Mit Tränen säen

Psalm 126,5-6

«Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Er geht hin unter Weinen und trägt den Samen zur Aussaat; er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben» (Ps 126,5-6).

Welches Vorrecht, wenn uns der Herr auf dem Weg hier auf der Erde Gelegenheit gibt, zu säen! «Der Same ist das Wort Gottes»; das ist es, was zu verbreiten so wichtig ist. «Am Morgen säe deinen Samen, und am Abend zieh deine Hand nicht ab» (Pred 11,6). Der Anfang ist leicht. Es gibt Ermunterungen auf dem Weg. Die Begeisterung des Anfangs hebt uns über die Schwierigkeiten und Hindernisse hinweg. Aber dann gibt es Erfahrungen, die früher oder später alle von uns machen müssen, die im Verborgenen des Herzens den Ruf des Herrn zum Säen für Ihn vernommen haben. Sie haben ihre Zeit und das was ihnen lieb war geopfert, einige haben sogar ihren Beruf aufgegeben, und im Dienst des Herrn konnten sie dann erfahren, dass sie es mit einem liebevollen und guten Meister zu tun hatten, der denen, die für Ihn Dinge aufgeben, hundertfältig zu erstatten vermag. Die Zeit ging dahin … und es kamen Tränen. Schwierigkeiten, Enttäuschungen, Tadel, der zweifellos gut gemeint war, vonseiten solcher, die die wahre Arbeit des Sämanns nicht verstehen, Undankbarkeit oder gar schwerer Fall bei denen, für die man das meiste getan hat, Müdigkeit, Erschöpfung … – Entmutigung bemächtigt sich des Herzens, der Feind benützt dies, um die, die den Dienst einst mit Freuden begannen, wenn möglich zu bewegen, dem Werk des Herrn den Rücken zu kehren.

Und das Wort hat es uns doch vorausgesagt: «Die mit Tränen säen.» Wenn unser Psalm die Arbeit derer, die säen, mit Tränen verbindet, so deshalb, weil es in der Welt tatsächlich so ist. War es bei unserem geliebten Heiland anders? Nein, der folgende Vers ruft es uns in Erinnerung: «Er geht hin unter Weinen und trägt den Samen zur Aussaat.» «Unter Weinen!» Wie viel Tränen gab es auf seinem Weg, wie viel Mühen, wie viel Widerstand! Hören wir Ihn am Ende seines Lebens durch den Mund des Propheten nicht sagen: «Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt»? (Jes 49,4).

Finden wir darin nicht eine grosse Ermunterung für unsere Seelen? Wenn wir von den letzten Versen dieses Psalms eine praktische Anwendung machen und dabei für den Augenblick die prophetische Bedeutung beiseitelassen, so sehen wir, dass die Säenden nicht allein sind. Sie haben den vor ihren Blicken, der lange vor ihnen die Tränen kannte, als Er als der göttliche Sämann über die Erde ging. Es ist ein Vorrecht, für Ihn zu säen; aber ist es nicht auch ein solches, die Erfahrung der «Tränen» zu machen, denen Er selbst so oft begegnet ist? Sollen wir uns entmutigen lassen, wenn alles «umsonst» und «vergeblich» scheint? Nein, denn wie für Ihn, so ist auch «mein Recht … und mein Lohn bei meinem Gott.» «Betrachtet den, der so grossen Widerspruch … gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet.» (Heb 12,3).

Noch mehr. Das Säen geschieht in der Gegenwart; die Ernte ist zukünftig. «Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.» Man muss der Saat die Zeit zum Keimen und Wachsen lassen. Vielleicht werden schon auf dieser Erde einige Ähren unsere Herzen erfreuen, aber was wird am Tag der Herrlichkeit sein, wenn alles offenbar werden wird: Welch ein Jubel, wenn der Meister kommen und sagen wird: «Wohl du guter und treuer Knecht …» (Mt 25,23). Welche Entgeltung für die Tränen bei der Aussaat!

Und in dieser Freude sind wir nicht allein. Sie wird für uns zweifellos gross sein, aber wie gross wird erst seine Freude sein? «Er kommt heim mit Jubel.» Er hat ein erstes Mal den Himmel verlassen, um das Werk zu vollbringen, das Ihm der Vater aufgetragen hatte. In dieser Erniedrigung, in diesem Kampf hat Er sich als der Starke ausgezeichnet. Er hat den Tod überwunden und vor Ihm haben sich die ewigen Pforten hoch erhoben (Ps 24,9), als Er in die Herrlichkeit zurückkehrte. Welche Freude, wenn Er mit den Scharen der Erlösten von Neuem in das Haus des Vaters einkehren wird! Ein zweites Mal werden sich die ewigen Pforten weit vor Ihm auftun, und der König der Herrlichkeit wird einziehen, um sich vor den Vater zu stellen und zu sagen: «Siehe, ich und die Kinder, die der HERR mir gegeben hat!» (Jes 8,18). Unendliche Glückseligkeit, ewiger Jubel, am Tag der Freude seines Herzens! Und wir, die wir auf der Erde mit Ihm an den Tränen teilhatten, werden in der Ewigkeit diese Freude mit Ihm teilen.

Etwas allerdings werden wir nicht in derselben Weise mit Ihm teilen. Die Aussaat, die Tränen, der Jubel sind auch für uns, aber die Garben sind die Frucht seines Werkes. Es sind «seine Garben». «Er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben.» Wir durften sie als seine Werkzeuge einbringen helfen und haben nur in dieser Beziehung Anteil daran. Sie gehören Ihm. Sie sind die Frucht der Mühsal seiner Seele. Sie sind die Frucht, die das Weizenkorn, das in die Erde fiel, durch sein Sterben gebracht hat. Aber erfüllt es unsere Herzen nicht mit einer noch viel kostbareren und tieferen Freude, wenn wir sehen, was Ihm für seine unendlichen Leiden zuteilwird?

Am Tag der Ernte werden die Tränen, die heute so schmerzlich sind, vergessen sein. Darum: «Lasst uns … nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten» (Gal 6,9). Lasst uns diese kostbaren Ermunterungen zu Herzen nehmen: die Tränen hat Er gekannt; den Jubel werden wir mit Ihm teilen und die Garben, die Frucht der Samenkörner, die mit Ihm und für Ihn in die Furchen der Erde ausgestreut wurden – sie gehören Ihm. Er hat sie sich durch das Blut seines Kreuzes erworben.

  • Von deiner Seele Not
    wirst du die Frucht geniessen,
    um die du rangst am Kreuz,
    von tiefer Nacht umhüllt.
    Sie wird vollkommen, reif
    und heilig vor dir spriessen,
    dein göttlich liebend Herz
    ist ewig dann gestillt.