5. Gott ist Liebe – seine Liebe für uns
Liebe als Beweis des göttlichen Lebens (V. 7)
Mit der Anrede «Geliebte» wendet sich der Apostel an die Glaubenden. Wie schon früher in diesem Brief zeigt er ihnen, dass es zweierlei Menschen gibt. Die eine Gruppe bilden die, die lieben, und deshalb aus Gott geboren sind (V. 7). Die anderen, die nicht lieben, haben kein Leben aus Gott (V. 8). Das überrascht vielleicht, aber Johannes redet abstrakt. Dabei sagt er nicht, wem die Liebe gilt. Aber die Art der Liebe ist göttlich. Die göttliche Liebe liebt, ohne im Gegenüber etwas Liebenswertes zu sehen. Wer diese Liebe zeigt, ist aus Gott geboren. Wer nie etwas von dieser Liebe offenbart, hat kein Leben aus Gott.
Gottes Liebe im Leben seiner Kinder (V. 8)
Gott ist nicht nur Licht, Er ist auch Liebe. Der sittliche Charakter seines Wesens ist Licht. Aber Liebe ist die Energie seiner Natur, aus der Er mit uns Menschen handelt. Das ist etwas Wunderbares. Zweimal schreibt Johannes in seinem ersten Brief: «Gott ist Liebe» (Kap. 4,8.16).
Die Liebe Gottes strömt zu allen seinen Kindern aus. Das ist eine Tatsache. Immer wieder redet Johannes in diesem Brief die Empfänger mit «Geliebte» an. Damit drückt er aus, dass die Sonne der Liebe Gottes auf all die Seinen scheint.
Es gibt aber einen Feind Gottes, der Zweifel an der Liebe Gottes in unsere Herzen säen will. Dabei geht er sehr listig vor. Wenn im Leben eines Glaubenden etwas Schweres auftritt, ist der Teufel sofort da und will ihm weismachen: «Wenn Gott Liebe wäre, hätte Er das nicht zugelassen.»
Diese List hat er schon bei den ersten Menschen angewandt. Gott selbst hatte im Garten Eden Bäume gepflanzt, um Adam und Eva seine Liebe zu erweisen. Sie durften zu ihrem Genuss von allen Früchten der Bäume essen. Ausgenommen war nur die Frucht des Baums der Erkenntnis des Guten und Bösen. Gott verbot ihnen, davon zu essen. Bei dieser Ausnahme setzte der Teufel an, indem er sinngemäss sagte: «Wenn Gott Liebe wäre, dann hätte Er euch das nicht verboten.» Auf diese Weise will der Feind auch uns im Blick auf die Liebe Gottes unsicher machen.
Diesem bösen Vorgehen des Feindes wirkt Gott durch sein Wort entgegen. Er gibt uns Beweise seiner Liebe! Doch Er tut es nicht so, wie wir es vielleicht erwarten. Wir meinen oft, die Liebe Gottes würde sich dadurch erweisen, dass Er uns vor Schwerem im Leben bewahrt. Doch unser Abschnitt macht klar, dass sich die Liebe Gottes nicht durch äusseres Wohlergehen beweist. Das Wort Gottes sagt uns sogar, dass die erziehenden Massnahmen in unserem Leben aus dem liebenden Herzen unseres Gottes und himmlischen Vaters kommen. Der Vater erzieht den Sohn, den Er liebt (Heb 12,6).
Die Liebe Gottes wird uns hier auf dreierlei Weise bewiesen:
- In den Versen 9 und 10 lässt uns der Apostel rückwärts ans Kreuz von Golgatha blicken, wo Gott seinen Sohn für uns in den Tod gegeben hat. Dort erkennen wir die Liebe Gottes für uns oder in Bezug auf uns.
- In den Versen 11-16 richtet Johannes unsere Blicke aufwärts. Als Glaubende haben wir das Vorrecht, jetzt schon beim Gang durch diese Welt in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Darin erkennen wir Gottes Liebe zu uns, oder wie Vers 12 es sagt: seine Liebe in uns.
- In den Versen 17-19 lenkt der Apostel unsere Blicke vorwärts. Am Tag des Gerichts werden wir Freimütigkeit haben, denn die Liebe Gottes ist mit uns.
Der Blick zurück nach Golgatha (V. 9.10)
Wenn wir die Liebe Gottes kennen lernen wollen, müssen wir nicht in uns hineinsehen. In Römer 5,5 heisst es zwar: «Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist.» Auch Paulus möchte, dass wir uns mit dieser Liebe beschäftigen. Dazu sollen wir aber nicht in uns hinein, sondern nach Golgatha blicken. Darum fährt er fort: «Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben» (Röm 5,6). Damit lenkt er unsere Gedanken zum Kreuz.
