Die Geburt Isaaks, des Sohnes der Verheissung
1. Mose 21,1-8
Fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seit der HERR Abraham zum ersten Mal einen Nachkommen verheissen hat. Eine lange Zeit für den Patriarchen, der sich in dieser Hinsicht einzig auf das Versprechen des HERRN stützen kann! Denn in der Natur oder im Sichtbaren zeigten sich keinerlei Anzeichen, die die Verheissung bestätigten. Im Gegenteil, Sara blieb unfruchtbar, und sie beide überschritten bei weitem das Alter, in dem sonst ihre Zeitgenossen Eltern wurden.
Für den Unglauben, dessen Götter die Naturgesetze sind, war es ausgemacht, dass sich diese Verheissung nicht erfüllen konnte. Abraham aber war es gegeben, bis zu dem Augenblick im Glauben auszuharren, an dem sie Wirklichkeit wurde. Gewiss, es gab Zeiten, in denen er den Blick vom Herrn abwandte und in die Wasser des Zweifels zu sinken begann, wie in der Sache mit Hagar und Ismael; und auch Sara lachte einmal im Kleinglauben. Aber Gott, der in unseren Herzen liest, gab ihnen durch sein Wort mehrmals eindrückliche Bestätigungen seiner Verheissung und ermunterte sie dadurch zum Ausharren.
Wie gut, dass es im Herzen Gottes selbst kein Auf-und-nieder gibt! Er redet nicht nur von Zusagen, Er sagt nicht nur «ja», sondern fügt zu seiner Zeit auch das «Amen» dazu: «Denn so viele der Verheissungen Gottes sind, in ihm ist das Ja, darum auch durch ihn das Amen» (2. Kor 1,20). Auch in unserem Schriftabschnitt hebt der Heilige Geist dies dreimal deutlich hervor: «Und der HERR wandte sich Sara zu, wie er gesagt hatte, und der HERR tat Sara, wie er geredet hatte. Und Sara … gebar Abraham einen Sohn in seinem Alter, zu der bestimmten Zeit, von der Gott zu ihm geredet hatte.»
So sehr der Glaube die Verheissung in Hoffnung schon zum Voraus geniesst, so bringt der Tag, an dem sie Wirklichkeit wird, doch noch grösseres Glück: Die Ankunft Isaaks erfüllt das Haus Abrahams mit tiefer Freude, einer Freude, die von Gott kam. Sara sagt: «Gott hat mir ein Lachen bereitet; jeder, der es hört, wird mit mir lachen … Wer hätte Abraham gesagt: Sara wird Söhne stillen! Denn ich habe ihm einen Sohn geboren in seinem Alter.» – Abraham anderseits vergisst in seiner tief empfundenen Dankbarkeit die Anweisungen Gottes nicht: Er gibt seinem Sohn den Namen Isaak, wie der HERR gesagt, und beschneidet ihn am achten Tag, wie Gott ihm geboten hatte. So viel an ihm liegt, will er seinen Sohn auf «den Weg des HERRN», auf den Weg des Gehorsams führen und an ihm das Zeichen des Bundes mit Gott vollziehen. Isaak hat aus dem Herzen Abrahams Gott nicht verdrängt; die erlebte Güte und Gnade treiben den Vater vielmehr an, umso mehr auf Ihn zu hören und Ihm zu dienen.
1. Mose 21,9-13
«Treibe diese Magd und ihren Sohn hinaus!»
Sara sieht Ismael, den Sohn Hagars, der Ägypterin, spotten. Bisher war er der alleinige Sohn Abrahams, und nun sieht er sich verdrängt durch Isaak, um den jetzt so viel Wesens gemacht wird. In diesem scheinbar geringfügigen häuslichen Zwischenfall tritt ein wichtiger göttlicher Grundsatz in den Vordergrund, den Sara mit den Worten zum Ausdruck bringt: «Treibe diese Magd und ihren Sohn hinaus; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn, mit Isaak!» Obwohl sie sonst ihrem Mann gehorcht und ihn «Herr» nennt (1. Pet 3,6), will sie in diesem Fall nicht nachgeben, weil es um den Willen Gottes geht.
Abraham hat hierüber nicht so viel Klarheit wie Sara, weil natürliche Gefühle seinen Blick verschleiern: «Die Sache war sehr übel in den Augen Abrahams um seines Sohnes willen.» Aber Gott selbst schaltet sich ein und spricht zu ihm: «Lass es nicht übel sein in deinen Augen wegen des Knaben und wegen deiner Magd; was immer Sara zu dir sagt, höre auf ihre Stimme; denn in Isaak soll dir eine Nachkommenschaft genannt werden.»
Diese Begebenheit wird zu einem eindrücklichen Bild, das später der Apostel durch Gottes Geist im Galaterbrief verwendet, um den jüdisch gesinnten Christen entgegenzutreten, die Gesetz und Gnade vermischten. In Galater 4,21-31 vergleicht er den Sohn der Magd mit dem Bündnis des Gesetzes, das am Sinai geschlossen wurde und zur Knechtschaft gebar. Alle, die unter Gesetz stehen oder unter Gesetz sein wollen, sind in Knechtschaft. Uns Christen aber vergleicht er mit Isaak, dem Sohn Saras, der Freien. Als nach dem Geist Geborene sind wir in Christus frei gemacht für die Freiheit, und wir können in dieser Freiheit leben, wenn wir im Geist wandeln und das Fleisch samt seinen Leidenschaften und Begierden als gekreuzigt betrachten. Aber die Kraft der freien Gnade in Christus kann sich nur dann in uns voll entfalten, wenn wir uns nicht wiederum unter Gesetz stellen und hierin entschieden sind, wie Sara, die zu Abraham sagte: «Treibe diese Magd und ihrem Sohn hinaus.»
