Petrus – Fischer, Jünger und Apostel (2)

Matthäus 14,13-33; Lukas 6,12-16

Alles verlassen und sich Jesus hingeben

Das Erlebnis des Petrus mit dem Herrn Jesus auf dem See Genezareth war ein Markstein in seinem Leben. Es ging nun nicht mehr im selben Stil weiter. Bis dahin hatte er sich mehr oder weniger als der Herr seines eigenen Lebens gefühlt. Er war es, der über seine Zeit, über seine Kräfte und Fähigkeiten und über seinen eigenen Besitz verfügte. Wohl war er ein gottesfürchtiger Israelit. Aber seine tägliche Arbeit, seine Sorge um die Seinen, ja selbst sein Gottesdienst geschah «in eigener Regie», in eigener Verwaltung.

Aber nun war Jesus in sein Leben getreten, nicht nur als sein Heiland und Erlöser, sondern auch als sein Herr. Wie all den anderen hatte Jesus auch ihm unmittelbar nach seiner Bekehrung zugerufen: «Komm mir nach!» (Mk 1,17).

Und was tat Petrus? Das einzig Richtige: Er verliess alles – auch die Netze – und folgte Ihm nach. Er tat es sogleich. (Lk 5,11; Mk 1,18.)

Das ist ein ungeheuer wichtiger Punkt im Leben eines Menschen, und wir wollen einen Augenblick dabei verweilen.

Bei einer wirklichen Bekehrung bringt der Mensch nicht nur seine Sünden zu Jesus. Er gibt Ihm auch sein ganzes Leben hin, mit allem, was er ist und hat. Das ist das Kennzeichen wahrer Jüngerschaft. So lesen wir auch von Matthäus (Levi), einem anderen Jünger: «Und er verliess alles, stand auf und folgte ihm nach» (Lk 6,28). Jakobus und Johannes verliessen ihren Vater Zebedäus mit den Tagelöhnern und gingen weg, Ihm nach (Mk 1,20).

Scheint dir diese totale Hingabe eine harte Bedingung? Neigst du dazu, etwas zurückzubehalten? Dann verstehst du das Wort Jesu: «Komm mir nach!» noch nicht recht. Du denkst nur an das, was du aufgeben musst. Es geht aber vor allem darum, dem nachzufolgen, «der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat» (Gal 2,20), Diese Männer verliessen alles, weil die herrliche Person des Herrn sie anzog. Sie richteten den Blick auf ihn und folgten ihm nach, ohne sich viel mit dem zu beschäftigen, was sie verlassen mussten.

Es gibt leider viele «Vorbehalt-Jünger». Sie bleiben vor der Bedingung «alles verlassen» stehen wie vor einer unüberwindlichen Hürde, statt im Glauben, in Liebe und Vertrauen zum Herrn den Sprung zu wagen. Einer von ihnen schreckte davor zurück, das Los der Verwerfung und der materiellen Armut mit Jesus zu teilen (Mt 8,19.20). Ein anderer wollte zuvor bei seinem Vater bleiben, bis der Tod sie voneinander scheiden würde (Mt 8,21.22). Ein dritter wünschte zuvor von den Seinen Abschied zu nehmen (Lk 9,61). Einem vierten standen die «vielen Güter» der Nachfolge Jesu im Weg (Mt 19,22).

O nein! Jesus muss den ersten Platz im Herzen einnehmen! So nur können wir den Unseren zum wirklichen Segen sein, so nur gewinnen wir zu allen Dingen die rechte Beziehung. Alles wird dann dem grossen Lebensziel untergeordnet: Für Jesus leben, und damit auch den Menschen dienen!

Erfahrungen in der Nachfolge Jesu – Auf dem stürmischen See

(Matthäus 14,13-33)

Der erste Tag war vorüber, der Tag, an dem Petrus alles verliess und Jesus nachzufolgen begann. Aber nun kam auch der zweite und der dritte und eine lange Reihe von Tagen der Nachfolge, bis Petrus Ihm hinauffolgen durfte. Solange Jesus auf der Erde war, ging Er immer voran und Petrus mit den anderen hinter Ihm her. Auch als Er von ihnen schied, blieb es so; von da an folgten sie – wie wir nun – einem unsichtbaren Herrn nach, der sie durch den Heiligen Geist leitete.

Ein solches Leben der glücklichen Abhängigkeit von Ihm ist voller Überraschungen. Oft sagte Er den Jüngern, wohin sie gehen und was sie miteinander tun wollten; meist aber wussten sie nicht, welche Ereignisse und welcher Dienst, in Gemeinschaft mit Ihm, sie erwartete. Hauptsache war, dass Er es wusste und sie Ihm täglich zur Verfügung standen.

Petrus gegenüber machte der Herr hie und da Andeutungen, aus denen dieser entnehmen konnte, dass Jesus mit ihm einen Plan hatte. Nur indem er in der Abhängigkeit von seinem Meister blieb, konnte sich dieses göttliche Lebensprogramm verwirklichen. Dies gilt auch für uns. Leben wir nach seinem Plan?

