Der erste Brief an Timotheus (5)

1. Timotheus 1,18-20

Verse 18-20

Vers 18 nimmt Bezug auf den Anfang des Briefs. Der Apostel spricht zu Timotheus über den Dienst, den er ihm anvertraut hat. Der Auftrag, den Timotheus von Paulus und von Gott empfangen hatte, wird uns nun umschrieben. Wir werden sehen, worin dieser Dienst bestand und wie Timotheus ihn ausführen sollte. So verhält es sich auch mit dem Dienst, den jeder Gläubige zu erfüllen hat. Zuerst müssen wir wissen, worin er besteht; dann aber müssen wir auch die göttlichen Hilfsquellen kennen, die zu unserer Verfügung stehen. Der Apostel ermutigt Timotheus mit viel Feingefühl. Er wird von den ihm bevorstehenden Kämpfen reden, aber auch auf den hinweisen, der ihm beistehen wird. Bevor Timotheus seine Aufgabe in Angriff nahm, hatte Gott schon zu seiner Ermunterung Vorsorge getroffen: Zum Voraus waren Weissagungen über ihn ausgesprochen worden. Gott wird ihn in seiner Treue zubereiten.

Wenn Timotheus auch in der Gefolgschaft des Apostels stand, so war dies doch nicht das Resultat eines Übereinkommens zwischen den beiden. Die Hand Gottes war in dieser Sache. Darin liegt für uns eine praktische Belehrung von grosser Wichtigkeit. Im Leben eines jeden von uns müssen wir uns des Rufes Gottes bewusst sein. Wir sollen nicht nach ausserordentlichen Dingen streben, sondern jeder soll im Leben, im Wandel, im Dienst vor allem die Hand Gottes zu erkennen suchen. Das soll von allem Anfang an, aber auch während der ganzen Strecke unseres Weges der Fall sein. Paulus hatte Timotheus nicht gedrängt, und wenn er ihn jetzt ermunterte, so war es, weil er die Gedanken Gottes über Timotheus kannte. Wie oft vergessen wir doch diese Belehrung und erleben dann Enttäuschungen!

Die vorangegangenen Weissagungen waren eine Quelle der Kraft für Timotheus; seine Seele brauchte diese innere Bestätigung. Dieser Fall hier war ganz besonderer Art. Viele Diener Gottes sind von Gott berufen worden, aber wir sehen nirgendwo, dass Weissagungen über sie geäussert worden wären. Auch ist die Weise, in der Timotheus seine Gnadengabe empfing, aussergewöhnlich. Dies war für Timotheus von grosser praktischer Bedeutung, da er anscheinend schüchtern und bescheiden war und die Schwierigkeiten und der Kampf des Glaubens ihm Mühe bereiteten. So sagt Paulus in Vers 18: «… damit du durch diese …», das heisst, in der Kraft, die ihm diese Weissagungen vermittelten, sollte er den guten Kampf des Glaubens kämpfen. Der Ursprung des Dienstes ging auf Gott selbst zurück. Das machte das Wesen und die Kraft des Kampfes aus, den Timotheus führen würde. Inmitten der Gefahren und Schwierigkeiten ist es überaus wichtig, auf Gott schauen und sich auf Ihn berufen zu können.

Dieser Gedanke, der eine Quelle der Kraft für Timotheus war, beherrschte auch Paulus. Er konnte sagen, dass Gott ihn von seiner Mutter Leib an abgesondert habe (Gal 1,15). Diese göttliche Gewissheit der Übereinstimmung mit Gott gibt uns die Zusicherung, dass wir an dem Platz sind, an den uns Gott gestellt hat. Mögen uns auch viele Schwachheiten umgeben – das Herz bleibt ruhig, wenn dieses Bewusstsein uns erfüllt. Mögen Stürme toben, wir wissen uns auf den unerschütterlichen Felsen gestellt.

