Der Brief an die Epheser (6)

Epheser 2,19-22; Epheser 3,1-5

Verse 19-22

Bis dahin haben wir die Versammlung als den Leib Christi betrachtet, aber in den Wegen Gottes auf der Erde wird sie noch unter anderen Gesichtspunkten gesehen. Zwei davon werden in den Schlussversen des Kapitels vor uns gestellt. Zuerst wird die Versammlung gesehen, wie sie zu «einem heiligen Tempel im Herrn» wächst; und dann als «eine Behausung Gottes».

Im ersten Gesichtspunkt gleicht die Versammlung einem wachsenden Gebäude, das zu einem heiligen Tempel im Herrn wird. Die Apostel und Propheten bilden die Grundlage, wobei Christus selbst der tragende Eckstein ist. Während der ganzen christlichen Haushaltung werden Gläubige als Stein um Stein hinzugefügt, bis der letzte Gläubige dazugekommen ist und das vollständige Gebäude in Herrlichkeit zur Schau gestellt wird. Das ist der Bau, von dem der Herr in Matthäus 16,18 sagt: «Ich will meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen.» Christus selbst baut, nicht der Mensch. Deshalb ist alles vollkommen. Dieser heilige Bau besteht nur aus lebendigen Steinen. Petrus gibt uns die geistliche Bedeutung dieses Bauwerks, wenn er uns sagt, dass die lebendigen Steine zu einem geistlichen Haus aufgebaut sind, um Gott geistliche Schlachtopfer darzubringen und die Vortrefflichkeiten Gottes darzustellen (1. Petrus 2,5.9). In Offenbarung 21 sieht Johannes ein Gesicht des vollständigen Baues, wie er aus dem Himmel herabkommt von Gott und mit der Herrlichkeit Gottes strahlt. Dann werden in der Tat von diesem herrlichen Bauwerk unaufhörlich Opfer des Lobes zu Gott aufsteigen, und zu den Menschen wird ein vollkommenes Zeugnis von den Tugenden Gottes ausgehen.

Dann stellt der Apostel, indem er immer noch das Bild eines Gebäudes verwendet, einen anderen Gesichtspunkt der Versammlung vor (Vers 22). Nachdem er die Heiligen betrachtet hat, wie sie zu einem wachsenden Tempel zusammengebaut werden, sieht er sie jetzt, wie sie bereits ein fertiges Haus bilden, zum Wohnort Gottes durch den Geist. Hier werden alle auf der Erde lebenden Gläubigen gesehen, wie sie zu jeder Zeit die Behausung Gottes bilden. Gläubige aus den Juden und Nationen sind zusammen «mitaufgebaut», um diese Behausung zu formen. Der Wohnort Gottes ist gekennzeichnet durch Licht und Liebe. Deshalb ermahnt uns der Apostel, wenn er zu dem praktischen Teil des Briefes kommt, «wandelt in Liebe» und «wandelt als Kinder des Lichts» (Eph 5,2.8). Das Haus Gottes ist somit ein Ort des Segens und des Zeugnisses, ein Ort, wo die Heiligen mit der Gunst und Liebe Gottes gesegnet werden. In dieser Weise gesegnet, sind sie ein Zeugnis gegenüber der sie umgebenden Welt. Im Epheser-Brief wird uns die Behausung Gottes gemäss den Gedanken Gottes vorgestellt. Deshalb wird nur das erwogen, was wirklich ist. Andere Schriftstellen zeigen, wie diese Wohnstätte unter der Hand der Menschen leider verdorben worden ist, bis wir schliesslich lesen, dass das Gericht bei dem Haus Gottes anfangen muss (1. Pet 4,17).

