Der erste Brief an Timotheus (4)

1. Timotheus 1,17

Vers 17

Dieser Vers unterstreicht den Grundzug des Briefes bezüglich der Art und Weise, in der Gott uns darin gezeigt wird. Gott ist uns hier nicht als unser Vater vorgestellt, ausser im Gruss des zweiten Verses. Auch werden die Heiligen hier nicht als Kinder Gottes oder als Glieder des Leibes Christi gesehen. Gott und der Mensch, Gott und die Menschen, die Wesenszüge Gottes im Gegensatz zu denen der Menschen in ihrem sündigen, hinfälligen und befristeten Dasein, das ist es, was dieser Brief vor die Augen führt. Er entwickelt auch nicht das Vorrecht der christlichen Stellung.

Der Lobpreis des 17. Verses ist geprägt durch die Grösse dieses Gottes, der in dieser Weise dargestellt wird, angesichts des Zustandes, in dem der Mensch sich befindet. Das führt den Heiligen so recht vor Augen, wer der ist, der ihnen das Recht gibt, Kinder Gottes zu heissen, ein Recht, das sie durch Gnade erhalten haben. Die Herrlichkeit dieses Gottes, der sich nicht schämt, ihr Gott genannt zu werden (Heb 11,16), ist ein Gegenstand, der alle Gotteskinder beschäftigen sollte. Dieser Gott ist ihr Gott. Was die Grösse und die Bedeutung dieses Lobpreises hervorhebt, ist der Gegensatz zwischen der Art, wie Gott sich im Alten Bund gezeigt hat und dem Evangelium, in dem der unsichtbare Gott offenbart worden ist.

Gott ist von allem Anfang an gegenwärtig (1. Mo 1,1), zu allen Zeiten, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft. Er tut wunderbare Dinge in allen Zeitaltern. Welche Grösse! Diese Grösse erscheint in ihrer Erhabenheit vor allem dann wunderbar, wenn man sie im Licht des göttlichen Heilsplanes betrachtet, den Er zur Ausführung brachte. Wie hat Er sich dadurch verherrlicht, dass Er uns errettete! Wenn wir darüber nachdenken, können wir nicht anders, als uns in Anbetung vor dem ewigen Gott niederzubeugen, der zu unserem Segen so Wunderbares gewirkt hat. Ihm, der in Christus unser Vater geworden ist, sei ewig Dank gebracht! (Kol 1,12; 3,17; 1. Thes 5,17).

Wir können Gott loben für das, was Er ist und was Er für uns tat, und besonders dafür, dass Er uns in die gesegnete Stellung von Kindern Gottes gebracht hat. Der Vater sucht solche, die Ihn in Geist und Wahrheit anbeten. Diese Anbeter vergessen nicht, dass der, den sie als Vater anbeten, der Gott ist, der sie errettete, der zu allen Zeiten derselbe ist. Schon bevor Er sie in diese Beziehung brachte, war Gott der Unveränderliche, Ewigseiende. Er ist der erhabene Herrscher über die Zeitalter. Er verfügt über sie nach seinem Belieben in den verschiedenen Haushaltungen, die Er nach seinem Wohlgefallen eingesetzt hat. Aber wir loben Ihn als den, für den die Zeit nicht existiert. Die Zeit ist für Ihn nur eine Einschaltung inmitten der Ewigkeit. Welche Gnade, Gott ausserhalb einer momentanen Zeitepoche zu kennen! Das übersteigt die Reichweite unseres Verstandes. Wir verneigen uns vor der Erhabenheit dieser Tatsachen, doch können wir Gott in seinen Wesenszügen, die uns in diesem 17. Vers gezeigt werden, weder erfassen noch ergründen. Um Gott zu verstehen, muss man Gott sein. Aber gerade das sehen die Besserwisser nicht ein.

Die ewigen Wesenszüge Gottes, die wir in diesem Vers finden, geben dem Glauben Stoff zu tiefem Nachdenken. Sie erhalten für das Herz einen hohen Wert, wenn wir daran denken, in welcher Weise Satan die Gedanken der Menschen über Gott so verwirrt hat. Satan gab den Menschen verdorbene, sichtbare und zahlreiche Götter. Hier aber werden die Wesenszüge Gottes aufgezeigt, die unabhängig von allen Epochen und Zeitaltern bestehen bleiben. Dieser Vers stellt uns die unvergleichliche Grösse und erhabene Herrlichkeit Gottes vor. Er ist ein Gott, dessen unermessliche Barmherzigkeit und Gnade sich auch gegenüber allen Menschen zeigt. Aber in sich selbst ist Er ein Gott voller Herrlichkeit und Majestät. Das Betrachten dieser Wesenszüge führt uns die eigene Kleinheit vor Augen und erhält uns demütig, gibt uns aber gleichzeitig Vertrauen und Glauben in diesen Gott, der unser Vater ist. Wir finden in diesem Vers unter den Titeln, die Gott gegeben werden, nicht einen einzigen Ausdruck, der von Beziehung redet, wie zum Beispiel «HERR» oder «Vater», wie Er sich an vielen anderen Stellen nennt. Hier wird uns die wunderbare Herrlichkeit Gottes vorgestellt, der den Menschen gegenüber reich ist an Gnade und Barmherzigkeit. Durch alle Jahrhunderte hindurch, von Ewigkeit zu Ewigkeit, steht Er über allem in immerwährender Erhabenheit. Wenn Er für uns sichtbar ist, so nur in der Person des Sohnes seiner Liebe, der eine sichtbare Gestalt angenommen hat, um Ihn kundzutun (Johannes 1,18). Ausserhalb dieser Offenbarung kann kein menschliches Auge die Vollkommenheit Gottes wahrnehmen.

