Verse 12-17
In diesen Versen sehen wir wiederum die Juden am Werk. Sie traten einmütig gegen Paulus auf, führten ihn vor den Richterstuhl der Stadt und klagten ihn an, mit dem Gesetz in Widerspruch zu stehen. Doch Gott benützte die Gleichgültigkeit des Prokonsuls, ihren Plan zu vereiteln. Wären sie nicht so sehr durch ihren Hass verblendet gewesen, hätten sie begriffen, dass sich ein römischer Beamter nicht für Fragen des jüdischen Gesetzes interessierte. Gallion «trieb sie von dem Richterstuhl weg»; er war diesen Dingen gegenüber gleichgültig und liess sogar zu, dass Sosthenes, der Vorsteher der Synagoge, vor dem Richterstuhl geschlagen wurde.
Vielleicht darf man annehmen, dass dieser Vorsteher der Synagoge, möglicherweise der Nachfolger des Krispus, bekehrt wurde und identisch ist mit dem Sosthenes, den Paulus im 1. Korintherbrief im Eingangsgruss erwähnt.
Verse 18-23
Der durch die Juden in Szene gesetzte Tumult hinderte den Apostel nicht, sein Werk fortzusetzen; der Herr hatte ihm gesagt: «Rede, und schweige nicht!» Nachdem Paulus noch eine gewisse Zeit in Korinth geblieben war, nahm er Abschied von den Brüdern und segelte mit Priszilla und Aquila nach Syrien ab. Dieser Ausdruck «Abschiednehmen von den Brüdern» lässt erkennen, dass sich zwischen den Heiligen von Korinth und dem Apostel sehr feste Bande gebildet hatten. Umso trauriger ist es, feststellen zu müssen, dass sich die Korinther bald darauf von ihm abwandten, da sie bösen Arbeitern Gehör gaben.
Paulus kam nach Kenchreä, wo er sich das Haupt scheren liess, weil er ein Gelübde hatte. Das war ein Überbleibsel vom Judentum; aber es wird uns nicht gesagt, aus welchem Grund er es tat. Obwohl er von allem frei war, hat er sich allen zum Sklaven gemacht (1. Kor 9,19-23).
Darauf reiste er nach Ephesus, wo er Priszilla und Aquila zurückliess. Hier fand er weniger Widerstand vonseiten der Juden als anderswo, und er unterredete sich mit ihnen in der Synagoge. Obwohl sie ihn baten, längere Zeit bei ihnen zu bleiben, willigte er nicht ein, weil er das zukünftige Fest in Jerusalem zu feiern wünschte, aber er versprach, wiederzukommen, wenn Gott es erlaubte. Von Ephesus aus fuhr Paulus nach Cäsarea weiter, ging dort nach Jerusalem hinauf und begrüsste die Versammlung. Das ist alles, was der Geist Gottes von diesem Besuch in Jerusalem berichtet, und Er übergeht das Fest, das Paulus dort feiern wollte, mit Stillschweigen. Das hatte mit dem Bericht über den Dienst des Apostels der Nationen nichts zu tun. Sein Besuch in Jerusalem, am Ende seiner dritten Reise, ist jedoch beschrieben worden.
Nun musste er seinen freien Dienst in den schon gebildeten Versammlungen und in den Gegenden zu Ende führen, wo der Geist ihm vorher nicht erlaubt hatte, sich aufzuhalten (Kap. 16,6.7). Er ging nach Antiochien hinab, zum Ausgangspunkt seiner beiden ersten Reisen, und brach von hier zur dritten Reise auf, nachdem er sich einige Zeit dort aufgehalten hatte. Er zog der Reihe nach durch die galatische Landschaft, wo er auf seiner zweiten Reise das Evangelium verkündet hatte, reiste zum dritten Mal durch Phrygien und befestigte alle Jünger.
Nach der Evangelisation war die Auferbauung, die Befestigung, die geistliche Entwicklung der Heiligen und der Versammlungen das grosse Ziel seines Dienstes. Er schrieb den Kolossern: «Christus … den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, damit wir jeden Menschen vollkommen in Christus darstellen; wozu ich mich auch bemühe, indem ich kämpfend ringe gemäss seiner Wirksamkeit, die in mir wirkt in Kraft» (Kol 1,28.29). Dieses Werk der Auferbauung scheinen viele Evangelisten unserer Tage zu vergessen oder zu verkennen. Sie meinen, die wichtigste Sache sei das Heil der Seelen, und betrachten die Lehre bezüglich der Befreiung und die Wahrheiten über die Versammlung, die Christus unterworfen sein soll und ein Gegenstand seiner Fürsorge ist, als nebensächlich. Wie sollen denn die Erretteten zu einem individuellen und kollektiven Wandel geführt werden, der den Herrn verherrlicht? Aber man kann die Seelen nicht über das hinausführen, was man selbst verstanden hat und verwirklicht.
