Der erste Johannesbrief (2)

1. Johannes 1,5-10; 1. Johannes 2,1-2

Unser Wandel muss mit der Heiligkeit Gottes übereinstimmen

Verse 5-6

Nachdem der Apostel von Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn gesprochen hat, muss er die Botschaft ausrichten, «dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist.»

Damit wir in Gemeinschaft mit Gott leben können, muss der Zustand unserer Seelen in praktischer Übereinstimmung mit seinem Wesen sein. Der Apostel trat dadurch der völlig irrigen Meinung gewisser Christen entgegen, die da behaupteten, die Gegenwart Gottes geniessen zu können, auch wenn der sittliche Zustand ihr nicht entsprach.

Unsere Beziehung zu Gott wird nicht zerstört, wenn wir uns schlecht betragen. Ich kann ein Kind haben, das mir Schande macht; wird es deshalb aufhören mein Kind zu sein? Der Wandel kann die Beziehung nicht abbrechen, wohl aber die Gemeinschaft mit dem Herrn, und dies in völligster Weise. Um den Strom der Gemeinschaft zu unterbrechen, genügt ein böser Gedanke, die Begierde einer Minute.

Im 6. Vers handelt es sich nicht nur um Menschen, die fern von Gott sind, sondern auch um Gläubige: Er sagt wir.1 Johannes betrachtet die Dinge im Herzen des Christen und geht von da zu ihrer Quelle zurück. Wir besitzen das ewige Leben in Christus von Anfang unseres Glaubenslebens an; die böse Natur aber haben wir von Geburt an in uns. Der Apostel lehrt mich, zwischen diesen beiden Naturen einen Unterschied zu machen, damit, wenn ich in meinem Herzen Finsternis entdecke, ich wisse, dass sie vom Teufel ist und ich mich davon absondere. Gleichzeitig macht er auch darauf aufmerksam, dass zwischen meinen Worten – «wenn wir sagen» – und dem, was in meinem Herzen ist, ein Unterschied bestehen kann; unser Zustand muss aber mit unserem Bekenntnis übereinstimmen.

Vers 7

«In dem Licht wandeln», ist der gesegnete, normale Zustand derer, die das Leben haben. Weil sie leben, wandeln sie darin, und zwar inmitten des Lichts, nicht nur mit dem Licht, so, wie man in der Nacht mit einer Laterne wandert.

Welches sind die Folgen eines solchen Wandels?

  1. Wir beurteilen dann alle Dinge wie Gott, mit Dem wir in dem Licht Gemeinschaft haben;
  2. Wir haben Gemeinschaft mit andern Gläubigen, welche dieselbe göttliche Natur, dasselbe Leben besitzen, in denen derselbe Geist wohnt und die in demselben Licht wandeln.
  3. Wir haben das Bewusstsein unserer vollkommenen Reinigung vor Gott durch das Blut Jesu Christi, seines Sohnes. Es geht hier um den Wert des Blutes an sich. Er hat uns dadurch von jeder unserer Sünden gewaschen, auch von den uns unbekannten. Im Licht wandelnd können wir uns freuen, dass wir vor Gott weisser sind als Schnee, so, wie seine Augen und sein Herz uns vor sich zu sehen wünschen.

Wir werden in diesem Vers im Zustand des neuen Menschen betrachtet, unter Ausschluss jedes anderen Zustandes. Es wird vorausgesetzt, dass alles, was diesem nicht entspricht, gründlich gerichtet ist. Aus diesem Vers lernen wir, wie der Gläubige gereinigt, aus Kapitel 2,1 dagegen, wie ihm vergeben werden kann.

Verse 8 und 10

Heute wie damals kann man in der Christenheit die Behauptung hören: «Wir haben keine Sünde.» Aufgrund unrichtiger Belehrung meinen viele, seit mehr oder weniger längerer Zeit, hier auf der Erde schon die Vollkommenheit erreicht zu haben, einen Zustand, mit dem sie selbst befriedigt sind. Heute behaupten sie, vollkommen zu sein, und fallen vielleicht schon am nächsten Tag, ohne sich dies einzugestehen. Wer da sagt, keine Sünde – Wurzel und Frucht – zu haben, betrügt sich selbst, und die Wahrheit, das heisst, der mit der neuen Natur verbundene Gedanke Gottes, der die Dinge zeigt, wie sie sind, ist nicht in ihm. Im 10. Vers geht die Behauptung, «dass wir nicht gesündigt haben», noch weiter. Hier macht man durch sein Verhalten Gott zum Lügner und verachtet sein Wort, das uns vom Gegenteil überzeugt.