Zuvor hatte Timotheus also den göttlichen Ruf und die besonderen Weissagungen empfangen. Dieses alles, was von Gott kam, konnte ihm volles Vertrauen und Gewissheit geben. Jetzt aber galt es, den Glauben und ein gutes Gewissen zu bewahren. Nur das konnte ihn aufrecht erhalten. Zwei Dinge sind also erforderlich: Erstens die Berufung und zweitens der sittliche Zustand. Die Berufung ist ein Geheimnis zwischen dem Diener und Gott, der sittliche Zustand jedoch ist Sache jedes Gläubigen, denn der Christ ist dazu bestimmt, ein Kämpfer zu sein, nicht aber ein Fahnenflüchtiger. Christ sein bedeutet einerseits, mit dem Herrn verbunden zu sein, und anderseits zu kämpfen. Am Anfang des Christentums war das Leben ebenso sehr durch Kämpfe wie durch Dienst gekennzeichnet. Das haben wir ein wenig vergessen. Wir meinen nur zu oft, das Christenleben bringe dem, der dient, Erfolg und Ehre. Zuerst aber bedeutet es Mühe, Anfechtung und andauernden Kampf. Das ist es, was der Apostel hier betont. Dieser Kampf soll nicht gegen die Welt geführt werden, der es auf eine Sünde mehr oder weniger nicht ankommt, sondern gegen einen Feind, der den schwachen Punkt genau kennt, wo wir das Böse leicht in unser Herz eindringen lassen. Darum haben wir den Glauben und ein gutes Gewissen nötig.

In unserem Abschnitt hat das Wort «Glaube» einen Sinn, der zwischen den beiden Bedeutungen liegt, die es in diesem Brief enthält. Einerseits ist es der Glaube, der als solcher in seiner Reinheit sich allezeit an die Person Christi klammert. Anderseits ist es der Glaube, der die christlichen Wahrheiten erfasst und bewahrt, deren Mittelpunkt und Gegenstand der Herr selbst ist. Das ist mit «den Glauben bewahren» gemeint.

Weiter unten werden wir einen anderen, auf die Diener angewandten Ausdruck finden, der vor allem die zweite Bedeutung hat: «… die das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen bewahren» (1. Tim 3,9). Auch da wird der Glaube mit dem Gewissen in Verbindung gebracht. Das sind Grundsätze, die für alle Gläubigen nützlich sind und die nach dem Plan Gottes ihre Anwendung im Leben eines jeden von ihnen finden sollen.

Der sittliche Zustand der Diener Gottes ist von grosser Bedeutung, weil ein schlechter Zustand ein Abirren zur Folge hat, das in den Abgrund führen kann, wie das bei Hymenäus und Alexander der Fall war. Lästern heisst, von den göttlichen Wahrheiten, ja, von Gott selbst anstössig und beleidigend sprechen. Wenn wir uns von der Demut und der Einfalt abwenden, wenn wir in unseren Herzen einen schlechten Zustand bestehen lassen, öffnen wir jeder Art von Irrtümern und Abweichungen Tür und Tor. Es kann dann leicht geschehen, dass wir Gedanken haben und Worte aussprechen, die Lästerungen sind, Beleidigungen für den Herrn der Herrlichkeit und für Gott selbst. Bezüglich der Lehre können wir sehr leicht einen falschen Kurs einschlagen und nach dem ersten Fehltritt sehr weit abgetrieben werden. Das geschieht oft mit erschreckender Schnelligkeit. Darum müssen wir wachsam sein, damit die fremden und falschen Lehren sich bei uns nicht einnisten können. Wir sehen, mit welcher Sorgfalt der Apostel darauf achtet, betreffs seines Gewissens wachsam zu sein. Das ist sehr wichtig, denn mangelnde Wachsamkeit ist es, die die bösen Dinge in ein Leben und in ein Zeugnis eindringen lässt. Der Feind findet einen Zugang, wenn ein schlechtes Gewissen vorhanden ist. Man toleriert das Böse, was es auch immer sei; der Feind weiss es und bringt uns zu Fall. In der Wachsamkeit zeigt sich wahre Gottesfurcht. Wir können leicht sagen: Wir fürchten Gott, aber wir zeigen es erst, wenn wir uns üben, ein gutes Gewissen zu haben. Wer kein gutes Gewissen hat, hat Gott nicht, das heisst, er verwirklicht die Gegenwart Gottes nicht.