Verse 24-28
Während der Abwesenheit des Paulus kam Apollos, ein aus Alexandrien gebürtiger Jude, nach Ephesus. Er war beredt, mächtig in den Schriften, in dem Weg des Herrn unterwiesen, brennend im Geist und redete und lehrte sorgfältig die Dinge von Jesus. Aber er kannte nur die Taufe des Johannes. Es war ein Mann, der für den Dienst zubereitet war, zu dem der Herr ihn jetzt führte. Er besass in der Kenntnis des Wortes eine gute Grundlage und wusste mehr davon als die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus, die beim Lesen der Schriften sich nur bei den Dingen aufhielten, die sie selbst betrafen, und die das, was sich auf Jesus bezog, nicht darin gesehen hatten. Aber wenn das Herz dem Herrn anhängt, ist es auf dem Weg, der zu geistlichem Verständnis führt. Die Erkenntnis des Apollos reichte noch nicht bis zu einem auferstandenen und verherrlichten Christus. Als er mit Freimütigkeit in der Synagoge zu reden anfing, erkannten Priszilla und Aquila, was ihm fehlte. Sie verwirklichten das, was Paulus den Thessalonichern sagte (1. Thes 5,19-21): «Den Geist löscht nicht aus; Weissagungen verachtet nicht; prüft aber alles, das Gute haltet fest.» Doch legten sie ihm den Weg Gottes genauer aus. Sie belehrten ihn darüber, wie Gott seinen Ratschluss durch den Tod, die Auferstehung und die Verherrlichung seines Sohnes ausgeführt hat.
In Priszilla und Aquila sehen wir ein vorbildliches, christliches Ehepaar, das sich den Interessen des Herrn völlig hingab. Priszilla, manchmal vor ihrem Mann genannt, muss eine hervorragende Christin gewesen sein, aber ihre Erkenntnis verleitete sie nicht dazu, den Platz der Hilfe zu verlassen, den Gott der Frau gegeben hat. Beide zusammen unterwiesen Apollos im Stillen in den Wahrheiten, die ihm noch fehlten.
Bereichert durch die Kenntnis dieser christlichen Wahrheiten, nahm sich Apollos vor, nach Achaja zu reisen. Die Brüder von Ephesus, die eine völlige Gemeinschaft mit ihm und seinem Dienst verwirklichten, empfahlen ihn den Jüngern jener Gegenden. Dort trug er durch die Gnade Gottes viel zum Wachstum der Gläubigen bei; öffentlich und mit grosser Kraft widerlegte er die Juden, indem er durch die Schriften bewies, dass Jesus der Christus ist. Er befand sich dort auf dem Boden, wo Paulus gepflanzt hatte, und er begoss ihn mit dem Segen des Herrn (1. Kor 3,6). Ihr Dienst kam aus derselben Quelle; sie arbeiteten im selben Geist, ohne sich gesehen zu haben. Apollos gehörte nicht zum Mitarbeiterkreis des Apostels, sondern war ein vom Herrn direkt abhängiger Diener und wurde als solcher von Paulus anerkannt. Paulus hatte ihm einmal viel zugeredet, zu den Korinthern zu gehen; aber Apollos war damals durchaus nicht gewillt, es zu tun; er wollte dahin gehen, wenn er dazu eine gelegene Zeit fand (1. Kor 16,12). Das war eine Sache zwischen dem Herrn selbst und ihm.