Der Christ kann von sich selbst nie sagen, er habe keine Sünde in sich und habe in sich selbst die Vollkommenheit erreicht. Bezüglich unserer Sünden erklärt Gott aufgrund des Werkes Christi, dass sie für Ihn nicht mehr existieren und Er sich ihrer nie mehr erinnern werde. Das ist unsere Stellung vor Gott. Aber in uns selbst ist es anders. In unserem Fleisch wohnt der Wurzelstock der Sünde (vgl. Römer 7,17.18); und wenn wir nicht wachen, so wird er Gedanken- und Tatsünden hervorbringen. Jakobus erklärt: «Wir alle straucheln oft» (Jak 3,2); er stellt die Tatsache fest; Johannes dagegen schreibt uns, damit wir nicht sündigen (Kap. 2,1).

Johannes möchte, dass wir nur mit Christus beschäftigt wären. Wir sollen nicht sagen: Ich habe keine Sünde, sollten aber auch nicht sündigen. Wir besitzen das ewige Leben und wandeln im Licht, wie Er im Licht ist, damit wir nicht sündigen. Sind wir in einem schlechten Seelenzustand, so kann es uns leicht begegnen, dass wir darin fortschreiten und dabei andere zu einer Heiligkeit ermahnen, die wir selber nicht verwirklichen. Ein solcher Zustand führt uns notwendigerweise unter die züchtigende Hand des Herrn. Jesus war ein Mensch, der alles, was Er sagte, völlig verwirklichte. «Wer bist du?» fragten die Juden, und Er antwortete ihnen: «Durchaus das, was ich auch zu euch rede» (Joh 8,25). Durch Gnade besitzen wir dieselbe Kraft wie Er; aber wir sollten uns mit dem Mass, wie wir sie anwenden, nicht begnügen, sondern sie in der Weise in Anspruch nehmen, wie sie sich in Christus offenbart hat.

Vers 9

Vom Augenblick an, wo ich den Boden praktischer Heiligkeit verlasse, kann ich nicht mehr mit Gott in Gemeinschaft sein, und es ist dann unbedingt nötig, dass ich meine Sünde bekenne. Das ist das einzige Mittel zur Wiederherstellung.

Der Gläubige, dem es von Herzen darum zu tun ist, in die Gemeinschaft mit Gott zurückzukehren, wird in Übereinstimmung mit Ihm ein gründliches Selbstgericht ausüben und Ihm seine Verfehlungen mit Namen nennen. Gott aber ist uns gegenüber treu in seinen Verheissungen und gerecht gegenüber Christus, hinsichtlich des vollbrachten Erlösungswerkes, so dass «er uns vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit».

Gott kann uns in seiner Gnade unverzüglich wiederherstellen. Wenn aber die Unterbrechung lange angedauert hat, ist oft ein tiefes Werk seines Geistes erforderlich, damit der Strom der Gemeinschaft wieder ungehindert fliessen kann.

Kapitel 2, Vers 1

Der alte Apostel nennt die Heiligen hier voller Liebe: «Meine Kinder». Er hat ihnen über Gemeinschaft mit dem Vater geschrieben, damit ihre Freude völlig sei (1,4). Dann hat er ihnen aber auch gezeigt, dass Gott seinem Wesen nach Licht ist (1,5); sie sollten dessen eingedenk bleiben, damit sie nicht sündigten (2,1). Die Gläubigen sind Teilhaber des ewigen Lebens; sie müssen nicht mehr sündigen, nicht einmal mehr in Gedanken – selbst eine solche Sünde unterbräche ja die Gemeinschaft.

Aber «wenn jemand gesündigt hat», das heisst, wenn der Fall eingetreten ist und es nicht mehr um die Frage geht, wie er vermieden werden kann, so haben wir einen Sachwalter bei dem Vater.

