Der erste Johannesbrief (1)

1. Johannes 1,1-4

Der Zweck des Briefes

Dieser Brief ist eine besonders wertvolle Hilfe, um den falschen Lehrern, den «vielen Antichristen» der «letzten Stunde» entgegenzutreten, mit denen es die Gläubigen der jetzigen Zeit zu tun haben. Das ist jedoch nicht sein eigentlicher Zweck.

Er beschreibt ausserdem, was die Familie Gottes und die Familie des Teufels voneinander unterscheidet, eine Unterscheidung, die für uns von grosser Wichtigkeit ist. Aber auch das ist nicht das Hauptthema dieses Briefes. Sein vornehmster Zweck ist folgender: Während uns im Johannes-Evangelium die Offenbarung des ewigen, göttlichen Lebens in der Person Christi, des fleischgewordenen Wortes, gezeigt wird, beschreibt der 1. Johannesbrief, wie sich das ewige Leben im Christen kundgibt. Dabei nimmt der Schreiber zur Bezeichnung dieses Lebens immer wieder Bezug auf dessen Ursprung und vollkommene Offenbarung in Christus.

In diesem Brief geht es somit nicht um abstrakte, vom Alltagsleben losgelöste Begriffe; er ist im Gegenteil sehr praktisch. Er lehrt, in uns zwischen dem zu unterscheiden, was von der Natur Gottes und was vom Teufel ist. Er betrachtet den Gläubigen als einen Menschen, der das ewige Leben besitzt, aber gleichzeitig noch das Fleisch in sich hat. Er zieht zwischen diesen beiden Naturen eine so deutliche Trennungslinie, dass beim Lesen dieses Briefes und beim Sinnen über dessen Wahrheiten unser Gewissen notwendigerweise tätig wird und wir dazu geführt werden, unsere Gedanken und Wege täglich zu richten.

Der Zweck dieses Briefes ist also vorwiegend praktisch, und das haben wir in den heutigen Tagen ganz besonders nötig. Es genügt nicht, unsere Vorrechte, unsere Beziehungen zu Gott, das uns geschenkte Leben zu kennen und den Heiligen Geist, die Kraft dieses Lebens, zu besitzen. Wir müssen uns auch fragen: Steht unser persönliches Leben mit unseren Vorrechten im Einklang? Dieser Brief, der uns lehrt, ohne Rückhalt Selbstgericht zu üben, mit dem Fleisch und der Welt keinerlei Kompromisse zu machen und unsere Blicke auf Den zu richten, der die Quelle unseres Lebens ist, dieser Brief ist eine ernste Ermahnung an unsere Herzen, der Verantwortung, die uns der Besitz dieses Lebens auferlegt, zu entsprechen.

Das ewige Leben, und weshalb es uns gegeben ist

Vers 1

Wir finden in der Bibel verschiedene Anfänge. Aus dem «Anfang» in 1. Mose 1,1 sind die Himmel und die jetzige Erde hervorgegangen. Der «Anfang» in Johannes 1,1 stellt die ewige Existenz und Unveränderlichkeit Dessen vor uns hin, der vor allem Geschaffenen «war». Hier, im 1. Johannesbrief aber haben wir den «Anfang» der Offenbarung der Ratschlüsse Gottes durch die Ankunft des Sohnes Gottes auf der Erde. Um die Gläubigen vor den neuen Lehren zu schützen, erinnerte sie Johannes an das, «was von Anfang» des Christentums in der unwandelbaren Gnade und Herrlichkeit der Person Dessen war, der sich auf der Erde zugleich als wahrhaftiger Gott und als wahrer Mensch offenbarte.

Das ewige Leben, das jetzt durch die Kraft des Wortes Gottes im Glaubenden hervorgebracht wird, hatten die Apostel damals in der Person eines auf der Erde wandelnden Menschen gesehen. Wie man das natürliche Leben in Adam wahrnehmen konnte, so können auch wir nun das göttliche Leben in seiner ganzen Schönheit und Vollkommenheit in Christus sehen.