Gottes Güte, gegenüber denen, die keinen Anspruch darauf haben
1. Mose 21,14-21
Abraham gehorcht und entlässt Hagar und Ismael. Es war ja nicht Gottes Absicht, ihm diesen Sohn zu geben; er bekam ihn auf einem Weg des Fleisches; nur Isaak war ihm verheissen. Aber weil die Sache nun so stand, weil Ismael der Nachkomme Abrahams war (Vers 13) und Abraham für ihn gebetet hatte, wollte ihn Gott zu einer grossen Nation machen. (Siehe auch 1. Mose 17,18.20).
Rührt es nicht unser Herz, zu sehen, wie Gott sein Versprechen gegenüber Ismael einlöst? Hagar irrt mit dem Knaben in der Wüste umher. Das Wasser geht aus. Der Knabe verschmachtet vor Durst. In Verzweiflung wirft sie ihn unter einen der Sträucher, wendet sich von ihm ab und setzt sich in der Hitze hin, ratlos und traurig, um sein Sterben abzuwarten. – Kann es einen Zustand grösseren Elends geben?
In dieser Szene äusserster menschlicher Not offenbart sich Gottes Gnade in ergreifender Weise. Hat Er Abraham nicht versprochen, sich Ismaels anzunehmen? Nun ruft sein Engel Hagar vom Himmel zu: «Was hast du, Hagar?» Er kennt ihren Standort und ihren Namen, wie auch ihre Bedürfnisse und Er will ihnen entsprechen. Er leitet Hagar zu einem Wasserbrunnen, den sie ohne Ihn nicht finden konnte, und nun kann sie dem Knaben zu trinken geben. Ismael wächst heran, wird ein Bogenschütze in der Wüste und entwickelt sich nach dem Versprechen Gottes an Abraham zum Stammvater seines Volkes, aus dem zwölf Fürsten hervorgehen (1. Mo 25,12-18). – Beachten wir jedoch, dass Hagar ihm, der nach dem Fleisch geboren wurde und das Bild eines Menschen unter der Knechtschaft des Gesetzes ist, eine Frau aus Ägypten nimmt: Fleisch, Gesetz und Welt gehen zusammen.
Die Hilfe, die Gott diesen beiden Menschen angedeihen liess, beschränkte sich auf ihr äusseres Wohl und Fortkommen. Auch heute noch lässt Er «seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte» (Mt 5,45); Er ist ein Erhalter aller Menschen. – Aber ist diese Szene nicht auch ein Bild dafür, wie Er dem Menschen in seiner geistlichen Not und seinem sittlichen Elend helfen und ihn zu Christus, der alleinigen Quelle des Heils führen will, die ins ewige Leben quillt?
Abraham ist ein Zeugnis im Land der Philister
1. Mose 21,22-34
Während wir im vorangegangenen Kapitel sehen mussten, wie der Name Gottes, sein Wort und der Weg der Wahrheit verlästert werden, wenn der Gläubige den Weg der Treue verlässt, sehen wir hier umgekehrt, wie das Zeugnis des Lebens dessen, der mit Gott wandelt, von den Kindern dieser Welt beachtet wird und einen tiefen Eindruck auf sie machen kann.
Nun kommen Abimelech und Pikol und sagen zu ihm: «Gott ist mit dir in allem, was du tust.» Sie suchen seine Gunst und wollen einen Bund mit ihm schliessen, um aus der Hilfe, die ihm Gott offensichtlich angedeihen lässt, Nutzen zu ziehen. Und weil Abraham jetzt so vor ihnen steht, kann er sie wegen ihres Tuns «zur Rede stellen». – Wie sollte dies auch zu uns reden, die wir noch eine Weile in der Welt gelassen sind, um in dieser sittlichen Finsternis ein Licht zu sein und den Menschen die frohe Botschaft des Heils zu bringen! Unser Zeugnis wird nur dann wirkungsvoll sein, wenn wir «sorgfältig wandeln», als Weise, und den Willen des Herrn suchen und tun (vgl. Eph 5,8-17).
Dieser Abschnitt hat aber auch einen prophetischen Sinn: Das von seinen Missetaten geläuterte Volk Israel wird unter den Nationen ein Zeugnis davon sein, dass Gott mit ihm ist, und sie werden sich ihm anschliessen wollen: «So spricht der HERR der Heerscharen: In jenen Tagen, da werden zehn Männer aus allerlei Sprachen der Nationen ergreifen, ja, ergreifen werden sie den Rockzipfel eines jüdischen Mannes und sagen: ‹Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.›» (Sach 8,23). – So wie Abraham hier die Quelle Beerseba zurückerhält, die ihm genommen worden war, so wird auch das Land Israel in der Zukunft bewässert werden: «Und es wird geschehen, an jenem Tag werden die Berge von Most triefen und die Hügel von Milch fliessen, und alle Bäche Judas werden von Wasser fliessen; und eine Quelle wird aus dem Haus des HERRN hervorbrechen und das Tal Sittim bewässern» (Joel 4,18). – Und wenn hier Abraham bei Beerseba eine Tamariske pflanzt, so erinnert uns dies an ein anderes Prophetenwort, das das Aufblühen Kanaans in der Zukunft schildert: «Die Wüste und das dürre Land werden sich freuen, und die Steppe wird frohlocken und aufblühen wie eine Narzisse. Sie wird in voller Blüte stehen und frohlocken, ja, frohlockend und jubelnd. Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht des Karmel und Sarons: Sehen werden sie die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unseres Gottes» (Jes 35,1.2). – Wahrlich, wie überströmend ist doch die Gnade Gottes gegen die, die zu Ihm zurückkehren!