Der junge Mann war Eingeborener der Shantung Provinz und Weber von Shantung Seide. Er lebte im Dorf «Kuan Tao Nan» und gehörte zu einem weitverbreiteten Geschlecht, das den Übernamen «Chü» trug. Die Bewohner dieses Dorfes waren den Fremden und dem Evangelium gegenüber besonders feindlich. Als daher ein älterer englischer Missionar kam, um in ihren Strassen zu predigen, da gaben alle zu verstehen, dass sie Besseres zu tun hätten, als auf seine Botschaft zu lauschen, wenn sie auch seinem Alter den gebührenden Respekt erwiesen. «Kuan Tao Nan» war nur eines der vielen Dörfer, das dieser Missionar systematisch besuchte, aber es drängte ihn ganz besonders, für diesen Ort zu beten und um das Eingreifen Gottes zu flehen, weil die Menschen hier sich so ablehnend zeigten. Aber erst, als dieser Diener des Herrn entschlief, begann Gott ein Werk in diesem Dorf.
Der junge Weber musste wegen seiner Geschäfte in eine grosse Stadt reisen. Dort vernahm er das Evangelium. Weit weg von seinen eigenen Leuten, wagte er es, zuzuhören. Und siehe, auf irgendeine Weise drang das Wort in sein Herz ein und brachte ihn zum Bewusstsein seines sündigen Zustandes. Immer und immer wieder ging er hin, um zu hören. Er kam zum Glauben und bekannte sich öffentlich dazu. In dieser fernen Stadt hatte er mit keinem Widerstand zu rechnen, aber «des Mannes Feinde sind seine Hausgenossen» (Micha 7,6). Auf dem Heimweg entschloss er sich, seinen Eltern zu sagen, dass er Christ geworden sei, komme was da wolle. Als sie dies hörten, riefen sie die Ältesten des Dorfes zusammen, und «Kuan Tao Nan» hatte nun ein ungewohntes Problem zu lösen. Als sie miteinander berieten, wie sie sich nun verhalten sollten, da einer der Ihren «die Medizin des Fremden gegessen habe und verrückt geworden sei», kamen sie zum Entschluss, abzuwarten. Sie machten im Dorf bekannt, dass keiner mit diesem «abtrünnigen Sohn» reden und ihm keiner zuhören dürfe. Sie wollten ihm gegenüber solange schweigen, bis er seinen Irrtum einsehe, bereue und sich zu den Göttern seines Vaters zurückwende.
So verstrich einige Zeit, und der junge Gläubige konnte nicht von seinem Herrn zeugen, weil es ihm nicht erlaubt war zu reden. Aber er war sich nicht bewusst, wie sehr er überwacht wurde. Man beobachtete all sein Tun, und was man an ihm sah, gab im Dorf immer neuen Gesprächsstoff. Sie sagten: «Er ist verrückt, aber in all den kleinen Dingen unseres Haushalts ist er so rücksichtsvoll geworden.» Nach einiger Zeit teilte die Mutter sogar mit, dass er nun ein besserer Sohn sei als früher, wo er noch nicht «verrückt» gewesen sei. Ein Umstand verwunderte sie sehr: Sie bemerkten, dass er an gewissen Tagen seine Arbeit beiseite legte und fast nur mit dem Lesen von zwei Büchern beschäftigt war. Das grössere dieser Bücher las er schweigend, aus dem anderen aber sang er und schien dabei sehr glücklich zu sein. Beim Zählen der Tage merkten sie, dass er dies alle sieben Tage tat. Und was sie besonders wunderte, war dies, dass er an solchen Tagen oft sehr früh aufstand, irgendwohin ging und abends spät zurückkehrte. Warum wohl? Das nächste Mal wollten sie ihn überwachen, und einer sollte hinter ihm hergehen, um zu sehen, was das zu bedeuten hätte.
Als die chinesische Festzeit nahte, wo alle ihre Götzen anbeteten, versuchten sie, ihn zu zwingen, auch daran teilzunehmen. Aber wie sehr erstaunten sie über seinen festen Widerstand! Und als sie Gewalt anwendeten, wunderten sie sich über die Massen, dass er all die Leiden, die sie ihm zufügten, so geduldig und sanftmütig ertrug.
Seine Mutter wurde daraufhin etwas nachgiebiger, wenn sie auch nach wie vor seiner fremden Religion völlig ablehnend gegenüberstand. – Einige Monate später wurde sie krank, und es schien, dass es zum Sterben ging. Die Heiden fürchten sich sehr vor dem Tod; und als ihr Gatte und die ungläubigen Söhne um sie herumstanden, bereit, alle ihre Wünsche zu erfüllen, äusserte sie das Verlangen, dass ihr «verrückter» Sohn gerufen und ihm erlaubt werde, ihr von seiner neuen Religion zu erzählen. Diesem Verlangen wurde entsprochen; und sie war nicht die einzige interessierte Zuhörerin. Bald wurden auch sein Vater und sein älterer Bruder gläubig.
Als ich etwas später jenes Dorf besuchte, war der Widerstand gegen das Evangelium gebrochen. Die Leute hörten nicht nur mit ihren Ohren, sondern auch mit ihrem Herzen. Als ich einmal zu einer Gruppe von Frauen sprach und ihnen vom Herrn Jesus erzählte, wie Er am Kreuz für seine Feinde gebetet habe: «Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun», da sagte eine der Frauen, das könne sie gut verstehen, denn sie habe gesehen, was der junge Weber getan habe, als man ihn schmähte und schlug, weil er die Götzen nicht anbeten wollte. Er sei nur in die Ecke gegangen und habe gebetet!
So benützte der Herr das einfache Zeugnis eines treuen Lebens. Sogar wenn die Lippen des jungen Gläubigen geschlossen waren, redete sein verändertes Leben und sein sanftmütiges Verhalten zu allen, die ihn umgaben und bewirkte in den Herzen derer, die ihn kannten, dass sie sich für das Evangelium öffneten.
Sind wir auch ein solches Zeugnis in unserer Umgebung?