In diesem 17. Vers steht Er in all seiner Grösse, in all seiner Majestät vor unseren Herzen, und wir vereinen unsere schwachen Stimmen im Lobgesang des Apostels: «Ihm sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.» Wir haben im praktischen Leben nur eine schwache Empfindung für diese Grösse und Herrlichkeit. Vieles würde in den Versammlungen nicht geschehen, wenn wir ein aufrichtigeres und völligeres Bewusstsein der Herrlichkeit Gottes hätten. Er ist ja inmitten der Seinen, wie uns unter anderem in 1. Korinther 14,33 gesagt wird. Dieser Gegenstand ist so wichtig, dass Gott durch sein Wort unsere Aufmerksamkeit immer wieder auf seine Herrlichkeit lenkt. Weil die Israeliten dieses Bewusstsein und die Ehrfurcht vor dieser Herrlichkeit, der Herrlichkeit der Gegenwart Gottes im Heiligtum, nicht hatten, liessen sie sich einst dazu verleiten, so viele Fehler zu begehen (vgl. Hesekiel 1). Es ist gut für uns, mit der Gnade unseres Heiland-Gottes beschäftigt zu sein. Aber es ist auch wichtig, an seine Herrlichkeit zu denken, sie zu erkennen, zu bewundern, zu verehren und anzubeten.

Gott allein kann uns das Empfinden für das geben, was Er ist. Durch das Wort und den Geist können wir erkennen und geniessen, was Gott ist. Der Unbekehrte und der mangelhaft befestigte Christ mögen versuchen, Gott in der Schöpfung oder auf jede an andere Weise zu ergründen. Wie viele Seelen erfinden einen Gott nach ihren eigenen Gedanken; alle Philosophen tun das. Aber im 17. Vers stellt sich der allein wahre Gott vor die Seele. Vor Ihm beugt sie sich nieder und schweigt, ergriffen von der Unendlichkeit der Herrlichkeit Gottes. Der Genuss der Gegenwart Gottes bewirkt immer dieses heilige Bewusstsein.

Nicht mit unserem Geist können wir ergründen, was Gott ist (vgl. Hiob 11,7). Als Mose sagte: «Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!», liess Gott sie zwar vor ihm vorübergehen, aber nicht ohne ihn zuvor in Sicherheit gebracht zu haben. Mose konnte die Herrlichkeit Gottes nicht in ihrer Fülle einschätzen; kein Mensch vermag dies zu tun. Wir geniessen, was Gott ist, wenn wir Ihn durch Glauben betrachten und uns vor Ihm niederbeugen. Möge niemand Gott ergründen wollen; das wäre Torheit und Hochmut. Doch ist es aller Mühe wert, seine Herrlichkeit in Christus zu betrachten und Ihm zu huldigen. Das ist unser Platz, wie er uns als Geschöpfe und auch als Erlöste geziemt.

Gott, der uns errettet hat, ist der unverwesliche, alleinige Gott. Der Gott der Juden ist auch der Gott der Christen. Er hat nichts von seinen Rechten und Herrlichkeiten abgetreten. Bei Ihm gibt es keine Veränderung, noch den Schatten eines Wechsels. Wir kennen diesen Gott, geniessen Ihn und preisen seine ewigen Herrlichkeiten für und für, wir, die Gegenstände seiner Gnade. In dem Wohlgeruch, den wir Gott darbringen, muss der Lobpreis seines ewigen Lebens, seiner ewigen Herrlichkeit und vor allem seiner Gnade enthalten sein. Wir müssen darauf beharren, denn wir könnten meinen, um Gott zu ehren genüge es, an Ihn zu denken. Aber wir sind unfähig, so an Gott zu denken, wie es sich gehört. Die Gedanken des Menschen über Gott reichen nicht weit. In Römer 1,23 sehen wir die Ergebnisse der Gedanken des Menschen über Gott.

Die Darstellung der Wesenszüge Gottes im 17. Vers ist auch ein Appell an unser Gewissen. Der Vers zeigt uns nicht nur seine Grösse, sondern auch sein sittliches Wesen: Er ist der alleinige, unverwesliche Gott. Das schliesst den Menschen gänzlich aus, und das Bewusstsein der Herrlichkeit Gottes müsste uns zerschmettern, wenn nicht das ganze Wort Gottes uns überall versicherte, was dieser starke Gott für Sünder, wie wir es waren, tun wollte: Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes geworden sind; sonst müsste Er uns vernichten. Was wir zur Freude unserer Seelen und zum Frieden unserer Herzen von Gott erkennen, gründet sich allein auf die Aussagen Gottes in seinem Wort.

Wie nötig ist es, den Herrn zu bitten, dass wir verständige Anbeter werden, die mit geöffneten Augen die Offenbarung betrachten, die Er uns von sich gegeben und uns vorbehalten hat! Nur das hält uns an unserem Platz fest. Gott wird seine Herrlichkeit nie einem anderen geben. Welch ein Glück, dass dem so ist! In dieser demütigen Haltung, die für uns angebracht ist, an diesem Platz, an den die Betrachtung eines solchen Gottes uns versetzt, erkennen wir Ihn als einen Gott, der nicht fern, sondern nahe ist. Wie unergründlich Er auch sein mag, der Erlöste kennt und geniesst Ihn. Was könnte der Gläubige noch wünschen, da er doch diesen Gott zur Seite und vor Augen hat? Das Bewusstsein der Grösse Gottes verdrängt für den Glauben alles andere, alles, was der Welt angehört. Das ist es, was die Gotteskinder alle kennzeichnen sollte.