Eines Tages nun hatten die Jünger wieder Grossartiges erlebt. Grosse Volksmengen waren zu Jesus in die Einöde gekommen, etwa fünftausend Männer, die Frauen und Kinder nicht mitgezählt. Diese alle hatte der Herr durch die wunderbare Mehrung von fünf Broten und zwei Fischen, die vorhanden waren, gesättigt. Die Jünger hatten dabei alle Hände voll zu tun. Sie mussten das Essen zu den im Gras gelagerten Menschen tragen und verteilen und die übriggebliebenen Brocken wieder einsammeln.

Sie waren rechtschaffen müde. Wenn der Meister nur endlich das Volk entlassen wollte, dann konnten sie sich mit Ihm ausruhen!

Aber Er hatte es anders beschlossen. Er nötigte die Jünger «in das Schiff zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis er die Volksmengen entlassen habe».

Er musste sie «nötigen». Sie gingen nicht gern. Anstatt ruhen, zehn Kilometer weit rudern, war nicht nach ihrem Sinn. Aber es musste sein. Einem Meister nachzufolgen, der sich im Dienst Gottes an den Menschen verzehrte, ist nun einmal kein bequemes Leben, sondern ein mit vielen Mühen und Gefahren verbundener Dienst.

Zudem kam jetzt ein scharfer Gegenwind auf. Das Schiff begann in der finsteren Nacht auf dem Wasser auf und ab zu tanzen und litt Not von den Wellen. Nur ruhig, ihr Jünger! Seid ihr nicht um des Herrn willen und auf sein Geheiss in diese Lage gekommen? So werdet ihr jetzt auch seine Durchhilfe erleben.

Die Zeugen des verworfenen Herrn haben in dieser Welt Widerstand und Feindschaft zu erwarten (Joh 15,19-21). Er sagt: «Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf und folge mir nach» (Lk 9,23). Ein wichtiges Wort für uns alle! «Der Herr hat uns nicht eine ruhige Überfahrt verheissen, aber eine sichere Ankunft am Ziel», hat jemand gesagt. Doch ist diese «Überfahrt» mit vielen kostbaren und herrlichen Erfahrungen verbunden!

Auch Petrus war im Schiff. Auch er musste erleben, dass die Nachfolge Jesu keine Spazierfahrt ist. Doch zeigt er uns jetzt durch sein Beispiel, wie man sich dabei verhalten oder was man vermeiden soll. Die Jünger haben nun wohl schon acht oder neun Stunden mit den feindlichen Elementen gekämpft. Es ist drei Uhr morgens geworden – die vierte Nachtwache. Da sehen sie, vielleicht im Mondlicht durch zerrissene Wolken, in einigen Metern Entfernung eine menschliche Gestalt auf den Wellen daher wandeln! – Was ist denn das? – Das geht nicht mit rechten Dingen zu! – Bestürzt und voll Furcht schreien sie: «Es ist ein Gespenst!» Aber schon antwortet die vertraute Stimme Jesu: «Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht!» – Er, der allen unseren Nöten der Nachfolge gewachsen ist, weilt ganz in der Nähe. Vergessen wir es nicht!

Petrus, wie immer rasch entschlossen, ruft sogleich: «Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern.»

Er hat ja schon einmal erfahren, welche gewaltige, göttliche Kraft hinter den Worten des Herrn steht, und wie man Nutzniesser dieser Kraft wird, wenn man ihnen im Glauben gehorcht (Lk 5,1-11). Diese Erfahrung will er auch jetzt wieder machen. – Der Christ soll dem Herrn im Glauben nachfolgen, indem er auf Schritt und Tritt den im Wort offenbarten Willen seines Meisters sucht und ihn erfüllt. Nicht Wundersucht darf ihn leiten.

Petrus ist auf der richtigen Fährte: Der Herr sagt: «Komm!»

Nun weiss er, was er tun muss. Auf dieses Wort hin vollbringt er das Wagnis des Glaubens! Er steigt aus dem Schiff, dieser von Menschenhand gezimmerten, sichtbaren Grundlage, auf der der natürliche Mensch den See dieses Lebens überquert. Er gibt sich dabei keinen verstandesmässigen Überlegungen hin. Er fragt nicht nach der Tragkraft des Wassers. Er stützt sich auf den, der seine eigenen Naturgesetze nach Belieben durchbrechen kann und geht tatsächlich auf den Wassern, Jesus entgegen! Solange er den Blick im Glauben auf den Meister gerichtet hält, ist alles so einfach.

Doch was geschieht jetzt? Er lässt sich ablenken! Er hört auf den Wind, sieht auf die Wellen, und sein armer Geist beginnt zu überlegen und zu fragen: «Wie komme ich da weiter?»

Er zweifelt. Er fürchtet sich und fängt an zu sinken. Er schreit: «Herr, rette mich!» – Sogleich aber streckt Jesus seine Hand aus, ergreift ihn und spricht zu ihm: «Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?»

