Der erste Johannesbrief (6)

1. Johannes 2,29; 1. Johannes 3,1-3

Christus ist die vollkommene Darstellung des ewigen Lebens

Das dritte Kapitel bildet den Mittelpunkt dieses Briefes. Im ersten Kapitel finden wir die Gemeinschaft als Ergebnis des ewigen Lebens; im zweiten die Früchte dieses Lebens und seine verschiedenartige Kundgebung in der Familie Gottes; das dritte zeigt uns nun, dass das ewige Leben, das wir besitzen, seine vollkommene Darstellung in Christus hat. Dieses Leben in Christus stellt die, welche behaupten, das ewige Leben zu besitzen, auf die Probe. Ihn betrachtend lernen wir, die Lebensäusserungen, die in Christus zu sehen sind, von denen, die nicht in Ihm zu finden sind, deutlich zu unterscheiden und zu trennen.

Auch das Fleisch kann im Christen Früchte hervorbringen; und oft besteht in seinem Leben eine solche Vermischung, dass er nicht klar zu unterscheiden vermag, was von der eigenen und was von der göttlichen Natur ist. Dazu muss er bis zur Quelle dieser Früchte zurückgehen. Sie sind entweder aus Christus oder aber aus dem Teufel. Da wir das ewige Leben und die Natur Gottes besitzen, sind wir völlig in der Lage, die Früchte der alten Natur als satanische Auswüchse zurückzuweisen.

Der Apostel redet von den Früchten des ewigen Lebens in uns, in ihrer täglichen Darstellung.

Das dritte Kapitel ist sehr praktisch. Es reiht die ganze Kundgebung unseres christlichen Lebens in zwei grosse Kategorien ein: Die Gerechtigkeit und die Liebe.

Unter Gerechtigkeit ist hier die praktische Gerechtigkeit gemeint. Der Christ besitzt ein Leben, in dem die Gerechtigkeit, d.h. das, was dem Willen Gottes entspricht, getan wird: «Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, wie er gerecht ist» (Vers 7). An einer einzigen Frucht schon erkennt man den Baum, sowohl den guten als auch den faulen. Jemand hatte ein Stück Land mit Edelkastanienbäumen an einen unehrlichen Pächter verpachtet. Als dieser die Abrechnung vorlegte, liess er eine Anzahl Bäume unberücksichtigt. Zur Rede gestellt, behauptete er, es seien Wildlinge. «Lasst uns die Sache prüfen!» antwortete der Besitzer. Am Ort angelangt, las er eine Kastanie auf, die von einem der betreffenden Bäume herabgefallen war. Sie war sehr gut. Der Edelkastanienbaum bewies durch seine Frucht, was er war. Ein Bild dafür, was es heisst, «die Gerechtigkeit tun».

Praktische Gerechtigkeit ist nichts anderes als ein Wandel nach dem Willen Gottes, in Absonderung von der Sünde.

Vers 29

Ich kann nur die vollkommene Natur Christi zum Massstab meines Wandels in dieser Welt machen. Ich weiss, dass Er gerecht ist; jeder, der die Gerechtigkeit tut – also vom Bösen in dieser Welt abgesondert wandelt – ist aus Ihm geboren. Um dieses zu verwirklichen, ist Christus mein Anschauungsunterricht. In Ihm finde ich die volle Darstellung eines vollkommenen Lebens praktischer Gerechtigkeit. Dieses Leben zeigt sich nicht in grossen, ausserordentlichen Dingen, sondern im täglichen Verhalten.

Kapitel 3,1

Der 29. Vers des vorigen Kapitels redete von Gerechtigkeit; dieser Vers aber von Liebe. «Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heissen sollen! Und wir sind es.» Viele meinen, dieser Satz bedeute: «Seht, welch eine Liebe der Vater zu uns hat, dass Er uns seine Kinder heisst!» Aber das ist nicht der Sinn dieser Stelle. Der Vater hat uns diese Liebe als eine Gabe geschenkt; Er hat sie in uns gelegt; und weil wir sie besitzen, werden wir Gottes Kinder genannt. Wir besitzen die Natur Gottes und können daher ihr Wesen kundtun. Der Vater hat uns seine Natur, die Liebe ist, gegeben; folglich haben wir ein Recht auf diese Beziehung zu Ihm.

Deswegen kann uns die Welt unmöglich erkennen, weil sie ja auch den Gott der Liebe selbst, der sich in Christus offenbart hat, nicht erkennt. Wie könnte die Welt die Liebe kennen, sie, die unter der Herrschaft des Teufels ist? Jemand hat gesagt: «Satan weiss vieles, das wir nicht wissen; aber etwas erkennen wir, das ihm völlig unbekannt ist: die Liebe.»

Vers 2

Wenn sich im 29. Vers das Aus-Gott-Geboren-sein durch «Gerechtigkeit-Tun» erweisen muss, so haben wir hier die auf Christus gegründete Gewissheit der Gotteskindschaft: «Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden.» Wir haben eine volle Gewissheit für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In der Vergangenheit: «Ihr wisst, dass er offenbart worden ist, damit er unsere Sünden wegnehme» (Vers 5). In der Gegenwart: «Jetzt sind wir Kinder Gottes» (Vers 2), In der Zukunft: «Wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist» (Vers 2).

Erst dann, wenn wir verherrlichte Leiber haben, vermögen wir Ihn zu sehen, wie Er ist. Im Zustand der Heim­gegangenen, deren Seele vom Leib getrennt ist, kann man nicht sagen, man sehe Christus, wie Er ist. Denn sie sind Ihm ja noch nicht gleichförmig gemacht.

Vers 3

Diese Gewissheit im Blick auf die Zukunft bildet unsere Hoffnung, und diese Hoffnung hat ein gegenwärtiges Ergebnis: «Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist». Es heisst nicht: «Ist rein, wie er rein ist». Aber das Ergebnis dieser Hoffnung ist durchaus praktisch. Die Reinigung des Christen richtet sich nach der Reinheit Christi, so, wie der Glaube sie erfasst; es ist ein allmählich zunehmender Prozess. Der Christ soll von Reinigung zu Reinigung wandeln, indem er seine Augen auf die vollkommene Reinheit Christi gerichtet hält, die er dann erreicht, wenn er bei Ihm in der Herrlichkeit anlangt.

Das «Offenbar-Werden» im Johannesbrief ist ein öffentliches Kundwerden, und im Blick darauf reinige ich mich. Wenn ein Königshaus sich dem Volk zeigt, so werden auch die Kinder des Königs mit aller Sorgfalt gekleidet, damit ihr Erscheinen dem feierlichen Augenblick entspreche.