Der erste Brief an Timotheus (18)

1. Timotheus 6,17-19

Verse 17-19

Wir finden hier die Fortsetzung des Gebots, das der Apostel dem Timotheus anvertraute. Im Gegensatz zu denen, die reich werden wollen (Vers 9), finden wir hier solche, die reich sind. Der erhabene Gott, der uns die Güter des jetzigen Zeitlaufs zumisst, so wie es ihm gefällt, sagt zu denen, die sie aus seiner Hand empfangen, dass sie nicht hochmütig sein sollen. Dieselbe Ermahnung finden wir auch in Jakobus 1,10. Es geht darum, die irdischen Güter, ohne jeden Geist des Hochmuts, ohne auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, zur Verherrlichung Gottes nutzbar zu machen. Man soll darin mit Gott in Verbindung bleiben, dem grossen Geber, der alles reichlich und freigebig austeilt, um es nach seinem Sinn zu geniessen. Dabei müssen wir uns an die Unterweisung des Wortes erinnern: Der Bruder ist Gott «angenehm nach dem, was er hat, und nicht nach dem, was er nicht hat» (2. Kor 8,12). Wer wenig hat, kann es ebenso gut im Dienst des Herrn verwenden, wie der, der mehr besitzt. Die Jünger des Herrn sind berufen, Gutes zu tun, reich zu sein an guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, damit sie das wirkliche Leben (d.h. das ewige Leben) ergreifen.

Im 19. Vers lenkt der Apostel unsere Aufmerksamkeit mehr auf die Natur dieses Lebens als auf seinen ewigen Charakter (Mt 6,19-21). Was die Güter dieser Welt betrifft, so sind wir nur Verwalter, die für Gott handeln (Lk 16,1-13). Wir werden über unsere Verwaltung. Rechenschaft ablegen müssen, und was Gott in unserer Handlungsweise gerne sieht, ist die Klugheit und die Treue. Der Reichtum wird ungerecht genannt, weil der Mensch ihn im Allgemeinen zu seinem eigenen Gewinn zusammenrafft, statt sich als Verwalter Gottes zu betrachten. Wir sollen uns klug zeigen in der Verwaltung der Güter dieser Welt.

Hier ist noch eine wertvolle Belehrung hinzuzufügen, die wir in Hebräer 11,24-26 finden: Das schöne Beispiel von Mose, der, aus den Wassern gerettet, hätte sagen können: Die Vorsehung hat mich dahin gebracht, hier bleibe ich. Er hätte in Ägypten die Reichtümer der Welt geniessen können. Aber er wählte lieber – die Wahl des Glaubens –, in der Trübsal zu sein. Er hielt die Schmach des Christus für grösseren Reichtum als alle Schätze Ägyptens. Das Wort redet eine sehr ernste Sprache gegenüber den Menschen, die nach den Impulsen ihrer eigenen Natur handeln und die Güter dieser Welt in den Dienst ihrer eigenen Interessen stellen: Sie haben für eine Zeitlang «den Genuss der Sünde» (Heb 11,25), ein sehr starker Ausdruck. Wir sollen den Glauben Moses nachahmen, der auf das schaute, was ewig und herrlich ist, und das wirkliche Leben ergriff. Gott schenkt uns mit Christus alles reichlich (Röm 8,32).

Der reiche Jüngling (in Matthäus 19,16-26) wurde auf eine Weise auf die Probe gestellt, wie es mit ihm bis dahin noch nie geschehen war. Er hatte viele gute Eigenschaften. Er war für die Jünger wohl der sehr seltene Typ des Juden, der des Reiches Gottes würdig war. Daher waren sie sehr erstaunt, als sie den Jüngling betrübt weggehen sahen und den Herrn Jesus sagen hörten: «Schwerlich wird ein Reicher in das Reich der Himmel eingehen.» Ihr Erstaunen war aufrichtig, als sie zum Herrn sagten: «Wer kann dann errettet werden?» Aber Jesus antwortete ihnen: «Bei Menschen ist dies unmöglich, bei Gott aber sind alle Dinge möglich.»

Hier am Schluss des ersten Briefes an Timotheus finden wir die Bestätigung dessen, was der Herr gesagt hat: Es gibt Reiche, die Gottes Gnade in das Reich der Himmel eingehen liess. Die Gnade hat in ihnen über die Macht triumphiert, die der Reichtum sonst über den Menschen ausübt, hat ihr Herz davon befreit und sie in der Nachfolge Christi bewahrt. Die Gnade Gottes ist nötig, damit das Herz des Christen vom Einfluss des Reichtums frei bleibt. Das ist der Zweck, weshalb die Reichen hier ermahnt werden. Wir sollen diese Worte aber auch auf uns anwenden; denn, wenn wir im absoluten Sinne des Wortes auch nicht reich sind, so können unsere Herzen doch in dem gefangen sein, was uns Gott zur Verfügung stellt. So kann es für uns ein Götze werden. Die Liebe zu den Gütern dieser Welt kann zum Götzendienst verführen und uns hindern, unser Vertrauen auf Gott zu setzen. Daher soll jeder von uns gegenüber den beiden Gefahren, die im 17. Vers genannt werden, auf der Hut sein: hochmütig sein wegen des Besitzes und das Vertrauen auf die Ungewissheit des Reichtums setzen. Der glückliche Zustand, den der Geist Gottes durch den Apostel den Reichen wünscht, wie viel sie auch besitzen mögen, ist der: ein Herz haben, das auf Gott vertraut und nicht auf die Dinge, in denen sie sich bewegen.

Das Vertrauen auf den Reichtum hat unter den Gläubigen schon grossen Schaden angerichtet. Das Gelöstsein vom Reichtum ist eines der Merkmale der Befreiung. Wir haben uns alle vor ihm zu hüten, denn sich nur auf Gott zu stützen und sich nur seiner zu rühmen, erfordert grosse Wachsamkeit. Glückselig sind wir, wenn die Gnade uns von diesen Dingen löst, deren Macht sich jeden Tag in dem Leben der Welt und sogar – leider – auch im Leben der Christen zeigt. Je mehr wir davon befreit sind, desto mehr werden wir die Gemeinschaft des Herrn geniessen und sein Wohlgefallen suchen.

Im Reich Gottes zählen die Reichtümer der Erde nicht. Wer aber reich ist, kann mit dieser besonderen Art des Talents, das der Meister ihm anvertraut hat, Gott verherrlichen. Aber dies bezieht sich auf alles, was Gott uns gegeben hat. Man kann weder reich und treu noch arm und treu sein, als nur durch Glauben. Das Geheimnis liegt darin, dass Jesus der Schatz unseres Herzens ist. Es ist schwierig, etwas zu besitzen, ohne daraus einen Götzen zu machen. Auch kommt es oft vor, dass das, was wir als unsere äusseren Segnungen bezeichnen, für uns zum Schaden wird, weil diese Segnungen uns den Geber verdecken. Gott muss immer zwischen uns und der Gabe Gottes stehen. Je mehr der Reichtum wächst, desto grösser wird die Gefahr (Ps 62,11). Grundsätzlich zeigt uns das Wort, dass die Güter dieser Welt für den christlichen Wandel keine Hilfe sind, aber der Arme, der nach Reichtum strebt, ist in einem noch schlimmeren Zustand. Wenn uns Gott von heute auf morgen Reichtum gäbe, brauchten wir viel Bewahrung; aber wir brauchen sie auch, wenn wir nicht reich sind. Ob reich oder arm, sollten wir uns darin üben, dass unsere Herzen im Herrn unseren gemeinsamen Schatz finden.