Die ersten Jahrzehnte des Christentums (28)

Apostelgeschichte 13,1-12

Kapitel 13

Verse 1-3

Mit diesem Kapitel beginnt der zweite Teil der Apostelgeschichte, dessen Merkmal der Dienst des Apostels Paulus ist. Gottes Geduld dem jüdischen Volk gegenüber war zu Ende. Wir haben im 3. Kapitel gesehen, wie die Aufforderung des Petrus zur Buße – «damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn» – zurückgewiesen wurde. Deshalb wird das Volk erst in den Genuss der ihm verheissenen irdischen Segnungen eintreten, wenn der Herr in Herrlichkeit wiederkommen wird. Von da an wurde jedem einzelnen von ihnen Gnade angeboten, dem Juden zuerst, dann auch dem Griechen, wie Paulus es immer getan hat. Sowohl die Bekehrten aus den Juden wie auch die aus den Nationen wurden als Glieder des Leibes, dessen verherrlichtes Haupt Christus im Himmel ist, mit der ganzen Wahrheit ihrer himmlischen Stellung bekanntgemacht.

Das mit dem 13. Kapitel beginnende Werk war ganz unabhängig von den zwölf Aposteln und von Jerusalem. Es hatte diese Stadt nicht einmal zum Ausgangspunkt. Barnabas und Saulus wurden in Antiochien berufen und von dort aus durch den Heiligen Geist ausgesandt. – Es wird in den inspirierten Schriften nicht erwähnt, ob und wie die Missionsaufgabe der Zwölf, die der Herr ihnen auftrug (Mt 28,19.20), ausgeführt wurde.

In der Versammlung in Antiochien gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Kyrene und Manaen, der mit Herodes, dem Vierfürsten, grossgezogen worden war und sein Milchbruder war, sowie Saulus. Man sieht daraus, dass das Wort hochgestellte Persönlichkeiten erreicht hatte, wie später auch am Hof des Kaisers.

«Während sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe. Da entliessen sie sie, nachdem sie gefastet und gebetet und ihnen die Hände aufgelegt hatten.» Hier sieht man das freie, souveräne Wirken des Heiligen Geistes. Er beruft zwei Männer zu einem neuen Werk, ordnet an, dass sie zu diesem Zweck ausgesondert werden und sendet sie (Vers 4). Die beiden Männer, an die sich der Heilige Geist richtete, waren in einem solchen Zustand, dass sie sowohl bereit waren, diese Offenbarung zu empfangen, als auch danach zu handeln: «Sie dienten dem Herrn und fasteten.» Fasten heisst, sich von allem enthalten, was auf den Geist beschwerend oder erregend einwirken könnte. Fasten macht fähig, Gottes Gedanken zu erkennen und das Reine vom Unreinen zu unterscheiden. Fasten und Beten gehören zusammen (Vers 3). Der Herr sagte zu den Jüngern, die den Dämon nicht auszutreiben vermochten: «Diese Art kann durch nichts ausfahren als nur durch Gebet und Fasten» (Mk 9,29). Fasten bereitet den Gläubigen zu, aus der Macht Gottes Nutzen zu ziehen, und befähigt ihn, Gott um das Ihm Wohlgefällige zu bitten.

Die Verse 2 und 3 zeigen uns die Grundsätze, nach denen der Heilige Geist handelt, wenn er jemanden in seinen Dienst beruft. Barnabas und Saulus hatten in ihrem bisherigen Dienst Beweise ihrer Hingebung und ihrer Befähigung gegeben.

Barnabas gehörte zu den Brüdern, in denen der Heilige Geist im Anfang mächtig wirkte (Apg 4,36.37). Er war es auch, der Saulus den Brüdern vorstellte (Apg 9,27). Die Versammlung in Jerusalem hatte ihn nach Antiochien gesandt, wo eine zahlreiche Menge dem Herrn hinzugetan wurde. Von dort aus ging er nach Tarsus, um Saulus zu holen (Apg 11,22-25). Dann arbeiteten sie ein Jahr lang miteinander in Antiochien, wo sie in der Versammlung eine zahlreiche Menge lehrten. Die beiden hatten auch die Hilfeleistung der Brüder in Antiochien nach Jerusalem gebracht und waren wieder zurückgekehrt.

Barnabas war also kein unerfahrener Neubekehrter mehr, so wenig wie Saulus. Als dieser letztere den Aposteln in Jerusalem vorgestellt wurde, war er schon seit drei Jahren bekehrt. Von dort aus sandten sie ihn nach Tarsus. Über seine Tätigkeit in Arabien und in Tarsus wird uns zwar, ausser einer Andeutung in Galater 1,22.23, nichts gesagt, aber immerhin nahm das Jahre in Anspruch. Man nimmt an, dass zwischen seiner Begegnung mit dem Herrn auf dem Weg nach Damaskus und seiner Berufung durch den Heiligen Geist zu diesem besonderen Werk ungefähr zehn Jahre verflossen waren.

Beide Männer hatten wohl gedient und eine schöne Stufe erworben und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christus Jesus ist. In 1. Timotheus 3 wird dies bei den «Dienern» vorausgesetzt; aber auch Paulus und Barnabas hatten es verwirklicht. Jeder Mann Gottes muss im Verborgenen durch die Schule Gottes und durch mancherlei Schwierigkeiten hindurchgehen, wobei er sowohl sich selbst als auch Gott kennenlernt. Gottes Wort ist voll von solchen Beispielen. Der Heilige Geist beruft Männer in seinen Dienst, die in der Schule Gottes gelernt haben. Der Herr wird sie noch weiter ausbilden.

