Ich bin (3)

Johannes 10,11.14

Der gute Hirte

Unter den Titeln, die der Herr Jesus trägt, ist dieser wohl einer von denen, die am meisten zum Herzen sprechen, denn er bringt die Liebe und die zarte Fürsorge zum Ausdruck, die Er für seine Schafe hat. In der Tat, Er hat sein Leben für sie dargelegt, damit Er ihnen das ewige Leben in Überfluss geben könne.

Er ist der gute Hirte, weil Er für die Schafe sein Leben lässt. Die Worte «Ich lasse mein Leben», bringen die Tatsache zum Ausdruck, dass Er sich für seine Schafe freiwillig und völlig geopfert hat. Der Vater hat sie Ihm gegeben (Vers 29), so dass sie Ihm angehören und seinen teuersten Schatz darstellen. Er musste sein Leben für sie darlegen, damit sie das Leben hätten. Sie waren Ihm so wertvoll, dass Er keine Rücksicht nahm auf sein Leben: Er gab sich freiwillig für sie dahin und überwand am Kreuz Satan, den schrecklichen Wolf, der die Macht des Todes hatte (Heb 2,14.15).

Wie herzbewegend ist es, Ihn sagen zu hören: «Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, damit ich es wiedernehme» (Vers 17)! Durch seinen Sühnungstod hat Er seine Schafe nicht nur befreit und über Satan den Sieg errungen, sondern Er hat auch Gott vollkommen verherrlicht. Er, der Fürst des Lebens, musste in die Tiefen des Todes hinabsteigen, Er, der Heilige und Gerechte, wurde für uns zur Sünde gemacht und begegnete dem Gericht Gottes. Da wurde die unendliche Vollkommenheit seines Gehorsams und seiner Liebe zum Vater sichtbar. «Darum liebt mich der Vater.» Welch ein Beweggrund für die Liebe des Vaters zu seinem Sohn: Die Hingabe seiner selbst «als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch» (Eph 5,2).

Aber die Liebe des guten Hirten zu seinen Schafen zeigt sich auch in der zärtlichen Fürsorge, womit Er sie umgibt. Nachdem Er sein Leben für sie gelassen hat, beschäftigt Er sich mit ihnen; Er nährt sie, führt sie, schützt sie; Er kennt jedes persönlich, macht sich ihnen kund und führt sie in die Beziehung ein, die Er zu seinem Vater hat; schliesslich gibt Er ihnen auch die kostbare Zuversicht, dass sie nie verderben werden und dass niemand sie aus seiner Hand rauben wird. Der Herr Jesus wiederholt ein zweites Mal: «Ich bin der gute Hirte» im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Er die Seinen kennt und von ihnen gekannt ist, «wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne» (Verse 14 und 15). In der Tat, der gute Hirte und seine Schafe kennen sich gegenseitig, und diese Beziehung ist in ihrem Wesen und in ihrem Mass dieselbe wie die, die den Vater und den Sohn verbindet. Sie ist also vollkommen und unzerstörbar. Solcher Art ist die Vertrautheit, die wir mit Christus geniessen. So wie Er uns durch seinen Sühnungstod das ewige Leben erworben hat (Vers 11), so entspringt auch unser Genuss einer vollkommenen Gemeinschaft mit Ihm dem Werk des Kreuzes (Vers 15). Einmal mehr stellt uns das Wort den unendlichen Wert des Blutes Christi vor Augen, als die Grundlage aller unserer gegenwärtigen und ewigen Segnungen. Können wir uns ein herrlicheres Teil wünschen?

