Petrus – Fischer, Jünger und Apostel (5)

Matthäus 16,21-27

Petrus ist für den Herrn Jesus ein Ärgernis

(Matthäus 16,21-23)

Petrus hatte vom «Vater» wunderbare Offenbarungen über die persönliche Herrlichkeit des Herrn Jesus empfangen. Und Er, der «Sohn», hatte ihm kostbare Mitteilungen gemacht über erhabene Ratschlüsse Gottes: Der Bau der Versammlung stand unmittelbar bevor und das Reich der Himmel sollte nun seinen Anfang nehmen, und an beiden Bereichen wird Petrus als Apostel durch Gnade hervorragenden, bleibenden Anteil haben.

Aber eine Wahrheit von allergrösster Bedeutung ist seinem Verständnis bis jetzt verschlossen geblieben: Der Sohn des lebendigen Gottes, der Leben in sich selbst hat, kann dieses Leben den sündigen Menschen nur mitteilen, wenn Er als der gute Hirte für sie sein Leben lässt (Joh 10,10.11). Der Christus kann die unzähligen herrlichen Verheissungen der Propheten in der Aufrichtung seines Reiches nur aufgrund seines Erlösungswerkes erfüllen. Die Versammlung kann durch den Heiligen Geist erst gebildet werden, nachdem Christus sich selbst für sie hingegeben hat, (Eph 5,25) auferstanden und verherrlicht ist.

Statt im Leidensweg Jesu die Voraussetzung und die Grundlage für seine irdischen Hoffnungen zu sehen, meinte Petrus, der Tod Christi mache alle seine Erwartungen zunichte. So nur können wir begreifen, was dieser Jünger nun tut.

Als Jesus ihm und den Jüngern allen jetzt sagt, «dass er nach Jerusalem hingehen müsse und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse», bäumt sich sein Inneres dagegen auf. In seiner impulsiven Art nimmt er Jesus beiseite, als ob Er seinesgleichen wäre, und sagt strafend zu Ihm: «Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir nicht widerfahren!»

Welcher Gegensatz!

Da ist der Herr Jesus, der auf dem Pfad der Abhängigkeit vollkommen Schritt hält mit dem Willen Gottes, der Ihn – wie Er wohl weiss – ans Kreuz führen wird. Sein Entschluss steht fest: Er will sich selbst erniedrigen und gehorsam bleiben bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8), damit Gottes Ratschlüsse der Gnade zur Ausführung kommen können.

Und da ist Petrus, der sich hierin auf einen ganz anderen Boden stellt: Er geht nicht vom Wort und vom Willen Gottes aus, sondern von seinen eigenen Gedanken, die ihm so vernünftig scheinen, und von seinen eigenen, natürlichen Gefühlen. Sind denn diese nicht gut, wenn sie sein Herz mit warmer Zuneigung zu seinem Meister erfüllen und ihn drängen, den Herrn von diesem Weg der Leiden zurückzuhalten? Ach, er merkt nicht, dass er «auf das sinnt, was der Menschen ist», also dem Fleisch Raum gibt, das dem Geist, der Jesus erfüllt, völlig entgegengesetzt ist. Er weiss nicht, dass Satan zugegen ist, der die fleischliche Gesinnung des Jüngers benützt, um ihn zu seinem Werkzeug zu machen, mit dem er Jesus von der Ausführung des Werkes Gottes abhalten will. Er hat noch nicht erkannt, dass der Widersacher mit seiner eigenen menschlichen Natur im Einklang steht und diese so verdorben ist.

Jesus wendet sich um und sagt zu Petrus: «Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.»

Armer Petrus! wie muss ihn dieses Wort erschreckt haben! Er ist Jesus zum Ärgernis geworden, weil er die empfangenen hohen Offenbarungen noch so wenig verstand und in Selbstsicherheit es wagte, seine eigenen Gedanken den Worten des Herrn entgegenzustellen!

Das Kreuz und die Nachfolge Christi

(Matthäus 16,24-27)

Nach seiner Bekehrung hatte Petrus ohne Zögern alles verlassen, um Jesus, seinem Meister, der ihn berief, mit Hingabe nachzufolgen. Wie viele kostbare Erfahrungen hat er seither im vertrauten Umgang mit Ihm gemacht, obwohl jeder Tag anstrengende, mühevolle Arbeit mit sich brachte! Jünger des vollkommenen Dieners zu sein, der seine Kraft in beispielloser Hingabe an Gott im Dienst unter den Menschen verzehrte, trug auch den Zwölfen viele Mühsale ein. Und wenn ihr Herr auf Schritt und Tritt «den Widerspruch der Sünder» gegen sich erduldete (Heb 12,3), so blieben auch sie nicht davon verschont.

Doch kommen wir hier nun zu einer überaus wichtigen Frage: Ist, was Petrus erlebte und bisher unter Nachfolge verstand, der ganze Sinn, das wahre Wesen der Nachfolge Christi, zu der heute jeder wiedergeborene Christ berufen ist?

