Er sendet seinen Knecht, um seinem Sohn eine Frau zu nehmen
1. Mose 24
Die tiefere Bedeutung der in diesem Kapitel geschilderten Geschehnisse kann eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Ablauf der prophetischen Ereignisse erfasst werden, der im Leben Abrahams bildlich dargestellt wird. Diese prophetischen Hinweise sollen ja in einem Schlussabschnitt zusammengefasst werden, doch mag es gut sein, noch einen Augenblick bei den praktischen Belehrungen dieses Kapitels stehen zu bleiben.
Abraham handelt hier für seinen Sohn, der schon vierzig Jahre alt ist (1. Mo 25,20). Im jetzigen Zeitlauf der Welt, in dem auch die elterliche Autorität abgewertet ist, scheint dies manchem Leser unbegreiflich, und es mag nützlich sein, an einen einfachen Grundsatz des Wortes zu erinnern.
Der junge Mensch, der junge Gläubige wird am Anfang seines Lebensweges vor wichtige Entscheidungen gestellt, deren Auswirkungen sich auf sein ganzes späteres Leben erstrecken, denken wir nur an die Fragen der Ausbildung, an die Berufswahl, an die Gründung eines eigenen Hausstandes. Soll er da, dem heutigen Zeitgeist folgend, alles selber entscheiden, obwohl er mit zwanzig oder dreissig Jahren erst am Anfang seiner Erfahrungen steht? Gottes Wort sagt ihm: «Ehre deinen Vater und deine Mutter (was auch das Hören auf die Eltern miteinschliesst) … damit es dir wohl ergehe und du lange lebest auf der Erde» (Eph 6,2.3). «Höre, mein Sohn, die Unterweisung deines Vaters, und verlass nicht die Belehrung deiner Mutter!» (Spr 1,8). Gewiss, Gott gibt ihm die Verheissung: «Ich will dich unterweisen und dich den Weg lehren, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich richtend, will ich dir raten» (Ps 32,8). Aber wird Er dabei sein eigenes Wort übersehen, das den jungen Gläubigen ermuntert, auf den Rat gottesfürchtiger Eltern zu achten, die bestrebt sind, dem Herrn in Treue nachzufolgen?
Abraham, der hier am Ende seines Lebens voller Ereignisse und Erfahrungen mit Gott steht, ist ein solcher Vater. Isaak hat alle Ursache, auf ihn zu hören und ihm zu vertrauen. Seit ihn Gott aus Mesopotamien berufen und in dieses Land umgesiedelt hat, ist sein Glaube durch mancherlei Versuchungen erprobt und gefestigt worden. Mehr denn je sind die göttlichen Verheissungen die Wirklichkeiten, auf die er sich stützt und auf deren Erfüllung er wartet. Gott selbst hat ihm und seiner Nachkommenschaft ein herrliches Ziel gesteckt, und von diesem Ziel will er – auch im Blick auf seine Nachkommen – unter keinen Umständen abweichen. Er sah für sich selbst eine grosse Verantwortung darin, «seinen Kindern und seinem Haus nach ihm zu befehlen, damit sie den Weg des HERRN bewahren, Gerechtigkeit und Recht auszuüben, damit der HERR auf Abraham kommen lasse, was er über ihn geredet hat» (1. Mo 18,19), und Gott hat diese Haltung völlig anerkannt und gutgeheissen.
In diesem Zusammenhang legt sich nun dem greisen Patriarchen das grosse Problem aufs Herz: Wo ist für Isaak die passende Frau zu finden? Schon zu Noahs Zeiten war es in der Welt üblich, dass Kinder verheiratet wurden (Mt 24,38), aber Abraham handelte nicht einfach nur nach diesem Brauch. Sein Hauptanliegen war, dass Isaak mit Frau und Kindern den Weg der Verheissung, «den Weg des HERRN» fortsetzte und bewahrte.
Er lässt den bewährten, gläubigen Knecht seines Hauses, der alles verwaltete, zu sich kommen und sagt zu ihm: «Lege doch deine Hand unter meine Hüfte, und ich werde dich schwören lassen bei dem HERRN, dem Gott des Himmels und dem Gott der Erde, dass du meinem Sohn nicht eine Frau nehmen wirst von den Töchtern der Kanaaniter, in deren Mitte ich wohne; sondern in mein Land und zu meiner Verwandtschaft sollst du gehen und meinem Sohn Isaak eine Frau nehmen.»