Kapitel 19
Verse 1-7
Nachdem Paulus die Gegenden im Nordosten von Kleinasien besucht hatte, kam er nach Ephesus, während Apollos in Korinth war. Da fand der Apostel gewisse Jünger, bei denen er feststellen musste, dass sie den Heiligen Geist noch nicht hatten, der doch den Christen kennzeichnen soll. Sie waren nur mit der Taufe des Johannes getauft und hatten noch nicht einmal gewusst, dass der Heilige Geist da war, das heisst, dass sein in den Schriften und durch Johannes angekündigtes Kommen schon erfolgt sei. In Johannes 7,39 lesen wir: «Denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.» Der Apostel belehrte sie über die Bedeutung der Taufe des Johannes, die eine Taufe der Buße war. Die von Johannes Getauften anerkannten das Urteil, das Gott über den Menschen gefällt hat, und sie waren zubereitet, Jesus, der kommen sollte, zu empfangen. Christus hat durch seine Verwerfung seitens der Menschen, durch seinen Tod und seine Auferstehung, für den Gläubigen den Weg zum Himmel geöffnet und dieser soll nun in dieser Welt einem verworfenen Christus nachfolgen, indem er auf Ihn, auf seinen Tod hin, getauft ist. Die christliche Taufe bezieht sich auf einen gestorbenen Christus; die Taufe des Johannes aber auf einen Christus, der hier auf der Erde lebt. Nachdem sie den Apostel gehört hatten, wurden diese Jünger auf den Namen des Herrn Jesus getauft und so durch das Zeichen seines Todes in einen neuen Zustand der Dinge eingeführt. Sie anerkannten die Herrschaft Jesu, und lernten all die Segnungen kennen, die sich auf das Werk des Kreuzes und auf die durch Christus eingenommene Stellung in der Herrlichkeit gründen. Paulus legte ihnen die Hände auf, und sogleich kam der Heilige Geist auf sie. Bis jetzt besassen sie die göttliche Natur wie alle Gläubigen des Alten Testaments. Von nun an hatten sie Leben in Überfluss, und die Gegenwart des Heiligen Geistes gab sich in ihnen kund, wie am Tag der Pfingsten. Sie redeten in Sprachen und weissagten. Es waren etwa zwölf Männer.
Verse 8-16
Der Apostel nahm nun den Dienst wieder auf, den er wegen seiner Reise nach Jerusalem verlassen hatte (Kap. 18,19-22), und wurde dabei vom Heiligen Geist, der ihn früher verhindert hatte, das Wort in Asien zu reden, mächtig unterstützt. Drei Monate lang unterredete er sich in der Synagoge mit Freimütigkeit mit den Juden über die Dinge des Reiches Gottes. In Kapitel 20,25 sagte er zu den Ältesten der Versammlung, er habe unter ihnen «das Reich Gottes gepredigt». Was dieses Reich kennzeichnete, war Gott, so, wie Er sich in Christus, der dieses Reich persönlich darstellte, offenbart hat. Man musste von neuem geboren sein, um in seiner Person das Reich zu sehen (Joh 3). In Lukas 17,21 finden wir das Wort des Herrn: «Das Reich Gottes ist mitten unter euch.» Es kam nicht in einer Weise, die die Aufmerksamkeit auf sich zog. In Römer 14,17 lesen wir: «Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.» Es ist ein Zustand der Dinge, wo die Rechte und das Wesen Gottes anerkannt und verwirklicht werden.
Paulus lehrte drei Monate unter den Juden. Als sich aber einige von ihnen verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge übel redeten von dem Weg, zog er sich mit den Jüngern von ihnen zurück und verkündigte von da an, während zweier Jahre, das Wort in der Schule des Tyrannus. Wenn die Zuhörer das an sie gerichtete Wort nicht aufnehmen, übt es eine verhärtende Wirkung aus. So erging es dem Volk Israel, und so wird es auch der Christenheit ergehen und jedem, der das Wort nicht auf sein Gewissen einwirken lässt. Wie feierlich ernst ist dies! Die Zeit der Langmut Gottes war für die Juden vorüber. Wohl wandte sich der Apostel zuerst an sie, aber er wusste, dass er zu den Nationen gesandt war. Damit seine Predigt für die Nationen wirksam war, musste er sich von denen trennen, die dem Wort widerstanden, und auch die Gläubigen von ihnen absondern. Denn der Einfluss der Juden war schädlich für die Menge, vor der sie von dem Weg übel geredet hatten, dem Weg des Zeugnisses, auf dem Gott die Gläubigen führt, einem Weg, der in den Himmel mündet, durch eine Welt hindurch, die Gott widersteht.
Im Lauf der zwei Jahre, während denen Paulus in der Schule des Tyrannus das Wort verkündigte, hörten alle, die in Asien wohnten – eine Provinz, wovon Ephesus die Hauptstadt war – das Wort des Herrn, sowohl Juden als Griechen.
