Die Macht der zukünftigen Welt (2)
Verse 28,29
Im Haus, wo der Herr mit seinen Jüngern allein ist, lernen wir von Ihm die überaus wichtige Wahrheit, dass der Glaube, der den Herrn in alle unsere Schwierigkeiten hineinbringt, nur durch eine vertraute Gemeinschaft mit Gott, die durch das Gebet zum Ausdruck kommt, und durch einen Verzicht auf die Dinge dieser Welt, das Fasten, aufrechtgehalten werden kann. Es ist bei uns wie bei den Jüngern. Hinter einem Mangel an Glauben, die Kraft des Herrn zu gebrauchen, steht meistens ein Mangel an Gemeinschaft mit dem Herrn im Gebet.
Verse 30-32
Die Herrlichkeit des Reiches ist offenbart worden. Die Kraft und Gnade des Herrn, um die Segnungen des Reiches einzuführen, haben sich gezeigt, aber nur, um den Unglauben der Welt ans Licht zu bringen, und das Versagen der Seinen, diese Kraft in ihrer Mitte zu gebrauchen. Sein Weggehen stand bevor, und die Zeit eines öffentlichen Appells an das Volk als Ganzes war vorüber. Hingegen wollte Er seine Gnade für persönliche Nöte austeilen; aber die Zeit, um zu herrschen, war noch nicht gekommen. Deshalb, während Er durch das Land zog, «wollte Er nicht, dass es jemand erfahre». Die Sünde des Menschen stand im Begriff, in der Tötung des Sohnes des Menschen einen traurigen Höhepunkt zu erreichen. Aber gerade dieses würde zur Gelegenheit werden, die gewaltige Macht Christi über Sünde, Satan und Tod durch seine Auferstehung aus den Toten kundzutun. Die Worte des Herrn offenbarten aufs Neue die Schwachheit der Jünger. Es fehlte ihnen nicht nur an geistlichem Begriffsvermögen, um die Wahrheit der Auferstehung zu verstehen, sondern sie «fürchteten sich, ihn zu fragen». Im Fall des Mannes mit dem bösen Geist war ihr Glaube zu schwach, um die Macht Christi zu gebrauchen. Jetzt ist ihr Vertrauen zu klein, um sich die Weisheit Christi zu Nutzen zu machen. Wie oft gleichen wir leider den Jüngern! Wenn Schwierigkeiten auftauchen, suchen wir eine Lösung, indem wir die Probleme miteinander diskutieren (Vers 10), anstatt uns an Christus, unser Haupt, zu wenden, bei dem alle Weisheit ist.
Verse 33,34
Allein im Haus mit den Seinen, erreicht der Herr durch eine einfache Frage das Gewissen der Jünger und legt die Wurzel von manchen ihrer Schwachheiten bloss. Unterwegs hatten sie sich miteinander besprochen, und das Thema ihrer Unterhaltung war: «Wer der Grösste sei.» Leider ist seit jenem Tag gerade dies – der Wunsch, der Grösste zu sein – die wirkliche Wurzel vieler Streitgespräche unter dem Volk Gottes gewesen. Was auch immer die unmittelbar zur Diskussion stehende Frage ist, unter der Oberfläche befindet sich meistens ein grosses Stück des Ichs, das sich ins Gespräch mischt. Das Ich will nicht nur gross, sondern «der Grösste» sein. Wenn ein Gläubiger danach trachtet, der Grösste zu sein, wird dies früher oder später zu einem Gespräch führen, in dem der kleinste Ausrutscher bei einem Bruder aufgegriffen wird, mit dem Bestreben, ihn herabzusetzen und dafür sich selbst zu erhöhen. Schon der Gedanke, gross sein zu wollen, zeigt, wie wenig die Jünger die Wahrheit des Reiches verstanden. Sie übersahen vollkommen, dass das Reich zur Entfaltung alles dessen dienen wird, was Gott in Liebe, Gerechtigkeit, Gnade und Macht ist. So kann es in unseren Tagen vorkommen, dass wir uns in dem Fallstrick verfangen, die Versammlung als einen Bereich zu benutzen, wo wir uns selbst erhöhen können. Die Korinther taten dies durch ihre Gaben und fleischlichen Methoden; die Galater taten es durch ihre Gesetzlichkeit, und die Kolosser standen in Gefahr, die fleischliche Religion dazu zu verwenden.