Die Schafe, die die Wonne einer solchen vertrauten Beziehung mit dem guten Hirten schmecken, kennen seine Stimme und folgen Ihm (Verse 4 und 27). Er geht vor ihnen her und sie finden Weide. So unverständig sie sein mögen, so wissen sie doch inmitten der Verwirrung der zahllosen Stimmen, die an ihr Ohr dringen, die Stimme des guten Hirten zu unterscheiden. Und dies genügt ihnen: Sie folgen dieser einzigen bekannten Stimme, der Quelle der Freude, des Friedens und der Sicherheit. Jede andere Stimme erweckt Misstrauen in ihnen. «Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen» (Vers 5). So werden wir vor dem Abirren bewahrt: Folgen wir dem Herrn Jesus, indem wir auf seine Stimme hören, so werden wir immer den Weg erkennen können, den wir zu wandeln haben. Wenn wir uns nahe bei Ihm aufhalten und unsere Augen auf Ihn richten, werden wir nicht verfehlen, seine Stimme immer zu vernehmen. Und wenn es vorkommt, dass Er schweigt, sollen wir still halten. «Was den Christen kennzeichnet, ist dies, dass er auf die Stimme Christi hört, auch in allen Nöten, Trübsalen, Schwierigkeiten und Verlegenheiten. Die Stimme Christi hat eine absolute Autorität und Macht über ihn.» (J. N. D.)

Die gegenseitige Beziehung, die Christus und seine Schafe verbindet, hat einen persönlichen Charakter, obwohl sie eine Herde bilden. Der gute Hirte trägt nicht nur Sorge für die Herde in ihrer Gesamtheit, sondern auch für jedes Schaf, denn jedes von ihnen hat besondere Bedürfnisse und ist berufen, durch persönliche Umstände hindurchzugehen. «Er ruft seine eigenen Schafe mit Namen» (Vers 3). Auch Hesekiel 34 zeigt, wie der Hirte jedes Schaf mit seiner Pflege umgibt: «Das Verlorene will ich suchen und das Versprengte zurückführen, und das Verwundete will ich verbinden, und das Kranke will ich stärken» (Hes 34,16). Die Auserwählung und Berufung sind dem Wesen nach individuell: «Folge mir nach…» «Folge du mir nach» (Lk 5,27; Joh 21,19 und 22). Zahlreich sind die Stellen, die sich an den Einzelnen richten: Jeder, wer irgend, wenn jemand…1 Jeder von uns kann die Verheissung in Jesaja 43,1 auf sich anwenden: «Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.» So rief der Herr auch Maria Magdalene zu: «Maria!» Die Kostbarkeit dieser wohlbekannten Stimme liess ihr Herz vor Freude jubeln: «Rabbuni!»

Diese persönliche Beziehung und persönliche Liebe, die den guten Hirten mit jedem seiner Schafe verbinden, sind gegenseitig: «Ich kenne die Meinen und bin gekannt von den Meinen» (Vers 14). Der Prophet Nahum sagt: «Der HERR ist gütig, er ist eine Festung am Tag der Drangsal; und er kennt die, die zu ihm Zuflucht nehmen» (Nah 1,7). Welche Stärkung inmitten der Prüfung zu wissen, dass der gute Hirte uns persönlich kennt, sowie auch unsere individuellen Übungen; welche Stärkung ist es aber auch, Ihn als unseren guten Hirten zu erkennen, zu dem wir fliehen können mit der Gewissheit, dass seine Liebe und seine Macht uns nicht fehlen werden! Noch mehr, wir erkennen Ihn als den, der unser Leben ist, ein Leben, das über den Tod triumphiert hat. Wir sind mitlebendig gemacht und mitauferweckt mit Ihm. Wir haben Teil an einem auferstandenen Christus. Lasst uns durch den Glauben diese herrlichen Vorrechte völlig ergreifen und durch die Kraft des Heiligen Geistes immer mehr geniessen!

  • 1Die «Haus-Bekehrungen», von denen in der Apostelgeschichte berichtet wird, stossen diesen Grundsatz nicht um. Auch dort ist jedes Glied der Familie persönlich dem Beispiel des Hauptes gefolgt und hat, wie dieses, an den Herrn geglaubt (Apg 16,15.34; 18,8). Da ist nicht die Rede von einem gemeinsamen Heil, unabhängig von der Haltung jedes Familien-Gliedes.