Der Wandel des Gläubigen (Kapitel 4,1-6,9)
Die letzten drei Kapitel des Briefes bilden den praktischen Teil, in dem der Apostel ermahnt, würdig der grossen Wahrheiten zu wandeln, die in den ersten drei Kapiteln vorgestellt wurden. Es ist zu bemerken, dass wir als Gläubige ermahnt werden, in drei verschiedenen Verbindungen in Übereinstimmung mit unseren Vorrechten und Verantwortlichkeiten zu wandeln:
- Erstens werden wir zu einem würdigen Wandel im Blick auf unsere Vorrechte in Verbindung mit der Versammlung ermahnt, da wir Glieder des Leibes Christi sind und durch den Heiligen Geist die Behausung Gottes bilden (Kap. 4,1-16).
- Zweitens werden wir als einzelne, die auf ihrem Weg durch eine böse Welt den Namen des Herrn bekennen, zu praktischer Gottseligkeit ermahnt (Kap. 4,17-5,21).
- Drittens werden wir ermahnt, in Übereinstimmung mit unseren familiären und sozialen Verbindungen, die zur Schöpfungsordnung gehören, zu wandeln (Kap. 5,22-6,9).
Der Wandel des Gläubigen in Verbindung mit der Versammlung
Vers 1
Wegen seines Zeugnisses von der Gnade Gottes zu den Nationen und der grossen Wahrheit des Geheimnisses – dass die Gläubigen aus Juden und Nationen nun einen Leib bilden und mit Christus als Haupt vereinigt sind – hatte der Apostel Verfolgung und Gefängnis erlitten. Er benützt seine Leiden um der Wahrheit willen als Beweggrund, die Gläubigen zu ermahnen, würdig ihrer grossen Vorrechte zu wandeln. Unser Leben soll mit unserer Berufung übereinstimmen. Um von diesen Ermahnungen Nutzen haben zu können, müssen wir ein klares Verständnis unserer Berufung haben. Im ersten Kapitel des Briefes wird uns die Berufung entsprechend den Ratschlüssen Gottes vor Grundlegung der Welt vorgestellt, ohne Bezug darauf, wie weit sich alles schon erfüllt hat in der Zeit oder in unseren Seelen Wirklichkeit geworden ist. Es ist der Vorsatz Gottes, dass die Gläubigen «heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe» zu seinem Wohlgefallen und zu seiner Herrlichkeit. Im zweiten Kapitel sehen wir, wie Gott gehandelt hat, um diese Berufung auf dieser Erde wirksam werden zu lassen, und zwar im Blick auf ihre vollkommene Erfüllung in den kommenden Zeitaltern.
In der Berufung Gottes sind zwei grosse Wahrheiten mit inbegriffen:
- Erstens, dass die Gläubigen zu einem Leib gebildet sind, wovon Christus das Haupt ist;
- zweitens, dass sie «mitaufgebaut werden zu einer Behausung Gottes im Geist».
Weiter lernen wir in dem Brief den gegenwärtigen Vorsatz Gottes in diesen zwei grossen Wahrheiten kennen. Wird die Versammlung als der Leib Christi gesehen, so lesen wir, dass dieser Leib «seine Fülle» ausmacht (Kap. 1,23). Auch im 13. Vers von Kapitel 4 lesen wir von «der Fülle des Christus»; und in Vers 19 des dritten Kapitels lesen wir von «der Fülle Gottes». Es ist also der Vorsatz Gottes, dass die Versammlung als Leib Christi alle moralischen Vortrefflichkeiten, die den wunderbaren Charakter Christi als Mensch bilden – seine Fülle – darstelle. Dann, als Haus Gottes, soll die Versammlung die Heiligkeit, Gnade und Liebe Gottes – seine Fülle – darstellen.
Das ist also das hohe Vorrecht, zu dem wir berufen sind: Christus auszuleben, indem wir seine Vortrefflichkeiten darstellen, um Gott in der Fülle seiner Gnade kundzumachen.
In Kapitel 3 lernen wir, dass ein angemessener Seelenzustand, um die Grösse unserer Berufung zu verwirklichen, nur in dem Mass möglich ist, wie Christus durch den Glauben im Herzen wohnt und wie Gott «in uns wirkt». Wenn Christus seinen Platz in unseren Herzen hat, werden wir es als ein grosses Vorrecht erachten, hier sein zu dürfen, um seine Wesenszüge zum Ausdruck zu bringen. Wenn Gott in uns wirkt, werden wir uns freuen, von der Herrlichkeit seiner Gnade zu zeugen.
Christus ist als verherrlichter Mensch, als unser auferstandenes Haupt im Himmel, und der Heilige Geist, eine göttliche Person, ist auf der Erde und wohnt in der Mitte der Gläubigen. Wenn uns die Herrlichkeit Christi und die Grösse der Person, die in uns wohnt, zum Bewusstsein kommt, geziemt es sich für uns, in würdiger Weise zu wandeln.
Verse 2,3
In den Versen 2 und 3 fasst der Apostel den Wandel zusammen, der unserer Berufung würdig ist. Wenn wir in der Verwirklichung unserer Vorrechte wandeln – Christus darstellen und in der Gegenwart des Geistes weilen – sollten wir durch diese sieben Eigenschaften gekennzeichnet sein: Demut, Sanftmut, Langmut, Nachsicht, Liebe, Einheit und Frieden.