Wenn Gläubige jedoch untereinander diskutieren können, dann müssen sie in der Gegenwart des Herrn schweigen. Wir können sicher sein, wenn Gläubige anfangen, Wortstreit miteinander zu führen, dann sind sie sich der Gegenwart des Herrn nicht mehr länger bewusst.
Vers 35
Der Herr unterweist seine Jünger mit unendlicher Geduld. In Gegenwart ihrer Herzlosigkeit, die gerade dann ihre eigene Grösse suchte, als Er sie daran erinnerte, dass Er getötet werden sollte, steht Er nicht entrüstet auf und verlässt sie. Vielmehr setzt Er sich nieder, ruft die Zwölf zu sich und unterweist sie in liebevoller Weise im Pfad wahrer Grösse. Wenn jemand wünscht, der erste im Reich zu sein, dann soll er der letzte sein auf dem Pfad, der zur Herrlichkeit führt – er soll aller Diener werden. Wir mögen zeitweise bereit sein, einer grossen Persönlichkeit oder einem hingebenden Gläubigen zu dienen und uns durch dieses Tun selbst zu erhöhen. Sind wir aber bereit, der Diener von allen zu werden? Es ist in Wahrheit gesagt worden, dass Liebe das Machtvollste von allem sei, und sie liebt es zu dienen, und nicht bedient zu werden. So ist der der Grösste, der in seinen Augen der Kleinste ist.
Verse 36,37
Nachdem der Herr die Jünger auf dem Weg wahrer Grösse unterwiesen hat, illustriert Er seine Belehrung, indem Er ein kleines Kind in ihre Mitte stellt. Er zeigt ihnen, wie Er selbst sich herabneigen konnte, um ein kleines Kind in seine Arme der Liebe zu schliessen. Der Jünger, der eines dieser kleinen Kinder im Namen des Herrn aufnehmen kann, folgt dem Herrn auf dem Weg wahrer Grösse. Er wird sich im Namen des Höchsten zu dem Niedrigsten neigen. Wenn er so handelt, befindet er sich in Gemeinschaft mit Christus, und Christus aufnehmen heisst den aufnehmen, der Ihn gesandt hat. Indem wir uns selbst verleugnen und jede Selbsterhöhung ablehnen, werden wir uns in Gemeinschaft mit den göttlichen Personen finden.
Verse 38-41
Wir haben die Gefahr der Selbsterhöhung gesehen. Im folgenden Ereignis sehen wir eine andere Schlinge: die Gefahr der Erhöhung einer Gruppe. Johannes sagt: «Lehrer, wir sahen jemand, der uns nicht nachfolgt, Dämonen austreiben in deinem Namen; und wir wehrten ihm, weil er uns nicht nachfolgte.» Sie selbst, obwohl sie Christus nachfolgten, hatten soeben aus Mangel an Gebet und Fasten versagt, einen Dämon auszutreiben. Jetzt verboten sie jemand das zu tun, worin sie selbst versagt hatten, nur weil er ihnen nicht nachfolgte. In seiner Antwort zeigt der Herr ihnen, was aus seiner Sicht vor allem wichtig ist: die Beziehung des Jüngers zu Ihm selbst. Vielleicht hatte dieser Mann nicht genügend Glauben, um sich mit den Jüngern eins zu machen, die dem Herrn auf dem Weg der Absonderung nachfolgten. Aber wenn er ein Wunder im Namen Christi vollbringen konnte, war es offensichtlich, dass er diesen Namen wertschätzte und nicht in leichtfertiger Weise von Ihm reden würde.
Die Welt hat Christus so vollständig verworfen, dass es in ihrem Kreis eigentlich nur noch Gegner des Herrn Jesus gibt. Wenn es solche gibt, die nicht gegen Christus sind, dann müssen sie zu denen gehören, die auf seiner Seite stehen, auch wenn es ihnen an Glauben fehlt, sich öffentlich zu Ihm zu bekennen. Johannes hatte gesagt, sie sind nicht «mit uns». Aber der Herr kann trotzdem antworten, dass sie «nicht gegen uns» sind. Die Jünger machten zu viel aus dem armen «uns» – das schwache Häuflein, das sich um Christus versammelte – und zu wenig von Christus, der herrlichen Person, um die sie geschart waren. Der Herr erinnert sie daran, dass sein Name alles bedeutet. Die geringste Tat – z.B. einem, der Christus angehört, einen Becher kalten Wasser zu trinken geben –, wenn sie in seinem Namen getan wird, wird ihren Lohn nicht verlieren.