Wenn wir uns mit dem Erlösungswerk, das Jesus Christus dort vollbrachte, beschäftigen, lernen wir die Liebe Gottes kennen. Eine hohe Wertschätzung des Herrn Jesus und eine tiefe Dankbarkeit Gott gegenüber wird die Folge sein. Wer mit dem Kreuz nichts anfangen kann, ist nicht aus Gott geboren. Aber das Herz dessen, der aus Gott geboren ist, wird berührt, wenn er nach Golgatha blickt. Deshalb schreibt der Apostel Paulus in 1. Korinther 1,18: «Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft.» Die Ungläubigen können nichts damit anfangen, aber unsere Herzen werden warm, wenn wir an das denken, was am Kreuz geschehen ist.
«Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat» (V. 9). Johannes denkt jetzt nicht an die Geburt des Herrn Jesus und an sein Leben, sondern an seinen Opfertod. Gott hat seinen Sohn als Mensch auf die Erde gesandt, damit Er für uns sterbe. Der Ausdruck «in die Welt gesandt» weist auf den Grund und das Ziel seiner Sendung hin: das Erlösungswerk. Damit wird unser Blick ans Kreuz von Golgatha gelenkt. Diese erste Blickrichtung dürfen wir nie aus den Augen verlieren. Je länger ich an der Hand meines Herrn gehen darf, desto grösser wird mir das Geschehen von Golgatha.
Der Opfertod des Herrn Jesus ist für den Anfang des Christenlebens wichtig. Wenn ein Mensch seine Sünden erkennt, sie Gott bekennt und dann sieht, dass der Sohn Gottes die Strafe dafür am Kreuz für ihn getragen hat, kommt sein Gewissen zur Ruhe. Sein Herz füllt sich mit Dankbarkeit. Aber diese göttliche Liebe, die sich am Kreuz von Golgatha entfaltete, geht auch solche an, die schon Jahrzehnte den Weg des Glaubens gehen. Wir werden geistlich wachsen, wenn uns der Wert des Erlösungswerks immer grösser wird.
Der eingeborene Sohn (V. 9)
Gott hat seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt. Fünfmal finden wir den Ausdruck «eingeborener Sohn» in den Schriften von Johannes. Er bedeutet eigentlich: der einzigartige, der einmalige Sohn.
Zunächst ist Jesus Christus nach Johannes 1,14 als dieser Einzigartige gekommen, um den Vater zu offenbaren. Dort heisst es: «Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit.» Der Herr Jesus hat den Vater in Wahrheit kundgemacht.
Dann lesen wir weiter in Vers 18: «Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht.» Der eingeborene Sohn wurde Mensch und hat auf der Erde den unsichtbaren Gott, der ein unzugängliches Licht bewohnt, offenbart. Das konnte der Herr Jesus tun, weil Er selbst Gott ist.
Johannes 3,16 geht noch weiter. Dort heisst es, dass Gott «seinen eingeborenen Sohn gab». Doch Er hat Ihn nicht einfach in die Welt, sondern ans Kreuz und damit in den Tod gegeben. Wenn wir die vorherigen Verse lesen, wird das deutlich. «Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden» – nämlich ans Kreuz. Warum hat Gott seinen eingeborenen Sohn in den Tod gegeben? Damit glaubende Menschen ewiges Leben empfangen.
Eine vierte, sehr ernste Stelle finden wir in Johannes 3,18: «Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.» Welch ein Gericht erwartet den, der die Errettung im Herrn Jesus ablehnt! Er verwirft nicht nur das Gnadenangebot, sondern Gott selbst in seinem eingeborenen Sohn, der am Kreuz auf Golgatha gestorben ist. Da verstehen wir, dass das Teil für einen solchen Menschen nur noch Gericht sein kann.
Hier in unserem Vers sehen wir, dass Gott den eingeborenen Sohn gab, um seine Liebe zu seinen Kindern zu beweisen. Er hat «seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch ihn leben möchten» (V. 9).
Der Vater liebt diesen eingeborenen Sohn. Von Ewigkeit zu Ewigkeit fliesst ein Strom der Liebe aus dem Herzen des Vaters zu seinem Sohn. Trotzdem hat Er Ihn gegeben, um bei uns Glaubenden zweierlei zu bewirken:
- Auf der Grundlage des Todes seines Sohnes haben wir bei unserer Bekehrung Leben bekommen. Das geschah durch die Neugeburt – ein Werk an uns und innerhalb von uns (V. 9).
