«Die Tage unserer Jahre – es sind siebzig Jahre, und wenn in Kraft, achtzig Jahre, und ihr Stolz ist Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell eilt es vorüber, und wir fliegen dahin.» (Ps 90,10).
Die Zeit vergeht und mit ihr unser Leben. «Ein Dampf ist es ja, der für eine kurze Zeit sichtbar ist und dann verschwindet!» (Jak 4,14). Auch unser Psalm erinnert uns daran: «Schnell eilt es vorüber.»
Wie wir aus der Schrift ersehen, genügt eine Kette von hundert Personen durch die Geschlechter hindurch, um uns mit dem ersten Menschen zu verbinden. Ein langer Zeitabschnitt in unseren Augen, aber wie kurz ist er im Blick auf die Zeiträume, die bis zum Beginn der Schöpfung, zum «Anfang» der Zeit zurückreichen, wovon der erste Vers der Bibel berichtet. Und was war vorher? «Im Anfang war das Wort», sagt uns Johannes. Soweit wir zurückdenken können, existierte das Wort, vor der Schöpfung, vor der Zeit. Und von Ihm lesen wir: «Du aber bleibst … Du bist derselbe», der ewig Unveränderliche, der sich später den Menschen als der offenbart hat, der in der Zeit alles wirkt und lenkt, dabei aber immer derselbe bleibt, wenn er es auch mit noch so vielen Geschöpfen zu tun hat.
Richten sich unsere Blicke auf die Zukunft, über die Wiederkunft des Herrn, über sein Reich, über das Endgericht hinaus, so finden wir am Ende der Zeit dieselbe Person, die den ganzen Schauplatz beherrscht, wenn «Gott alles in allem» ist.
Ja, was sind unsere Tage im Vergleich damit? Sie «eilen schneller dahin als ein Läufer …, sie ziehen vorüber wie Rohrschiffe» (Hiob 9,25.26). Darum, wie der Psalmist hinzufügt: «So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!» (Ps 90,12).
Womit füllst du die kurzen Tage aus, die dir Gott auf dieser Erde gegeben hat? Hast du einen sicheren Führer gefunden auf dem Weg deines Lebens? Wird es von einem Ziel beherrscht, das ihm seinen wahren Wert gibt? «Sättige uns früh mit deiner Güte, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen» (Ps 90,14). «Früh», oder «am Morgen» des Lebens den Heiland finden, Ihm den ersten Platz in seinem Leben geben – welche Veränderung, welche Freudenquelle für alle folgenden Tage! Statt diese Jahre der Jugend mit Dingen der Welt zu füllen, statt sich vom Fieber der Studien, der Arbeit und des Vergnügens beherrschen zu lassen, statt mit seinem ganzen Wesen nach einem Glück zu jagen, das trügerisch und unerreichbar ist, – sich von dem sättigen lassen, dessen Güte weder vor dem haltmacht, was wir sind noch vor dem was wir nicht sind.
Wird dem Herrn Jesus am Morgen des Lebens der erste Platz gegeben, so kann dies zu seiner Verherrlichung die Grundlage zu einer fruchtbaren Laufbahn sein. Viele haben gut angefangen, sind aber schlecht weitergefahren und haben oft schlecht geendet. Den ganzen Weg entlang ist Wachsamkeit nötig, aber wie viel leichter kann sich durch die Gnade des Herrn ein Leben, das von Anfang an auf die gute Richtung eingestellt ist, auf dem richtigen Pfad halten, als ein Leben, das in den ersten Jahren in der Welt oder einfach nur in der Gleichgültigkeit vergeudet worden ist!
Als Jakob am Abend seines Lebens vor dem Pharao erschien, musste er trotz seiner 130 Jahre bekennen: «Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre» (1. Mo 47,9). Sie waren wohl lange, erfüllt von mannigfaltigen Ereignissen; von Reisen und Kämpfen, von erworbenen Reichtümern und von viel Arbeit; aber für Gott zählten nur die mit Ihm gelebten Jahre, und solche gab es nur in bescheidener Zahl. Alle andern waren unwiederbringlich verloren.
Vier Hauptbeschäftigungen füllen unsere Tage: der Schlaf, die Mahlzeiten, die Arbeit und die «Freizeit». Alles das kann mit Gott und für Ihn getan werden. Er ist es, der «seinem Geliebten im Schlaf» gibt (Ps127,2). Ob wir essen, ob wir trinken, wir können alles zur Ehre Gottes tun (1. Kor 10,31). Und bezüglich unserer Arbeit wird uns gesagt: «Alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus» (Kol 3,17). Was machen wir mit unserer freien Zeit, die oft so kurz ist? Sie soll vor allem dazu dienen, die sittlichen und physischen Kräfte zur Erfüllung unserer täglichen Aufgabe und des Werkes, das der Herr uns hier auf der Erde zu tun gibt, zu erneuern.
Der Morgen erinnert uns an das Manna, das jeder Israelit in der Wüste vor dem Sonnenaufgang zu sammeln hatte. Seine Seele «jeden Morgen» mit dem Wort zu nähren, ist unerlässlich; man muss sich Zeit dazu nehmen; oft erscheint es als eine Anstrengung, als eine grosse Anstrengung, aber die Mühe lohnt sich; es geht um unsere geistliche Gesundheit. Wenn wir vom ganzen Tag nur einen freien Augenblick zur Verfügung hätten, sollten wir ihn dann nicht dazu verwenden «zu seinen Füssen» zu sein? – Und dann: «Früh (oder: «am Morgen») werde ich mein Anliegen dir vorstellen und harren.» (Ps 5,4).
Auch am Mittag ist ein Augenblick der Sammlung und des Gebetes ein wohltuender Zwischenhalt inmitten der «Hitze des Tages». Daniel betete dreimal am Tag.
«Sei wachsam, wenn der Lärm des Tages vergessen lässt was droben ist …»
Am Abend, am Samstag und Sonntag haben die meisten von uns gewisse Stunden zur Verfügung. Wie wichtig ist es da, sie mit dem Herrn zu verbringen, um die Zusammenkünfte nicht zu versäumen, um der Familie genügend Zeit zu widmen, um sich mit andern zu beschäftigen und mit dem Dienst, den der Herr uns anvertrauen will. Manchmal muss man auch allein sein können, wie Jesus auf dem Berg. Für den, der mit dem Herrn lebt, wird der Tageslauf nicht ohne persönliche Lektüre des Wortes und Gebet zu Ende gehen, sofern dies möglich ist. Und wenn auch die freie Zeit vor allem zur Ernährung unserer Seele verwendet werden soll, so sollten wir doch auch unseren Körper nicht vernachlässigen. Wir wollen aber auch nicht vergessen, dass der Sonntag der Tag des Herrn ist, der Tag der Anbetung, des Dienstes, der Ruhe. Jemand hat gesagt: «Ein wohlgenährtes Leben ist ein ausgefülltes Leben.» Die Jahre gehen vorüber, und was bleibt davon zurück? Eines Tages wird unser ganzes Leben im Licht der Gegenwart Gottes offenbar; wir werden von allem Rechenschaft geben müssen. Wie wird es uns dann bewusst werden, dass alles, was nicht von Ihm und für Ihn gewesen ist, ein Verlust war – ein Verlust für die Ewigkeit!
«So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!»