Er sagt hier: «Wenn jemand gesündigt hat», und nicht: «Wenn jemand sündigen wird». Der Apostel bezieht sich auf eine vollendete Tatsache und nicht sozusagen auf eine Vorsorge für die Zukunft; denn er hat ja ausdrücklich erwähnt: «Ich schreibe euch dieses, damit ihr nicht sündigt.»

Der Sachwalter vertritt uns und beschäftigt sich mit unserem Fall vor Gott. Er ist nicht ein Fürsprecher vor einem Richter, sondern «bei dem Vater». Er befindet sich dort zugunsten derer, die in einer unauflöslichen Beziehung zum Vater stehen.

Dieser Sachwalter ist Jesus Christus, der Gerechte: Jesus Christus, der sich für uns hingegeben hat, ist in den Augen Gottes der Gerechte. Aus Kapitel 1,9 geht hervor, dass Gott gegenüber Christus gerecht ist, wenn Er uns vergibt, weil Christus eine vollkommene Erlösung zustande gebracht hat. Hier nun ist Er der Gerechte vor Gott.

Er ist die Sühnung für unsere Sünden. Da wird die Seite des Werkes am Kreuz erwähnt, durch die Gott völlig verherrlicht worden ist und die dem Sünder Zutritt zu Ihm verschafft hat. Das Opfer Christi hat Gott die Möglichkeit gegeben, gnädig zu sein. Es ist bemerkenswert, dass diese Seite des Kreuzes hier vor uns gestellt wird. Ja, Gott ist im Kreuz Christi verherrlicht worden, unabhängig davon, wie viele Seelen dadurch errettet werden.

Vers 2

«Er ist die Sühnung für unsere Sünden». Der Unterschied zwischen der Sühnung und der Stellvertretung wird uns im Bild der beiden Böcke des Versöhnungstages dargestellt (3. Mo 16): Der eine war für den HERRN, der andere für das Volk. Es geht hier um Sühnung, die sich nicht nur auf die Juden oder auf uns, sondern auf die ganze Welt erstreckt. Das Werk Christi wird hier gemäss dem ganzen Anteil, den Gott daran nimmt, vor uns hingestellt.

In Johannes 13, wo uns geschildert wird, wie der Herr die Füsse seiner Jünger wusch, und auch in der Geschichte des Petrus, sind uns eindrückliche Bilder gegeben, um uns zu zeigen, wie Christus uns gegenüber handelt, wenn wir gesündigt haben. Bevor Petrus fiel, hatte Jesus schon für ihn gebetet, und als er Ihn verleugnete, blickte der Herr ihn an. Dieser Blick brachte bei dem Jünger tiefe Buße hervor. Am Tag der Auferstehung erschien der Herr vor allen andern Brüdern dem Petrus (1. Kor 15,5). Später prüfte der Herr in Anwesenheit der Jünger das Herz des Petrus und stieg bis zur Wurzel des Bösen hinab – denn Petrus hatte gesagt: «Wenn alle an dir Anstoss nehmen werden, ich werde niemals Anstoss nehmen» (Mt 26,33) – um ihn wiederherzustellen und ihm seine Schafe anzuvertrauen (Joh 21).

Der erste Teil des Briefes endigt bei Kapitel 2,2. Er zeigt uns zuerst, was das ewige Leben, das uns mitgeteilt wurde, an sich ist und wozu wir es empfangen haben: Zum Zweck der Gemeinschaft und völligen Freude (Verse 1-4). Dann folgt eine Botschaft, um uns die Natur Gottes, mit der wir in Gemeinschaft sind, erkennen zu lassen und um uns zu zeigen, wie ein fehlbares Wesen daran teilhaben kann (Verse 3-10). Schliesslich wird das Mittel erwähnt, das Gott anwendet, um die Gemeinschaft zwischen Ihm und uns aufrecht zu halten oder wiederherzustellen (2,1-2).

  • 1Der Apostel richtet sich in diesem Brief sowohl an wahre Christen als auch an blosse Bekenner, weil sich diese schon in jener Zeit zu vermischen begannen.