Unser Gewissen ist nie auf der Höhe der Heiligkeit Gottes, selbst dann nicht, wenn es unbelastet ist (vgl. 1. Kor 4,4). Man hat schon oft gesagt: Vor Gott lügt das Gewissen nicht. Das Gewissen des Gläubigen ist anders als das natürliche Gewissen: Es wird durch das Wort, durch den Geist und durch das Bewusstsein erleuchtet, dass Gott zu uns spricht und uns erforscht. Hüten wir uns also, unser Gewissen vor den Worten Gottes zu verschliessen und es so zu verhärten. Wachen wir über seinen Zustand! Wir können nicht den Glauben bewahren und daneben ein schlechtes Gewissen haben; mit einem solchen Gewissen würden wir bezüglich des Glaubens Schiffbruch erleiden und schliesslich sogar lästern. Der Apostel Paulus predigte zuallererst mit seinem Beispiel. Das gab ihm Autorität. Er lebte aus, was er verkündigte und von den anderen erwartete. Es ist auch notwendig, darüber zu wachen, dass das Gewissen der Versammlung zart und gut bleibt, besonders dann, wenn Grund zu Übungen vorhanden ist. Das Gewissen könnte sich leicht verhärten, und man könnte sich an das Böse gewöhnen.

Wenn unser Glaube sich am Herrn der Herrlichkeit festhält, mit dem Wunsch, die heiligen Wahrheiten des Christentums zu seiner Ehre aufrecht zu erhalten, und wenn wir durch fortwährende Übungen ein gutes Gewissen bewahren, im Genuss seiner Gegenwart und seiner Gemeinschaft, dann werden wir vor Fall und Schiffbruch bewahrt bleiben (Vers 19). So weit kämen wir ja, wenn uns seine Gnade nicht erleuchtete, nicht hülfe, beschützte und uns immerfort führte.

Was die lästernde Haltung und Tätigkeit von Hymenäus und Alexander betrifft, so waren diese von so ernstem Charakter, dass der Apostel die beiden dem Satan hatte überliefern müssen. Das war ein apostolischer Akt. Wir könnten in der heutigen Zeit, als Versammlung, niemanden dem Satan überliefern. Nur der Apostel war dazu befugt. Übrigens ist dies die einzige Stelle in der Schrift, wo von einer solchen Handlung die Rede ist. In 1. Korinther 5,5 wurde eine solche Massnahme vom Apostel als geeignet in Betracht gezogen. Sie wurde aber nicht ausgeführt, da der Betreffende rechtzeitig Buße getan hatte. Was eine Versammlung heute wie damals berufen ist zu tun, ist dies, den Bösen aus ihrer Mitte hinauszutun.

Mit einem schlechten Gewissen können wir wohl von göttlichen Dingen reden, halten dabei aber die Tür für jede Art von Lästerung offen. Wir werden dann nach unseren eigenen Gedanken sprechen, statt einfach die Gedanken Gottes zu bekennen. Wenn wir ein gutes Gewissen haben, so führt uns der Geist Gottes. Er offenbart uns die tiefen Dinge Gottes und lässt uns sie geniessen. Sind wir aber in einem schlechten Zustand, werden wir unsere Gedanken durch Stellen aus dem Wort zu rechtfertigen suchen, anstatt unsere Gedanken in Einfalt und aufrichtigem Glauben mit den Belehrungen des Wortes in Übereinstimmung zu bringen. Das würde bedeuten, dass wir die Gedanken Gottes auf unser Niveau herabzögen. Damit wären wir aber nicht weit vom Lästern entfernt.

Tatsächlich ist die Wurzel der Irrlehren meistens in einem schlechten sittlichen Zustand begründet, der oft verborgen und für Gott allein sichtbar ist. Lehrhaft Böses, falsche Lehre, kommen aus der Quelle eines bösen sittlichen Zustandes hervor. Ein Geist in schlechtem Zustand kann viel aufspeichern, viel sprechen, viel arbeiten, die Gedanken Gottes dazu benützen, um sich zu rechtfertigen und seine eigenen Gedanken zu verbreiten.

Nun, wir müssen zuerst einmal Christen sein, das heisst solche, die die Wesenszüge Christi widerspiegeln, dann erst folgt der Dienst. Das mächtigste Zeugnis des Christen ist sein Charakter als Christ, nicht das, was er weiss. Das ist schwierig zu verwirklichen, weil es den Grund unseres sittlichen Wesens, unseres Herzens, unseres Gewissens berührt. Möchten wir daher in der Einfalt des Christus bewahrt bleiben, die Gott ehrt!