Gott siedelt ihn in das Land um
Wie verhält sich Gott, wenn Er nun sieht, wie Abraham in Haran stecken bleibt, statt den erhaltenen klaren Befehl völlig auszuführen?
Ist es nicht auffallend, dass die Worte in Apostelgeschichte 7,3, die der HERR schon in Ur an Abraham richtete, hier im 1. Buch Mose im Anschluss an den Bericht: «und Tarah starb in Haran» erwähnt werden? «Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde» (1. Mo 12,1). Ob Gott diese Aufforderung in Haran wiederholte oder nicht, so hat Er doch dafür gesorgt, dass Abraham jetzt mit Macht daran erinnert wurde. Besonders eindrücklich wird ihm nun: «Geh aus dem Haus deines Vaters.»
Gott vergisst nicht, dass Abraham trotz seiner fünfundsiebzig Jahre noch jung im Glauben ist, und Er ist langmütig gegen ihn. Doch wacht Er darüber, dass Abraham sein Wort wirklich befolgt und an dem Ziel ankommt, das Er ihm gesteckt hat. «Von dort siedelte Gott ihn um, nachdem sein Vater gestorben war, in dieses Land», sagt Stephanus. Sein Wille, seine Fürsorge, seine Gnade, seine Erziehungswege mit Abraham haben dies zustande gebracht.
Wie gut, dass Gott auch uns sein Wort immer wieder vorstellt! Er ist es, der durch dieses und durch seinen Geist in uns «wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken, zu seinem Wohlgefallen.» Doch gerade dieses Bewusstsein wird uns anspornen, Ihm gehorsam zu sein, seinem Ziel nachzujagen, das Er uns vor die Augen stellt, und so unser eigenes Heil mit Furcht und Zittern zu bewirken (vgl. Phil 2,12.13).
Gottes Absichten mit Abraham
Jeder Schritt im Glaubensgehorsam ist mit Segnungen verknüpft. Gerade im Leben Abrahams sehen wir dies sehr deutlich. Wenn er sich nun anschickt, Haran zu verlassen und ins Land zu ziehen, so gibt ihm der HERR zu seiner Ermunterung eine Fülle von Verheissungen (1. Mo 12,2.3).
Er sagt zu ihm: «Ich will dich segnen und will deinen Namen gross machen; und du sollst ein Segen sein!» Das waren einerseits persönliche Verheissungen an Abraham, die sich von jetzt an in seinem Leben erfüllten. Es wurde ihm Reichtum und Ehre zuteil; sein Ansehen wuchs und die Menschen begegneten ihm wie einem Fürsten. Vor allem aber genoss er auf dem Weg des Glaubens, bei seinem Wandel mit Gott, den er begonnen hatte, immer grössere geistliche Segnungen. Das Zeugnis seines Lebens, seiner Worte und Taten, wurde daher zu einem Segen für die Menschen um ihn her, in weitem Umkreis.
Anderseits werden sich diese Verheissungen noch in anderer Weise erfüllen. Der HERR sagt hier zu Abraham: «Ich will dich zu einer grossen Nation machen.» Verschiedene Männer jener Zeit wurden Väter von Völkern – zum Beispiel Ismael, Moab, Ammon. Abraham aber sollte der Stammvater Israels, des irdischen Volkes Gottes werden. Diesem Volk wollte Er sich offenbaren und ihm seine Aussprüche anvertrauen (Röm 3,2), an ihm wollte Er sich durch grosse Wunderwerke verherrlichen und es im Land Kanaan segnen. Von da aus sollte Israel unter den götzendienerischen Nationen ringsumher ein Licht und ein Segen sein. – Wegen der grossen Untreue des Volkes werden die herrlichen Verheissungen an Israel aber erst im Tausendjährigen Reich Wirklichkeit werden, wenn es Christus aufgenommen haben wird. Dann werden «in ihm gesegnet werden alle Geschlechter der Erde».
Dass Gott gerade Abraham zum Stammvater seines Volkes wählte, geschah deshalb, weil Er ihn zum Voraus als den erkannte, der selber in Treue vor Ihm wandeln und auch seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehlen würde, den Weg des HERRN zu bewahren. (Siehe 1. Mo 18,19; Neh 9,7.8; Jes 41,8.)
Abraham wohnt im Land, das ihm Gott gezeigt hat
Wieder macht Abraham seine Karawane reisefertig. Er ist jetzt entschlossen, Haran zu verlassen und ins Land zu ziehen, in das ihn Gott beruft. Diesmal stellt er sich an die Spitze des Zuges; nicht mehr Tarah ist der Führer. So muss es sein. Wer im Glauben vorangehen will, darf nicht von Menschen abhängig sein, sondern muss direkt von Gott geleitet werden. Er nimmt auch Lot mit, obwohl er keinen ausdrücklichen Auftrag hat dazu. Es ist immerhin nur sein Neffe, der ihn auf dem Weg des Glaubens nicht aufhalten wird.