Wir haben also in diesem Kapitel eine dreifache Darstellung der Versammlung:

  • Zuerst wird die Versammlung als der Leib Christi gesehen, der aus Gläubigen aus den Juden und aus den Nationen besteht, die mit Christus in der Herrlichkeit vereinigt sind. Sie bilden so einen neuen Menschen, um Christus als den auferstandenen Menschen, das Haupt über alle Dinge, darzustellen. Lasst uns daran denken, dass die Versammlung nicht nur «ein Leib», sondern «sein Leib» ist, wie wir auch lesen: «die Versammlung, die sein Leib ist». Als sein Leib macht die Versammlung seine Fülle aus; erfüllt mit allem, was Er ist, bringt sie zum Ausdruck, was Er ist. Die Versammlung, sein Leib, soll der Ausdruck seiner Gedanken sein, gerade so wie unsere Körper dem Ausdruck geben, was in unseren Gedanken ist.
  • Zweitens wird die Versammlung vorgestellt als ein wachsender Tempel, der aus allen Heiligen der gesamten christlichen Zeitperiode besteht. Darin werden Opfer des Lobes zu Gott aufsteigen und die Vortrefflichkeit Gottes den Menschen dargestellt werden.
  • Drittens wird die Versammlung als ein vollständiges Gebäude auf der Erde gesehen, das in jedem Augenblick aus allen lebenden Gläubigen gebildet wird. Es ist die Behausung Gottes zum Segen seines Volkes und zu einem Zeugnis gegenüber der Welt.

Gottes Weg, um seinen Vorsatz kundzutun
(Kapitel 3)

Wir haben gesehen, dass Kapitel 1 die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf die Versammlung vorstellt, während Kapitel 2 das Werk Gottes in und mit den Gläubigen zeigt, um seine Ratschlüsse zu erfüllen. Kapitel 3 stellt die Verwaltung der Wahrheit über die Versammlung vor, oder den Weg, den Gott genommen hat, um die Wahrheit den Nationen mitzuteilen, und zwar mittels des Apostels Paulus.

Vergleicht man den ersten Vers von Kapitel 3 mit dem ersten Vers von Kapitel 4, so wird klar, dass Kapitel 3 eine Einschaltung ist. Kapitel 2 stellt die Lehre vor und Kapitel 4 die Praxis, die mit dieser Lehre übereinstimmt. Zwischen der Lehre und der Praxis haben wir diese wichtige Einschaltung, in der der Heilige Geist die besondere Verwaltung oder den Dienst einführt, der dem Apostel anvertraut worden war. Im 2. und 9. Vers wird auf diesen Dienst hingewiesen als «die Verwaltung der Gnade Gottes» und als «die Verwaltung des Geheimnisses». Diese Verwaltung ist ein spezieller Dienst, der darin besteht, das Evangelium zu verkündigen und die Wahrheit unter den Heiligen bekanntzumachen. Im Verlauf dieser Einschaltung haben wir die Darstellung weiterer grosser Wahrheiten in Verbindung mit der Versammlung.

Die Auswirkung der Verkündigung der Wahrheit über die Versammlung

Verse 1,2

Der Apostel sagt uns, dass die unmittelbare Auswirkung der Verkündigung der Wahrheit von der Versammlung darin liegt, dass der, der dies in aller Öffentlichkeit tat, bei der religiösen Welt in Verruf kam. Diese grosse Wahrheit erregte die besondere Feindschaft der Juden, denn sie sieht nicht nur Juden und Nationen in der gleichen Stellung vor Gott – tot in Vergehungen und Sünden – sondern erhöhte den Juden in keiner Weise auf einen Platz des Segens über die Nationen. Weiter sahen sie, dass die Wahrheit von der Versammlung das ganze jüdische System, mit seiner Anziehungskraft auf den natürlichen Menschen durch einen äusserlichen Gottesdienst in materiellen Tempeln, auf die Seite stellte. Das weckte den Widerstand derer, die dieses System hochhielten. Wie damals, so ist es heute. Das Aufrechthalten der Wahrheit von der Versammlung, wie sie dem Apostel Paulus offenbart wurde und er sie verkündigte, bringt Schmach und Widerstand vonseiten derer mit sich, die ein äusserliches religiöses Bekenntnis oder ein kirchliches System nach jüdischem Muster festhalten wollen.

Damals erregte die Ausübung dieses besonderen Dienstes, durch den das Evangelium der Gnade Gottes den Nationen verkündigt wurde, die Bosheit der voreingenommenen Juden und brachte den Apostel ins Gefängnis. Nach der Meinung der Juden durfte ein Mann, der davon sprach, zu den Nationen zu gehen, nicht am Leben bleiben (Apg 22,21.22). Paulus hingegen betrachtete sich nicht als ein Gefangener der Menschen für irgendeine böse Tat, sondern als ein Gefangener Jesu Christi, aufgrund seines Dienstes der Liebe, indem er den Nationen die Wahrheit bekanntmachte.