Viele Christen werden diese Frage bejahen. Sie haben – wie Petrus – diesen Weg hinter Jesus her mit einer echten Bekehrung begonnen, und wie Petrus bis dahin einem auf der Erde lebenden Christus und seinem Beispiel nachfolgte, so meinen dann auch diese Christen, es gehe nur um das. Und wenn Jesus in der Bergpredigt und anderen Belehrungen seinen damaligen Jüngern die sittlichen Grundsätze seines Reiches darlegte, so betrachten auch sie diese Grundsätze als das oberste Lebensgesetz, dem sie sich nun zu unterwerfen haben. Dabei wird jeder, der dies aufrichtig zu tun begehrt, bald merken, dass sich böse Neigungen und sündige Begierden in ihm regen, zu deren Bezähmung er kein anderes Mittel kennt, als den ständigen Kampf unter Zuhilfenahme der Gnade Gottes.

Fragst du diese Christen, was ihnen denn das Kreuz Christi bedeute, so wissen sie höchstens zu sagen: Dort ist Christus als Erlöser gestorben, damit uns Menschen Vergebung zuteilwerden kann. Und fragst du weiter, was das Kreuz in ihrem Leben sei, so geben sie die verkehrte Antwort: Das sind die uns von Gott auferlegten Prüfungen und Schwierigkeiten. Wir sollen in Ergebenheit geduldige Kreuzträger sein.

Aber das ist nicht die Summe dessen, was das Kommen von Jesus Christus und sein Kreuz für uns bedeutet. Im Zusammenhang mit dem Zwischenfall, bei dem Petrus durch seine fleischliche Gesinnung Ihm zum Ärgernis geworden ist, sprach Jesus eine grundlegende Wahrheit aus, deren Bedeutung Petrus erst nach der Himmelfahrt Christi durch die Belehrungen des Heiligen Geistes erfassen konnte, wie sie in den Briefen des Neuen Testaments nun auch uns gegeben sind. Er sagte zu seinen Jüngern: «Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf und folge mir nach.»

Dieses Wort umfasst drei Teile, die jeder Gläubige wohl beachten sollte.

1. «Wer mir nachkommen will, der verleugne sich selbst»

Jesus sagt nicht: Wer mir nachfolgen will, verleugne diese und jene Neigungen, Lüste und Begierden. Nein, sich selbst soll er verleugnen.

Wer vermag dies zu tun?

Nur wer durch lebendigen Glauben mit Christus und seinem Erlösungswerk eins gemacht worden ist. Einem solchen gibt Gottes Wort das Zeugnis: Er ist «mit ihm einsgemacht in der Gleichheit seines Todes» (Röm 6,5), also «mit Christus gestorben» (Röm 6,8); er ist aber auch «mit ihm lebendig gemacht» (Eph 2,5). Er ist nun «in Christus» und somit «eine neue Schöpfung», ein «neuer Mensch» (2. Kor 5,17). Als solcher befindet er sich der Stellung nach nicht mehr «im Fleisch, sondern im Geist» (Röm 8,9), denn Gottes Geist, die Kraft des neuen Lebens, wohnt in ihm. Das alles sind Ergebnisse des Werkes Christi, die jedem Glaubenden geschenkt werden.

Wie nun kann der Erlöste, von dem dies alles gesagt wird, sich selbst verleugnen?

Indem er sich in schlichtem Glauben auf diese klaren Zeugnisse des göttlich inspirierten Wortes stützt, auch wenn er gar nichts davon fühlt. Und wenn er weiss, dass in Christus sein altes «Ich» gekreuzigt ist, so braucht er diese Glaubenstatsachen in seinem täglichen Leben nur in die Wirklichkeit umzusetzen, indem er sie sich ständig vor Augen hält (Gal 2,20; Röm 6,2.14). Er darf nun in der Kraft des Geistes vorangehen, der ihn mit Christus erfüllt und sein Herz auf das lenkt, was Gott wohlgefällig ist. Im Geist wandelnd unterwirft er seinen eigenen Willen dem Willen Gottes und übt sich in der Abhängigkeit von Ihm.

2. «Wer mir nachkommen will, der … nehme sein Kreuz auf»

Hier geht es – wie gesagt – nicht um das, was Gott denen an Prüfungen und Lebensbürden auferlegt, die Christus nachfolgen, sondern um die Reaktion der Welt um uns her, wenn wir es mit der Selbstverleugnung ernst nehmen, zu der am Kreuz die Grundlage geschaffen wurde. Wir bezeugen dadurch unser Einssein mit Christus, den die Welt verworfen und gekreuzigt hat. Daher werden auch wir Anteil haben an der Verachtung, mit der sie seinem Namen begegnet, und werden seine Schmach tragen. Jesus sagte zu den Jüngern: «Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt» (Joh 15,19). Dieses Kreuz sollen wir «aufnehmen» und ihm nicht zu entfliehen suchen.

3 «Wer mir nachkommen will, der … folge mir nach»

Möge niemand vor den Kosten der Nachfolge zurückschrecken! Lasst uns bedenken: Es ist der Pfad hinter dem Herrn Jesus her. Seine Person überwiegt alles. Auf einem anderen Weg können wir seine Nähe, seine Gemeinschaft, seinen Frieden und seine Freude nicht geniessen. Wir sind aufgerufen, auf Ihn zu blicken und uns von Ihm zu nähren, so dass unsere Gedanken, Empfindungen und Handlungen durch Ihn gebildet werden. Weder die Widerstände noch die Wogen der Verachtung und Feindschaft um uns her, die sich erheben können, sollen uns von Ihm ablenken. So wird der Weg seiner Nachfolge zum Weg der Glückseligkeit und des Segens.