Verse 42-48
Nun folgen einige Warnungen. Hüten wir uns davor, andere zu verurteilen, dass wir dadurch nicht einen Stolperstein auf den Weg eines dieser Kleinen legen, die Christus angehören. Im Weiteren lasst uns gewissenhaft mit jeder bösen Neigung in uns selbst verfahren, indem wir alles ablehnen, was uns zur Sünde verleiten könnte. Das mag zur Folge haben, dass wir das, was dem Fleisch am wertvollsten ist, unnachgiebig abweisen – die Hand, den Fuss, das Auge und jede Form des Bösen, in die diese Glieder uns führen können. Lasst uns nicht vergessen, dass diese bösen Dinge die Menschen in das ewige Gericht bringen.
Verse 49,50
Alles wird auf die Probe gestellt. Das Feuer wird sowohl Gläubige als Sünder erproben. «Jeder wird mit Feuer gesalzen werden, und jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden.» Der Sünder, der Christus verwirft, wird in das unauslöschliche Feuer kommen. Aber der wahre Gläubige wird durch das Feuer erprobt, das die Form von Prüfungen oder sogar Verfolgungen annehmen kann. Der Apostel Petrus erklärt uns, dass unser Glaube durch Feuer erprobt werden kann, und warnt uns, es nicht als etwas Fremdes zu betrachten, wenn wir durch «das Feuer der Verfolgung» zu gehen haben. Wir sollten uns vielmehr darüber freuen, dass, so wie wir an «den Leiden des Christus» teilhaben, wir auch «seine Herrlichkeit» mit Ihm teilen werden (1. Pet 1,7; 4,12.13). Das Leben des Gläubigen wird auch als ein Opfer betrachtet, denn wir sollen unsere «Leiber darstellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer» (Röm 12,1). Das Opfer soll rein gehalten werden, «mit Salz gesalzen». Wenn der Christ in praktischer Heiligkeit lebt, wird er zu einem Zeugnis inmitten der Welt. Fehlt aber diese Heiligkeit, gleicht sein Leben dem Salz, das seinen Geschmack verloren hat. Wir sollen Salz in uns selbst haben und in Frieden untereinander sein.
Im Lauf des Kapitels haben wir einerseits die Vollkommenheit Christi gesehen und anderseits die Enthüllung dessen, was das Fleisch ist, sogar in wahren Jüngern, in denen, die den Herrn liebten und Ihm nachfolgten. In der Gegenwart der Herrlichkeit waren die Jünger «voll Furcht» (V. 6). Angesichts der Macht Satans fehlte es ihnen an Glauben, um die Kraft zu gebrauchen, die ihnen in Christus zur Verfügung stand (V. 18,19). Hinter diesem Mangel an Glauben stand eine Vernachlässigung des Gebets und Fastens (V. 29). Nachdem sie wenig in Gemeinschaft mit Gott im Gebet waren, unterredeten sie sich untereinander, als Schwierigkeiten in ihren Gedanken entstanden, und fürchteten sich, Ihn zu fragen (V. 10,32). Nicht mehr an der Hand des Meisters, diskutierten sie untereinander, wer der Grösste sei, und verurteilten das, was ein anderer im Namen Christi tat, nur weil er nicht zu ihrer Gruppe zählte (V. 38).
Wenn wir aber unsere eigene Schwachheit in den Jüngern sehen, erkennen wir auch die Fülle unserer Hilfsquellen in Christus. Wir sehen auf dem Berg die Herrlichkeit und Macht des Reiches, und dass wir mit Ihm in der Herrlichkeit sein werden. Am Fuss des Berges sehen wir inmitten all unserer Schwachheit und Schwierigkeiten, dass Er als unsere nie versiegbare Hilfsquelle mit uns ist. Er ist der Eine, zu dem wir alle unsere Prüfungen und schwierigen Fragen bringen dürfen (V. 19,33). Er ist unser Lehrer (V. 31). Es ist sein Name, zu dem wir uns versammeln (V. 39), und Er will das Geringste, das in seinem Namen getan wird, belohnen (V. 41).