Die Wahrheit von der Versammlung wurde durch Offenbarung kund gemacht

Verse 3,4

Damit wir die Wahrheit von der Versammlung auf dem Boden göttlicher Autorität empfangen möchten, ist der Apostel sorgfältig bemüht, zu erklären, dass er seine Kenntnis «des Geheimnisses» der Versammlung nicht durch Übermittlung von Menschen erworben habe. Er hat sie direkt von Gott durch Offenbarung erhalten, wie er es selbst sagt: «… dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist.» Diese Tatsache begegnet einer Schwierigkeit, die in Verbindung mit der Wahrheit des Geheimnisses aufsteigen könnte. Als Paulus das Evangelium in den jüdischen Synagogen verkündigte, berief er sich beständig auf die Schriften (siehe Apg 13,27.29.32.35.47; 17,2 etc.). Und die Juden von Beröa wurden besonders gelobt, weil sie die Schriften untersuchten, um zu sehen, ob das Wort, das Paulus predigte, in Übereinstimmung damit war. Aber sobald der Apostel begann, die Wahrheit von der Versammlung zu lehren, konnte er sich zur Bestätigung nicht länger mehr auf das Alte Testament berufen. Für seine Hörer wäre es nutzlos gewesen, die Schriften zu untersuchen, ob es sich so verhielte. Der Unglaube der Juden machte es ihnen sogar schwer, viele der Wahrheiten anzunehmen, die in ihren Schriften enthalten waren, wie z.B. Nikodemus die Wahrheit der neuen Geburt nicht erfasste. Aber etwas anzunehmen, das sich nicht in ihren Schriften fand und das das ganze bestehende jüdische System auf die Seite stellte, das mit der Zustimmung Gottes während Jahrhunderten existiert hatte, das war für den Juden als solchen eine unüberwindliche Schwierigkeit.

Viele Christen können diese Schwierigkeit kaum einschätzen, weil die Wahrheit von der Versammlung in ihren Gedanken weitgehend verdunkelt oder sogar ganz verlorengegangen ist. Indem sie die Versammlung oder Kirche als die Summe der Gläubigen betrachten, und zwar durch alle Zeiten hindurch, haben sie keine Mühe, das zu finden was sie glauben, dass die Kirche schon im Alten Testament war. Dass dieser Gedanke bei gottesfürchtigen Männern vorhanden war, wird durch die Überschriften bewiesen, mit denen in älteren Übersetzungen viele Kapitel im Alten Testament betitelt wurden. Sobald wir aber die Wahrheit über die Versammlung annehmen, wie sie uns im Epheser-Brief enthüllt wird, sehen wir uns sofort dieser Schwierigkeit gegenübergestellt. Ihr kann nur mit der Tatsache begegnet werden, dass die Wahrheit von der Versammlung eine völlig neue Offenbarung ist.

Vers 5

Paulus bezeichnet diese grosse Wahrheit, die er durch Offenbarung empfing, als «das Geheimnis» und in Vers 4 als «das Geheimnis des Christus». Indem der Apostel den Ausdruck «Geheimnis» benutzt, will er damit nicht den Gedanken von etwas Geheimnisvollem vermitteln was ein rein menschlicher Gebrauch des Wortes ist. In der Schrift ist ein Geheimnis etwas, das bis dahin verborgen gehalten wurde und nur durch Offenbarung kundgemacht werden konnte und nur durch Glauben erfasst werden kann. Der Apostel fährt fort zu erklären, dass dieses Geheimnis den Söhnen der Menschen in den Tagen des Alten Testaments nicht kundgetan, jetzt aber den heiligen Aposteln und Propheten Christi in der Kraft des Geistes offenbart worden ist. Die Propheten, auf die in diesem Vers Bezug genommen wird, sind ganz klar keine alttestamentlichen, sondern vielmehr jene, die in Kapitel 2,20 erwähnt sind. In beiden Fällen lautet die Reihenfolge «Apostel und Propheten», und nicht «Propheten und Apostel», wie man erwartet hätte, wenn es sich um alttestamentliche Propheten handelte. Darüber hinaus spricht der Apostel von dem, was «jetzt» offenbart worden ist, im Gegensatz zu dem, was früher enthüllt worden war.