Das klare Bewusstsein, vor dem Herrn und in der Gegenwart des Geistes zu stehen, muss notwendigerweise zu Demut und Sanftmut führen. Wenn wir unsere Brüder vor uns haben, mögen wir versuchen, etwas aus uns selbst zu machen, aber ist Gott vor uns, erkennen wir unsere Nichtigkeit. In seiner Gegenwart sollten wir durch Demut, die nichts von sich hält und durch Sanftmut, die den anderen Raum lässt, gekennzeichnet sein.
Demut und Sanftmut, die nichts aus sich selbst machen, führen zu Langmut und Nachsicht mit anderen. Es mag Zeiten geben, wo wir finden, dass die anderen nicht immer demütig und sanftmütig sind, aber gerade das erfordert Langmut. Wir mögen Zurücksetzungen und Beleidigung zu erdulden haben und müssen solche ertragen, die so handeln. Aber wir werden ermahnt, dieses Ertragen in Liebe auszuüben. Es ist möglich, dass man viel erträgt, aber mit einem Geist des Hochmuts, der den Bruder, der uns verletzt, mit Verachtung behandelt. Wenn wir schweigen müssen, dann lasst es in Liebe geschehen, die über ein unwürdiges Verhalten trauert.
Darüber hinaus sollen wir Fleiss anwenden, um die Einheit des Geistes in dem verbindenden Band des Friedens zu bewahren. Es ist wichtig, zwischen der Wahrheit von dem einen Leib und der Einheit des Geistes zu unterscheiden. Die Einheit des Leibes ist durch den Heiligen Geist geschaffen, indem Er die Gläubigen mit Christus und untereinander als Glieder des einen Leibes verbindet. Diese Einheit kann nicht angegriffen werden. Da ist auch «ein Geist», der die Quelle jedes rechten Gedankens, jedes wahren Wortes und jeder guten Tat ist, so dass in dem Leib eine Gesinnung vorherrschen sollte – die Gesinnung des Geistes.
Es ist diese Einheit des Geistes, die wir mit Fleiss bewahren sollen. In Wahrheit ist gesagt worden: Nach dem Geist wandeln, können wir als einzelne; aber um die Einheit des Geistes zu praktizieren, müssen wir mit anderen vorangehen.
Sobald wir begreifen, dass wir Glieder des «einen Leibes» sind, werden wir sehen, dass wir nicht als isolierte Einzelgänger vorangehen können, sondern als in einem Leib miteinander verbunden, und als solche sollten wir uns befleissigen, alle von einer Gesinnung geleitet zu werden – von der Gesinnung des Geistes. Diese Einheit des Geistes ist nicht einfach Einheitlichkeit der Gedanken, noch eine Einheit, die durch ein Abkommen oder durch gegenseitige Zugeständnisse zustande gekommen ist. Solche Einheiten können völlig an der Gesinnung des Geistes vorbeigehen.
In den ersten Tagen der Versammlung sehen wir die gesegneten Folgen von Gläubigen, die die Gesinnung des Geistes hatten. Von diesen Heiligen lesen wir, dass sie mit dem Geist erfüllt waren, was zur Folge hatte, dass sie «ein Herz» und «eine Seele» waren. Es ist offensichtlich, dass diese Einheit des Geistes nicht bewahrt worden ist. Dennoch, der Geist ist immer noch da, und es gibt immer noch die eine Gesinnung des Geistes. Deshalb bleibt auch die Ermahnung bestehen, dass wir in der Verwirklichung als Glieder des einen Leibes danach streben sollten, die Einheit des Geistes zu bewahren. Der einzige Weg, diese Einheit des Geistes aufrechtzuhalten, besteht darin, dass jeder sein Fleisch richtet. Wenn wir dem Fleisch in unseren Gedanken, Worten und Wegen Raum lassen, wird es sofort ein störendes Element hineinbringen. Jemand hat gesagt: Der Grundsatz des Fleisches ist: jeder für sich selbst. Das bringt keine Einheit zustande. In der Einheit des Geistes ist jeder für den anderen da.
Ferner sollen wir uns befleissigen, die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens zu bewahren. Das Fleisch will immer selbst zur Geltung kommen und ist bereit, mit denen zu streiten, die anderer Meinung sind. Wenn wir uns im Blick auf die Gesinnung des Geistes nicht einigen können, dann lasst uns geduldig das Wort Gottes unter der Leitung des Geistes untersuchen, und zwar in einem Geist des Friedens. Wenn zwei Gläubige nicht gleicher Ansicht sind, ist es offensichtlich, dass einer oder beide nicht die Gesinnung des Geistes haben, und die Gefahr ist gross, dass sie miteinander in Streit geraten. Wie nötig ist es also, dass das Bestreben, die Einheit des Geistes zu bewahren, in einem verbindenden Geist des Friedens geschieht. Ein anderer hat gesagt: Was vom Geist kommt, ist immer eins. Warum stimmen wir nicht immer überein? Weil unsere eigenen Gedanken wirksam sind. Wenn wir nur das hätten, was wir aus der Schrift gelernt haben, sollten wir alle gleicher Meinung sein.