Diese Erfahrung wiederholt sich eigentlich im Leben aller Jünger Christi. Sein Wort sagt ihnen: Komm, gehe diesen Weg, tu diesen Dienst, vollbringe dieses Werk. Und solange Er ihr Blickfeld ausfüllt, geht alles gut, auch wenn der Wind ihnen entgegen ist. – Aber unversehens fürchten sie sich und zweifeln. Weshalb? Sie waren nicht wachsam im Gebetsumgang mit dem Herrn. Sie liessen das Sichtbare ins Herz eindringen oder gar die Sünde? Sie sahen plötzlich wieder die eigene Schwachheit und den ganzen feindlichen Widerstand. – Doch der Herr ist treu und gleich zur Stelle, um uns sogleich wieder aufzurichten. Möchten doch solche Zwischenfälle, die den Herrn verunehren und vermeidbar sind, in unserem Leben immer seltener werden!

Petrus – einer der auserwählten «Zwölf»

(Lukas 6,12-16)

Eines Abends war Jesus auf den Berg hinausgegangen, um zu beten; «und er verharrte die Nacht im Gebet zu Gott.».

Was war denn die Ursache dieses anhaltenden Gebets, das ihm wichtiger war, als der Schlaf, den Er doch so dringend brauchte? – «Als es Tag wurde, rief er seine Jünger herzu und erwählte aus ihnen zwölf, die er auch Apostel nannte!»

Diese zwölf Männer sollten das vor Jahrhunderten schon angedeutete Apostelamt empfangen (Ps 109,8). Der Herr wollte sie aussenden, um unter dem Volk das Reich Gottes zu predigen und Wunderwerke zu vollbringen (Mk 3,14). Diese Männer mussten, nach den späteren Worten des Petrus, von Anfang an dabei sein, als der Herr Jesus in Israel ein- und ausging, «angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns weg aufgenommen wurde», um Zeugen seiner Worte, seiner Werke und seiner Auferstehung zu werden (Apg 1,20-22).

Diese Zwölf werden als Belohnung für ihre treue Jüngerschaft während den Tagen der Verwerfung Christi «in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten» (Mt 19,27.28).

Die Mauer des neuen Jerusalem wird zwölf Grundlagen haben, «und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes» (Off 21,14).

Unter diesen zwölf Aposteln nahm Petrus eine besondere Stellung ein (Mt 10,2). Der Herr gab ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel. Er durfte nach dem Herabkommen des Heiligen Geistes durch seine Predigt des Evangeliums Jesu Christi als erster den Juden, den Samaritern und den Heiden das Reich der Himmel öffnen.

Petrus gehört auch zu der Grundlage der Apostel und Propheten des heiligen Tempels im Herrn, der Behausung Gottes im Geist, die in der Jetztzeit aus allen an Jesus Christus Glaubenden aufgebaut wird (Eph 2,20-22).

Wie gross ist also das Amt der Apostelschaft und wie bedeutungsvoll für Israel und das ganze Christentum!

Aber – hören wir recht? Die Namen der vom Herrn auserwählten Apostel sind ja überaus bescheiden! Das sind keineswegs Fürsten dieses Zeitlaufs, keine Weisen nach dem Fleisch, keine Mächtige, keine Menschen aus edlem Geblüt! Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes waren einfache Fischer, Matthäus ein verachteter Zöllner. Petrus und Johannes merkte man es zudem an, dass sie «ungelehrte und ungebildete Leute» waren (Apg 4,13).

Weshalb traf der Herr Jesus in seiner vollkommenen Weisheit und Einsicht, wie auch in seiner völligen Abhängigkeit von Gott als Mensch eine solche Wahl? In der heutigen Christenheit würde man doch solche höchsten Ämter nur mit Männern besetzen, die sich in den menschlichen Wissenschaften gründlich auskennen, sich in der Gelehrsamkeit einen grossen Namen gemacht haben, vorzügliche Führerqualitäten, scharfen Verstand und glänzende natürliche Gaben besitzen!

Auch hier lässt sich das Wort anwenden: «Das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache; und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt und das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichtemache, damit sich vor Gott kein Fleisch rühme» (1. Kor 1,27-29).

Der Herr wählt Menschen zu seinen Dienern, die durch den Glauben an Ihn geheiligt und von sich selbst entleert sind,1 zerbrochene Gefässe, von Ihm und seinem Geist erfüllt, in denen Er verherrlicht wird. Selbst der Apostel Paulus, der für seine besondere Aufgabe in der jüdischen Religion aufs Beste geschult sein musste, nennt sich der Geringste der Apostel und begehrte unter den Menschen nichts zu wissen, als nur Jesus Christus, und Ihn als gekreuzigt (1. Kor 2,2).

Wie sind besonders Petrus und Johannes unter den Zwölfen gesegnete Werkzeuge geworden! Durch die erste Predigt des Petrus am Pfingsttag schon wurden dreitausend Seelen errettet und der Versammlung hinzugetan. Und wie sind die inspirierten Schriften von Petrus, von Johannes und von Matthäus seither vielen Millionen Christen zum ewigen Segen geworden!

  • 1Judas Iskariot bildet unter den zwölf Jüngern eine Ausnahme. Er wird später die im Alten Testament schon angekündigte böse Tat vollbringen.