Der erste Brief an Timotheus (17)

1. Timotheus 6,12-16

Verse 12-16

Die sechs Dinge, nach denen zu streben ist, sind sittliche Wesenszüge, die uns kennzeichnen sollen, nicht um immer passiv zu bleiben, sondern um eine Tätigkeit zu entfalten, um einen Kampf zu führen, wie im 12. Vers gesagt wird: «Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.» Zu diesem guten Kampf sind die genannten Tugenden erforderlich, und wir müssen die ganze Waffenrüstung von Epheser 6 dazu angezogen haben. Der Apostel selbst hat diesen guten Kampf gekämpft (2. Tim 4,7) und seinen Lauf zur Verherrlichung Gottes vollendet. Um den guten Kampf zu kämpfen, muss man sich selbst gerichtet haben und das Fleisch im Tod halten (das, was die Beschneidung für den Israeliten bedeutete, Josua 5). Der Kampf muss gesetzmässig geführt werden (2. Tim 2,5), das heisst, nach den Richtlinien und den Unterweisungen, die uns Gott durch sein Wort gibt. Um den guten Kampf zu kämpfen, muss man ferner ein guter Streiter Jesu Christi sein und darf sich nicht in die Beschäftigungen des Lebens verwickeln (2. Tim 2,4). Das Wort «Kampf» hat in 1. Timotheus 6,12 nicht den Sinn eines Schlacht­kamp­fes, sondern eines Wettkampfes in der Arena. Im Altertum waren diese Kämpfe sehr beliebt und fanden vor zahlreichen Zuschauern statt. Wir haben einen ungeheuren Schatz zu verteidigen, Wahrheiten, Grundsätze des Christentums, die der Glaube erfasst und die den christlichen Glauben bilden. Das ist der Glaube, den der Apostel Paulus bewahrt hat (2. Tim 4,7).

Es handelt sich also um das Zeugnis Gottes und des Herrn in dieser Welt, dessen Regeln wir im Wort des Lebens und der Wahrheit finden. An uns liegt es, diese Regeln zu beachten und enthaltsam zu leben, indem wir von der Welt und von allem, was nicht dem Herrn gemäss ist, abgesondert bleiben. Die Krone wird nicht gegeben, wenn man nicht gesetzmässig kämpft. Wir sind dafür verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit und dieser Kampf sind persönlich, aber sie müssen beachtet und geführt werden, um zum Gedeihen des gemeinsamen Zeugnisses beizutragen. Jeder soll die Unterweisungen und Belehrungen des Wortes praktizieren, indem er dem Herrn nachfolgt, mit einem Herzen, das von seiner Person genährt ist und Ihn als das Vorbild des Glaubens beständig vor sich hat, Ihn, der der Anfänger und Vollender des Glaubens ist. Alles, was vom natürlichen Menschen ist, von seinen Gedanken und Wünschen herrührt, soll beiseite gesetzt und im Tod gehalten werden. Aber wir sind nicht nur mit einem gekreuzigten Christus, sondern auch mit dem Herrn der Herrlichkeit verbunden, der auferweckt und in die Herrlichkeit erhöht worden ist.

Dies hilft uns, die Fortsetzung unseres Textes (Vers 12) zu verstehen: «Ergreife das ewige Leben», das heisst, bemächtige dich jetzt schon des ewigen Lebens in seiner herrlichen Fülle. Wir werden hier nicht ermahnt, etwas zu ergreifen, das wir schon besitzen. Das ewige Leben wird im Neuen Testament von verschiedenen Seiten betrachtet: Der Herr selbst ist das ewige Leben; Er ist dessen Quelle und Er gibt es seinen geliebten Schafen. Jetzt schon besitzen wir dieses ewige Leben, das kein Ende hat, als einen kostbaren Schatz, ein Leben der Fülle, das uns in das Verständnis und in den Genuss der Gedanken und der Empfindungen Gottes einführt.

Aber es gibt im Wort auch Stellen, die uns das ewige Leben in seiner herrlichen Fülle als etwas vor uns Liegendes darstellen (Röm 6,22). In diesem genannten Vers geht es um das ewige Leben in der Herrlichkeit, um das Ziel, dem wir entgegeneilen und das uns vorgesteckt ist. Auch in Judas 21 geht es um das ewige Leben in der Herrlichkeit.

Mit Timotheus werden wir ermahnt, dieses Leben zu ergreifen; das macht das Wesen des Glaubens aus; dieses Ergreifen ist wie eine Verpflanzung unseres gegenwärtigen Daseins in die Herrlichkeit und die Ewigkeit. Das gibt unserer Reise hier auf der Erde einen himmlischen Charakter.

«Ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist.» Die Berufung umfasst zwei Gebote: Von einem Ort auszugehen und in einen anderen einzutreten. Diesen Gedanken finden wir auch in Hebräer 13,13 und 10,19: Lasst uns zu Ihm hinausgehen, ausserhalb des Lagers, um in das Heiligtum einzutreten. Dafür haben wir in Hebräer 11,8 ein schönes Beispiel in Abraham, der «der Vater der Gläubigen» genannt wird und der der himmlischen Berufung von Herzen gehorchte, ganz im Gefühl seiner Unwürdigkeit (1. Mose 18,27: «Ich bin Staub und Asche»). Hier in 1. Timotheus 6,12 steht die Berufung Gottes in Verbindung mit der Auserwählung, die sich im Neuen Testament immer auf etwas Himmlisches und Ewiges bezieht:

  • Kolosser 3,15
  • Epheser 1,18; 4,1-4
  • Philipper 3,14
  • Hebräer 3,1
  • Petrus 1,15

Gott hat uns zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit berufen (1. Thes 2,12), zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus (1. Pet 5,10); dies soll unser praktisches Leben umgestalten, unseren Weg hell machen, unser Zeugnis erleuchten und kennzeichnen.

Es wird uns nicht gesagt, in welchen Umständen Timotheus dieses Bekenntnis abgelegt hat, das der Apostel «das gute Bekenntnis» nennt; es fand vor vielen Zeugen statt und ehrte den Herrn. Timotheus war dem Beispiel des Herrn gefolgt, der vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis bezeugt hat, von dem in Johannes 18,37 berichtet wird und das sich auf das Königtum des Herrn bezieht, der, obwohl Er in Schwachheit gekreuzigt wurde, nicht nur der König Israels, sondern der König eines himmlischen und ewigen Reiches ist, das nicht von dieser Welt ist. Im Zeitpunkt der Gefahr, in der feierlichen Stunde seiner Verurteilung hat Christus dieses gute Bekenntnis bezeugt; weder Klagen noch Murren noch Widerspruch noch Drohungen kamen aus seinem Mund hervor, als Er misshandelt und geschmäht wurde.

Unter Berufung auf dieses gute Bekenntnis des Herrn gebietet der Apostel dem Timotheus, das Gebot unbefleckt und unsträflich zu bewahren bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus. Unsere Verantwortlichkeit ist immer mit dieser Erscheinung verknüpft. Sie steht in Verbindung mit dem Kommen des Herrn, wenn Er in die Freude seines Reiches der Gerechtigkeit und des Friedens eingehen wird (2. Tim 4,8). Die Krone der Gerechtigkeit ist denen vorbehalten, die seine Erscheinung lieben; da wird ihnen Gnade gebracht; dasselbe Ereignis wird auch mit «Offenbarung» bezeichnet (1. Pet 1,13). «Zu seiner Zeit» (Vers 15), zu einer für dieses Ereignis bestimmten Zeit wird Gott den Herrn in dem vollen Glanze seiner Herrlichkeit offenbaren.

Die Eigenschaften Gottes, die in den Versen 15 und 161 genannt werden: der selige und alleinige Machthaber, der König der Könige, der Herr der Herren, der Unsterblichkeit besitzt,2 der ein unzugängliches Licht bewohnt, heben auf eindringliche Weise die Unterweisungen und Ermahnungen dieses Briefes hervor. Diese Erklärungen über die Grösse und die Herrlichkeit Gottes werden hier vor uns gestellt, wie um uns daran zu erinnern, dass die Ermahnungen, die uns gegeben sind, sich nicht auf eine menschliche Moral stützen, sondern von Gott selbst gegeben sind und uns in seine Gegenwart und seine Herrlichkeit versetzen; dies gibt dem Inhalt dieses Briefes einen Glanz und eine Erhabenheit, die aussergewöhnlich gross und schön sind. Der Brief ist uns gegeben, damit wir wüssten, wie wir uns im Haus Gottes zu verhalten haben, und sein Ende zeigt uns, um welchen Gott es sich handelt.

