Der erste Brief an Timotheus (8)

1. Timotheus 3,1-13

Der Aufseherdienst ist immer ein «gutes Werk». Der Aufseher muss in der Schule Gottes gebildet worden sein; man kann nicht von heute auf morgen ein solcher werden. Die Ausübung dieses Amtes soll das Ergebnis eines erneuerten Herzens sein, das von Gott geleitet und geführt wird. Dazu ist völlige Unterordnung unter den Willen Gottes und unter sein Wort erforderlich. Es ist gut, wenn jeder ein deutliches Bewusstsein hat von dem Platz, an den der Herr ihn hingestellt, und dass er ihn nicht verlasse. Viele Schwierigkeiten in der Versammlung Gottes rühren daher, dass dieses Bewusstsein zu wenig vorhanden ist.

Es gibt Dienste, die mehr in die Augen springen als andere; aber der Herr ist der Meister, und Er stellt den einen dahin, den anderen dorthin, so, wie es Ihm gefällt. Er ist der Erzhirte (1. Pet 5,4). Die Belohnung steht nicht im Zusammenhang mit der Wichtigkeit der Dienste, sondern wird vom Meister entsprechend der Treue in ihrer Ausübung ausgeteilt. Wenn der Herr ihn dorthin gestellt hat, wird ein Bruder an einem gut sichtbaren Platze ebenso demütig sein, wie ein anderer an einem Platz in der Verborgenheit. Hauptsache ist, da zu stehen, wo der Herr uns hingestellt hat. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass es in der Versammlung eine wirkliche Autorität gibt; und in einer Versammlung im guten Zustand könnte es sogar eine sichtbare Autorität geben. Die Aufseher dürfen gar nichts Böses in die Versammlung eindringen lassen, sonst wären sie für diese Aufgabe ungeeignet.

Es kann sein, dass gewisse Älteste die Herde aus Zwang hüten und nicht Gott gemäss handeln. Was ist in diesem Fall zu tun? Zum Herrn rufen, dass Er die Seinen in einer Haltung bewahre, in der sie sein sollen. Man hat nicht dadurch Autorität, dass man sie sich selbst nimmt; wenn wir dies tun, sündigen wir. Übrigens sollte keiner an Autorität denken, die man hat oder nicht hat; jeder soll dem Herrn gehorchen, seine Interessen und seine Ehre suchen und nichts anderes.

In den Versen 2 und 3 werden Eigenschaften aufgezählt, die jeder von uns lesen und wiederlesen sollte, Eigenschaften, die der Aufseher besitzen muss. In Vers 6 wird hinzugefügt: «nicht ein Neuling». Ein Neubekehrter, der noch nicht lange auf dem Weg ist, soll nicht nach einem Aufseherdienst trachten; es ist nicht sein Platz. Er würde Gefahr laufen, hochmütig zu werden und ins Gericht des Teufels zu verfallen (Jes 14,14). Er kennt wohl den Heiland, aber es fehlt ihm zum grossen Teil noch die andere Erkenntnis, die durch Erfahrung erworben wird: die Erkenntnis seiner selbst. Um diese zu erlangen, müssen wir gedemütigt werden (siehe 5. Mose 8). Dazu sind wir hier auf der Erde in der Schule Gottes.

Diese Gefahr, der der Neubekehrte besonders ausgesetzt ist, besteht aber auch für uns alle. Auch wir alle sind in Gefahr, durch Mangel an Wachsamkeit es an der Treue fehlen zu lassen und so in den Fallstrick des Teufels zu verfallen, d.h. durch Hochmut zu sündigen, wie der Teufel gesündigt hat. Dann haben wir bei denen, die draussen sind, kein gutes Zeugnis und kommen so in Schmach.

Diese Wahrheiten sind im praktischen christlichen Leben von grosser Wichtigkeit. Gott stellt sie vor uns hin, damit wir uns darin üben, und weil Er will, dass es Brüder gibt, die nach dem Aufseherdienst trachten.

