser Erde, seine Botschaft der Gnade wurde verworfen; aber Er sah im Voraus, dass Er sich zur Rechten der Majestät setzen würde. Später werden seine Feinde als Schemel seiner Füsse gelegt werden.

Was die Vergangenheit betrifft, wird in Psalm 109,31 gesagt: «Er stand zur Rechten des Armen.» War nicht Jesus selbst dieser Arme? Die Menschen verwarfen Ihn, aber Gott war zu seiner Rechten. – Gemäss Philipper 2,9 bezieht sich der erste Vers unseres Psalms auf die Gegenwart: Als Folge seines Gehorsams bis zum Tod am Kreuz hat Gott Ihn hoch erhoben. Aber die Feinde liegen noch nicht zu seinen Füssen. Das wird später sein: «Der Herr zu deiner Rechten zerschmettert Könige am Tag seines Zornes» (V. 5). – Gestern stand der HERR zur Rechten des Armen; heute hat Er Ihn zu seiner Rechten gesetzt; morgen wird Er zu seiner Rechten sein, um die Nationen zu richten.

In Psalm 40 «neigt sich» Gott zu dem, den Er am Kreuz hatte verlassen müssen, und führt Ihn herauf aus der Grube des Verderbens, um seine Füsse auf den Felsen der Auferstehung zu stellen (Ps 40,2.3). Im ersten Vers von Psalm 110 können wir mit dem prophetischen Blick vielleicht den Vater erkennen, der seinen Sohn vom Ölberg zu sich hinauffahren sieht und Ihn auffordert, sich zu seiner Rechten zu setzen. Christus wird den Stab der Macht, ein Volk voller Willigkeit, die heilige Pracht empfangen. Aber Er ist nicht nur deswegen in die Herrlichkeit eingegangen, sondern, wie oben gesagt: «nach der Kraft eines unauflöslichen Lebens» (Heb 7,16), um Hoherpriester in Ewigkeit zu werden, nach der Ordnung Melchisedeks, dieser geheimnisvollen Persönlichkeit, die in 1. Mose 14,18-20 erscheint, um Abram zu segnen und ihn vor den weiteren Versuchungen des Königs von Sodom zu bewahren. Der Patriarch gibt ihm den Zehnten von allem. Hebräer 7,1-10 spricht wieder von Melchisedek und macht klar, dass er gleichzeitig König und Hoherpriester ist – König des Friedens –, dem Sohn Gottes verglichen.

In seiner Gnade beschäftigt sich unser Hoherpriester gegenwärtig im himmlischen Heiligtum mit denen, die Er erlöst hat und die Ihm angehören. Er wartet auf den Augenblick, wo Er, auf Anordnung des Vaters, selbst vom Himmel herabkommen wird, um seine Versammlung, die Er vor der Stunde der Versuchung bewahrt, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, wegzunehmen. Aber der Tag wird rasch folgen, da «seine Feinde als Schemel für seine Füsse hingelegt werden» (siehe Josua 10,24), da Er die Könige zerschmettern und die Nationen richten wird (V. 5-6).

Der letzte Vers erinnert uns daran, dass «er auf dem Weg aus dem Bach trinken und darum das Haupt erheben wird». Das Wasser des Baches kommt von oben, wie der Heilige Geist, um dem Kämpfenden Erfrischung zu bringen, damit er dann im Kampf das Haupt erheben kann. Gemäss der Prophezeiung in 1. Mose 3,15 hat der Herr Jesus am Kreuz der Schlange den Kopf zermalmt; Er hat über alle seine unsichtbaren Feinde triumphiert (Kol 2,15). Satan hat Ihm die Ferse zermalmt: Er ist in den Tod gegangen; aber «durch den Tod hat er den besiegt, der die Macht des Todes hatte». So konnte Er am Tag der Auferstehung sehr wohl «das Haupt erheben» und nachher zum Himmel emporgehoben werden, um sich zur Rechten Gottes zu setzen und dieses himmlische Priestertum auszuüben, das auf der Erde nicht sein Teil war.

Man kann auch daran denken, dass man, um das Wasser des Baches zu trinken, den Kopf neigen muss. Wie manches Mal hat unser Herr das in seinem Erdenleben getan, zum letzten Mal am Kreuz von Golgatha (Joh 19,30), während Er in seinem Leben keinen Ort hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte.1 Und Vers 7 fügt hinzu: «Darum wird er das Haupt erheben», wie Philipper 2,9 ausdrückt: «Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben.»

Unter Lebensgefahr sind die drei Helden Davids gegangen, Wasser aus der Zisterne von Bethlehem zu schöpfen, um ihrem Anführer Erfrischung zu bringen (2. Sam 23,13-17). Wird unser Herr nicht erfrischt, wenn Er die Seinen, Alt und Jung, um Ihn versammelt sieht, um etwas aus seinem Wort zu empfangen und Ihm ihre Liebe zu bezeugen?

  • 1Im Griechischen das das gleiche Wort wie «neigen».