Der Knecht denkt an die Möglichkeit, dass die junge Frau Mesopotamien vielleicht nicht verlassen und ihm nicht in das Land Kanaan folgen will, und er stellt die Frage, ob er in diesem Fall Isaak in das Land zurückbringen soll, das Abraham verlassen hat. «Da sprach Abraham zu ihm: Hüte dich davor, meinen Sohn dorthin zurückzubringen!»
Mit einem Eid muss der Knecht versprechen, dass er den Willen seines Herrn in diesen beiden Punkten strikte beachten wird: Er soll Isaak eine Frau aus der Verwandtschaft Abrahams nehmen, die den Namen des HERRN kennt und nicht zu den götzendienerischen Kanaanitern gehört, die Gott austreiben wird. Ferner soll es eine Frau sein, die die Segnungen und Verheissungen des HERRN so hoch einschätzt, dass sie, wie einst Abraham, bereit ist, Land, Verwandtschaft und Vaterhaus zu verlassen, um diese zu erlangen. Diese geistliche Entschiedenheit Abrahams kam seinem Sohn zugut. Hätte Isaak, auf sich selbst gestellt, mit ebensolcher Entschiedenheit auf diese beiden Voraussetzungen geachtet?
Wie gut, wenn auch heute der junge Gläubige auf den «Rat der Alten» hört und für sich selbst die Entschiedenheit Abrahams beweist, indem er sich nur mit einem Kind Gottes verbinden will, und zwar mit einem solchen, in dessen Herzen die himmlischen Segnungen den ersten Platz einnehmen.
Wie Gott zu leiten vermag
So zieht der gottesfürchtige Knecht denn hin, um seine schwere Aufgabe auszuführen, die er unmöglich ohne Gottes Hilfe lösen kann. Er weiss, dass er mit ihr rechnen darf, weil er sich auf Gottes Weg befindet, und er unterstellt sich ganz seiner Führung.
Er kommt mit seiner Karawane ins Land und zur Stadt Nahors, zu der ihn Abraham gewiesen hat. Bei der Wasserquelle draussen vor der Stadt lässt er die Kamele lagern. Hier ist der Treffplatz der Schöpferinnen. Es ist Abendzeit, und bald werden sie mit ihren Krügen herauskommen.
Nun ist er an dem Punkt angelangt, wo ihm Gott wieder weiterhelfen muss. Hat der Gläubige einen Schritt im Glauben getan, so mag der nächste noch verborgen sein; aber der Herr will ihm Licht geben. Der Knecht handelt hier ganz im Sinn seines Meisters, wenn er sich im Gebet zu Gott wendet und sagt: «HERR, Gott meines Herrn Abraham, lass es mir doch heute begegnen, und erweise Güte an meinem Herrn Abraham! Siehe, ich stehe bei der Wasserquelle, und die Töchter der Leute der Stadt kommen heraus, um Wasser zu schöpfen. Möge es nun geschehen, dass das Mädchen, zu dem ich sagen werde: Neige doch deinen Krug, dass ich trinke, und das sagen wird: Trinke, und auch deine Kamele will ich tränken, dass es diejenige sei, die du für deinen Knecht, für Isaak, bestimmt hast. Und daran werde ich erkennen, dass du Güte an meinem Herrn erwiesen hast.» Der Gläubige des Alten Bundes erbat sich oft sichtbare Zeichen von Gott, um seinen Weg zu erkennen; er besass ja noch nicht den Heiligen Geist, der ihn auch ohne solche Zeichen leiten konnte.
«Und es geschah, er hatte noch nicht ausgeredet, siehe, da kam Rebekka heraus, die Bethuel geboren war, dem Sohn der Milka, der Frau Nahors, des Bruders Abrahams», und sie verhielt sich genau so, wie der Knecht es sich im Gebet erfleht hatte, ohne dass sie seine Worte kannte! – Ja, Gott vermag dem, der seinen Weg gehen will, klare Weisung zu geben. Wir verstehen es, dass der Knecht sich vor Ihm niederwirft und sagt: «Gepriesen sei der HERR, der Gott meines Herrn Abraham, der von seiner Güte und seiner Wahrheit nicht abgelassen hat gegen meinen Herrn! Mich hat der HERR auf den Weg zum Haus der Brüder meines Herrn geleitet.»
