Petrus – Fischer, Jünger und Apostel (10)

Apostelgeschichte 2,1-47; Apostelgeschichte 3,1-26

Petrus als Apostel

Wir haben Simon Petrus von seiner Berufung am See Genezareth an bis zu dem Tag begleitet, wo ihm, nach seinem tiefen Fall und seiner Wiederherstellung, der Auferstandene seine Schafe und Lämmer zum Weiden und zum Hüten anvertraute.

Der Sohn Gottes ist als Mensch auf diese Erde gekommen, weil Er im Acker dieser Welt einen Schatz erblickte, der Ihm so kostbar war, dass Er vor Freude darüber hinging und alles verkaufte, was Er hatte, um ihn zu erwerben (Mt 13,44). Seinetwegen vertauschte Er den Ort göttlicher Herrlichkeit mit dem Platz tiefster Erniedrigung und wurde arm. Durch seinen Gehorsam gegen Gott und sein Werk am Kreuz gehört dieser Acker, diese Welt nun Ihm, dem Sohn des Menschen, und Er wird eines Tages seine Rechte geltend machen. Aber vor allem ist die Schar der Erlösten in der Welt, die Er um den Preis seines eigenen Lebens erkauft hat, nun sein Eigentum. An ihnen, den «Heiligen» und «Herrlichen», die auf der Erde sind, ist all sein Gefallen (Ps 16,3).

Dass der Herr bei seinem Weggang diesen seinen Schatz, seine geliebte «kleine Herde» für jene erste Zeit, in der sie vornehmlich aus Christen aus den Juden bestand, der Hirtenpflege eines Petrus übergab, dessen Geschichte wir nun kennen, ist also eine grosse Gnade. Möchte aber auch jeder, der heute mithelfen darf, «die Herde Gottes zu hüten» und ihr in irgendeiner Weise zu dienen, sich dieser Gnade ebenso sehr bewusst sein, wie Petrus es war, der nun in wahrer Demut und grosser Hingabe seine Aufgabe erfüllte! Mussten wir nicht feststellen, dass unsere Lebensgeschichte der seinen in vielen Stücken ähnlich ist, und dass auch wir in selbem Mass die herstellende und zubereitende Gnade benötigen?

Anderseits fällt es uns beim Lesen der ersten zwölf Kapitel der Apostelgeschichte auf, welch eine grosse Veränderung mit Petrus vor sich gegangen ist. Im Rahmen dieser kleinen Betrachtung wird es uns nicht möglich sein, ausführlich auf diese Kapitel einzugehen. Wir müssen uns darauf beschränken, einige Punkte herauszugreifen, die diese Veränderung erklären und beleuchten.

Petrus wird mit Heiligem Geist erfüllt

Nachdem sich der Herr Jesus nach seinen Leiden in vielen sicheren Kennzeichen lebendig dargestellt hatte, indem Er vierzig Tage hindurch von den Jüngern gesehen wurde, wobei Er über die Dinge redete, die das Reich Gottes betreffen, wurde Er in den Himmel aufgenommen (Apg 1,3.4).

Als die Jünger Ihn in Bethanien mit segnenden Händen auffahren sahen, warfen sie sich vor Ihm nieder. Schon seine Auferstehung war für sie ein Anlass zu heiliger Freude; dass Er jetzt aber auch «in seine Herrlichkeit einging», öffnete ihnen vollends das Verständnis für die Grösse seiner Person. Nun sahen sie alles erfüllt, was Er ihnen vorausgesagt hatte.

Endlich konnten sie es fassen, und sie «kehrten nach Jerusalem zurück mit grosser Freude» (Lk 24,50-53).

Gehorsam dem Gebot des Herrn, blieben sie die nächsten zehn Tage in der Stadt und «waren allezeit im Tempel und lobten und priesen Gott.» Auch versammelten sich die Apostel im Obersaal – wohl derselbe, in dem sie mit Jesus das Passah gefeiert hatten – um mit anderen Jüngern und Jüngerinnen «einmütig im Gebet zu verharren» und auf die «Verheissung des Vaters», auf die «Kraft aus der Höhe» zu warten (Apg 1,13.14).

An einem dieser Tage schritten sie unter Anführung von Petrus zur Wahl eines zwölften Apostels, der den Platz des Judas einnehmen sollte, der ein so trauriges Ende genommen hatte. Zu dieser Wahl warfen sie Lose, weil der Geist noch nicht da war, um sie zu leiten (Apg 1,15-26).