Wie wichtig ist es doch, dass in einer Versammlung Brüder vorhanden sind, die den Charakter eines Ältesten tragen, die sich durch nichts und durch niemanden beeinflussen lassen, die nur den Gedanken des Herrn suchen, die jederzeit prüfen, welches der Weg des Herrn ist, besonders auch dann, wenn Schwierigkeiten vorhanden sind. Fehlen solche Brüder, oder ist ihre Haltung den Gedanken Gottes entgegen, so sind die bösen Folgen nicht aufzuzählen. Man ist dann jedem Wind der Lehre ausgesetzt und steht in Gefahr, durch die Gedanken der übrigen nach rechts und nach links mitfortgerissen zu werden. Es sind aber nicht die Gedanken der Geschwister, die uns beschäftigen sollen, sondern die Gedanken des Herrn sollen wir in Demut und im Gefühl unserer Nichtigkeit suchen. Wenn der Herr Brüder erweckt, die die Eigenschaft eines Ältesten haben, so besteht eine ihrer Aufgaben heute darin, das Zeugnis in der von Ihm vorgezeichneten Bahn aufrechtzuhalten, der unsere Vorfahren gefolgt sind. Der treue Älteste wird feststellen, wann die Gefahr besteht, eine falsche Richtung einzuschlagen; und er muss dann seine Treue beweisen.

Der allgemeine Zustand der Herde ist von einer vielfältigen Fürsorge und von grosser Wachsamkeit abhängig. Wenn das Ganze leidet, wenn bei Einzelnen etwas nicht stimmt, so muss sich der Älteste damit beschäftigen, die Wunden pflegen, Irrtümer richtigstellen, die Unordentlichen zurechtweisen, darüber wachen, dass nicht Weltförmigkeit und Böses einzieht, die Füsse der Gläubigen waschen, über den sittlichen Zustand wachen. Alles dieses erfordert Wachsamkeit, Demut und Liebe, aber auch Liebe zur Wahrheit und Licht in der Gegenwart Gottes. Es ist die Aufgabe, der Dienst des Ältesten, sich um die anderen zu kümmern. In der Versammlung denkt man oft, es genüge, sich zu versammeln; es gehe dann alles wie von selbst. Man meint manchmal auch, dass ausserhalb der Zusammenkünfte jeder so handeln könne, wie es ihm gut scheint. Das ist aber ein Irrtum.

Verse 8-13

Hier haben wir die Wesenszüge, die die Diener und die Dienerinnen kennzeichnen sollen. Auch das sind wichtige Ämter in der Versammlung, die man nicht leicht nehmen darf. Auch der Dienst muss von Gott geschenkt werden. Es ist nötig, dass alle hier angeführten Eigenschaften bei den Dienern und Dienerinnen vorhanden sind, damit der Dienst nach den Gedanken des Herrn und zum Nutzen der Seinen ausgeübt wird. Wir können uns nicht anmassen, das zu tun, was die Jünger in Apostelgeschichte 6 getan haben, denn jene Kraft ist nicht mehr da, aber der Grundsatz bleibt. Das Geschehen, das in jenem Kapitel beschrieben wird, zeigt uns, dass die Diener nicht die öffentliche, aber die moralische Bestätigung seitens der Brüder und sogar seitens der Versammlung besitzen müssen.

Das Haus Gottes muss in Ordnung sein. In der Welt setzt man Behörden in einer bestimmten Rangordnung ein, die die Ordnung aufrechthalten. Niemand denke, die Versammlung sei ein Ort, wo man alles seinen Lauf gehen lässt, ein Ort, wo die Freiheit des Fleisches herrscht. Die Freiheit, die in der Versammlung regieren soll, ist die Freiheit des Geistes; denn da wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit. Es ist nicht eine Freiheit, um den Willen und die Gedanken des Fleisches zu erfüllen; vielmehr wird uns durch den Geist die Kraft gegeben, das Fleisch zu töten und in Neuheit des Lebens zu wandeln (siehe Römer 8). Alle in der Versammlung müssen in der Abhängigkeit des Heiligen Geistes stehen, und die Diener im Besonderen. Dann ist in der Versammlung alles in Ordnung.