Weil der Knecht Abrahams so offensichtlich von Gott geleitet war, wurden auch die anderen Beteiligten davon überzeugt, dass «die Sache von dem HERRN ausgegangen war», und sie endete damit, dass der Knecht Abrahams schon anderntags aufbrechen und Rebekka dem Sohn seines Herrn zuführen konnte. – Wir sind uns oft zu wenig bewusst, wie der, der in wirklicher Abhängigkeit vom Herrn lebt, auch auf andere einen gesegneten Einfluss ausübt!
Isaak führte Rebekka in das Zelt seiner Mutter und hatte sie lieb. So war denn der Entschluss Abrahams, den er im Blick auf Isaak im Glauben gefasst hatte, Wirklichkeit geworden. Die Möglichkeit war nun gegeben, dass auch «sein Haus nach ihm» den Weg der Verheissungen Gottes in Treue fortsetzen konnte.
Die letzten Jahre Abrahams
1. Mose 25
Mit der Verheiratung Isaaks im verheissenen Land, die drei Jahre nach dem Ableben Saras stattfand, hat die eigentliche Lebensaufgabe Abrahams ihren Abschluss gefunden. Dem Patriarchen war es nun noch die grösste Sorge, dass Isaak, den Gott allein zum Nachkommen und zum Erben der Verheissung bestimmt hatte, auch wirklich in den ganzen Segen eintreten konnte, den der HERR ihm, dem Vater, gegeben hatte. Er «gab Isaak alles, was er hatte» (1. Mo 24,36; 25,5). Weder Ismael (1. Mo 21,10) noch die übrigen Söhne, die ihm noch geboren werden sollten, durften das Erbe Isaaks schmälern. Ihnen gab «Abraham Geschenke; und er liess sie, während er noch lebte, von seinem Sohn Isaak wegziehen nach Osten, in das Land des Ostens» (1. Mo 25,6).
Abraham fühlte sich zwar schon alt und hochbetagt, als er beschloss, seinem Sohn eine Frau zu nehmen (1. Mo 24,1), aber noch sollten fünfunddreissig Jahre vergehen, bis er «zu seinen Völkern versammelt» werden würde. Dürfen wir es ihm da verargen, dass er sich wieder verheiratete und ihm noch mehrere Söhne geboren wurden? Auffallend ist jedoch, dass er Ketura, seine rechtmässige Frau, nur als seine Nebenfrau betrachtete (1. Mo 25,6; 1. Chr 1,32). Aber weil die Ehe mit Sara mit den Verheissungen Gottes im Zusammenhang stand, hatte sie für sein Herz eine grössere Bedeutung als die einstige Verbindung mit Hagar oder die jetzige Ehe mit Ketura. Die Söhne dieser Nebenfrauen durften nicht mit dem Sohn Saras erben.
Als nun die Tage der Lebensjahre Abrahams die hohe Zahl von 175 Jahren erreichten, verschied und starb er «in gutem Alter, alt und der Tage satt», ein Ausdruck, der im Wort auch beim Hinschied Isaaks, Davids, des frommen Priesters Jojada und Hiobs gebraucht wird. Dieser beneidenswerte Zustand findet sich nur am Lebensende von Gläubigen, die gelernt haben, auf Gott zu vertrauen (Spr 28,25), seine Güte zu geniessen (Ps 90,14) und seiner zu gedenken (Ps 63,6.7). Wer in seinem Leben auf der Erde Gott in dieser Weise kennen gelernt hat, verliert nichts, wenn er die Augen in dieser Welt für immer schliesst. Denn wenn er «erwacht», wird er sein Angesicht schauen in Gerechtigkeit und wird «gesättigt werden mit seinem Bild» (Ps 17,15).
Wir haben Abraham nun vom Tag seiner Berufung an bis zum Ende seiner Laufbahn auf der Erde begleitet. Auf ihn lässt sich das Wort aus Sprüche 4,18 anwenden: «Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe.» Wir gehören nicht zu seinen Nachkommen «vom Gesetz», sondern zu «dem vom Glauben Abrahams» (Röm 4,16). Möge uns denn sein Leben des Glaubens zur Ermunterung und zum Ansporn sein!