Und dann kam der Tag der Pfingsten, an dem das gewaltige Ereignis stattfand, das für jene Jünger und von da an auch für alle an den Herrn Jesus Glaubenden von grösster Bedeutung sein sollte: Der «andere Sachwalter», der Heilige Geist, von dem der Herr gesprochen hatte (Joh 14,16), kam herab, um in Ewigkeit bei und in den Erlösten zu sein.

Obwohl unsichtbar, ist Er ebenso wohl eine Person der Gottheit, wie Gott, der Vater, oder Gott, der Sohn es sind. Er ist nicht nur ein göttlicher Einfluss oder eine von Gott ausgehende Kraft ohne Eigenpersönlichkeit. Besonders aus den Kapiteln 14 bis 16 des Johannes-Evangeliums, aber auch aus vielen anderen Stellen geht hervor, was dieser «andere Sachwalter» hier auf der Erde wirkt. Er wohnt sowohl in der Versammlung, dem «Tempel Gottes» (2. Kor 6,16) als auch im Leib jedes von neuem Geborenen (1. Kor 6,19). Wir erwähnen hier nur einige Punkte:

  • Er belehrte die Apostel über die unermesslichen Ergebnisse des Werkes Jesu Christi.
  • Er erinnerte sie und die anderen inspirierten Schreiber an alles, was der Herr ihnen gesagt hatte, und sie haben dies durch den Heiligen Geist in den Evangelien und in den Briefen aufgezeichnet (Joh 14,26).
  • Der Geist der Wahrheit zeugt von der Person Jesu (Joh 15,26).
  • Er überführt die Welt von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht (Joh 16,8-11).
  • Er leitet die Gläubigen in die ganze Wahrheit und verkündigte den Aposteln auch das Kommende (Joh 16,13).
  • Er verherrlicht allezeit die Person Jesu (Joh 16,14).
  • Es ist der Geist, der die Gläubigen zu einem Leib tauft (1. Kor 12).
  • Er teilt die verschiedenen Gnadengaben in der Versammlung aus und durch seine Wirksamkeit gelangen sie zur Ausübung (1. Kor 14).

Von welch unermesslicher Bedeutung ist der Besitz des Heiligen Geistes auch für das Leben und den Wandel des Gläubigen! Er wohnt in ihm als ein Geist «der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit» (2. Tim 1,7) und ist somit die Kraft seines neuen Lebens. Er darf nun «im Geist» wandeln und wird dann, statt die Lust des Fleisches in ihm zu vollbringen (Gal 5,16), die Frucht des Geistes in seinem Leben offenbaren (Gal 5,22). Gottes Geist ist es, der den Gläubigen leiten will (Röm 8,14).

Es ist schön zu sehen, wie nun alle diese Wirkungen des Heiligen Geistes im Leben des Apostels Petrus mit Macht zu Tage treten, und wir wollen ihnen jetzt ein wenig nachspüren.

Am Tag der Pfingsten also waren die Jünger wieder alle an einem Ort beisammen. «Und plötzlich kam aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem daherfahrenden, gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze Haus, wo sie sassen. Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden Einzelnen von ihnen. Und sie wurden alle mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen» (Apg 2,1-4).

Jetzt waren die Jünger mit «Kraft aus der Höhe» angetan und konnten fortan Zeugen des Herrn sein, «sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde» (Apg 1,8). Petrus wird es nun beweisen.

Die erste Predigt des Petrus

(Apostelgeschichte 2,5-47)

Als sich das Gerücht von diesem gewaltigen Ereignis verbreitete, kam eine grosse Menge von Juden und Proselyten zusammen, die zum Pfingstfest gekommen waren, «aus jeder Nation unter dem Himmel.» Die meisten entsetzten sich und waren in Verlegenheit, andere aber sagten spottend: «Sie sind voll von süssem Wein.»

Da stand Petrus auf, um seine Stimme zu erheben, und wir sind beeindruckt von der Weisheit und Kraft, in der er redete. Wieso weiss er nun diese treffenden Zitate aus dem Alten Testament anzuführen, die dem versammelten Volk bewiesen, dass sich alles nach dem bestimmten Ratschluss Gottes und den Weissagungen der Propheten erfüllt hat:

  • die Leiden des Christus,
  • sein Tod,
  • seine Auferweckung,
  • seine Erhöhung zur Rechten Gottes und
  • die nun durch Ihn bewirkte Ausgiessung des Heiligen Geistes?

Hatte Petrus nicht vor einigen Wochen noch grosse Mühe zu begreifen, dass die Leiden Christi überhaupt nötig waren? Antwort: «Der andere Sachwalter» wohnte jetzt in ihm und gab ihm Licht über dieses alles.

Was befähigte ihn, kühn vor dieses Volk der Juden hinzutreten, um ihnen ins Gesicht zu sagen: Ihr habt den von Gott zum Herrn und zum Christus gemachten Jesus gekreuzigt? Antwort: Die «Kraft aus der Höhe» erfüllte ihn!