Die Macht des Herrn wirkte in jenen Tagen ohne Hindernisse. Gott liess durch Paulus ausserordentliche Wunder geschehen: Kranke wurden geheilt und Dämonen ausgetrieben. Diese Macht kennzeichnet das Werk in diesem Kapitel. Durch das Auflegen der Hände des Apostels kam der Heilige Geist auf die zwölf Männer. Diese gleiche Macht erwies sich auch siegreich über die Krankheiten und die Dämonen. Die Dämonen gaben dieser Macht Zeugnis, als die Söhne des Skeva glaubten, sich ihrer bedienen zu können, um sie auszutreiben. Schon früh hat der Feind die Tätigkeit des Geistes nachzuahmen versucht, wie wir es auch im 8. Kapitel bei Simon, dem Zauberer, gesehen haben. Aber, wie im Fall von Jannes und Jambres, wurde ihre Torheit bald offenbar. Der böse Geist sagte zu den Söhnen des Skeva: «Jesus zwar kenne ich, und von Paulus weiss ich; ihr aber, wer seid ihr?» Ihr Zustand wurde offenbar. Sie flohen nackt und verwundet aus dem Haus hinaus.
Verse 17-20
Durch dieses Ereignis, bei dem die Betrügerei der Söhne des Skeva sowohl den Juden als auch den Griechen, die in Ephesus wohnten, offenbar wurde, fiel Furcht auf sie alle, und der Name des Herrn wurde erhoben. Furcht ist die erste Wirkung auf eine Seele, die sich der Gegenwart Gottes bewusst wird. Aber es muss ihr eine heilsame Wirkung auf das Gewissen folgen, die dazu führt, die Befreiung zu suchen. Ohne Gewissensübungen ist die Furcht nur vorübergehend. Von Noah wird gesagt, dass er, als er einen göttlichen Ausspruch empfangen hatte, von Furcht bewegt zur Rettung seines Hauses eine Arche baute (Heb 11,7). Der Schächer am Kreuz sagte zu seinem Genossen: «Auch du fürchtest Gott nicht?» Er anerkannte das gerechte Urteil, unter dem sie standen. «Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang» (Ps 111,10).
Bei einer grossen Anzahl Ephesern, unter denen der Name des Herrn Jesus erhoben worden war, zeigten sich wunderbare Wirkungen. Der Name ist der Ausdruck der Person, die ihn trägt. Die Kraft des Namens Jesu vollbringt grosse Dinge.
Die Furcht wurde bei vielen von denen, die nicht nur ihren Zustand der Sünde vor Gott erkannten, sondern auch öffentlich bekannten, was sie getan hatten, vom Glauben begleitet. Als Zeugen der Vorgänge, durch die die Macht Satans enthüllt worden war, trugen viele von denen, die Zauberei getrieben hatten, die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen. Sie verurteilten damit ihre bösen Werke, sagten sich mit Entschiedenheit davon los und wurden von diesen Dingen befreit.
Viele Gläubige sind wieder Opfer von Dingen geworden, die sie bei ihrer Bekehrung verurteilten; sie haben nicht radikal damit gebrochen. Diese Bücher stellten einen grossen materiellen Wert dar; die Erwähnung dieser Tatsache zeigt, dass man nicht darauf sehen soll, was es kostet, Dinge aufzugeben, die mit dem christlichen Wandel unvereinbar sind. Diese Summe lässt auch den Zustand der Welt unter der Macht Satans erkennen: Bücher über okkulte Dinge haben einen grossen Wert für sie. Die Menschen schätzen das Wort, das uns Gott und seine grosse Liebe für die Sünder offenbart, nicht so hoch ein. Es ist betrübend, feststellen zu müssen, dass man in der Christenheit den Glauben an das Wort Gottes mehr und mehr aufgibt, um sich dämonischen Offenbarungen zuzuwenden. Man tut es auf eine feinere Weise als die Götzendiener von damals, aber es führt zur Anbetung des Menschen, zu einem Gericht Gottes gegenüber denen, die der Wahrheit nicht geglaubt haben.
Gott redete nicht nur durch Wunderwerke, die im 11. Vers erwähnt werden, zu den Menschen; durch seinen Geist wirkte Er auch mittels des Wortes des Herrn; im 20. Vers lesen wir: «So wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand.» Gott bestätigte dieses Wort durch Zeichen der Macht; siehe Hebräer 2,4: «Wobei Gott ausserdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke.» Aber die Wirksamkeit auf das Gewissen und auf das Herz vollzog sich nicht durch die Wunder, sondern durch das Wort, das wir heute noch haben. Durch das Wort vollführt der Geist Gottes sein Werk in den Seelen, auch wenn die Wundermacht in der Christenheit, die von einem toten Bekenntnis beherrscht wird, nicht mehr wirksam ist. Die Erweckung im 19. Jahrhundert, die dem Aufwachen der Jungfrauen (Mt 25) entsprach, kam nicht aus Wundern hervor, sondern durch die Wirksamkeit des Wortes, das die Rückkehr des Herrn ankündigt.