Barnabas und Saulus, die vom Heiligen Geist berufen worden waren, reisten erst weg, als die Männer, denen Er geboten hatte, die beiden zu dem Werk auszusondern, ihnen nach wiederholtem Fasten und Beten die Hände aufgelegt hatten. So erfolgte ihre Abreise also in völliger Abhängigkeit von Gottes Willen. Die Brüder – und folglich die Versammlung – anerkannten dies und machten sich eins mit ihnen. Aber nicht durch das Händeauflegen war ihnen die Gabe verliehen worden. Wohl hatte – in einem anderen Fall – Timotheus seine «Gnadengabe» durch Händeauflegung des Apostels empfangen, aber das war eine Handlung apostolischer Machtvollkommenheit, und auch er war durch Weissagung dazu berufen worden. Auch Timotheus war durch das Händeauflegen der Ältestenschaft nichts verliehen worden; es war nur ein Ausdruck ihrer vollen Zustimmung.

Das sind bemerkenswerte Grundsätze. Wohl haben wir heute keine solch offensichtlichen Willenskundgebungen mehr, wie sie der Heilige Geist damals gab. Aber wenn auch die Christenheit das Bewusstsein der Gegenwart und Wirksamkeit des Heiligen Geistes auf der Erde verloren hat, so wissen wir doch anderseits, dass Er persönlich in der Versammlung wohnt und bis zum Ende wirksam sein wird, damit der Dienst des Herrn zu ihrer Auferbauung getan werde.

Was wir alle nötig haben, ist, in allem, was der Herr uns auferlegt, treu zu dienen, mag der Dienst, den Er von uns verlangt, noch so gering scheinen. Auch sollten wir in einem Zustand sein, der durch «Fasten und Beten» gekennzeichnet ist, damit wir erkennen, wenn der Herr uns zu einem besonderen Dienst beruft. Wird uns die Berufung zu einem solchen Dienst klar, so sollte er doch nicht ohne völlige Gemeinschaft mit dem örtlichen Zeugnis ausgeübt werden, dem man angehört. Wenn heute auch kein Händeauflegen vorgenommen wird, so bleibt doch das, was es zum Ausdruck bringt, bestehen: die Anerkennung dieser Berufung seitens der Brüder und der Versammlung, wie auch ihre Gemeinschaft mit diesem Dienst. Sonst würde der Betreffende Gefahr laufen, in Selbsttäuschung einen Weg des Eigenwillens zu gehen, auf dem er von seinen eigenen Gedanken geleitet wird. Die zu Rate gezogenen gottesfürchtigen Brüder würden durch Fasten und Beten imstande sein, solche eigenen Gedanken zu korrigieren. Aber der wichtige Grundsatz bleibt bestehen, dass ein Bruder für eine wirklich empfangene Gabe und deren Ausübung dem Herrn gegenüber verantwortlich ist. Wer darf ihn daran hindern?

Verse 4-12

Der Heilige Geist, der Barnabas und Saulus berufen hatte, führte sie auch zum Ort ihrer Wirksamkeit. Ohne Zaudern schifften sie sich ein, um nach Zypern zu fahren und nahmen Johannes Markus als Diener mit. Der besondere Dienst dieses Letzteren war von ihrer apostolischen Vollmacht abhängig.

In Salamis angekommen, verkündigten sie das Wort Gottes in den Synagogen, also zuerst den Juden, wie es den Gedanken Gottes entsprach. Aber bald hatten sie es mit der List des Feindes zu tun. In Paphos angekommen, fanden sie einen Magier, einen falschen jüdischen Propheten, der sich beim Prokonsul aufhielt, einem verständigen Mann. Der falsche Prophet nützte diesen Mann aus. Wahrscheinlich hatte er bei diesem Mann innere Bedürfnisse entdeckt, die das Heidentum, das zu jener Zeit vielen zum Ekel war, nicht befriedigen konnte. Was Barnabas und Saulus verkündigten, übte auf den hohen Beamten eine grosse Anziehungskraft aus: Er liess sie kommen und wünschte, das Wort Gottes zu hören. Aber Elymas, der Zauberer, widerstand ihnen und suchte den Prokonsul von dem Glauben abwendig zu machen.

Saulus – nunmehr Paulus genannt – erfüllt mit Heiligem Geist, wies ihn scharf zurecht und sprach zu ihm: «Siehe, die Hand des Herrn ist auf dir, und du wirst blind sein und die Sonne eine Zeit lang nicht sehen.» Als der Beamte sah, was geschehen war, glaubte er, nicht an das Wunder, das er sah, sondern an die durch Paulus verkündigte Lehre des Herrn, die ihn ergriffen hatte.

Die Juden, die dem Zeugnis des Heiligen Geistes widerstanden und den Heiden den Empfang der von ihnen selbst verachteten Gnade zu verwehren suchten, gleichen Elymas. Wie dieser ist die jüdische Nation «eine Zeitlang» blind, bis sie zum Herrn umkehrt.