Der Erfolg dieser ersten Predigt des Petrus war gewaltig. Dreitausend Seelen taten Buße, durch die Taufe auf den Namen Jesu Christi machten sie sich eins mit seinem Tod, als dem alleinigen Mittel, um dem verdienten Gericht zu entfliehen und Vergebung der Sünden zu erlangen. Dreitausend Erlöste wurden an jenem Tag zu den übrigen Gläubigen, die seit dem Herabkommen des Heiligen Geistes die Versammlung bildeten, hinzugetan! Und sie alle verharrten jetzt «in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.»

Somit hatte Petrus die ihm vom Herrn anvertrauten «Schlüssel des Reiches der Himmel» das erste Mal gebraucht und damit den Juden den Eingang zu diesem Reich aufgeschlossen.

Petrus heilt einen Lahmen und predigt im Tempel

(Apostelgeschichte 3)

Dass der Heilige Geist die Seinen in ihrem ganzen Leben und in ihrem Dienst leiten will, durften die Apostel von jetzt an in wunderbarer Weise erfahren. Petrus und Johannes gingen zur Stunde des Gebets zusammen hinauf in den Tempel. Zu diesem Zeitpunkt waren dort viele Menschen zugegen. An der «Schönen Pforte» des Tempels, durch die sie eingehen wollten, lag ein kranker Bettler, der sie um ein Almosen bat.

Sollten sie vorbeigehen? Hatten sie nicht Wichtigeres zu tun, als sich um einen einzelnen, und dazu noch elenden Menschen zu kümmern? Nein, das war der erste Ring an der Kette verschiedener Umstände, die zum Heil und Segen von vielen Hunderten von Menschen führen sollten.

Die Apostel ergriffen diese unscheinbare Gelegenheit zum Dienst, «zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen» (Eph 2,10), und durften erleben, dass sie dadurch zu einem grossen «Fang von Menschen» geleitet wurden. Bis dahin war es der Gehorsam gegenüber der Stimme des Meisters, der sie beim Auswerfen der Netze im See zu wunderbaren Erfahrungen führte; jetzt aber war es der Gehorsam gegenüber der Leitung des «anderen Sachwalters», der die Apostel in der Verkündigung des Evangeliums zu grossen Ergebnissen führte.

Möchten auch wir in den kleinen Dingen unseres täglichen Lebens der Leitung des Geistes unterworfen sein! Auch heute noch können aus unscheinbaren Gelegenheiten durch seine Wirksamkeit grosse Dinge entstehen.

Petrus heilte den Gelähmten und ging mit Johannes in den Tempel hinein. Der Geheilte begleitete sie. Er sprang auf, stand da, ging umher und lobte Gott. In seiner überströmenden Freude hielt er sie sogar fest, bis das ganze Volk, das im Tempel war, voll Erstaunen zu ihnen zusammenlief, denn der Mann war bisher eine bekannte Elendsgestalt vor der Pforte des Tempels gewesen, an der sie oft vorbeigegangen waren und dem sie dann und wann eine Münze zugeworfen hatten.

Als sich aller Augen auf die Apostel richteten, weil die Leute diese grosse Heilung ihnen zuschrieben, fühlte sich Petrus gedrängt, dies richtigzustellen. Einmal hatten die Jünger sich gestritten, wer unter ihnen der Grösste sei, nun aber lag es ihm einzig daran, unter den Menschen den Namen Jesus zu rühmen. Auch wieder ein Beweis, dass der Heilige Geist ihn erfüllte, von dem der Herr Jesus gesagt hatte: «Er wird mich verherrlichen.»

Auch hier wieder fällt uns die geistliche Kraft auf, in der Petrus, dieser an sich schwache Mensch, der ihn umgebenden Menge von Juden ins Gewissen und dann aber auch zu Herzen redete, um sie durch den Glauben an den Namen Jesu Christi zur Errettung und zum Heil zu führen. Er sagte ihnen unter anderem: «Gott … hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr freilich überliefert und angesichts des Pilatus verleugnet habt … Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet Den Urheber des Lebens habt ihr getötet.»

Wie nötig und gesegnet waren diese deutlichen Worte, die Petrus auch da in Verbindung mit einer erstaunlichen Kenntnis der Prophezeiungen des Alten Testaments aussprach! «Viele aber von denen, die das Wort gehört hatten, glaubten; und die Zahl der Männer wurde etwa fünftausend» (Apg 4,4).

Welch eine grosse Errettung! Sie wurde durch die Wohltat an einem geringen Menschen in die Wege geleitet!