Die Diener beschäftigen sich mit den materiellen Fragen, mit der Wohltätigkeit, mit der Verteilung der Kollekten, mit allem, was den Dienst in der Versammlung berührt. Es ist offensichtlich, dass diese Dienste mit der Ehre des Herrn verbunden sind; sie dürfen nicht der Initiative irgend jemandes überlassen, sondern für den Herrn und zu seiner Verherrlichung getan werden. So tragen sie zur Ausübung der Gaben und des Amtes der Aufseher bei, zum geistlichen Segen. Wenn in der Verwaltung der Versammlung Unordnung herrscht, so leidet der geistliche Segen darunter. Es handelt sich nicht darum, sich unter ein Gesetz der Verordnungen zu stellen, für den Diener ebenso wenig wie für jeden anderen, sondern darum, im Glauben vor Gott geübt zu sein.

An Gott wird es nicht fehlen. Er ist treu. Alles was in der Versammlung geschieht, soll den himmlischen Charakter des Ernstes, des Friedens, der Glückseligkeit, der Freude und der Liebe tragen. Wenn man vom Herrn abhängig ist, so wird Er es auf sich nehmen, jeden zu befähigen und dahin zu setzen, wo Er will. Er selbst wird dann im Geist und im Herzen des Gläubigen den Platz bestätigen, den Er ihm zumisst, sei es den des Aufsehers, den des Dieners usw. Wir haben in der Versammlung nicht nach einer offiziellen Anerkennung zu suchen, sondern nach einer sittlichen Bestätigung zu streben, die aus der Wirksamkeit des Heiligen Geistes im Herzen hervorgeht. Das Auflegen der Hände ist nur ein äusseres Zeichen der Anerkennung und der Gemeinschaft; es vermag keinerlei Gabe, keinerlei Gnade zu vermitteln.

Die Ältesten und Diener wie auch die Dienerinnen sind dann und wann berufen, in persönliche Geheimnisse einzudringen; sie müssen sie vor Gott gegenüber anderen geheim halten, sonst wären sie nicht passend für ihre Aufgabe. Sie erfordert wichtige sittliche Eigenschaften. Die Diener sollen würdig sein, nicht doppelzüngig, nüchtern, nicht schändlichem Gewinn nachgehend. Auch sollen sie das Geheimnis des Glaubens, das heisst die Lehre und die christlichen Wahrheiten, die sich aus dem Tod und der Auferstehung Christi ergeben, in reinem Gewissen bewahren. Dieser Dienst setzt ein Leben mit Gott voraus, das ein Widerschein der Person Christi ist. Ist dies der Fall, so kann der Diener, der in der Versammlung vielleicht nie etwas sagt, ein gutes Zeugnis haben und ein Segen sein für die Versammlung. Im Tempel Gottes spricht alles: Herrlichkeit (Ps 29,9); wie viel mehr soll in der Versammlung Gottes der Widerschein der Herrlichkeit Gottes sichtbar, spürbar sein. Lasst uns dies in der Kraft des Geistes zu verwirklichen suchen!

In Apostelgeschichte 6,3 wurde bei den Dienern vorausgesetzt, dass sie ein gutes Zeugnis hatten und mit Heiligem Geist erfüllt waren. Auch der Apostel erwartet dies vom Diener, wenn er im 10. Vers unseres Kapitels sagt: «wenn sie untadelig sind». Die Geschwister können das wertschätzen, was sie sehen, die Geheimnisse des Herzens sind Gottes Sache. Die Versammlung ist verantwortlich für das, was sichtbar ist, was sich kundtut, und soll die äussere und sichtbare Ordnung in ihrer Mitte aufrechthalten. Man darf nicht, unter dem Vorwand, dass wir ja alle schwach und fehlerhaft seien, gestatten, dass sich in der Versammlung die Gewohnheit einschleicht, allem seinen Lauf zu lassen.