Auch ist dies dazu angetan, uns zu ermutigen; denn wenn wir beim Verwirklichen der Ermahnungen des Briefes unsere Schwachheit fühlen, nimmt uns dieser Gott, dessen Herrlichkeit und Erhabenheit vor unsere Herzen gestellt werden, bei der Hand, gibt uns die Hilfe und die Kraft, die wir nötig haben, und führt uns dazu, Ihn anzubeten und zu preisen. Die Grösse Gottes erdrückt uns nicht, aber sie bringt uns auf die Knie und zur Anbetung. Die Heiligen sind schon in der Gegenwart dieses so erhabenen und herrlichen Gottes: dieser Gedanke sollte uns nie verlassen, und wenn die Gläubigen in dieser Welt zu leiden berufen sind, dürfen sie sich daran erinnern, dass die Herrlichkeit Gottes ihnen schon gehört.

Wir kennen Gott in sittlicher Beziehung (Joh 1,18). Der Heilige Geist beruft sich in der Sorge um das Zeugnis und den Wandel der Heiligen auf diese Erkenntnis: Gott wird zu seiner Zeit Jesus zeigen; jetzt kennt Ihn die Welt nicht, sie weiss nicht wer Jesus ist, aber die Heiligen wissen, wer Jesus und wer Gott ist. Wären unsere Herzen von Christus, von der Herrlichkeit Gottes erfüllt, die alles überstrahlt, so hätten die Welt und was vom Menschen ist, keinerlei Anziehungskraft auf uns. In diesem Brief, in der die Versammlung der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit genannt wird, ist es, wo die Herrlichkeit Gottes hervorstrahlt. Diese Dinge werden uns nicht gesagt, um unseren Verstand zu befriedigen, sondern um unsere Herzen zu nähren und unsere Gewissen zu berühren. Ständen wir immer vor dieser Herrlichkeit Gottes, so wie diese Verse sie vor uns hinstellen, würden wir uns auf dem Weg nicht bei den falschen menschlichen Grössen aufhalten. Unser christliches Leben hier auf der Erde setzt sich aus vielen Einzelheiten zusammen und Gott sagt uns: Habt acht, wie ihr wandelt, persönlich oder als Versammlung! Was dem Tun der Heiligen Grösse gibt und sie mit Herrlichkeit bekleidet, ist dies, dass sie jetzt schon in Gott sind und Gott ihr Gott ist. Ein solches Bewusstsein wird uns demütig machen und uns gleichzeitig die Würde in Erinnerung rufen, mit der wir bekleidet worden sind. Wir bekennen dann, dass wir vor Gott nur Staub und Asche sind (1. Mo 18,27) und wissen gleichzeitig auch, wie Jakob vor dem Pharao, dass Gott mit und für uns ist, dass wir in Ihm sind und dass angesichts dieses Gottes, den wir kennen, nichts anderes mehr zählt, keine menschliche Grösse bestehen kann; Jakob war es, der den Pharao segnete.

Wir können und sollen in dieser Welt in einer Weise leben und wandeln, die davon zeugt, dass wir Gott kennen. Diese Erkenntnis Gottes veranlasste den Apostel Paulus, sich vor Ihm niederzuwerfen und Ihn anzubeten, und wer immer in die Gegenwart Gottes tritt, dem geht es ebenso; seine Gegenwart bewegt unser Herz, macht uns klein in unseren eigenen Augen und bewirkt, dass wir vor Ihm niederfallen und Ihm huldigen (1. Chr 29,14). Diese Stelle im 1. Timotheus-Brief unterstreicht die Torheit derer, die auf dem Weg eigener Anstrengungen Gott zu erkennen suchen und sich dadurch Gott gleich machen. Der Gläubige weiss, dass er nichts ist und wirft sich vor Ihm nieder. Der selige Gott wird die ewige, unerschöpfliche Quelle unserer Glückseligkeit und unserer Freude sein, einer Glückseligkeit und einer Freude, die der Höhe der Gnade Gottes entsprechen.

  • 1In den Versen 15 und 16 wird uns der unzugängliche Teil der Herrlichkeit Gottes vorgestellt; kein Auge hat Ihn gesehen und kann Ihn sehen. Aber in seiner Gnade hat der unergründliche, unaussprechliche. unzugängliche, unendliche Gott, von dem wir nicht wissen können, wie Er ist, sich in Jesus offenbart. Welch einen Platz gibt dies der Person Jesu in unserem Herzen!
  • 2Gott allein besitzt Unsterblichkeit; Er hat sie dem Gläubigen gegeben. Wir haben einen sterblichen Leib, der vom Tod angegriffen werden kann, aber wir werden die Unsterblichkeit anziehen (1. Kor 15,53). Gott allein besitzt sie seinem Wesen, seiner Natur nach; aber auch der Gläubige wird die Unsterblichkeit in der Ewigkeit haben, doch ist sie ihm von Gott gegeben!