- Mit seinem Tod hat der Herr Jesus unsere Sünden gesühnt, damit unsere Schuld getilgt werden konnte. Dies ist ein Werk für uns, aber ausserhalb von uns vor Gott (V. 10).
Das sind die beiden grossen Ergebnisse des Opfertodes von Jesus Christus, die hier vor uns stehen und uns zugut kommen.
Die Gabe des ewigen Lebens (V. 9)
Weil wir geistlich tot waren, brauchten wir zuerst einmal Leben. Aber dieses ewige Leben konnten wir nur auf der Grundlage des Werks von Jesus Christus auf Golgatha empfangen. Soweit ist Gott in seiner Liebe gegangen: Er hat seinen Sohn gegeben, damit Er uns ewiges Leben schenken konnte. Dieses Leben, das wir bei der Bekehrung durch die Neugeburt empfangen haben, ist uns im Sohn gegeben und bleibt uns im Sohn ewig erhalten. Golgatha ist der Ausgangspunkt dafür. Aber dieses Leben hat in uns, die wir an Ihn glauben, eine permanente Fortsetzung bis in alle Ewigkeit.
Die Sühnung unserer Sünden (V. 10)
Aber wir waren nicht nur geistlich tot, sondern hatten auch gesündigt. Wie dieses Problem gelöst wurde, zeigt uns Vers 10. Unmöglich konnte Gott Menschen, die noch in ihren Sünden vor Ihm standen, das Leben geben. Darum ist der Herr Jesus am Kreuz nicht nur gestorben, um uns das Leben zu geben, sondern auch um unsere Sünden zu sühnen. Niemand ausser Ihm war fähig, dieses Problem zu lösen. Deshalb starb Jesus Christus als Sühnung für unsere Sünden.
Das ist einmalig. In seinem Tod geschah die Sühnung ein für alle Mal für mich, der ich an den Herrn Jesus glaube. Alle meine Sünden sind gesühnt, sowohl die, die ich vor meiner Bekehrung getan habe, als auch jene, die ich leider nach meiner Bekehrung getan habe oder noch tun werde, wenn ich nicht nahe beim Herrn bleibe. Alle unsere Sünden sind gesühnt. Welch ein Werk! Welch ein Beweis der Liebe Gottes! Ist das nicht wunderbar? Unser Gewissen kommt zur Ruhe, wenn wir nach Golgatha blicken und erkennen, dass der Herr Jesus alles vollkommen gutgemacht hat, auch im Blick auf unsere Sünden!
Das Ergebnis des Werks des Herrn Jesus für uns ist zweifach: die Gabe des ewigen Lebens nach der Herrlichkeit seiner Gnade und die Sühnung unserer Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.
Nicht wir haben Gott geliebt, sondern Er uns (V. 10)
Das Gesetz fordert vom Menschen in erster Linie, dass er Gott liebt (5. Mo 6,5). Doch Johannes stellt hier fest: «Nicht dass wir Gott geliebt haben.» Damit bringt der Apostel zum Ausdruck, dass der Mensch gar nicht fähig ist, Gott zu lieben. Diese Tatsache ist über Jahrhunderte bewiesen worden.
Römer 8,3 beginnt mit den Worten: «Das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war …» Es ist dem Gesetz nicht möglich, dem Menschen Leben zu geben. Doch die Ursache liegt nicht darin, dass es schlecht wäre. Nein, das Gesetz ist von Gott gegeben und deshalb heilig, gerecht und gut (Röm 7,12). Aber die Natur des Menschen ist kraftlos. Durch das Fleisch ist er ein Sklave der in ihm wohnenden Sünde. Darum konnte das Gesetz uns nicht retten. Darum konnten wir Gott nicht lieben. Ewiges Leben und Sühnung unserer Sünden konnten wir also nicht als Gottes Antwort auf unsere Liebe zu Ihm bekommen. Im Gegenteil! Beides entsprang einzig und allein seiner Liebe zu uns.
So folgen in Römer 8,3 die wunderbaren Worte: «Das dem Gesetz Unmögliche … tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte.» Das geschah in jenen drei Stunden der Finsternis am Kreuz, als der Sohn Gottes im göttlichen Gericht stand und Sühnung tat. Gott sei gelobt und gepriesen, dass «er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden»!