Im 11. Vers ist von den Frauen die Rede. Es handelt sich da besonders um die Frauen der Diener; aber die erwähnten Eigenschaften sollten bei allen vorhanden sein. Sie sollen würdig, nicht verleumderisch, nüchtern und treu sein in allem. Die Ältesten und Diener mögen, wie weiter oben gesagt worden ist, berufen sein, in gewisse Geheimnisse eingeweiht zu werden. Da muss man in seinem Herzen viele Dinge einschliessen und nur mit Gott darüber reden. Wollten sie mit dem glänzen, was sie alles hören und wissen, so ergäbe dies einen Zustand ständiger Beunruhigung. Bevor ein Bruder etwas öffentlich bekanntgibt, ist es notwendig, dass er zuvor mit Gott darüber redet und völlig sicher ist, dass nach dem Willen Gottes so gehandelt werden muss. Für die Frauen gilt dasselbe.

Das Wort vernachlässigt nichts; im 2. Kapitel sagt es uns, wie die äussere Erscheinung der Frauen sein soll; hier zeigt es uns mehr den inneren, verborgenen Zustand. Das Äussere und der innere Zustand sollen miteinander harmonieren. Jenes soll aus dem Zustand des Herzens hervorgehen. Nach diesem guten inneren Zustand sollen alle trachten.

Wenn jemand, der nicht Ältester oder Diener und auch nicht die Frau eines solchen Bruders ist, sagen würde: «das geht nicht mich an», würde er dadurch zeigen, dass er dem Herrn wenig anhängt und Ihm nicht unmittelbar nachzufolgen wünscht. Ein solch schlechter Zustand würde die ganze Versammlung beeinflussen.

Es gibt auch solche, die sagen, jeder Einzelne sei verantwortlich und nicht die Versammlung. Dies ist aber ein Irrtum. Das hiesse, sich der Entwicklung des Zustandes des Volkes Israels zu nähern, wie er zur Zeit der Richter bestand, als jeder tat, was recht war in seinen Augen. Das Wort sagt uns: die Versammlung ist verunreinigt, wenn sie das Böse duldet (siehe 1. Korinther 5). Vom Tag an, wo der Grundsatz anerkannt würde, dass nur die persönliche Verantwortlichkeit zählt, wäre es nicht mehr die Versammlung Gottes. Und die Brüder, die der Herr in den Grundsätzen des Wortes bewahrt, wären gezwungen, sich ohne Zögern von diesem Zustand zu trennen. Nur mit einer Frau verheiratet zu sein, wird nicht nur von den Ältesten und Dienern, sondern von allen Brüdern vorausgesetzt, wie aus anderen Stellen hervorgeht. Hier wird dieser Grundsatz wegen der Wichtigkeit der Ordnung im Dienst unterstrichen, die sich nicht vereinbaren lässt mit der Unordnung in den Häusern. Die Ordnung in der Familie, wovon in diesem Kapitel zweimal die Rede ist, bekommt eine grosse Bedeutung, angesichts der gegenwärtigen Neigung, in der Familie die Grundsätze zu vergessen, die Gott selbst gegeben hat und nie vergisst. Diese Neigung sehr alten Ursprungs ist nichts anderes als Unabhängigkeit. Die Autorität in der Familie ist dem Mann übertragen; er ist das Haupt des Hauses, und alle menschlichen Theorien und Vernunftschlüsse vermögen am Wort Gottes nichts zu ändern.

Im 13. Vers ist von denen die Rede, die wohl gedient haben und sich so eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben erwerben. Stephanus ist darin ein Beispiel. Er begann als Diener, predigte das Evangelium und endete als Märtyrer. Verschiedene Male wird von ihm gesagt, dass er voll Heiligen Geistes gewesen sei.