«Und sie kamen in das Land Kanaan. Und Abram durchzog das Land bis zum Ort Sichem, bis zur Terebinthe Mores. Und die Kanaaniter waren damals im Land. Und der HERR erschien Abram und sprach: Deiner Nachkommenschaft will ich dieses Land geben» (1. Mo 12,5-7).
Diese Verse enthalten zwei Tatsachen, die für den Unglauben, der nur auf das Sichtbare und auf das Gegenwärtige sieht, enttäuschend und unannehmbar wären. In einem solchen Unglauben hätte sich Abraham nun gefragt: Weshalb habe ich so viele Opfer gebracht, so vieles aufgegeben und zurückgelassen? Warum habe ich die unzähligen Mühen, Schwierigkeiten und Gefahren einer schier endlosen Reise auf mich genommen? Um hier ein Land zu finden, worin die Kanaaniter wohnen und ihre Besitzerrechte geltend machen! Ein Land, das nicht mir, sondern später einmal meinem Nachkommen (den ich noch gar nicht habe) gegeben werden soll!
Aber Abraham urteilt anders. Diese beiden Tatsachen, von denen er erst jetzt Kenntnis erhält, vermögen sein Vertrauen in den «Gott der Herrlichkeit» nicht zu erschüttern. Er denkt gar nicht an sein irdisches Vaterland zurück, von dem er ausgegangen ist, und befasst sich nicht mit dem Plan, dahin zurückzukehren.
Nach Hebräer 11,8-16 muss ihm Gott jetzt oder später einmal ein «besseres, das ist himmlisches Vaterland» gezeigt und von einer «Stadt» gesprochen haben, «die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist», von einer Stadt, die Er schon den Gläubigen jener Tage «bereitet hat».
Von dem Augenblick an, da ihm dies offenbart wurde, begann Abraham nach jenem besseren Vaterland zu trachten und jene wunderbare Stadt, die auf der Erde nicht ihresgleichen hat, zu erwarten.
Zelt und Altar
In Hebräer 11, der soeben angeführten Stelle, wird im Rückblick auf das ganze Leben Abrahams zusammengefasst, was den Inhalt seines Glaubens ausmachte und welche praktischen Auswirkungen daraus hervorgingen. Doch auch sein Glaube hatte einen Anfang, musste wachsen und sich entwickeln (vgl. 2. Kor 10,15; 2. Thes 1,3).
Umso bemerkenswerter ist es, dass im Land der Verheissung von Anfang an «Zelt und Altar» seinen Glaubensweg kennzeichnen (1. Mo 12,7.8; 13,3.4; 13,18). Kaum ist der HERR ihm im Land erschienen, zieht er daraus sofort die entsprechenden Konsequenzen. Dass Gott ihm persönlich darin keinen Fussbreit Boden als Erbe geben will (Apg 7,5), nimmt sein Glaube willig an. Er hat volles Genüge an Ihm und am Teil, das Er ihm in Aussicht stellt. Sogleich baut er dem HERRN, der ihm dort erschienen ist, einen Altar: Er hat Gemeinschaft mit Ihm und mit seinen Gedanken, und er betet Ihn an.
Dort schlägt er auch sein Zelt auf (1. Mo 12,8). Seine Beziehung zu Gott bestimmt auch seine Beziehung zu jenem Land und zur Welt der Menschen. Im Land, das erst seiner Nachkommenschaft zum Erbteil gegeben werden wird, tritt er nicht als Besitzer auf, sondern als Pilger und Fremdling, und mit dem System der Welt hat er keine Gemeinschaft.
Doch, beachten wir es, Zelt und Altar gehören zusammen. Lot wohnte auch «in Zelten», aber wir hören nicht, dass dieser «Gerechte» dem HERRN je einen Altar gebaut hätte. Ohne Altar aber wird das Zelt zu einer Äusserlichkeit, zu einer Formsache, die uns nicht zu schützen vermag: Lot schlug Zelte auf bis nach Sodom und zuletzt vertauschte er sie mit einem festen Haus in jener Stadt.
Abraham ist für uns, die wir nicht mit irdischen, sondern mit geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern gesegnet sind, ein schönes Beispiel. Möchten auch uns auf dieser Erde «Zelt und Altar» kennzeichnen, bis zu dem Tag, an dem wir als Versammlung mit dem «Erben aller Dinge» vereint werden und Er die Herrschaft über «die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit» antreten wird!