Vers 2

Das ewige Leben ist nicht nur ein Leben ohne Ende; es bringt uns auch in Beziehung mit dem ewigen Gott und macht uns fähig, Ihn zu erkennen und uns in Ihm zu erfreuen.

In der Person des «Wortes», das Fleisch geworden ist, ist das ewige Leben, das von Ewigkeit her, vor Grundlegung der Welt bestand und bei dem Vater war, nun herabgekommen und hier auf der Erde kundgetan worden. Johannes führt uns immer wieder zu dieser Tatsache zurück.

Die Ausdrücke «Leben» und «ewiges Leben», die sich in diesem Brief abwechseln, sind gleichbedeutend.

Vers 3

Die Apostel und wir Gläubigen sind in den Besitz des ewigen Lebens gelangt, nicht nur, um in Beziehung zu Gott zu kommen, sondern auch um Gemeinschaft, ein Teil mit Ihm zu haben. Wir haben mit dem Vater Gemeinschaft der Gedanken, der Freude, des Wohlgefallens am Sohn, und mit dem Sohn am Vater. Wir haben auch Gemeinschaft mit den Aposteln, Anteil an dem, was sie gesehen und gehört hatten, so dass wir sagen können: Durch den Glauben haben auch wir das ewige Leben gesehen. Es ist beachtenswert, dass am Anfang des Briefes nicht erwähnt wird, auf welche Weise uns dieses Leben mitgeteilt worden ist. Die Erwähnung der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn setzt diese Tatsache zwar voraus, aber das Mittel, durch das uns aufgrund der Erlösung dieses Leben geschenkt worden ist – der Glaube und die Neugeburt – wird erst später genannt (Kap. 5,13). Am Anfang des Briefes wird nur von dem in der Person Christi offenbarten Leben an sich gesprochen, und wie es sich nun in den Gläubigen zeigt.

Die ungeheuer wichtige Tatsache, dass den Gläubigen das ewige Leben gegeben ist, macht das Wesen des Christentums aus. In den beiden letzten Kapiteln dieses Briefes zeigt der Apostel, dass dieses Leben in uns nicht unabhängig oder getrennt vom Leben Christi bestehen kann. Es bleibt in Beziehung zu seiner Quelle, die ausschliesslich in Christus ist. Mein kleiner Finger lebt. Haust du ihn ab, so wird er sterben, weil er von seiner Quelle abgeschnitten ist. Der Christ ist mit Christus verbunden und muss durch den Geist mit Ihm eins bleiben.

Die erste Auswirkung dieses Lebens bei dem, der es besitzt, ist die, dass er Gott zum Gegenstand hat (Kapitel 1). Im zweiten Kapitel finden wir dann einen zweiten Punkt: Das Leben, das uns gegeben ist, wird sich vor der Welt durch Früchte, durch praktische Verwirklichung, kundtun. Dieses Leben soll Früchte tragen, die die Welt sehen kann. Sie vermag meine Gemeinschaft mit Gott nicht wahrzunehmen, sondern nur deren Früchte, die im zweiten Kapitel einzeln aufgezählt werden.

Vers 4

Der Apostel teilt uns diese Dinge mit, damit unsere Freude völlig sei. Der Christ besitzt dasselbe Leben wie Christus. Das ewige Leben gibt ihm Gemeinschaft, und das Ergebnis davon ist völlige Freude. In Johannes 15,11 steht die völlige Freude mit Gehorsam, in Kapitel 16,24 mit der Abhängigkeit, in Kapitel 17,13 mit der Sicherheit unserer Bewahrung und hier in 1. Joh 1,4 mit der Gemeinschaft im Zusammenhang. Die Gemeinschaft verbindet die Christen miteinander und sondert die ganze Familie Gottes von der Welt ab (Vers 7). Ohne Zweifel werden wir die Fülle dieses Segens erst im Himmel schmecken. Aber schon jetzt haben wir Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Eine grössere Segnung wird es selbst im Himmel nicht geben.